Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/13373 – Der New START-Vertrag und das Engagement der Bundesregierung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die USA haben am 1. Februar 2019 den INF-Vertrag (INF = Intermediate Range Nuclear Forces – nukleare Mittelstreckensysteme) gekündigt. Am 4. März folgte die formelle Kündigung Russlands. Da bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 1. August 2019 keine Einigung erzielt wurde, sind beide Seiten durch keine internationale Rechtsnorm mehr daran gehindert, neue Systeme dieser Waffenkategorie von landgestützten konventionell wie nuklear bestückbaren Trägersystemen einzuführen, die mit Reichweiten zwischen 500 bis 5.500 km vor allem Ziele in Europa bedrohten und diese in Europa oder Asien zu stationieren (www.swp-ber-lin.org/fileadmin/contents/products/ fachpublikationen/Richter_INF_Vertrag_APuZ_26.04.2019.pdf). Nach seinen Gesprächen mit dem US-Präsidenten Donald Trump beim G20- Gipfel in Osaka/Japan (28./29. Juni 2019) sagte der Präsident Russlands, Wladimir Putin, dass es an der Zeit sei, die für beide Seiten unbefriedigenden Spannungen zu beenden und ein neues Kapitel in den Beziehungen aufzuschlagen . Putin hat Trump für den 9. Mai 2020 zu den Feiern zum 75. Jahrestag des Endes des Weltkrieges nach Moskau eingeladen (dpa vom 29. Juni 2019). Darüber hinaus haben beide Präsidenten bekräftigt, dass sie sich um eine Verlängerung des 2021 auslaufenden New START-Vertrags (START = Strategic Arms Reduction Treaty) zur Begrenzung strategischer Atomwaffen bemühen wollen, und die Außenminister ihrer Länder damit beauftragt, die Konsultationen dazu zu beginnen (dpa vom 3. Juli 2019). New START baut auf dem INF-Vertrag auf, die Reichweiten der darin erfassten Raketen schließen direkt an. Russland äußerte wiederholt Interesse an einer Verlängerung von New START (dpa vom 15. Mai 2019). Dieser war von den damaligen Präsidenten der USA und Russlands, Barack Obama und Dmitri Medwedew, 2010 unterzeichnet worden. Er sieht vor, bis Februar 2018 die Zahl der dislozierten, strategischen nuklearen Gefechtsköpfe auf je 1.550 und jene der Trägersysteme auf maximal je 800 zu reduzieren, darunter je 100 als strategische Reserve. Als Träger sind strategische Raketen mit Reichweiten über 5.550 km, U-Boot-gestützte Raketen sowie strategische Bomber definiert. Der Vertrag selber, dessen Laufzeit 2021 endet, sieht die Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung um fünf Jahre vor (Bundestagsdrucksache 19/1380, S. 19). Deutscher Bundestag Drucksache 19/13784 19. Wahlperiode 07.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 2. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Der russische Präsident hatte immer wieder vor einem zügellosen atomaren Wettrüsten gewarnt, sollte auch dieser letzte große Abrüstungsvertrag enden (dpa vom 29. Juli 2019). Sollte er nicht verlängert werden, „wird es überhaupt keine Instrumente mehr geben, die den Rüstungswettlauf einschränken“. Auch wundere sich Putin laut Medienberichten, dass die ganze Welt tatenlos und schweigend zusehe, wie die Errungenschaften der Vergangenheit gefährdet würden. Wenn niemand an einer Verlängerung des zwischen den USA und Russland geschlossenen Abkommens interessiert sei, dann sei es sein Land auch nicht, soll Putin gesagt haben. „Wir haben schon hundert Mal gesagt, dass wir bereit sind, aber niemand verhandelt mit uns.