Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/13325 – Country-by-Country-Reporting und Unattraktivität von Steueroasen sowie Hochsteuerländern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim – veröffentlichte im Juni 2019 einen Policy Brief 05-2019 zu den Auswirkungen des Country-by-Country-Reporting (CbCR). Unter Bezugnahme auf die Studie „Real Effects of Private Country-by-Country Disclosure“ von Lisa de Simone und Marcel Olbert wird berichtet (Studie liegt den Fragestellern vor), das CbCR dämme Ausgestaltungen sogenannter aggressiver Steuergestaltung ein und führe zu einem signifikanten Rückgang aus Steueroasen . Von dieser Entwicklung würden innerhalb Europas jedoch hauptsächlich die europäischen Mitgliedstaaten profitieren, die nicht wie etwa Deutschland zu den sogenannten Hochsteuerländern gehören würden (www.zew.de/de/presse/ pressearchiv/country-by-country-reporting-macht-steueroasen-aber-auchhochsteuerlaender -weniger-attraktiv/). Mitgliedstaaten mit niedrigen bzw. moderaten Steuersätzen würden reale Investitionen der großen Konzerne anziehen . Die Ergebnisse der Studie würden zeigen, dass von CbCR betroffene Unternehmen ihre Präsenz in Steueroasen signifikant verringert hätten. Gleichzeitig sei die Mitarbeiteranzahl der betroffenen Unternehmen in den zwei Jahren seit der Einführung von CbCR deutlich geringer gewachsen als die der nicht betroffenen Unternehmen. Außerdem würden die Untersuchungen suggerieren, dass betroffene Unternehmen ihre Realinvestitionen vermehrt in europäische Niedrigsteuerländer verlagern. Dies zeigten die niedrigeren Gewinnsteuersätze , denen die betroffenen Unternehmen im Schnitt, gewichtet nach Kapitalanlagen und Mitarbeitern ihrer Tochtergesellschaften, ausgesetzt seien. In der Folge scheinen auch Steuerzahlungen seit 2016 vermehrt in Ländern anzufallen, deren Steuersatz in Europa unter dem Medianwert liegt. Zum Schluss der Studie heißt es unter anderem: Auf konsolidierter Ebene bzw. auf Ebene der Muttergesellschaften haben wir recht belastbare Beweise für eine Verringerung des Wachstums der Gesamtbeschäftigung bei Unternehmen gefunden, die dem CbCR unterliegen. („At the consolidated level, we find fairly robust evidence of a reduction in total employment growth for CbCR firms.“) Deutscher Bundestag Drucksache 19/13783 19. Wahlperiode 07.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Finanzen vom 2. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Auf Ebene der Tochtergesellschaften haben wir einige Beweise für höhere Einnahmen und Beschäftigungswachstum gefunden, jedoch nur in Niedrigsteuerjurisdiktionen und sowie bei Unternehmen, die sich in Steueroasen befinden bzw. verschiedene Maßnahmen zur Steueroptimierung unternehmen oder bei Muttergesellschaften, die öffentlich gelistet sind. („At the subsidiary level, we find some evidence of increased revenues and employment growth, but only in low-tax jurisdictions and within firms with tax haven operations, diversified operations, or a parent that is publicly listed.“) Letztlich haben wir einen Anstieg einer steuerbedingten Umverteilung von Wirtschaftsaktivitäten verbunden mit einem Anstieg der Steuereinnahmen in Europäischen Mitgliedstaaten mit niedriger Unternehmensteuerbelastung infolge des CbCR registrieren können. („Finally, we document an increase in tax-motivated allocation of real economic activity together with an increase in tax payments in European low-tax countries for firms subject to CbCR relative to other firms.“) Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat im Rahmen des „Base Erosion and Profit Shifting“-Projekts (BEPS) Maßnahmen zur Vermeidung aggressiver Steuerplanung multinationaler Unternehmen zur Erhöhung der Steuertransparenz vorgeschlagen. Die Europäische Union hat diese Vorschläge u.a mit der EU-Richtlinie 2016/881 umgesetzt . Seit 2016 müssen betroffene Unternehmen den zuständigen nationalen Steuerbehörden im Rahmen des CbCR ihre Gesamtaktivität (u.a. Tochtergesellschaften , Mitarbeiter, Gewinne, Steuerzahlungen) auf Länderebene in einem separaten Bericht aufschlüsseln. Ziel dieser erhöhten Steuertransparenz ist vor allem, aggressive Steuerplanung einzudämmen und internationalen Steuerbehörden eine bessere Überprüfung der Verrechnungspreisstrategien zu ermöglichen. 1. Ist der Bundesregierung die in der Vorbemerkung der Fragesteller genannte Studie bekannt? Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie aus dieser Studie? Der Bundesregierung ist die Studie bekannt. Bestimmte Schlussfolgerungen aus allein einer Studie werden grundsätzlich nicht gezogen. 2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Medianwert für die Steuerbelastung aus Unternehmensteuern (inkl. Gewerbesteuer) innerhalb der Europäischen Union? 