Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/13498 – Mögliche Hinweise auf Antiziganismus in der Bundespolizeidirektion München V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im März 2019 hat der Deutsche Bundestag erklärt, er stelle sich „dem Antiziganismus entgegen – in seinen Anfängen und in allen Formen, in denen er auftreten kann“ (Bundestagsdrucksache 19/8546). Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller resultiert aus diesem Beschluss die politische – und auch moralische – Pflicht des Deutschen Bundestages, antiziganistisches Handeln insbesondere von Behörden des Bundes zurückzuweisen. Hierbei muss nach Ansicht der Fragesteller ein besonderes Augenmerk auf die Polizei fallen. Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, wies darauf hin, Sinti und Roma seien „immer wieder damit konfrontiert, dass Polizeibehörden bei Sinti und Roma ganz ausdrücklich auf die Abstammung als wesentliches Merkmal bei der Zuschreibung von Straftaten verweisen“ (vgl. Markus End, Antiziganismus und Polizei, 2019). In einer früheren Untersuchung im Auftrag des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma hatte End darauf hingewiesen, dass auch nach 1945 Hinweise für Versuche der Totalerfassung der im Nationalsozialismus als „Zigeuner“ oder „Landfahrer“ stigmatisierten Bevölkerungsgruppen durch die deutsche Polizei vorliegen, wobei in Polizeimitteilungen aus den 2000er-Jahren der Begriff „mobile ethnische Minderheit“ verwendet würde (End, Markus: Antiziganistische Ermittlungsansätze in Polizei- und Sicherheitsbehörden, Heidelberg 2017, S. 7 f.) Eine Bestätigung hierfür sehen die Fragestellerinnen und Fragesteller in einer Pressemitteilung der Bundespolizeidirektion München vom 22. August 2019 (www.presseportal.de/blaulicht/pm/64017/4355187). Darin wird die Zurückweisung einer Familie aus Bosnien-Herzegowina an der österreichischen Grenze vermeldet, die ohne erforderliche Papiere habe einreisen wollen. Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung: „Die abgelehnten Asylbewerber, die wohl der Minderheit der Sinti und Roma angehören, waren ohne ausreichende Dokumente unterwegs.“ Deutscher Bundestag Drucksache 19/13869 19. Wahlperiode 10.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 8. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Richtlinie 12.1 des Deutschen Presserates empfiehlt hinsichtlich der Nennung ethnischer Zugehörigkeiten von Tatverdächtigen: „Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse“ (www.presserat.de/fileadmin/user_upload/Downlo ads_Dateien/Pressekodex_Leitsaetze_RL12.1.pdf). Auf Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke teilte die Bundespolizeidirektion München am 23. August 2019 per E-Mail mit, der „Familienvater“ habe bei der Befragung „angegeben, dass er bzw. seine Familie der Minderheitengruppe der Sinti und Roma angehöre“. Zum einen können sich die Fragestellerinnen und Fragesteller kaum vorstellen, dass ein Roma von sich selbst sagt, er und seine Angehörigen seien „Sinti und Roma“. Zum anderen aber können sie nicht ansatzweise erkennen, worin in diesem Fall das öffentliche Interesse gelegen haben soll, die mutmaßliche Zugehörigkeit der zurückgewiesenen Familienangehörigen zur Minderheit der „Sinti und Roma“ hervorzuheben. Die Bundespolizeidirektion gab in der E-Mail an, die Bundespolizei mache „grundsätzlich Angaben zu den Nationalitäten von Polizeipflichtigen bzw. Tatverdächtigen.