“ (dpa vom 6. Juni 2019). Nach Meinung von Militärexperten rennt beiden Seiten die Zeit davon, weil in den USA im kommenden Jahr ein neuer Präsident gewählt wird und das Land dann eher mit innenpolitischen Fragen beschäftigt sein dürfte. Es gebe ein plötzliches Interesse an der strategischen Sicherheit, schrieb Andrej Baklanow, Vizechef der Vereinigung russischer Diplomaten, in der Moskauer Zeitung „Kommersant“ laut Medienberichten. Danach sei es durchaus denkbar, das Abkommen um fünf Jahre bis 2026 zu verlängern (dpa vom 14. Mai 2019). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der New START-Vertrag von 2011 zur Reduzierung strategischer Waffen und Trägersysteme verpflichtet die Vereinigten Staaten von Amerika und Russland, bis Februar 2018 die Zahl der dislozierten, strategischen nuklearen Gefechtsköpfe auf je 1.550 und die der Trägersysteme auf maximal je 800 zu reduzieren , darunter je 100 als strategische Reserve. Als Träger sind ballistische Interkontinentalraketen mit Reichweiten über 5.500 Kilometer, U-Boot-gestützte Raketen sowie strategische Bomber definiert. Die Anzahl vorhandener oder eingelagerter einsatzfähiger Gefechtsköpfe wird durch New START nicht begrenzt . Es bleibt den Vertragsparteien zudem erlaubt, die Zusammensetzung und Struktur ihrer jeweiligen strategischen Nuklearwaffenarsenale eigenständig zu bestimmen , sie zu modernisieren und zu ersetzen. Russland räumt der Modernisierung seiner Nuklearwaffen Priorität ein. Dies wurde 2018 besonders durch die Ankündigung neuer strategischer Trägersysteme deutlich. Präsident Wladimir Putin ging hierauf in seiner jährlichen Ansprache vor Abgesandten der verschiedenen Regionen ein. Die Umsetzung der Vertragsbestandteile unterliegt der gegenseitigen Verifikation . Der New START-Vertrag sieht jeweils bis zu 18 Verifikationsbesuche im Jahr sowie einen regelmäßigen Datenaustausch vor. Nach Aussage der Vertragspartner werden gegenseitige Verifikationsbesuche vereinbarungsgemäß und erfolgreich durchgeführt. Beide Vertragsstaaten haben zum Stichtag am 5. Februar 2018 die vertraglich festgelegten Obergrenzen eingehalten. Nach den veröffentlichten Zahlen über den halbjährlichen Datenaustausch verfügten die USA am 1. März 2019 über 656 dislozierte Trägersysteme (800 inklusive Reserve) und Russland über 524 (760 inklusive Reserve). Die Anzahl der dislozierten Sprengköpfe betrug 1.365 (Vereinigte Staaten) bzw. 1.461 (Russland) (s. www.state.gov/new-start-treatyaggregate -numbers-of-strategic-offensive-arms-10/). Der Vertrag läuft im Jahr 2021 aus, sieht jedoch die Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung um fünf Jahre vor. Die Bundesregierung hat ein großes sicherheitspolitisches Interesse an der Verlängerung dieses Vertrags. Zum einen begrenzt der New START-Vertrag die Zahl einsatzbereiter strategischer Nuklearwaffen , zum anderen schafft er durch sein gut funktionierendes Verifikationssystem ein hohes Maß an Transparenz und Sicherheit. Aus Sicht der Bundes- Drucksache 19/13784 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. regierung zeigt die erfolgreiche Umsetzung von New START, dass nukleare Rüstungskontrolle auch in einem schwierigen Sicherheitsumfeld funktionieren und einen wichtigen Beitrag zur strategischen Stabilität leisten kann. Insbesondere die durch das bewährte Verifikationssystem von New START geschaffene Transparenz über strategische Nuklearwaffenarsenale bleibt nach Ansicht der Bundesregierung unverzichtbar. Deshalb setzt sich die Bundesregierung sowohl gegenüber Washington als auch Moskau dafür ein, baldmöglichst konkrete Gespräche über eine Verlängerung von New START und Überlegungen zu einem Folgevertrag aufzunehmen. In seinen Gesprächen mit dem amerikanischem Amtskollegen Mike Pompeo ebenso wie mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow hat der Bundesminister des Auswärtigen, Heiko Maas, die Verlängerung von