Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulrich Oehme, Markus Frohnmaier, Dietmar Friedhoff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/13627 – Kampf gegen den Analphabetismus V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung begreift den Kampf gegen den Analphabetismus im Rahmen der deutschen Entwicklungspolitik auch als den ihren (www.bmz.de/ de/service/termine/2019/september/jahrestag20190908_alphabetisie rung.html). 1. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Verteilung des Analphabetismus auf die Staaten der Welt (bitte nach absoluten und relativen Zahlen je Staat aufschlüsseln)? Eine detaillierte Auflistung der absoluten und relativen Werte zu Analphabetismus nach Ländern basierend auf Daten des UNESCO Instituts für Statistik findet sich unter folgendem Link: http://data.uis.unesco.org/index.aspx?quer yid=166. 2. Welchen Stellenwert hat der Kampf gegen den Analphabetismus für die Bundesregierung sowohl in den Partnerländern als auch weltweit (bitte begründen )? Alphabetisierung ist zentraler Bestandteil von Bildung, der Idee des lebenslangen Lernens und Fundament nachholender Grundbildung. Bildung ist ein Menschenrecht, welches jedem Menschen unabhängig von Herkunft, Sprache, Rasse, Geschlecht und Religion zusteht. Mit Ziel 4 ist der Bildung in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ein eigenes Ziel gewidmet: Bis 2030 soll für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung ermöglicht sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sichergestellt werden. Mit dem Unterziel 4.6 hat sich auch Deutschland als Teil der Staatengemeinschaft konkret mit Bezug auf Alphabetisierung zum Ziel gesetzt, bis 2030 sicherzustellen, dass alle Jugendlichen und ein erheblicher Anteil der Erwachsenen lesen, schreiben und rechnen können. Deutscher Bundestag Drucksache 19/14004 19. Wahlperiode 14.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 10. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Fähigkeiten zu lesen, zu rechnen und zu schreiben sind die Grundvoraussetzungen für eine gesellschaftliche Teilhabe, für einen Schulabschluss und eine berufliche Ausbildung und Beschäftigung. Daher ist Bildung zentraler Bestandteil der deutschen Entwicklungspolitik, wie in der Bildungsstrategie des BMZ dargelegt (abrufbar unter: www.bmz.de/de/mediathek/publikationen/ themen/bildung/Strategiepapier315_1_2012.pdf). 3. Gibt es einen Richtwert bzw. Meilenstein, ab dem sich die Bundesregierung aus der Alphabetisierungspolitik eines Partnerlandes zurückzieht? Wie ist dieser definiert? Ein Rückzug aus der Zusammenarbeit im Bildungsbereich ist dort angezeigt, wo die notwendigen Voraussetzungen zur Erreichung der gemeinsam mit der Partnerregierung vereinbarten Ziele nicht mehr vorliegen oder diese bereits erreicht wurden oder seitens des Partners kein Bedarf für weitere Unterstützung mehr vorhanden ist. Dies lässt sich nur einzelfallbezogen beurteilen. 4. Welche Projekte, Maßnahmen und Vorhaben führte die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren bzw. führt sie durch, um den Analphabetismus zu bekämpfen (bitte nach Staat, Betrag, Jahr, Bezeichnung, Träger und etwaiger Evaluierung aufschlüsseln)? Auf Grundlage eines erweiterten Verständnisses von Alphabetisierung gemäß Definition der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur UNESCO (Quelle: https://en.unesco.org/themes/literacy) tragen alle Grundbildungsvorhaben in den Partnerländern zur Alphabetisierung bei. Zudem kann nachholende Grundbildung auch Bestandteil von Vorhaben der beruflichen Bildung oder Sektor übergreifenden Maßnahmen sein (siehe auch Antwort zu Frage 2). In der Datenbank der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) https://stats.oecd.org/qwids/ sind die Projekteinzeldaten der öffentlichen Entwicklungsleistungen (Official Development Assistance; ODA) im Bereich Bildung seit dem Jahr 2006 abrufbar. Projekte mit konkretem Bezug zu Alphabetisierung können mittels Textsuche gefunden werden. Eine eigene Verschlüsselung für Alphabetisierung gibt es nicht. Grundsätzlich erfolgt bei allen Projekten eine jährliche Überprüfung der Projektfortschritte im Rahmen der jährlichen Berichterstattung. Am Ende einer Projektlaufzeit erfolgen Schlusskontrollen. Darüber hinaus evaluieren die Durchführungsorganisationen GIZ und KfW im Auftrag des BMZ jeweils eine repräsentative Stichprobe abgeschlossener Vorhaben der bilateralen technischen bzw. finanziellen Zusammenarbeit im Rahmen von Schluss- und Ex-post- Evaluierungen, ggf. auch im Rahmen von Zwischenevaluierungen laufender Vorhaben. Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) untersucht auf strategischer Ebene unabhängig die vom BMZ verantwortete Entwicklungszusammenarbeit. Drucksache 19/14004 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 5. Gibt es Projekte, Maßnahmen und Vorhaben der Bundesregierung, die direkt an eine erfolgreiche Alphabetisierung anschließen (wenn ja, bitte exemplarisch drei nennen, aufgeschlüsselt nach Staat, Betrag, Jahr, Bezeichnung , Träger und etwaiger Evaluierung)? a) Wenn ja, welche weiteren Bildungsmöglichkeiten und Abschlüsse, von der Alphabetisierung an, können durch die deutsche Entwicklungspolitik erreicht werden? b) Welche Beispiele für von der Bundesrepublik Deutschland erfolgreich finanzierte Bildungsbiografien, die bei der Alphabetisierung ihren Anfang nahmen, kann die Bundesregierung anführen (bitte wenn möglich nach drei einzelnen Beispielbiografien mit Bezeichnung Staatsangehöriger A, B, C, Klasse, Dorfgemeinschaft oder sonstiger infrage kommender sozialer Gruppe innerhalb eines Staatsvolkes aufschlüsseln)? Fragen 5a und 5b werden gemeinsam beantwortet. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit verfolgt einen systemischen Ansatz und fördert in den Partnerländern den nachhaltigen Aufbau von Bildungsstrukturen (siehe auch Antwort zu Frage 2). Die von der Bundesregierung geförderten Projekte beinhalten keine individualisierte Förderung von Einzelpersonen. In Ergänzung zum bilateralen Portfolio engagiert sich Deutschland ebenfalls im multilateralen Bereich. Beispielsweise hat das BMZ über die Übergangshilfe im Schuljahr 2018/19 das UNICEF Bildungsprogramm „Reaching all Children with Education“ im Libanon unterstützt. Damit wird rund 123.000 vorwiegend syrischen Kindern der Schulbesuch ermöglicht. Zusätzlich wurde seit 2014 die „No-Lost-Generation“-Initiative unterstützt, durch die bislang der Zugang zu frühkindlicher Bildung, Grundbildung und beruflicher Qualifizierung für 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Syriens Nachbarländern gefördert wurde. Ein anderes Beispiel ist die Globale Bildungspartnerschaft, zu der Deutschland Beiträge leistet. Über dieses Instrument konnte etwa im Senegal an der Amadou Diaré Grundschule in Dakar die Alphabetisierungsrate deutlich erhöht werden. 2017 bestanden lediglich 47 Prozent der Schülerinnen und Schüler den Abschlusstest. Nach nur einem Jahr der Förderung konnte dieser Wert bereits auf 80 Prozent erhöht werden. (www.globalpartnership.org/multimedia/video/ senegal-improving-literacy). Weitere anschauliche Beispiele sind hier zu finden : www.globalpartnership.org/content/gpe-in-action. 6. Welche Faktoren mindern nach Kenntnis der Bundesregierung die Erfolge des Kampfes gegen Analphabetismus (bitte qualifizieren und quantifizieren , unter besonderer Berücksichtigung von Kultur, Religion und Demografie )? Die wesentlichen Faktoren welche die Erfolge von Alphabetisierungsmaßnahmen mindern, sind unter anderem: Fehlender Zugang zu Bildung: Statistiken zeigen, dass es eine enge Korrelation zwischen dem Zugang zu Bildung und der Alphabetisierungsrate gibt. Seit der Einführung und Umsetzung globaler Bildungsagenden wie der Education for All (EFA)-Initiative, der VN- Alphabetisierungsdekade oder der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die auf dem Recht auf lebenslanges Leben basieren , ist die Alphabetisierungsrate stetig gestiegen. Während im Jahr 1820 nur 12 Prozent der Weltbevölkerung lesen und schreiben konnten, waren es im Jahr 2017 86 Prozent. Dies entspricht 750 Millionen Analphabeten weltweit. Zwischen 1960 und 2015 stieg die Alphabetisierungsrate um 4 Prozent alle fünf Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14004 