Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/13654 – Das Thule-Netz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Thule-Netz war ein Verbund von Mailboxen, in dem Neonazis in den 1990er-Jahren kommunizierten. Gegründet 1993 bestand das Netz Mitte der 1990er-Jahre aus mindestens 17 verschiedenen Knotenpunkten in Deutschland und Europa. Teil des Thule-Netzwerkes waren unter anderem Funktionäre der Nationaldemokratischen Partei sowie der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front. Unter anderem die beiden V-Leute des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) K. D. und T. B. betrieben Knotenpunkte des Verbunds. K. D. soll auch am Aufbau des Netzes beteiligt gewesen sein (vgl.: „Thule Netz“ in: Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Hrsg. v. Jens Mecklenburg , S. 310 f. sowie https://de.wikipedia.org/wiki/Thule-Netz). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Das Thule-Netz ist der Bundesregierung als Verbund von Mailboxen, in dem Neonazis in den 1990er Jahren kommunizierten, bekannt. 1. Wie viele Personen kommunizierten nach Kenntnis der Bundesregierung über das Thule-Netz (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Die genaue Anzahl der Personen, die über das „Thule-Netz“ kommunizierten, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Zur Verschleierung ihrer Identität agierten die Teilnehmer unter anderem unter selbstgewählten Pseudonymen, die eine Identifizierung erschweren bzw. verhindern sollten. Zum Personenpotenzial des „Thule-Netzes“ existieren unterschiedliche Schätzungen, die von rund 150 Personen bis maximal 250 Personen ausgehen. Deutscher Bundestag Drucksache 19/13985 19. Wahlperiode 14.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 11. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 2. Wie viele Verfahren gegen wie viele Beschuldigte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Thule-Netz geführt (bitte unter Nennung von Tatvorwürfen, ermittlungsleitenden Staatsanwaltschaften und Verfahrensausgang beantworten)? Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) hat im Zusammenhang mit dem „Thule-Netz“ in der Vergangenheit zwei Verfahren geführt. Es handelt sich zum einen um ein Verfahren gegen einen Beschuldigten und gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB) und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB). Der GBA hat dieses Verfahren mit Verfügung vom 29. Juli 1999 gegen den Beschuldigten nach § 154 Absatz 1 StPO und gegen Unbekannt nach § 170 Absatz 2 StPO eingestellt . Zum anderen handelt es sich um ein Verfahren gegen sieben Beschuldigte wegen des Verdachts der Gründung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Absatz 1 i. V. m. § 111 Absatz 1 StGB), das mit Verfügung vom 27. Juli 2000 gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt wurde. Zu etwaigen in den Bundesländern geführten Ermittlungsverfahren und somit zu Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Länder fallen, erteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der föderalen Ordnung keine Auskünfte. 3. Mit welchen Behörden welcher Länder waren welche Bundesbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung in Bezug auf das Thule-Netz in Kontakt (bitte unter Nennung von Anlass und Datum beantworten)? Hinsichtlich des erwähnten Länder-Begriffs wird die Anfrage dahingehend interpretiert , welche Kontakte in die Bundesländer bestanden. Soweit dies im Rahmen der Aufgabenerfüllung und Zusammenarbeit im Fallkomplex „Thule- Netz“ erforderlich war, haben die jeweils auf Bundesebene zuständigen Behörden die jeweils zuständigen Stellen in den Bundesländern kontaktiert. Eine Übersicht über Art und Anlass der Kontakte kann nicht vorgelegt werden, da diese Angaben nicht statistisch erfasst wurden. Das in der Antwort zu Frage 2 genannte Verfahren gegen einen Beschuldigten und gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB) und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) hatte der GBA von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin in seine Zuständigkeit übernommen. Mit den weiteren Ermittlungen war das Bundeskriminalamt (BKA) beauftragt. 4. Wie viele Knotenpunkte lassen sich nach Kenntnis der Bundesregierung dem Thule-Netz zurechnen? In der Hochzeit des „Thule-Netzes“ (Frühjahr 1996) waren nach Kenntnis der Bundesregierung insgesamt 17 Mailboxen bzw. Knotenpunkte im Netz zusammengeschlossen . Drucksache 19/13985 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 5. Welche Organisationen der extremen Rechten kommunizierten nach Kenntnis der Bundesregierung über das Thule-Netz? Innerhalb des „Thule-Netzes“ wirkten Personen aus den unterschiedlichsten Bereichen des Rechtsextremismus mit. Neben reinen „Computerfreaks“ waren dort Mitglieder der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD), der damaligen „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) oder der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH) ebenso zu finden wie ehemalige Aktivisten verbotener neonazistischer Organisationen, aber auch unorganisierte Neonazis und Skinheads. 6. Wie viele Quellenmeldungen mit Bezug zum Thule-Netz liegen im Bundesamt für Verfassungsschutz vor (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Etwaige Einsätze von V-Leuten, Informanten oder Hinweisgebern für die Sicherheitsbehörden des Bundes unterliegen dem Quellenschutz und sind als solche besonders geheimhaltungsbedürftig. Eine konkrete Beantwortung kann aus Gründen des Staatswohls nicht erfolgen, da Arbeitsmethoden, Vorgehensweisen und Aufklärungsprofile der Sicherheitsbehörden des Bundes im Hinblick auf deren künftige Aufgabenerfüllung besonders schutzbedürftig sind. Eine Auskunft wäre geeignet, die Effektivität nachrichtendienstlicher Taktik und Methodik zu mindern. So könnten aus der Antwort Rückschlüsse auf die generelle Arbeitsweise von Nachrichtendiensten und den Erkenntnisstand sowie Aufklärungsbedarf gezogen werden. Dies würde die Arbeit von Nachrichtendiensten in erheblichem Maße gefährden. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt, dass auch eine Auskunft nach Maßgabe der Geheimschutzordnung und damit einhergehende Einsichtnahme über die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages ausscheidet. Hierbei würde wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht werden. Dieses Risiko kann wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf genommen werden. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/13985 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.