New START mehrfach thematisiert. Zudem führt die Bundesregierung auf allen Ebenen regelmäßig Gespräche mit den USA und Russland zu einer breiten Palette sicherheitspolitischer Themen, darunter auch dem New START-Vertrag. Sie führt ihre Gespräche sowohl bilateral als auch am Rande von multilateralen Foren. Auch in zahlreichen Reden und Artikeln hat der Bundesaußenminister unterstrichen , dass die Verlängerung des New START-Vertrags im deutschen und europäischen Sicherheitsinteresse liegt und sich die Bundesregierung dafür stark macht. Es wird unter anderem auf den Gastbeitrag des Bundesaußenministers „Zurück zur Abrüstung“ für das RedaktionsNetzwerk Deutschland vom 31. Juli 2019 (s. www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-ende-inf/ 2236486) und der Pressemitteilung des Ministers zum Ende des INF-Vertrags vom 1. August 2019 (s. www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-infvertrag -ende/2236772) verwiesen. Während Deutschlands Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im April 2019 wurde das Thema nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung auf Anregung der Bundesregierung das erste Mal seit 2012 auf die Tagesordnung des Sicherheitsrats gesetzt. Auch bei dieser Gelegenheit hat sich Bundesaußenminister Maas für die Verlängerung des New START-Vertrags eingesetzt. Auch die Staats- und Regierungschefs der NATO haben in ihrem Kommuniqué vom 11. Juli 2018 die Bedeutung des New START-Vertrags für internationale Stabilität unterstrichen (s. w w w . n a t o . i n t / c p s / e n / n a t o h q / o f f i c i al_texts_156624.htm). Nach Kenntnis der Bundesregierung befindet sich die US-Regierung noch im Entscheidungsfindungsprozess zur Zukunft des New START-Vertrags. In der US-Nuklearstrategie 2018 („Nuclear Posture Review“) bekennen sich die USA zu ihren Verpflichtungen aus dem New START-Vertrag (s. https://dod.defen se.gov/News/SpecialReports/2018NuclearPostureReview.aspx). Der zum aktuellen Compliance Report der USA zu rüstungskontrollpolitischen Vereinbarungen („Adherence to and Compliance with Arms Control, Nonproliferation , and Disarmament Agreements and Commitments”) zugehörige Bericht zum New START Vertrag („Report on the Reasons that continued implementation of the New START Treaty is in the national security interest of the United States“) unterstreicht nachdrücklich, dass der New START-Vertrag auch im sicherheitspolitischen Interesse der USA liegt (s. www.state.gov/report-on-thereasons -that-continued-implementation-of-the-new-start-treaty-is-in-thenational -security-interests-of-the-united-states/). Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13784 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 1. Mit welchen konkreten Vorschlägen und Initiativen hat sich die Bundesregierung seit 2017 gegenüber Russland und den USA für den Erhalt und die Fortschreibung der zentralen amerikanisch-russischen Abmachung im strategischen Bereich, dem New START-Vertrag, stark gemacht, vor dem Hintergrund, dass dieser aus Sicht der Bundesregierung im deutschen und europäischen Sicherheitsinteresse ist, weil er die Zahl einsatzbereiter strategischer Nuklearwaffen begrenzt und durch sein gut funktionierendes Verifikationssystem ein hohes Maß an Transparenz und Sicherheit schafft (Jahresabrüstungsbericht 2018, S. 9 f.)? 2. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), dass es den USA und insbesondere dem US-amerikanischen Präsidenten an Bereitschaft mangelt, das New START-Abkommen zu verlängern , vor dem Hintergrund, dass Donald Trump besorgt sei, die USA könnten nuklear hinter andere Nuklearwaffenstaaten zurückfallen, obwohl sie das „Rudel“ der Atomwaffenstaaten „anführen“ sollten (www.swp-ber lin.org/kurz-gesagt/usa-russland-erfolgskonzept-new-start-fortfuehren/)? 