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Jahre. (Quelle: Oxford Universität (2018). Unsere Welt in Daten, Literacy. https://ourworldindata.org/literacy) Fehlender Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung: Noch immer haben weltweit rund 260 Millionen Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung. Nur relevante Lerninhalte und wirksame Lernmethoden in der Grundbildung führen auch zu spürbaren und nachweisbaren Lernergebnissen sowohl im Bereich der Basisqualifikationen als auch im Lesen , Schreiben und Rechnen. Mangelnde finanzielle Ressourcen: Auf staatlicher Ebene führen fehlende finanzielle Ressourcen zu defizitären Bildungssystemen. Auf Haushaltsebene führen geringe Einkommen dazu, dass bildungsbezogene Kosten wie Schulgebühren , Lernmaterialien oder Transport nicht gedeckt werden können, sowie dass Kinder und Jugendliche zum Haushaltseinkommen beitragen müssen und ihnen so der Zugang zu Bildung verwehrt bleibt. Fragilität, Krisen und Konflikt hindern weltweit 75 Millionen Kinder und Jugendliche am Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung. In Krisenkontexten steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder die Grundschule nicht beenden, um 30 Prozent. Noch immer erschweren Geschlechternormen für viele Mädchen und junge Frauen den Zugang zu Bildung und die fortlaufende Anwendung der erworbenen Lese- und Schreibfähigkeiten. Auch Kinderheirat in den Partnerländern stellt einen Hinderungsgrund im Kampf gegen Analphabetismus dar. Bildung ist ein wichtiger Baustein zur Bewältigung der demographischen Herausforderungen . Für Schulabbrecher und Erwachsene, die über unzureichende Lese- und Schreibfähigkeiten verfügen, mangelt es an (staatlichen anerkannten) Aufholangeboten und Erwachsenenbildungsmöglichkeiten. Die Auswahl umfasst nur die wichtigsten Faktoren (Qualifizierung). Eine Quantifizierung dieser Faktoren ist angesichts der gegenwärtigen Datenlage sowie der starken Variation nach Land und Kontext nicht möglich. 7. Wie bewertet die Bundesregierung die Bilanz ihrer globalen Alphabetisierungspolitik der letzten zehn Jahre? (bitte begründen)? Im Kontext des Fortschrittsberichts zur Erreichung der SDGs für das High Level Political Forum der Vereinten Nationen im New York im Juni 2019 ( h t t p s : / / s u s t a i n a b l e d e v e l o p m e n t . u n . o r g / c o n t e n t / d o c u m e n t s / 22700E_2019_XXXX_Repor t_o f_ the_SG_on_ the_p rog re s s_ to wards_the_SDGs_Special_Edition.pdf) wurde festgestellt, dass es insgesamt bereits großen Fortschritt gegeben hat zur Erreichung des globalen Bildungsziels 4 der Agenda 2030 (zu den Inhalten des Ziels siehe Antwort zu Frage 2). Deutschland leistet einen substantiellen Beitrag zur Erreichung. Allein durch die 2017 durch das BMZ zugesagten Investitionen im Bildungssektor erhalten 3,2 Millionen Schülerinnen und Schüler einen verbesserten Zugang zu Primarund Sekundarbildung. Durch Unterstützung der Partnerländer bei der Reformierung ihrer Bildungspolitik, Curricula und Lehrerbildung profitierten zwischen 2015 und 2017 etwa 13,7 Millionen Schülerinnen und 15,1 Millionen Schüler von einer verbesserten schulischen Bildung. Dennoch sind weiterhin rund 260 Mio. Kinder ohne Zugang zu qualitativ hochwertiger freier Bildung und es müssen weitere Anstrengungen unternommen werden, um dies zu ändern. Drucksache 19/14004 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 8. Wie viele Analphabeten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Regierungsantritt von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (bitte nach absoluten und relativen Zahlen pro Jahr aufschlüsseln)? Die Zahl der Analphabeten wird nicht in einer amtlichen Statistik erfasst. Eine jährliche Erhebung erfolgt nicht. Es wird auf die Studie „LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität“, die die Universität Hamburg mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführt hat, verwiesen. Eine Kurzfassung steht im Internet zur Verfügung: http:/ /blogs.epb.uni-ham burg.de/leo/files/2019/05/LEO2018-Presseheft.pdf. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14004 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.