Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Protschka, Wilhelm von Gottberg, Verena Hartmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/13715 – Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Menschen und Nutztiere werden oft von gleichartigen bakteriellen Krankheitserregern infiziert und daher auch mit den gleichen Antibiotika behandelt. Hierbei können bei den Krankheitserregern Antibiotikaresistenzen entstehen, sodass die entsprechenden Antibiotika dann auch beim Menschen unwirksam werden können (vgl. www.bfr.bund.de/de/a-z_index/antibiotikaresis tenz-61681.html; www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/tierhaltung/ antibiotika-in-der-nutztierhaltung/). Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung oder der Einsatz von Antibiotika als leistungsfördernde Futtermittelzusatzstoffe ist daher seit 2006 in Deutschland und der Europäischen Union (EU) verboten (vgl. www.bmel.de/DE/Tier/Tiergesundheit/Tierarzneimittel/_texte/Antibiotika- Dossier.html?docId=5795202). Mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) wurde ein Antibiotikaminimierungskonzept für Betriebe, die Mastkälber , Mastrinder, Mastferkel, Mastschweine, Masthühner und/oder Mastputen halten, eingeführt, um der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen entgegenzuwirken . Das Konzept verpflichtet die Tierhalter zur halbjährlichen Meldung der Anzahl ihrer Tiere und Antibiotikaanwendungen. Die Evaluierung des Antibiotikaminimierungskonzepts , welche den Zeitraum des zweiten Halbjahres 2014 bis einschließlich 2017 umfasst, macht deutlich, dass die Gesamtverbrauchsmenge an Antibiotika bei den o. g. sechs Nutztierarten von 298 Tonnen auf 204 Tonnen gesunken ist und sich damit um 31,6 Prozent reduziert hat. Nach Tierart aufgeschlüsselt gab es bei Mastferkeln eine Reduktion um 46 Prozent (von 87,5 auf 47,2 Tonnen), bei Mastschweinen um 43 Prozent (von 115 auf 65,2 Tonnen), bei Mastputen um 4 Prozent (von 38,1 auf 36,7 Tonnen), bei Masthühnern um 1 Prozent (von 29,7 auf 29,5 Tonnen), bei Mastkälbern um 4 Prozent (von 26 auf 25 Tonnen) und bei Mastrindern um 76 Prozent (von 1,7 auf 0,4 Tonnen) (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2019, Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft über die Evaluierung des Antibiotikaminimierungskonzepts der 16. AMG-Novelle – Evaluierung aufgrund des § 58g AMG (www. bmel.de/SharedDocs/Downloads/Tier/Tiergesundheit/Tierarzneimittel/ 16.AMG-Novelle-Bericht.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 25. Juli 2019). Deutscher Bundestag Drucksache 19/14015 19. Wahlperiode 15.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 11. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Der Einsatz sogenannter Reserveantibiotika ist mit einem Anteil von fast 40 Prozent am Antibiotikagesamtverbrauch bei Masthühnern und Mastputen sehr hoch (vgl. www.aerzteblatt.de/nachrichten/104019/Bauern-sollen-Vor schlaege-zur-Reduktion-von-Reserveantibiotika-machen). Das liegt vor allem daran, dass das Antibiotikum Colistin bei Geflügel bezüglich der Behandlung von Darminfektionen, die durch E. coli (Escherichia coli) verursacht sind, nebenwirkungsfrei und effektiv wirkt. Nach derzeitigem Kenntnisstand scheint der Wirkstoff vorerst kaum zu ersetzen sein (vgl. Kietzmann, M. & Ahlers, C. & Arnold, T. & Schwarz, S. & Emmerich, I., 2019, Anmerkungen zur Verwendung von Colistin beim Geflügel – Mögliche Alternativen und vorbeugende Maßnahmen. Deutsches Tierärzteblatt 67 (2), S. 192–195). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die im Rahmen der Evaluierung des Antibiotikaminimierungskonzepts der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) erfolgte Auswertung der von den Tierhaltern gemeldeten Daten über den Antibiotikaeinsatz bei Masttieren hat ergeben, dass bei Mastgeflügel insgesamt nur eine minimale Reduktion der eingesetzten Antibiotikamengen erfolgt ist und dass ca. die Hälfte der eingesetzten Wirkstoffmenge den kritischen Wirkstoffklassen zuzuordnen ist. Aus den Ergebnissen der Evaluierung lässt sich ferner der Schluss ziehen, dass Polypeptidantibiotika insbesondere bei Masthühnern erheblich höher dosiert angewendet werden als in den Zulassungsbedingungen vorgesehen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass diese Erkenntnisse Anlass zur Sorge geben. Sie erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Bundesregierung mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART 2020) das Ziel verfolgt, den Antibiotikaeinsatz auf das therapeutisch notwendige Minimum deutlich zu reduzieren und den Einsatz kritischer Wirkstoffe auf die Erkrankungsfälle zu beschränken, in denen mit anderen Mitteln kein Behandlungserfolg erzielt werden kann. Die mit dem Antibiotikaminimierungskonzept der 16. AMG-Novelle angestrebte Reduktion des Antibiotikaeinsatzes bei Masttieren sollte nach Auffassung der Bundesregierung hauptsächlich auf einer Verbesserung der Tiergesundheit , nicht jedoch einem Wechsel der antibakteriellen Wirkstoffe beruhen. 1. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die abgegebene Menge des Reserveantibiotikums Colistin an Landwirte und Veterinäre in den Jahren von 2010 bis 2018 in Deutschland (bitte jeweils pro Jahr angeben)? Die Bundesregierung verweist auf ihre Antwort zu Frage 11 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP „Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen“ auf Bundestagsdrucksache 19/12409. Die in Rede stehenden Antibiotika-Abgabemengen werden in Deutschland seit dem Jahr 2011 erfasst, Zahlen für das Jahr 2010 liegen daher nicht vor. Für Polypeptidantibiotika (Colistin) belief sich die Abgabemenge im Jahr 2011 auf 127 t, im Jahr 2012 auf 124 t, im Jahr 2013 auf 125 t im Jahr 2014 auf 107 t, im Jahr 2015 auf 82 t, im Jahr 2016 auf 69 t, im Jahr 2017 auf 74 t und im Jahr 2018 ebenfalls auf 74 t. 2. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), den Colistin-Einsatz ab dem Jahr 2017 auf 5 mg/PCU (Milligramm pro „Population Correction Unit“) zu senken (vgl. www.deutsche-apotheker-zei tung.de/news/art ikel / 2016/08/02/ema-will-colistin-verbrauch-um-zwei-drittel-reduzieren)? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 51 des Abgeordneten Friedrich Ostendorff auf Bundestagsdrucksache 19/887 wird verwie- Drucksache 19/14015 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. sen. Die Bundesregierung unterstützt unverändert wesentliche Teile der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zum Umgang mit Colistin in der Tierhaltung. Dies betrifft die Forderung der EMA, dass der quantitative Einsatz von Colistin in der Tierhaltung mit Blick auf das Resistenzgeschehen deutlich reduziert werden sollte, ohne zugleich zu einer Zunahme der verwendeten Mengen an Wirkstoffen der Cephalosporine der dritten und vierten Generation oder der Gesamtmenge antibiotischer Wirkstoffe zu führen. Grundsätzliche Einwände hat die Bundesregierung nach wie vor in Bezug auf denjenigen Aspekt der betreffenden EMA-Empfehlung, der besagt, dass die EU- Mitgliedstaaten ein quantitatives Reduktionsziel von 5 mg Colistin/PCU (population corrected unit) anstreben sollen. Grund für die Haltung der Bundesregierung ist, dass das als benchmarking-System konzipierte Antibiotikaminimierungskonzept des Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (16. AMG-Novelle) nicht ausgelegt ist auf quantitative Reduktionsziele, sondern die permanente Reduktion des Antibiotikaeinsatzes bei Masttieren als Zielgröße verfolgt. 3. Welche Forschungsergebnisse liegen der Bundesregierung zum „Verbundprojekt : Entwicklung stufenübergreifender Reduktionsmaßnahmen für Antibiotikaresistente Erreger beim Mastgeflügel (EsRAM) – Teilprojekt 9“ vor, welches zum 30. Juni 2019 beendet sein sollte (siehe https://t1p.de/ v3rw)? Wie bewertet die Bundesregierung diese Forschungsergebnisse, und welche weiteren Maßnahmen sind von Seiten der Bundesregierung geplant? Dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) liegt ein Zwischenbericht zu dem in der Frage angesprochenen Teilprojekt 9 vor; der Abschlussbericht ist dem Projektträger bis zum 31. Dezember 2019 vorzulegen. In der Abschlussveranstaltung zum Verbundprojekt „EsRAM“ am 13. Juni 2019 wurden die zu dem Zeitpunkt verfügbaren Ergebnisse der einzelnen Teilprojekte vorgestellt. Die unter experimentellen Bedingungen durchgeführten Untersuchungen des Teilprojekts 9 verfolgten das Ziel, bei Masthühnern am 1. Lebenstag die Kolonisierung des Darmtraktes mit ausgewählten ESBL- oder AmpC-bildenden E. coli zu vermeiden oder zu reduzieren. Ihr Gegenstand war nicht die Prüfung, ob sich mittels CE-Kulturen klinische Infektionen, die einer antibiotischen Behandlung bedürfen, verhindert werden können. Das BMEL prüft die Möglichkeit, zu welchen Fragestellungen Nachfolgeprojekte gefördert werden könnten. 