3. Inwieweit teilt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis, dass das mit der russischen Regierung geschlossene Abkommen New START ein schlechtes Geschäft für die USA (www.merkur.de/politik/trump-will-us-atomwaf fenarsenal-ausbauen-zr-7431821.html) und ein „einseitiges Abkommen“ sei (www.swp-berlin.org/kurz-gesagt/usa-russland-erfolgskonzept-newstart -fortfuehren/)? Zu den Fragen 1 bis 3 wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . 4. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse, dass sich Russland schon 2017 bereit erklärt hat, über eine Verlängerung von New START zu reden, die USA aber nicht darauf eingegangen sind, und damit unklar ist, wie groß die Bereitschaft Russlands zu einer Fortschreibung existierender Begrenzungen tatsächlich ist (www.swp-berlin.org/kurz-gesagt/usa-russlanderfolgskonzept -new-start-fortfuehren/)? Nach Kenntnis der Bundesregierung haben die USA und Russland wiederholt die Verlängerung des New START-Vertrags thematisiert. Zwischen den Vertragsparteien ist Vertraulichkeit zu den bilateralen Gesprächen vereinbart, so dass die Bundesregierung zu den Einzelheiten dieser bilateralen amerikanischrussischen Gesprächen keine Stellung nimmt. 5. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass New START nur die tatsächlich stationierten Sprengköpfe erfasst, sodass sowohl Russland als auch die USA eine unbegrenzte Anzahl weiterer Waffen in Reserve halten können, einer Möglichkeit, von der insbesondere die USA Gebrauch machen (www.swp-berlin.org/kurz-gesagt/usa-russland-erfolgskonzept-newstart -fortfuehren/)? Die Bundesregierung verweist auf ihre Vorbemerkung und macht sich darüber hinaus die in der Fragestellung enthaltene Wertung ausdrücklich nicht zu Eigen. Drucksache 19/13784 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 6. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse, dass Russland bereits im Oktober 2018 den USA einen Vorschlag zu einer gemeinsamen Erklärung über die „Unzulässigkeit“ des Atomkriegs und die Anerkennung seiner zerstörerischen Folgen unterbreitet hat, den die USA bis dato unbeantwortet gelassen haben (www.corriere.it/esteri/19_luglio_04/putin-ready-tot a l k - t o - t h e - u s - c o n s t a n t - c o n t a c t - w i t h - s a l v i n i - s - league-157f245e-9dec-11e9-9326-3d0a58e59695.shtml?refresh_ce-cp), und wenn ja, würde die Bundesregierung auf die Annahme einer solchen Erklärung diplomatisch hinwirken? Die Bundesregierung hat von dem von den Fragestellern zitierten Vorschlag keine Kenntnis. 7. Mit welchen konkreten Vorschlägen und Initiativen hat sich die Bundesregierung gegenüber Russland und den USA für die Ausarbeitung und Annahme einer neuen strategischen Vereinbarung als Nachfolge des New START-Abkommens eingesetzt bzw. wird sie sich dafür einsetzen – eine Option, die nach Medienberichten zuletzt vom russischen Präsidenten Putin ausdrücklich in Aussicht gestellt wurde (www.corriere.it/esteri/19_lug lio_04/putin-ready-to-talk-to-the-us-constant-contact-with-salvini-sleague -157f245e-9dec-11e9-9326-3d0a58e59695.shtml?refresh_ce-cp)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Die Bundesregierung setzt sich aktiv für den Erhalt und die Weiterentwicklung der bestehenden Rüstungskontrollarchitektur ein. Im Übrigen wird auf den Jahresabrüstungsbericht 2018 (s. www.bundesregierung.de/breg-de/suche/jahres abruestungsbericht-2018-1647020) verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/13784 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.