“ Dabei war nicht kritisiert worden, dass auf die Herkunft aus Bosnien und Herzegowina hingewiesen wurde (zumal es nach Ansicht der Fragesteller beim Delikt der unerlaubten Einreise grundsätzlich nur um ausländische Staatsbürger gehen kann), sondern dass zusätzlich die ethnische Herkunft der Familie hervorgehoben wurde. Sollte die Zugehörigkeit zu Sinti oder Roma von der Bundespolizei als „Nationalität“ verstanden werden, müsste nach Ansicht der Fragesteller die Bundespolizei auch auf sorbische, friesische oder dänische „Nationalitäten“ deutscher Tatverdächtiger hinweisen . Der Wissenschaftler Markus End stellt fest, „die häufigste Form von Polizeipressemitteilungen mit Bezug zu ‚Sinti‘ oder ‚Roma‘ [bestehe] darin, auf eine vermutete oder tatsächliche Minderheitenzugehörigkeit hinzuweisen“ (End 2019, S. 47). Zu beachten sei der gesellschaftliche Kontext: „Da die Annahme , dass ‚Sinti und Roma‘ zu Kriminalität neigen, in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet ist, ist anzunehmen, dass die Nennung einer vermuteten oder tatsächlichen Minderheitenzugehörigkeit von Tatverdächtigen oder Täterinnen bzw. Tätern als Bestätigung dieser Annahme verstanden wird“ (a. a. O., S. 49). Die Fragestellerinnen und Fragesteller erwarten, dass der Wortlaut der Pressemitteilung auf der Homepage der Bundespolizei geändert wird und Konsequenzen aus diesem Vorgang für künftige Mitteilungen gezogen werden. Zudem wirft der Vorfall mehrere Fragen auf, die beantwortet werden müssen, wenn man dem Ziel einer diskriminierungsfreien Presseberichterstattung durch Polizei und Staatsanwaltschaften – das laut Markus End „in weiter Ferne“ liegt – wenigstens näher kommen will (Quelle s. o.). Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller deutet der Vorfall auf antiziganistische Einstellungen innerhalb der Bundespolizei, mindestens aber auf mangelnde Sensibilität gegenüber dem Problem des Antiziganismus hin. So wäre es nach ihrer Einschätzung fraglos und zu Recht skandalisiert worden, wenn die Familienangehörigen in der Pressemitteilung etwa als „wohl Juden“ bezeichnet worden wären – genauso wie der Antisemitismus ist auch der Antiziganismus zu verurteilen und zurückzuweisen, sodass hier Konsequenzen erforderlich sind.  1. Wer innerhalb der Bundespolizei (bitte Funktion angeben) hat aus welchen Gründen angenommen, es sei für die Pressestelle relevant, zu erfahren , dass die Betroffenen „wohl“ Sinti oder Roma seien? Die Sachbearbeiter Öffentlichkeitsarbeit der jeweiligen Bundespolizeiinspektionen recherchieren die relevanten Sachverhalte in der Regel selbstständig. Drucksache 19/13869 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller, die Bundespolizei solle in ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die erwähnte Richtlinie des Deutschen Presserates berücksichtigen und ethnische Zugehörigkeiten von Tatverdächtigen allenfalls bei einem begründeten öffentlichen Interesse hervorheben, und wenn nein, warum nicht? Ja, diese Auffassung wird geteilt.  3. Hat die Pressestelle angenommen, es bestehe ein öffentliches Interesse daran, zu kommunizieren, dass die zurückgewiesene Familie „wohl“ der Minderheit der Roma (oder der Sinti) angehöre, und wenn ja, worin genau soll dieses öffentliche Interesse bestehen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundespolizei (bitte begründen )? Die Nennung der Zugehörigkeit zur Minderheit der Sinti und Roma war in diesem Fall fehlerhaft und wäre entbehrlich gewesen. Der Grundsachverhalt wird in allen Pressestellen der Bundespolizei nachbereitet.  4. Falls die Pressestelle nicht angenommen hat, es bestehe ein öffentliches Interesse daran, zu kommunizieren, dass die zurückgewiesene Familie „wohl“ der Minderheit der Roma (oder der Sinti) angehöre, warum wurde dies dann gleichwohl kommuniziert? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen.  5. Wer ist verantwortlich für die Erstellung, das Lektorat und die Verbreitung der Pressemitteilung? Die Verantwortung für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist im Einzelfall nach der jeweiligen Thematik zu bewerten. So sind die Bundespolizeiinspektionen für lokale Themen verantwortlich, die Bundespolizeidirektionen für regionale Themen und das Bundespolizeipräsidium für überregionale Themen. Bei Bedarf werden Pressemitteilungen zu einzelnen Sachverhalten im Vorfeld mit der übergeordneten Dienststelle abgestimmt. In diesem Fall erfolgte die Abstimmung zwischen der Pressestelle der Bundespolizeiinspektion Kempten und der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Bundespolizeidirektion München.  6. Wird die Zugehörigkeit zur Minderheit der Roma oder Sinti von der Bundespolizei grundsätzlich als „Nationalität“ gewertet? Falls ja, wird dementsprechend von der Bundespolizei grundsätzlich in ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf friesische, dänische, sorbische sowie Sinti-/Roma-“Nationalitäten“ deutscher Tatverdächtiger hingewiesen , und falls nein, warum wurde in diesem Fall auf die Zugehörigkeit der Familie zur Minderheit der Roma hingewiesen? Die Zugehörigkeit zur Minderheit der Sinti und Roma wird grundsätzlich nicht als Nationalität gewertet. Die Nennung der Zugehörigkeit zur Minderheit der Sinti und Roma war in diesem Fall fehlerhaft und wäre entbehrlich gewesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13869 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  7. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorfall, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Es handelt sich hierbei um einen Einzelfall, der in den Pressestellen der Bundespolizei nachbereitet wird. Es erfolgt eine Sensibilisierung der in den Pressestellen der Bundespolizei eingesetzten Mitarbeiter.  8. Welche Konsequenzen zieht die Bundespolizeidirektion München bzw. Kempten bzw. insgesamt die Bundespolizei aus dem Vorfall? Die Bundespolizeidirektion München hat alle mit der Öffentlichkeitsarbeit beauftragten Beschäftigten diesbezüglich sensibilisiert. Die in Rede stehende Pressemitteilung wurde zwischenzeitlich aus dem Onlineangebot entfernt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen.  9. Existieren in den von der Bundespolizei genutzten Fallbearbeitungssystemen , Vorgangsbearbeitungssystemen oder Dateien, Datenbanken und Informationssystemen a) personengebundene Hinweise wie „Roma und Sinti“, „reisende Täter“, „Angehörige einer mobilen ethnischen Minderheit“, „Landfahrer “ etc., Der Begriff der „Volkszugehörigkeit“ wird in der Erfassungsrichtlinie zum Vorgangsbearbeitungssystem @rtus-Bund nicht definiert. Allerdings wird hier der eindeutige Hinweis gegeben, dass nur gemäß freiwilliger Angabe der Person die entsprechende Volkszugehörigkeit aus einem Katalog gewählt werden kann. Darüber hinaus ist es den Anwendern von @rtus-Bund normativ untersagt, Hinweise auf die Religionszugehörigkeit der Betroffenen vorzunehmen. Demnach ist die Erfassung einer Gruppenzugehörigkeit, welche zur Zeit des NS- Regimes systematisch verfolgt und sanktioniert wurde, nicht zulässig und eine Umschreibung einer solchen Gruppierung nicht statthaft. Die beispielhaft erwähnten Minderheiten (Sinti und Roma) werden in dem Katalog nicht aufgeführt und können auch nicht ausgewählt werden. Eine freitextliche Erfassung ist unabhängig davon möglich. Im Fallbearbeitungssystem der Bundespolizei existieren keine personengebundenen Hinweise im Sinne der Anfrage. Im Informationssystem der Bundespolizei (INPOL-BPOL) werden keine personengebundenen Hinweise mit den Bezeichnungen „Roma und Sinti“, „Angehöriger einer mobilen ethnischen Minderheit“, „Landfahrer“ oder „reisender Täter“ o. ä. geführt. Die kataloggestützte Erfassung der personengebundenen Hinweise schließt eine Erfassung dieser Begriffe