Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Andrew Ullmann, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/13389 – Mehrfachregulierung und regionale Nachsteuerung bei der ambulanten Arzneimittelversorgung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) vom 22. Oktober 2010 wurden das Instrument der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Sozialgesetzbuches (SGB) V sowie die Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) und pharmazeutischen Unternehmen über Erstattungsbeträge für Arzneimittel, die auf Grundlage der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur frühen Nutzenbewertung beruhen, eingeführt , damit die Patientinnen und Patienten mit den besten und wirksamsten Arzneien versorgt werden können, die Preise und Verordnungen von Arzneimitteln wirtschaftlich und effizient sind sowie verlässliche Rahmenbedingungen für Innovationen, die Versorgung der Versicherten und die Sicherung von Arbeitsplätzen geschaffen werden (Bundestagsdrucksache 17/2413, S. 1; 17/3698, S. 42). Darüber hinaus wurde in § 130b Absatz 2 SGB V geregelt, dass die Vereinbarungen vorsehen sollen, dass Arzneimittel von der Prüfstelle als sog. Praxisbesonderheit anerkannt werden, wenn der Arzt bei der Verordnung im Einzelfall die dafür vereinbarten Anforderungen an die Verordnung eingehalten hat. Damit dieses Ziel erreicht wird, sind die Voraussetzungen für eine indikationsgerechte, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung mit dem jeweiligen Arzneimittel zu vereinbaren. Die Praxissoftware zur Arzneiverordnung muss diese Regelungen enthalten, damit Ärztinnen und Ärzten die erforderlichen Informationen bei der Verordnung unmittelbar zur Verfügung stehen. Die Prüfgremien haben jedoch die Möglichkeit zu prüfen, ob die Regelungen bei der Verordnung eingehalten worden sind und die Anerkennung als Praxisbesonderheit zu Recht erfolgt ist. (Bundestagsdrucksache 17/2413, S. 31). Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (Bundestagsdrucksache 18/4095) wurde den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen einerseits und den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen andererseits durch die „Regionalisierung der Wirtschaftlichkeitsprüfung“ ein neuer Gestaltungsspielraum gewährt, um Versorgungsbesonderheiten des jeweiligen KV-Gebietes in den Vereinbarungen nach § 84, § 106 ff. SGB V Rechnung zu tragen und Deutscher Bundestag Drucksache 19/13788 19. Wahlperiode 10.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 4. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. „passgenaue Lösungen“ (Bundestagsdrucksache 18/4095, S. 111) zu entwickeln . Damit verband der Gesetzgeber eine doppelte Erwartung: Die Wirtschaftlichkeitsprüfung könne flexibel gestaltet werden, damit der Arztberuf – insbesondere im ländlichen Raum – wieder attraktiver werde, und zwar, indem den regionalen Versorgungsbesonderheiten Rechnung getragen und damit die Androhung von Regressen obsolet werde. Die jährlich abzuschließenden Arzneimittelvereinbarungen legen dazu nun nicht nur das Ausgabenvolumen für Arznei- und Verbandmittel fest, sondern beinhalten auch Wirtschaftlichkeitsziele in Form von Zielvereinbarungen. So legt beispielsweise die sog. Wirkstoffvereinbarung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns Wirkstoffquotenziele (z. B. Generikaziele, Leitsubstanzziele ), Wirkstoffmengenziel(e) sowie fachgruppenübergreifende, bayernweite Verordnungsziele fest (Wirkstoffvereinbarung vom 31. Oktober 2014 in der Fassung des 4. Nachtrags vom 18. Dezember 2018). Die Arzneimittelvereinbarung in Baden-Württemberg sieht Zielvereinbarungen in Kombination mit „Arzneimittel-Therapiebereich-Richtwerten“ vor (Arzneimittelvereinbarung sowie Arzneimittel Richtwertvereinbarung nach § 84 Absatz 1 SGB V für den Bereich der KV Baden-Württemberg für das Jahr 2019). Die Arzneimittelvereinbarung Sachsen-Anhalt kombiniert Generikaquoten mit altersspezifizierten Richtgrößen (Arzneimittelvereinbarung der KV Sachsen-Anhalt für das Jahr 2019 in der Fassung vom 16. April 2019). Zudem gibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als „nicht gesetzliches Steuerungsinstrument“ einen Medikationskatalog heraus, der bei einer evidenzbasierten, sicheren und indikationsgerechten Verordnungsentscheidung unterstützen“ möchte. Bei der Erstellung dieses Katalogs sollen insbesondere Leitlinien, Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Abschlussberichte des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses und systematische Übersichtsarbeiten berücksichtigt werden. Abhängig von der so ermittelten Evidenz werden Wirkstoffe als „Standard“, „Reserve “ oder „nachrangig“ eingestuft (www.kbv.de/html/verordnungssteue rung.php). Der KBV-Medikationskatalog kommt derzeit in den KV-Regionen Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, Sachsen und Thüringen zum Einsatz. Einem Bericht der „Ärzte Zeitung“ zufolge verweigern die Kassenärztlichen Vereinigungen Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen , Sachsen-Anhalt sowie Rheinland-Pfalz die Veröffentlichung der regionalen Arznei- und Prüfvereinbarungen (Ärzte Zeitung vom 23. Mai 2019 – Sind Arzneimittelvereinbarungen Herrschaftswissen?). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Arzneimittelsteuerungsinstrumente in der gesetzlichen Krankenversicherung sind darauf ausgerichtet, eine qualitativ hochwertige und gleichzeitig wirtschaftliche Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Nach dem allgemeinen Gebot der Wirtschaftlichkeit nach § 12 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) muss auch die Arzneimittelversorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Seit Inkrafttreten des Großteils der Regelungen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2262) zum 1. Januar 2011 wird insbesondere für jedes Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff sofort nach Markteintritt eine Nutzenbewertung nach § 35a SGB V durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) durchgeführt. Ob ein Hersteller einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie belegen kann und wenn ja, welchen Ausmaßes, ist maßgeblich für die anschließende Erstattungsbetragsverhandlung zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) und dem pharmazeutischen Unternehmer. Der Nutzen- Drucksache 19/13788 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode bewertungsbeschluss wird zudem Teil der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des G-BA nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 SGB V. Die AM-RL konkretisiert u. a. hinsichtlich der Verordnung von Arzneimitteln den Inhalt und Umfang der im SGB V festgelegten Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenkassen auf der Grundlage des Wirtschaftlichkeitsgebots und ist einschließlich ihrer Anlagen für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, Kassenärztliche Vereinigungen , Krankenkassen und deren Verbände sowie in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte verbindlich. Die Regelungen der AM-RL werden durch unterschiedliche Steuerungsinstrumente auf Bundes- und Landesebene ergänzt, die ebenfalls darauf ausgerichtet sind, eine qualitativ hochwertige und gleichzeitig wirtschaftliche Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Insoweit können auch regionale Unterschiede in den Versorgungstrukturen Auswirkungen auf die Verordnung von Arzneimitteln haben. Die Entscheidung für die Verordnung eines Arzneimittels verbleibt letztlich bei der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt im Rahmen der ärztlichen Therapiefreit. Auch dass der G-BA für ein Arzneimittel einen Zusatznutzen festgestellt hat, entbindet Vertragsärztinnen und Vertragsärzte nicht von der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Therapiesituation. Grundsätzlich kann auch ein Arzneimittel ohne belegten Zusatznutzen patientenindividuell eine zweckmäßige Therapiealternative darstellen. Die zusätzlichen Steuerungsinstrumente auf Bundes- und Landesebene, die das Ziel einer wirtschaftlichen Verordnung von Arzneimitteln durch die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte haben, ergänzen in sinnvoller Weise die mit dem AMNOG eingeführten Regelungen.  1. In welchem Verhältnis stehen nach Auffassung der Bundesregierung die Beschlüsse zur Nutzenbewertung nach § 35a SGB V zur Regelung nach § 2 Absatz 1 Satz 2 SGB V, wonach Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben? Nach Auffassung der Bundesregierung erfasst die Regelung des § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V alle Leistungsbereiche – auch die Arzneimittelversorgung – der gesetzlichen Krankenversicherung. Danach haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und dem medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Gegenstand der Regelung nach § 35a SGB V sind ausschließlich Arzneimittel, bei denen die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.  2. Für wie viele Arzneimittel wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bisher im Rahmen der frühen Nutzenbewertung ein Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie im Wege des Beschlusses durch den G-BA festgestellt? