Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 15. März 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1393 19. Wahlperiode 21.03.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Manuel Höferlin, Jimmy Schulz, Mario Brandenburg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/1017 – Netzsperren durch Novellierung der CPC-Verordnung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Europäische Union hat mit Verkündung der Verordnung (EU) 2017/2394 im Amtsblatt vom 27. Dezember 2017 (Abl. L 345 vom 27. Dezember 2017, S. 1) im Rahmen der Novellierung der Consumer Protection Cooperation (CPC)-Verordnung (Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004) folgende Regelung unter Artikel 9 Absatz 4 Buchstabe g verabschiedet: „[U]m das Risiko einer schwerwiegenden Schädigung der Kollektivinteressen von Verbrauchern zu verhindern“, sollen Durchsetzungsbefugnisse geschaffen werden, um: „i) Inhalte von Online-Schnittstellen zu entfernen oder den Zugang zu einer Online-Schnittstelle zu beschränken oder anzuordnen, dass beim Zugriff auf die Online-Schnittstelle ein ausdrücklicher Warnhinweis an die Verbraucher angezeigt wird, ii) anzuordnen, dass Anbieter von Hosting-Diensten den Zugang zu einer Online-Schnittstelle entfernen, sperren oder beschränken, oder iii) gegebenenfalls anzuordnen, dass Register oder Registrierungsstellen für Domänennamen einen vollständigen Domänennamen entfernen, und der betreffenden zuständigen Behörde seine Registrierung zu gestatten, auch durch Aufforderung an Dritte oder andere Behörden, solche Maßnahmen durchzuführen .“ V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der vollständige Text der Befugnis in Artikel 9 Absatz 4 Satz 1 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2017/2394 lautet wie folgt: „(4) Die zuständigen Behörden verfügen mindestens über die folgenden Durchsetzungsbefugnisse , die es ihnen gestatten, […] Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1393 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode g) wenn keine anderen wirksamen Mittel zur Verfügung stehen, um die Einstellung oder Untersagung des Verstoßes nach dieser Verordnung zu bewirken, und um das Risiko einer schwerwiegenden Schädigung der Kollektivinteressen von Verbrauchern zu verhindern, i) Inhalte von Online-Schnittstellen zu entfernen oder den Zugang zu einer Online -Schnittstelle zu beschränken oder anzuordnen, dass beim Zugriff auf die Online -Schnittstelle ein ausdrücklicher Warnhinweis an die Verbraucher angezeigt wird, ii) anzuordnen, dass Anbieter von Hosting-Diensten den Zugang zu einer Online- Schnittstelle entfernen, sperren oder beschränken, oder iii) gegebenenfalls anzuordnen, dass Register oder Registrierungsstellen für Domänennamen einen vollständigen Domänennamen entfernen, und der betreffenden zuständigen Behörde seine Registrierung zu gestatten, auch durch Aufforderung an Dritte oder andere Behörden, solche Maßnahmen durchzuführen.“ Verordnungen besitzen gemäß Artikel 288 Absatz 2 Satz 1 AEUV „allgemeine Geltung“. Sie sind nach Artikel 288 Absatz 2 Satz 2 AEUV in all ihren Teilen verbindlich und gelten „unmittelbar in jedem Mitgliedstaat“. Die Verordnung (EU) 2017/2394 gilt ab dem 17. Januar 2020. Somit gilt ab diesem Zeitpunkt auch die Befugnis nach Artikel 9 Absatz 4 Satz 1 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2017/2394 unmittelbar. Gemäß Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/2394 muss die in Anwendung dieser Verordnung erfolgende Durchführung und Ausübung der Befugnisse nach Artikel 9 verhältnismäßig sein und im Einklang mit dem Unionsrecht und dem nationalen Recht, einschließlich der geltenden Verfahrensgarantien und der Grundsätze der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, stehen. 1. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass diese Verordnung Netzsperren in Deutschland einführt bzw. Deutschland verpflichtet, Netzsperren einzuführen, d. h. die freie Abrufbarkeit von Websites aus dem Internet technisch zu verhindern? 2. Hält es die Bundesregierung für möglich, dass die in der Verordnung beschriebene Infrastruktur bzw. beschriebenen Durchsetzungsbefugnisse für weitere Zwecke – außer dem in der Verordnung beschrieben Zweck – genutzt werden kann? 3. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, damit die Infrastruktur nicht für andere Zwecke missbraucht wird, etwa Zensurmaßnahmen? 6. Plant die Bundesregierung die Entscheidung über die Ausübung der Befugnisse nach Artikel 9 Absatz 4 Buchstabe g gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d in die Hände eines Gerichts zu legen, und hält sie dies verfassungsoder unionsrechtlich sogar für geboten? Die Fragen 1, 2, 3 und 6 werden zusammen beantwortet. Die Verordnung (EU) 2017/2394 sieht harmonisierte Vorschriften und Verfahren zur Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen nationalen Behörden vor, mit denen die Verbraucherschutzbehörden besser auf die geänderten Verhältnisse des digitalen Binnenmarktes reagieren können werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1393 Artikel 9 Absatz 4 Satz 1 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2017/2394 ermächtigt zu Maßnahmen, die als Eingriffe in Grundrechte nur dann gerechtfertigt sein können, wenn sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen. Die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen der Verordnung (EU) 2017/2394 erfolgreich dafür eingesetzt, dass eine solche Maßnahme nach dem Prinzip der ultima ratio nur das letzte zur Verfügung stehende Mittel nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten sein kann. Überdies wurde die Befugnis – ähnlich wie die Befugnis zum Erlass einstweiliger Maßnahmen – auf schwerwiegende Verstöße beschränkt. Hierdurch wird klargestellt, dass ein solcher Eingriff nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein kann. Die Bundesregierung hatte mit einigen anderen Mitgliedstaaten in den Verhandlungen zudem erfolgreich darauf gedrungen, dass als milderes Mittel zur Entfernung , Sperrung oder Beschränkung die alternative Befugnis aufgenommen wird, die Anzeige eines ausdrücklichen Warnhinweises an die Verbraucher beim Zugriff auf eine Online-Schnittstelle anzuordnen. In Artikel 10 der Verordnung ist zudem explizit geregelt, dass die Durchführung und die Ausübung von Befugnissen insbesondere mit nationalen Verfahrensgarantien und den Grundsätzen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar sein müssen. Die Mitgliedstaaten bestimmen – in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht – in ihrem nationalen Recht Bedingungen und Beschränkungen für die Ausübung der Befugnisse. Zur Durchführung der geltenden CPC-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 2006/2004) wurde in Deutschland das EG-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz (VSchDG) erlassen, welches nunmehr entsprechend der Verordnung (EU) 2017/2394 anzupassen ist. Es wird derzeit sorgfältig und intensiv geprüft, ob und gegebenenfalls welche gesetzgeberischen Maßnahmen ergriffen werden sollen. Die Ausübung der Befugnis in Artikel 9 Absatz 4 Satz 1 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2017/2394 im Wege eines Antrages an die Gerichte nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2017/2394 ist eine der Möglichkeiten , die von der Bundesregierung derzeit geprüft wird. 4. Ist nach Ansicht der Bundesregierung zur Erfüllung der Verpflichtung der Mindestbefugnisse des Artikels 9 Absatz 4 Buchstabe g erforderlich, neue Befugnisse zu schaffen, oder reichen die bestehenden Befugnisse aus? Zur unmittelbaren Geltung der Verordnung siehe Vorbemerkung der Bundesregierung . 5. Plant die Bundesregierung, über Artikel 9 Absatz 4 Buchstabe g hinausgehende Befugnisse einzuführen, und wenn ja, welche? Die Bundesregierung plant nicht, über Artikel 9 Absatz 4 Satz 1 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2017/2394 hinausgehende Befugnisse einzuführen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1393 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Welche Institution wird von der Bundesregierung mit den in der Verordnung vorgesehenen Kompetenzen ausgestattet, und welche Aufsichts- und Rechtsschutzmaßnahmen werden vorgesehen? Von welchem Personal- und Finanzierungsbedarf geht die Bundesregierung angesichts der Neufassung der CPC-Verordnung für Deutschland aus? Die für die Durchführung der geltenden CPC-Verordnung zuständigen Behörden in Deutschland ergeben sich aus § 2 VSchDG: Neben dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) sind das Luftfahrt-Bundesamt, das Eisenbahn-Bundesamt, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und einige Behörden der Länder zuständig. Im Rahmen der Anpassung des VSchDG wird auch zu prüfen sein, ob wegen der Erweiterung des Anwendungsbereiches der Verordnung (EU) 2017/2394 die Zuständigkeit weiterer Behörden erforderlich sein wird. Nach der Verordnung (EU) 2017/2394 verfügt grundsätzlich jede zuständige Behörde über die für die Anwendung der Verordnung erforderlichen Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnisse. Aufgrund der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz ist der Bund ausschließlich für die Aufsicht über Bundesbehörden zuständig, die der jeweiligen obersten Dienstbehörde obliegt. Der Rechtsschutz bei bestimmten Verwaltungsmaßnahmen in Durchführung der geltenden CPC-Verordnung ist in Abschnitt 5 des VSchDG geregelt. Im Rahmen der Anpassung des VSchDG an die Verordnung (EU) 2017/2394 wird auch zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls welche Änderungen in Abschnitt 5 VSchDG erforderlich sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind keine belastbaren Aussagen zum Personalund Finanzierungsbedarf möglich. 8. Hat es bereits Anfragen an die Bundesministerien und nachgeordneten Behörden gegeben, Webseiten zu sperren oder etwaige Unternehmen vor dem Hintergrund der Verordnung zu betrachten, oder sind Webseiten von Unternehmen an die Bundesregierung zur Sperrung bereits benannt worden? Zur Geltung der Verordnung (EU) 2017/2394 siehe Vorbemerkung der Bundesregierung . Es hat keine derartigen Anfragen oder Benennungen im Rahmen der Verordnung (EU) 2017/2394 gegeben. 9. Plant die Bundesregierung, die in der Verordnung für grenzüberschreitende Verstöße vorgesehenen Maßnahmen auch für rein innerstaatliche Sachverhalte für anwendbar zu erklären? Die Prüfung der Bundesregierung erstreckt sich auch auf die Frage, ob und gegebenenfalls welche der vorgesehenen Befugnisse künftig auch zugunsten der deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher angewendet werden können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333