aus. b) ermittlungsunterstützende Hinweise solcher Art, Ermittlungsunterstützende Hinweise solcher Art können im Vorgangsbearbeitungssystem der Bundespolizei nicht erfasst werden und stehen auch nicht zur Verfügung. Auch im Fallbearbeitungssystem der Bundespolizei existieren ermittlungsunterstützende Hinweise solcher Art nicht. Für Ermittlungszwecke kann der ermittlungsbezogene Hinweis „Reisender Täter“ zur Bekämpfung der Eigentumskriminalität verwendet werden. Die Verwendung dieses Begriffes erfolgt, unabhängig von Staatsangehörigkeit und eth- Drucksache 19/13869 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. nischer Zugehörigkeit, im Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung auf Grund des konkreten Tatverhaltens. c) ggf. in welchen der genannten Systeme (bitte einzeln benennen), und wie häufig sind sie vergeben? Im Vorgangsbearbeitungssystem der Bundespolizei wurde für die Jahre 2013 bis 2019 in insgesamt sieben Vorgängen das Datenfeld „Volkszugehörigkeit“ zu „Sinti“ und „Roma“ freitextlich erfasst. Hierbei handelte es sich in vier Fällen um grenzpolizeiliche bzw. strafprozessuale Vorgänge, bei denen der Begriff „Roma“ erfasst wurde. Davon wurden in zwei Fällen Personen mit bosnischherzegowinischer Staatsangehörigkeit erfasst, bei denen zuvor eine Straftat vorausgegangen war. Des Weiteren wurde eine Person mit mazedonischer Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit Straftaten erfasst. Bei einer Person mit deutscher Staatsangehörigkeit wurde im Zusammenhang mit einer Straftat der Begriff „Sinti“ erfasst. Bei einer Person rumänischer Staatsangehörigkeit wurde der Begriff „Roma“ im Rahmen der Gefahrenabwehr erfasst. Die weiteren Personen (eine mit mazedonischer, zwei mit serbischer Staatsangehörigkeit) wurden im Zusammenhang mit Rückführungen aus Deutschland mit dem Wert „Roma“ erfasst. Somit wurden in sieben Vorgängen insgesamt acht Personen mit den in Rede stehenden Werten erfasst. Da die geltenden Bestimmungen eine derartige Erfassung untersagen, handelt es sich hierbei nicht um eine systematische Erfassung solcher Personenmerkmale , sondern um individuelle Fehler in der Sachbearbeitung, die sich auf Grund der Notwendigkeit von Freitextfeldern in der polizeilichen Vorgangsbearbeitung nicht vollständig vermeiden lassen. Im Informationssystem der Bundespolizei (INPOL-BPOL) sowie in der elektronischen Kriminalakte (eKA) wurde durch die Bundespolizei der Hinweis „Reisender Täter“ in 45 Fällen vergeben. 10. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Freitextfelder in von der Bundespolizei genutzten Fallbearbeitungs-, Vorgangsbearbeitungs- und Informationssystemen dazu genutzt, auf die Zugehörigkeit zu „Sinti und Roma“, zu einer „mobilen ethnischen Minderheit“ oder die unterstellte Eigenschaft als „reisender Täter“ hinzuweisen, und hat die Bundesregierung eine entsprechende Prüfung veranlasst bzw. wird sie veranlassen? Freitextfelder sind in dem von der Bundespolizei genutzten Vorgangsbearbeitungssystem @rtus-Bund, im Fallbearbeitungssystem sowie im Informationssystem nicht dazu bestimmt, um auf die Zugehörigkeit zu „Sinti und Roma“, zu einer „mobilen ethnischen Minderheit“ oder die unterstellte Eigenschaft als „reisender Täter“ hinzuweisen. Das in der Antwort zu Frage 9 genannte Datenfeld „Volkszugehörigkeit“ im VBS@rtus-Bund bietet zwar die Möglichkeit, freitextliche Erfassungen vorzunehmen, dennoch sind hier ausschließlich Werte aus dem dort vorhandenen Katalog zu nutzen. Das Bundespolizeipräsidium hat aufgrund des Ergebnisses der Recherche zur Minderheit der Sinti und Roma bereits erste Maßnahmen eingeleitet, um Fälle von unrechtmäßigen Erfassungen rückgängig zu machen und freitextliche Erfassungen dieser Art im Datenfeld „Volkszugehörigkeit“ zu unterbinden. Darüber hinaus wird der nachgeordnete Bereich des Bundespolizeipräsidiums mit Blick auf diese Thematik nochmals entsprechend sensibilisiert und auf die Einhaltung der diesbezüglichen Vorschriftenlage hingewiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/13869 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 11. Sieht die Bundesregierung Anlass, in die Aus- und Fortbildung der Bundespolizei künftig auch das Thema „Antiziganismus“ einzubeziehen, was nach ihren Angaben (Bundestagsdrucksache 19/8343, Antwort zu den Fragen 6 bis 8) nicht der Fall ist, und wenn nein, warum nicht? Inwiefern sieht sie in der Formulierung der Bundespolizei, die aus Bosnien und Herzegowina stammenden Betroffenen seien „Sinti und Roma“ gewesen, einen Hinweis auf unzureichende Kenntnisse über die Minderheit angesichts der nach Einschätzung der Fragestellerinnen und Fragesteller äußerst geringen Zahl von Sinti in Bosnien-Herzegowina und ihrer Einschätzung, dass sich kein Rom als „Sinti und Roma“ vorstellt, und welche Schlussfolgerungen zieht sie hieraus für Fortbildungen innerhalb der Bundespolizei? Die Grundlagen für das jederzeit rechtmäßige Handeln der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei auf Basis der freiheitlich –demokratischen Grundordnung werden fächerübergreifend in der Ausund Fortbildung der Bundespolizei vermittelt. Die Achtung und der Schutz der Menschenrechte umfassen den Ausschluss jeglichen diskriminierenden Verhaltens . Dies schließt und schloss auch schon immer die Problematik des Antiziganismus mit ein. Zur Verdeutlichung werden im Folgenden die umfangreichen Maßnahmen der Bundespolizei in der Aus- und Fortbildung zum Thema dargestellt: In der Ausbildung der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei werden Kompetenzen vermittelt, die die Beamtinnen und Beamten in die Lage versetzen, bei der Verfolgung der polizeilichen Ziele auf den Einzelnen angemessen einzugehen. Folgende Kompetenzen stehen hierbei im Mittelpunkt: • Persönliche Kompetenz (u. a. Verantwortungsbereitschaft, vorbildliches Verhalten , psychische und physische Belastbarkeit, Umgang mit Stress, Fähigkeit , das eigene Verhalten an ethischen Grundsätzen und Überzeugungen auszurichten) • Soziale Kompetenz (u. a. Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Konflikthandhabung) • Interkulturelle Kompetenz (u. a. Kenntnis von anderen Umgangsformen und Verhaltensweisen, Toleranz, Sprachkenntnisse) • Fachkompetenz (u. a. Beherrschung des polizeilichen Handwerks (Befragungen , Vernehmungen etc.), Sorge um das Opfer, Erste Hilfe und Folgemaßnahmen , Kenntnisse zu den Verhältnissen in den Herkunftsländern und dem Modus Operandi der Täter) Die Themenfelder Menschenrechte, Verhütung von Rassismus und rassistischer Diskriminierung sind ebenso wie die Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen wesentlicher Bestandteil der Aus- und Fortbildung. Die Vermittlung der Kompetenzen erfolgt in vielfältiger Weise in den Einrichtungen der Bundespolizei und bei externen Veranstaltern. Zur Vermittlung der Themen und Inhalte werden interne und externe Experten (Polizeifachlehrer und Lehrkräfte, Sozialwissenschaftler der Bundespolizei, Polizeipsychologen, Polizeiseelsorger sowie externe Referenten von anderen Behörden, Organisationen, Vereinen und NGO aber auch Betroffene) eingesetzt . Drucksache 19/13869 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Im zentralen Fortbildungsangebot der Bundespolizei existieren zum Thema politische Bildung u. a. folgende Themenangebote: • Wertewandel • Globalisierung und Polizei • Extremismus • Rechtsextremismus • Politische Bildung für Führungskräfte • Werteorientierte Führung • Polizei und