Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Till Mansmann, Michael Theurer, Britta Katharina Dassler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/13345 – Nachnutzung stillgelegter kerntechnischer Anlagen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2015 einigten sich 197 Staaten im Rahmen des Pariser Abkommens, darauf hinzuarbeiten, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf „deutlich unter“ zwei Grad Celsius zu begrenzen und gleichzeitig Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius vorzunehmen (www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/klimaschutz-abkommen-vonparis .html). In diesem Zusammenhang ist geplant, die Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik Deutschland bis 2050 um bis zu 95 Prozent unter das Niveau von 1990 zu bringen (www.bmu.de/themen/klima-energie/klima schutz/nationale-klimapoltik/klimaschutzplan-2050/). Um diese Ziele zu erreichen, müssen insbesondere die energiebedingten Treibhausgasemissionen eine deutliche Minderung erfahren – diese machen etwa 85 Prozent der deutschen Emissionen aus. Hauptverursacher davon ist wiederum hälftig die Energiewirtschaft , also die öffentliche Strom- und Wärmeerzeugung, Raffinerien sowie Erzeuger von Festbrennstoffen. Deren spezifischer Kohlendioxid- Ausstoß geht seit Jahren konstant zurück – wurden 1990 noch 764 Gramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde ausgestoßen, waren es 2017 nur noch 489 Gramm, was eine Verminderung von rund 36 Prozent innerhalb von 27 Jahren bedeutet (www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energiebeding te-emissionen#textpart-1). Diese Rate wird jedoch nicht genügen und wurde zu großen Teilen durch die Substitution emissionsintensiver Braunkohlekraftwerke durch emissionsärmere Brennstoffe oder Kraftwerke mit höherem Wirkungsgrad erreicht. Mittel- bis langfristig muss es gelingen, den Anteil verschiedener Primärenergieträger zugunsten von möglichst kohlendioxidfreien Alternativen zu verändern (www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energie bedingte-emissionen#textpart-3). Mit dem 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes wurde der Atomausstieg in Deutschland beschlossen. Daher müssen nun emissionsarme Alternativen wie Wasser- oder Windkraft beziehungsweise Photovoltaik zunehmend den Energiebedarf des Bundes decken (Die Nachnutzung etwaiger aus der atomrechtlichen Überwachung entlassener Anlagen, Anlagenteile oder Flächen obliegt den jeweiligen Eigentümern.). Insbesondere die beiden Letztgenannten bedeuten einen Ausbau der fluktuierenden Stromerzeuger, woraus Probleme für den Strommarkt resultieren. Dessen Besonderheit ist, dass überschüssiges Angebot nur in geringen Mengen gespeichert und nicht entsorgt werden kann – ein flexibler Stromverbrauch Deutscher Bundestag Drucksache 19/13746 19. Wahlperiode 04.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 2. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. spielt daher eine zunehmend wichtige Rolle (www.bmwi.de/Redaktion/DE/ Artikel/Energie/strommarkt-der-zukunft-strom-2030.html; www.tab-beimbundestag .de/de/untersuchungen/u140.html). Gleichzeitig ist die Stilllegung und der Rückbau von kerntechnischen Anlagen ein äußerst zeitintensives und komplexes Verfahren – denn laut § 7 Absatz 1 des Atomgesetzes (AtG) bedarf es nicht nur zum Betrieb einer kerntechnischen Anlage einer Genehmigung, sondern auch zur Stilllegung, dem sicheren Einschluss und dem Abbau von Anlagen und Anlagenteilen im Sinne des § 7 Absatz 1 Satz 1 AtG, § 7 Absatz 3 AtG. Dieser aus Sicht der Fragesteller enorme bürokratische und finanzielle Aufwand sowie die speziellen Anforderungen im Sinne der Netzsicherheit legen nahe, dass eine Umwandlung der ehemaligen Stromerzeuger in Stromverbraucher strategisch sinnvoll wäre. Die stillgelegten Kernkraftwerke haben einen Anschluss an das Hochspannungsnetz und entsprechend niedrige Netzentgelte, Nutzungsrechte für Oberflächenwasser sowie eine hervorragende Infrastruktur. Anlagen zur Herstellung sogenannter E-Fuels mithilfe von überschüssigem Stromangebot könnten an dieser Stelle besonders kostengünstig in Betrieb genommen werden und einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Strommix des Bundes leisten. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung weist darauf hin, dass nach dem Ende des Leistungsbetriebs eines Atomkraftwerks Anlagen, Anlagenteile und Flächen weiterhin der Überwachung nach dem Atomgesetz und nach den strahlenschutzrechtlichen Vorschriften unterliegen, bis sie durch einen behördlichen Akt aus dieser Überwachung entlassen werden. Die Entlassung von Anlagen, Anlagenteilen und Flächen aus der Überwachung setzt unter anderem die Feststellung voraus, dass diesen keine kontrollbedürftige Aktivität oder spezifische Aktivität innewohnt . Die Stilllegungsgenehmigung nach § 7 Absatz 3 des Atomgesetzes (AtG) und etwa erhalten bleibende Teile der Betriebsgenehmigung bilden bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Überwachung nach dem Atom- und Strahlenschutzrecht den konkreten rechtlichen Rahmen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben anderweitig vorgesehene Nutzungen diesen Rahmen zu beachten. Für genehmigungsbedürftige nichtnukleare Nutzungen in der Nachbarschaft genehmigter nuklearer Anlagen ist die Rückwirkungsfreiheit der nichtnuklearen Nutzung auf die Einhaltung der atom- und strahlenschutzrechtlichen Schutzregelungen nachzuweisen. Dies gilt auch für genehmigungspflichtige Tätigkeiten auf bereits freigegebenen Flächen. 