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden seit dem Jahr 2011 insgesamt 256 Arzneimittel in 367 Beschlussverfahren im Rahmen der Nutzenbewertung durch den G-BA bewertet. Von diesen 256 Arzneimitteln konnten 153 in einer der Kategorien „erheblich“, „beträchtlich“, „gering“ oder „nicht quantifizierbar “ einen Zusatznutzen erreichen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13788  3. Für wie viele Patientinnen und Patienten stehen damit bisher nach Kenntnis der Bundesregierung neue Arzneimitteltherapien mit einem Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie zur Verfügung? Hierzu liegen der Bundesregierung keine validen Daten vor.  4. In welchem Umfang sollen nach Auffassung der Bundesregierung Arzneimittel mit Zusatznutzen nach der frühen Nutzenbewertung im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie durch die verordnenden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte eingesetzt werden? Es obliegt der behandelnden Vertragsärztin oder dem behandelnden Vertragsarzt im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit und unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu entscheiden, welches Arzneimittel in der konkreten Therapiesituation am besten zur Behandlung einer Patientin oder eines Patienten geeignet ist.  5. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Forderung der KBV an den Gesetzgeber (Pressemitteilung der KBV vom 15. November 2018) nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 04. Juli 2018 – Az: B 3 KR 20/17 R – zur Rechtmäßigkeit der sog. Mischpreisbildung, die weiterhin bestehende Regressgefahr für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte durch klarstellende gesetzliche Maßnahmen zu beseitigen? Welche konkreten Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, um im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit einer ärztlichen Verordnung eines Arzneimittels, für das ein Mischpreis vereinbart wurde, für Rechtssicherheit zu sorgen? Mit dem AMNOG wurde zwar ein neues Instrument zur Preisbildung eingeführt , dies hat jedoch nicht zu einer Änderung des in § 12 SGB V enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebots geführt. Aus der Vereinbarung eines Erstattungsbetrages kann grundsätzlich nicht auf die Wirtschaftlichkeit jeder Verordnung eines Arzneimittels geschlossen werden. Die Wirtschaftlichkeit kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Therapiesituation und der konkreten Behandlungsalternativen beurteilt werden. Hinsichtlich etwaiger vertragsärztlicher Regressrisiken weist die Bundesregierung daraufhin, dass mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 (BGBl. I S. 1211) die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zum 1. Januar 2017 regionalisiert wurde. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich haben mit den Kassenärztlichen Vereinigungen das Nähere zu Art und Inhalten der Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu vereinbaren. Dabei haben sie den jeweiligen regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Auch die gesetzlich zwingende Vereinbarung von Richtgrößenprüfungen ist entfallen. Weiterhin gilt der Grundsatz „Beratung vor Regress“.  6. Für wie viele der Arzneimittel, für die ein Zusatznutzen festgestellt worden ist, wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bis heute die Anerkennung als bundesweite Praxisbesonderheit vereinbart? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde bisher bei 38 Arzneimitteln, für die ein Zusatznutzen festgestellt worden ist, dass Verordnungen nach § 130b Absatz 2 SGB V vereinbart, als bundesweite Praxisbesonderheiten anerkannt werden . Drucksache 19/13788 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  7. Inwieweit werden nach Kenntnis der Bundesregierung die nach § 130b SGB V vereinbarten Praxisbesonderheiten in den nach § 84, § 106 ff. SGB V geschlossenen Vereinbarungen zwischen Kassensärztlichen Vereinigungen und Landesverbänden der Krankenkassen berücksichtigt bzw. anerkannt, und wie wurden die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte darüber informiert (bitte nach den 17 KV-Regionen aufgeschlüsseln) Bundesweite Praxisbesonderheiten, deren Anerkennung nach §§ 130b Absatz 2 SGB V vereinbart wurde, sind auf regionaler Ebene anzuerkennen. Nach der Kenntnis der Bunderegierung erfolgt die Information für die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte auf unterschiedliche Art und Weise. Neben entsprechenden Informationen z. B. auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) im geschützten Bereich oder in Informationsschreiben erhält die Ärztin oder der Arzt bei einer entsprechenden Verordnung die erforderlichen Informationen über seine Verordnungssoftware. Die „Anforderungen“, die der Arzt bei entsprechenden Verordnungen einzuhalten hat, müssen nach § 130b Absatz 2 SGB V in den Programmen zur Verordnung von Arzneimitteln nach § 73 Absatz 9 Satz 1 SGB V enthalten sein.  8. Ist nach Ansicht der Bundesregierung eine bundeseinheitliche Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten förderlich für die Patientenversorgung ? Regelungen oder Vereinbarungen zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten können bundesweit, aber nach § 106b SGB V auch auf regionaler Ebene erfolgen . Damit ist gewährleistet, dass regionale Besonderheiten – wo erforderlich – angemessen berücksichtigt werden können.  