3. Welche Mitgliedstaaten liegen nach Kenntnis der Bundesregierung unterhalb dieses Medianwertes? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Im Rahmen einer vereinfachten Verteilungsbetrachtung gemäß der Anzahl der EU-Mitgliedstaaten, d. h. ohne Ausrichtung am Volumen der Bemessungsgrundlage in den einzelnen Ländern, liegt der Medianwert der tariflichen Steuerbelastung des Gewinns von Kapitalgesellschaften in der EU bei knapp über 20 Prozent. Unterhalb dieses Medianwertes liegt die tarifliche Steuerbelastung in Bulgarien, Ungarn, Irland, Zypern, Litauen, Rumänien, Kroatien, Polen, Slowenien , Tschechien, dem Vereinigten Königreich, Estland, Finnland und Lettland (vgl. Übersicht 4 und Grafik 3 der BMF-Broschüre „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2018“: www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2019-08-08-die-wichtigs ten-steuern-im-internationalen-vergleich-2018-ausgabe-2019.html). Drucksache 19/13783 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass nach Angaben der oben genannten Studie das CbcR im Hinblick auf die Erhöhung der Steuertransparenz wirksam sein soll, aber vor allem Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union mit niedrigen Unternehmensteuern vom Rückzug der multinationalen Konzerne aus den Steueroasen profitieren ? Wenn ja, welche Mitgliedstaaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2016 am stärksten durch das CbCR im Hinblick auf gestiegene Steuereinnahmen profitiert? Zu Frage 4a wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Der Informationsaustausch über länderbezogene Berichte ermöglicht der deutschen Finanzverwaltung eine erste Einschätzung u. a. von Risiken hinsichtlich Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen. Nähere Informationen zu den Wirkungen in anderen Mitgliedstaaten liegen der Bundesregierung nicht vor. 5. Gibt es Erhebungen oder Schätzungen der Bundesregierung, zu welchen Steuermehr- oder -mindereinnahmen die Einführung der CbCR in Deutschland geführt hat? 6. Gibt es Erhebungen oder Schätzungen der Bundesregierung, zu welchen Steuermehr- oder mindereinnahmen die Einführung der CbCR innerhalb der Europäischen Union geführt hat (bitte gesondert nach Mitgliedstaaten aufschlüsseln)? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Gemäß der internationalen Vereinbarung sind die länderbezogenen Berichte sachgemäß zu verwenden. Diese ist begrenzt auf die allgemeine Bewertung von Verrechnungspreisrisiken, die Bewertung anderer Gewinnverkürzungs- und Gewinnverlagerungsrisiken sowie gegebenenfalls wirtschaftliche und statistische Analysen. Auf Basis der länderbezogenen Berichterstattung sind daher entsprechend der internationalen Vereinbarung keine steuerlichen Korrekturen vorzunehmen , die zu einem steuerlichen Mehr- bzw. Minderergebnis führen könnten. Hierfür bedarf es weiterer Ermittlungshandlungen seitens der Steuerverwaltung . Die Einführung der länderbezogenen Berichterstattung in Deutschland soll aber die Risikoeinschätzung insbesondere in Hinblick auf Verrechnungspreisgestaltungen verbessern, um steuerliche Gestaltungen zu identifizieren und einzuschränken. Informationen zu den Auswirkungen auf das europäische Steueraufkommen durch etwaige Verhaltensanpassungen der vom CBCR betroffenen Unternehmen (z. B. in Bezug auf die in der ZEW-Studie genannte signifikante Verringerung der Präsenzen in Steueroasen) liegen der Bundesregierung nicht vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13783 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 7. Bieten die Kernaussagen der Studie nach Ansicht der Bundesregierung einen Anlass, die Absage des Bundesministers der Finanzen Olaf Scholz gegenüber einer Unternehmensteuerreform (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache 19/6308, www.handelsblatt.com/politik/deutschland/konjunkturkeine -aussicht-auf-grosse-firmensteuer-reform/23731730.html) in Deutschland zu überdenken? Wenn nein, aus welchen Gründen nicht? 8. Teilt die Bundesregierung die im Lichte der Studie mögliche Ansicht der Fragesteller, dass eine Unternehmensteuersenkung zur Ansiedlung von Unternehmen in Deutschland führen kann? Die Fragen 7 und 8 werden gemeinsam beantwortet. Die Fragen nehmen auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/6308 Bezug. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort zu den Fragen 1 bis 6 dieser Anfrage insbesondere ausgeführt, sie überprüfe das Unternehmensteuerrecht laufend auf Anpassungsbedarf an veränderte Rahmenbedingungen und werde – auf Basis des geltenden Systems – weiterhin wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft sicherstellen. An diesem Vorhaben hält die Bundesregierung unverändert fest. Drucksache 19/13783 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.