1. Ist nach Ansicht der Bundesregierung die Rücklagenbildung im Sinne des § 7 Absatz 2 des Entsorgungsfondsgesetzes (EntsorgFondsG) auch für die Realisierung einer Nachnutzung der Anlagen verwendbar, oder besteht hier eine Zweckbindung, beispielsweise durch § 10 Absatz 1 EntsorgFondsG? 2. Sollte eine Zweckbindung bestehen, kann hier von Interessenten gegebenenfalls eine Änderung beantragt werden? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Nach § 1 Absatz 2 EntsorgFondsG ist es Zweck des Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO), die Finanzierung der Kosten für die sichere Entsorgung der entstandenen und zukünftig noch entstehenden radioaktiven Abfälle aus der gewerblichen Nutzung der Kernenergie zur Erzeugung von Elektrizität in Deutschland zu sichern. Entsorgungskosten sind die Kosten der Zwischenlagerung und der Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie der damit zusammenhängenden Maßnahmen, die nach den Bestimmungen des Entsorgungsübergangsgesetzes , des Standortauswahlgesetzes, des Atomgesetzes Drucksache 19/13746 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. und der aufgrund des Atomgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen vom KENFO zu erstatten sind (§ 2 Absatz 2 EntsorgFondsG). Die Mittel des KENFO dürfen nur zur Erfüllung dieses Zwecks verwendet werden. Eine anderweitige Verwendung sieht das Gesetz nicht vor. 3. Wer haftet für genehmigte Standort-Zwischenlager – wie das vom Typ CASTOR der Anlage Biblis Block A und B – im Falle einer Nutzungsänderung der nichtatomaren Infrastruktur einer stillgelegten Anlage? Für genehmigte Standort-Zwischenlager trägt der Inhaber der atomrechtlichen Genehmigung gemäß § 7c Absatz 1 Satz 1 AtG die Verantwortung. Die Haftung für etwaige nukleare Schäden, die von der Anlage ausgehen, richtet sich nach den §§ 25 ff. AtG. Für nichtnukleare Infrastruktur ist zunächst maßgeblich, ob die fragliche Infrastruktur noch Gegenstand der atomrechtlichen Genehmigung ist. Solange dies der Fall ist, richten sich die Verantwortung und Haftung weiterhin nach den Vorschriften des AtG. Nach der Entlassung aus dem Geltungsbereich des Atomrechts bestimmt sich die Verantwortung nach dem allgemeinen und besonderen Verwaltungsrecht, die Haftung nach dem allgemeinen Deliktsrecht oder spezialgesetzlicher deliktischer Haftung. 4. Gibt es ein haftungsrechtliches Problem, wenn auf dem Werksgelände außerhalb der Zwischenlager ein anderer Gewerbebetrieb durchgeführt wird? Die atomrechtliche Haftung erstreckt sich nur auf die von der atomrechtlichen Genehmigung erfassten Anlagen, Anlagenteile und Flächen und von diesen ausgehenden Schäden. Außerhalb der von der atomrechtlichen Genehmigung erfassten Anlagen, Anlagenteile und Flächen bestimmt sich die Haftung nach dem allgemeinen Deliktsrecht oder spezialgesetzlicher deliktischer Haftung. 5. Ist es problematisch, wenn Schutzmaßnahmen im Sinne des § 6 Absatz 2 Satz 4 AtG sich nicht nur auf die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen, sondern mittelbar auch auf den Schutz von nichtatomarer Infrastruktur beziehen ? Nein, soweit die Sicherungsmaßnahmen nach § 6 Absatz 2 Nummer 4 AtG durch die Erstreckung nicht beeinträchtigt werden. Je nach Ausgestaltung der Sicherungsmaßnahmen kann die Erstreckung auf nichtnukleare Flächen oder Anlagen jedoch zur Einbeziehung dieser Flächen oder Anlagen in die atomrechtliche Überwachung führen. 6. Steht es den privaten Marktteilnehmern offen, im Sinne der Vertragsfreiheit entsprechende Einigungen über die Nachnutzung stillgelegter kerntechnischer Anlagen abzuschließen, insofern umwelt- und naturschutzrechtlichen Belangen dabei Rechnung getragen wird? Falls nein, welche staatlichen Stellen müssten bei den Verhandlungen miteinbezogen werden? Die bestehenden gesetzlichen Schutzvorschriften und Genehmigungsvoraussetzungen (siehe Vorbemerkung der Bundesregierung) können nicht verbindlich privatrechtlich eingeschränkt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13746 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 7. Gibt es grundsätzliche atomrechtliche Probleme bei der Nachnutzung der nichtatomaren Infrastruktur stillgelegter kerntechnischer Anlagen? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 8. Spricht etwas gegen die Nachnutzung des Kernkraftwerks Biblis (KWB) (bitte detailliert antworten)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Eine konkrete beabsichtigte Nachnutzung ist von den zuständigen Landesbehörden zu prüfen. 9. Welche anderen schon stillgelegten – oder noch stillzulegenden – Anlagen bieten Potenzial zur Nachnutzung (bitte auflisten)? Die Nachnutzung etwaiger aus der atomrechtlichen Überwachung entlassener Anlagen, Anlagenteile oder Flächen obliegt den jeweiligen Eigentümern. Drucksache 19/13746 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.