9. Wie bewertet die Bundesregierung die Steuerung der ambulanten Versorgung durch Arzneimittelvereinbarungen? Nach Auffassung der Bundesregierung sind Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Absatz 1 SGB V zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen und qualitätsgesicherten vertragsärztlichen Versorgung mit Arzneimitteln erforderlich. 10. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Einbeziehung von Arzneimitteln , für die nach § 130b SGB ein Erstattungsbetrag vereinbart wurde, in Arzneimittelvereinbarungen bzw. Wirkstoffvereinbarungen zweckmäßig ? Wenn ja, sind dabei Beschlüsse des G-BA zu diesen Arzneimitteln verbindlich zu beachten, und wenn ja, wie? Nach Auffassung der Bundesregierung kann die Einbeziehung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen, für die eine Nutzenbewertung durchgeführt und ein Erstattungsbetrag vereinbart wurde, in Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Absatz 1 SGB V zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen und qualitätsgesicherten vertragsärztlichen Versorgung mit Arzneimitteln zweckmäßig sein. Der Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a SGB V wird Teil der AM-RL des G-BA. Die AM-RL konkretisiert den Inhalt und Umfang der im SGB V festgelegten Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenkassen auf der Grundlage des Wirtschaftlichkeitsgebots und ist einschließlich ihrer Anlagen für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen und deren Verbände sowie Versicherte verbindlich. Die regionalen Arzneimit- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/13788 telvereinbarungen dürfen den bundesweiten Regelungen der AM-RL nicht widersprechen . 11. Sind nach Auffassung der Bundesregierung feste sanktionierbare Quoten in den Arzneimittelvereinbarungen oder durch weitere Steuerungsinstrumente zulässig, insbesondere wenn diese Quoten Arzneimittel betreffen, für die ein Zusatznutzen durch den G-BA festgestellt wurde? Gemäß § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB V umfasst die Arzneimittelvereinbarung Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere Verordnungsanteile für Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen im jeweiligen Anwendungsgebiet. Der Anwendungsbereich der Regelung ist nicht auf bestimmte Arzneimittel beschränkt und erstreckt sich auch auf Arzneimittel, für die ein Zusatznutzen durch den G-BA festgestellt wurde. 12. Sind nach Auffassung der Bundesregierung Quotenregelungen vor dem Hintergrund der mit dem AMNOG eingeführten Regelungen zur Nutzenbewertung (§ 35a SGB V) und zur Erstattungsbetragsvereinbarung (§ 130b SGB V) überhaupt zur Sicherstellung einer effektiven Arzneimittelversorgung der Bevölkerung geeignet und erforderlich, insbesondere wenn ein Zusatznutzen festgestellt wurde? Wenn ja, warum? Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich bei den Verordnungsanteilen für Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen um Maßnahmen zur Erreichung von Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitszielen. Diese ergänzen die mit dem AMNOG eingeführten Regelungen zur Nutzenbewertung und Vereinbarung eines Erstattungsbetrages in sinnvoller Weise, schon weil es zahlreiche Fälle gibt, in denen sich der Zusatznutzen eines Arzneimittels je nach Patientengruppe und Vergleichstherapie unterscheidet. 13. Auf welchem Weg überprüft die Bundesregierung, dass die Regionalisierung der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß §§ 106 ff. SGB V zu der angestrebten Verbesserung der Versorgung führt? Die Aufsicht über regionale Vereinbarungen nach den §§ 106 ff. SGB V bzw. über die für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständigen KVen führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder. Soweit bundesweit erforderlich, stößt die Bundesregierung gesetzliche Änderungen an. Zuletzt wurde mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vom 6. Mai 2019 (BGBl. I S. 646) § 106 Absatz 3 SGB V dahingehend ergänzt, dass im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheids und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, zu erfolgen hat. Diese Gesetzesänderung stellt für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte eine deutliche Verbesserung der Planungssicherheit gegenüber der Rechtslage vor Inkrafttreten des TSVG dar, wonach für vertragsärztliche Leistungen Nachforderungen oder Kürzungen bis zu vier Jahre nach Erlass des Honorarbescheids gestattet waren. Drucksache 19/13788 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Wie beurteilt die Bundesregierung den Einsatz von regional unterschiedlichen Arzneimittelübersichten mit wertenden therapeutischen Aussagen, die über den gesetzlichen Auftrag des Kostenvergleichs nach § 73 Absatz 8 SGB V hinausgehen („KBV Medikationskatalog“), insbesondere im Hinblick auf eine qualitätsgesicherte Arzneimitteltherapie? Nach § 73 Absatz 8 Satz 1 SGB V haben die KVen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände zur Sicherung einer wirtschaftlichen Verordnungsweise die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischem Nutzen von Leistungen zu geben. Diesen gesetzlichen Informations- und Hinweispflichten kommt die KBV mit dem Medikationskatalog nach. Für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte stellt der Medikationskatalog eine Entscheidungshilfe dar, die sie im Hinblick auf eine evidenzbasierte, sichere und wirtschaftliche Verordnungsentscheidung unterstützen soll. Es handelt sich jedoch um Empfehlungen, so dass die freie ärztliche Therapieentscheidung im Einzelfall unberührt bleibt. 