4. Welche konkreten Schritte sind von Seiten der Bundesregierung hinsichtlich der Forderung des ZDG-Präsidenten (Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V.) nach „tatkräftigen und konstruktiven Begleitschritten der Bundesregierung“ für die Zulassung innovativer Verfahren wie „Competitive-Exclusion“ oder Bakteriophagen geplant (vgl. www.pres seportal.de/pm/32363/4326915?utm_source=directmail&utm_medi um=email&utm_campaign=push)? Die Bundesregierung macht darauf aufmerksam, dass Zulassungsverfahren für Tierarzneimittel oder Futtermittelzusatzstoffe von den an der Zulassung interessierten Unternehmen initiiert und betrieben werden müssen. Für Antragsteller und pharmazeutische Unternehmer besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sich hinsichtlich wissenschaftlicher und verfahrenstechnischer Fragstellungen vor Antragstellung oder in einem laufenden Verfahren durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit beraten zu lassen. Eine Begleitung der regulatorischen Verfahren im Sinne einer Einflussnahme auf die Zulas- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14015 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. sungsentscheidung der zuständigen Behörde durch die Bundesregierung ist nach den geltenden Rechtsvorschriften und auch aus Gründen der Behördenneutralität nicht zulässig. 5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Erkenntnis des Berichts über die Evaluierung des Antibiotikaminimierungskonzepts der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes, nach der eine Verlagerung antibiotischer Behandlungen in Bereiche, die keiner Mitteilungspflicht nach der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes unterliegen, stattfinden könnte (vgl. Bundestagsdrucksache 19/11070, S. 26)? Der in der Frage angesprochene Bericht zeigt, dass das Antibiotikaminimierungskonzept der 16. AMG-Novelle sich als grundsätzlich wirksam im Hinblick auf die Reduktion des Antibiotikaeinsatzes erwiesen hat. Gleichwohl weisen u. a. in Kapitel 3.1.3 des Berichts getroffene Einschätzungen beteiligter Akteure zu Einzelaspekten des Systems auf noch bestehende Verbesserungsmöglichkeiten des Systems hin. Dies betrifft auch die mögliche Verlagerung von antibiotischen Behandlungen ins Vorfeld des Anwendungsbereichs der 16. AMG- Novelle. Die Bundesregierung wird konzeptionelle Änderungen des Systems im Rahmen der Neuordnung des nationalen Tierarzneimittelrechts, die solchen Verlagerungen entgegenwirken können, prüfen. 6. Welche konkreten Schritte sind von Seiten der Bundesregierung hinsichtlich der Erkenntnis des Berichts über die Evaluierung des Antibiotikaminimierungskonzepts der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes zur Schaffung einer Rechtslage, die zukünftig eine wiederholte zentrale Auswertung der erhobenen Daten zur Antibiotikaanwendung bei Tieren zulässig macht, geplant (vgl. Bundestagsdrucksache 19/11070, S. 80)? Die Bundesregierung prüft, ob im Rahmen einer Gesetzesinitiative die mit dem Sechzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes eingeführten Vorschriften so geändert werden sollten, dass eine regelmäßige zentrale Auswertung anonymisierter Daten zur Antibiotikaanwendung bei Tieren möglich ist. 7. Inwiefern werden nach Kenntnis der Bundesregierung Antibiotikaminimierung beziehungsweise Antibiotikafreiheit bei der geplanten staatlichen Tierwohlkennzeichnung eine Rolle spielen, und welche konkreten Maßnahmen sind diesbezüglich angedacht? Das geplante Tierwohlkennzeichen sieht keine gesonderten Maßnahmen in Bezug auf die Anwendung von antibiotischen Tierarzneimitteln vor. 8. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der EMA für eine neue Risikoeinordnung von Antibiotika in vier Kategorien (A bis D; vgl. www.wir-sind-tierarzt.de/download/answer-request-european-commissionupdating -scientific-advice-impact-public-health-animal-healthuse _en.pdf)? Die Bundesregierung hat keine fachlichen Einwände gegen den in der Frage angesprochenen Vorschlag der EMA. Drucksache 19/14015 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 9. Handelt es sich aus Sicht der Bundesregierung bei Fluorchinolonen und Cephalosporinen der dritten Generation um sogenannte Reserveantibiotika ? Die Bundesregierung bejaht diese Frage und verweist ergänzend auf ihre Antworten zu den Fragen 2, 3 und 4 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP „Antibiotikaresistente Erreger als Folge von unsachgemäßem Arzneimitteleinsatz “ auf Bundestagsdrucksache 19/12518. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14015 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.