Fremde • Interkulturelle Kompetenz In der dienststelleninternen Fortbildung werden die rechtlichen (insbesondere die verfassungsmäßigen) Voraussetzungen für Eingriffsmaßnahmen vertieft. Aktuelle Entwicklungen und Gerichtsentscheidungen finden Eingang in diese Maßnahmen und werden praxisorientiert im Dienstunterricht und begleitend im Einsatz- und Situationstraining aufbereitet. Auch Führungskräftetagungen – zentral und auf örtlicher Ebene – werden zur Sensibilisierung in diesem Themenfeld genutzt. Die Maßnahmen der Aus- und Fortbildung werden regelmäßig evaluiert und soweit erforderlich angepasst. Das Thema Antiziganismus ist insoweit in der Bundespolizei präsent. Dies wurde im Jahr 2018 verstärkt durch einen Besuch des Vorsitzenden des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma, Herrn Romani Rose, an der Bundespolizeiakademie in Lübeck. Der Besuch kam nach einem persönlichen Gespräch des Vorsitzenden der Deutschen Sinti und Roma beim Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums zu Stande. Während des Besuches konnte sich der Vorsitzende des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma von der Wirksamkeit der Ausund Fortbildung bei der Bundespolizei, auch bei der Bekämpfung des Antiziganismus , überzeugen. In Folge des Besuchs soll im vierten Quartal des Jahres 2019 eine Ausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma mit dem Titel „Rassendiagnose: Zigeuner – Der Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um Anerkennung“ an der Bundespolizeiakademie Lübeck organisiert werden. 12. Wie positioniert sich die Bundesregierung bzw. die Bundespolizei zu der Frage, ob die Polizei grundsätzlich immer in ihren Pressemitteilungen die Nationalität von Tätern bzw. Tatverdächtigen nennen sollte (vgl. www.mi gazin.de/2019/08/29/herkunftsnennung-bei-straftaetern-laender-sindgeteilter -meinung/?utm_source=wysija&utm_medium=email&utm_cam paign=MiGAZIN+Newsletter; bitte ausführen)? 13. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass eine permanente Nennung der Nationalität der Betroffenen in polizeilichen Pressemeldungen (unfreiwillig ) die – falsche – Auffassung bestätigt könnte, dass Kriminalität oder kriminelles Handeln ursächlich mit der Herkunft, Staatsangehörigkeit oder Nationalität der Betroffenen erklärt werden könne (bitte begründen)? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/13869 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 14. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass eine permanente Nennung der Nationalität der Betroffenen in polizeilichen Pressemeldungen von Rechten und Rechtsextremen für ihre Zwecke instrumentalisiert werden könnte (weil sie auf diese Informationen selektiv zurückgreifen werden bzw. eine mögliche Häufig nicht-deutscher Nationalitäten als Bestätigung für ihre – falsche – Auffassung nehmen könnten, Kriminalität oder kriminelles Handeln könne ursächlich mit der Herkunft, Staatsangehörigkeit oder Nationalität der Betroffenen erklärt werden (bitte begründen)? Die Fragen 12 bis 14 werden zusammen beantwortet. Die Nennung der Staatsangehörigkeiten (von Tatverdächtigen) in der Pressearbeit bzw. in der Social-Media-Arbeit der Bundespolizei ist kein Novum. Dieser Grundsatz der Gleichheit und Transparenz gilt bundesweit bei allen Dienststellen der Bundespolizei. Ihm zugrunde liegt das Interesse der Öffentlichkeit , sich über die Polizeiarbeit sowie die ihr zugrundeliegenden Ereignisse und deren Umstände möglichst umfassend informieren zu können. Eine Abweichung von diesem Grundsatz kann angebracht sein, wenn ermittlungstaktische Belange oder persönliche schutzwürdige Interessen tangiert sind. Drucksache 19/13869 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.