15. Ist aus Sicht der Bundesregierung gewährleistet, dass bei der Erstellung des sog. KBV-Medikationskatalogs die bestmögliche Evidenz herangezogen wurde? Die Hinweise zu Indikation und therapeutischem Nutzen von Leistungen haben nach § 73 Absatz 8 Satz 1 SGB V nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu erfolgen. Danach ist die bestmögliche Evidenz heranzuziehen. 16. In welchem Umfang sollen sich im Hinblick darauf, dass die Nutzenbewertung durch den G-BA nach § 35a SGB V auf Grundlage des internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin erfolgt, die verordnenden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte nach den Arzneimittelrichtlinien (§ 92 SGB V) richten und in welchem Umfang nach dem KBV- Medikationskatalog? Die AM-RL des G-BA konkretisiert den Inhalt und Umfang der im SGB V festgelegten Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenkassen auf der Grundlage des Wirtschaftlichkeitsgebots und ist in ihrem Geltungsbereich verbindlich . Die Nutzenbewertungsbeschlüsse nach § 35a SGB V sind Bestandteil der AM- RL. Im Nutzenbewertungsbeschluss bewertet der G-BA insbesondere den Zusatznutzen eines Arzneimittels mit einem neuen Wirkstoff gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie und trifft dabei Aussagen zu Ausmaß des Zusatznutzens und seiner therapeutischen Bedeutung. Die Nutzenbewertung stellt keine Therapieempfehlung für Einzelfälle dar, weil sie nicht alle individuellen Therapiesituationen abbildet. Aus der Feststellung eines Zusatznutzens kann daher beispielsweise nicht abgeleitet werden, dass ein Arzneimittel in jedem Fall wirtschaftlich ist. Es wird insofern auch auf die Antwort auf Frage 5 verwiesen. Insofern ergänzt der KBV-Medikationskatalog die AM-RL, wenn darin Wirkstoffe etwa als nachrangig oder als für den überwiegenden Anteil der Patientinnen und Patienten zur Behandlung der jeweiligen Erkrankung als Standard empfohlen werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/13788 17. Wie bewertet die Bundesregierung, dass einzelne KVen ihre Arzneimittelund Prüfvereinbarungen nicht veröffentlichen? Gibt es aus Sicht der Bundesregierung eine Pflicht zur Veröffentlichung der Arznei- und Prüfvereinbarungen? Wenn nein, warum nicht? Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich treffen mit KVen nach § 84 Absatz 1 SGB V Arzneimittelvereinbarungen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 SGB V und nach § 106b Absatz 1 SGB V Vereinbarungen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung mit ärztlich verordneten Leistungen. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Veröffentlichung dieser Vereinbarungen besteht nicht. Die KVen sind verpflichtet, ihre Mitglieder über den Inhalt der Vereinbarungen zu informieren, um eine wirtschaftliche Versorgung mit entsprechenden ärztlich verordneten Leistungen zu ermöglichen. Inwieweit Dritte einen Anspruch auf Einsicht in die Vereinbarungen oder Teile der Vereinbarungen haben, hängt vom konkreten Einzelfall ab. 18. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, insgesamt angesichts der regional diversen Steuerung ärztlichen Verhaltens durch Arzneimittel- und Prüfvereinbarungen sicherzustellen, dass gesetzlich Krankenversicherte die jeweils zweckmäßige Arzneimitteltherapie mit dem für ihren individuellen Fall notwendigen Arzneimittel erhalten und Ärztinnen und Ärzte von ihrer Therapiefreiheit Gebrauch machen können, ohne wirtschaftliche Nachteile befürchten zu müssen? Die Anwendung der bestehenden Steuerungsinstrumente der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung beobachtet die Bundesregierung fortwährend. Insbesondere durch regionale Vereinbarungen können – wo erforderlich – spezifische Besonderheiten angemessen berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist es nach Auffassung der Bundesregierung die gemeinsame Aufgabe der Krankenkassen, der Leistungserbringer und auch der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten darauf zu achten, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich erbracht werden (vgl. auch § 2 Absatz 4 SGB V). Drucksache 19/13788 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333