Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 26. März 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1426 19. Wahlperiode 27.03.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marc Jongen, Martin Erwin Renner, Dr. Götz Frömming, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/1158 – Bewilligung öffentlicher Fördermittel für ein Kunstprojekt des Künstlerkollektives Zentrum für Politische Schönheit V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerfalls (2014) führte das Maxim-Gorki- Theater ein einmonatiges Festival (Voicing Resistance) durch, das unter anderem einen Zusammenhang zwischen der Geschichte der deutschen Teilung und heutigen Grenzen, Flucht- und Migrationserfahrungen herzustellen versuchte (http://gorki.de/de/themenseite-festival-voicing-resistance). Teil dieses Festivals war das Projekt „Erster Internationaler Mauerfall“ des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS), mit dem ein Zeichen gegen die europäische Migrationspolitik gesetzt werden sollte (www.gorki.de/de/zentrum-fuer-politischeschoenheit ). Im Rahmen der Aktion hatte das Künstlerkollektiv zuvor 14 Gedenkkreuze für die deutschen Mauertoten im Regierungsviertel ohne Erlaubnis entwendet und damit heftige Kritik auf sich gezogen. Logistische Unterstützung erhielt das ZPS durch das Maxim-Gorki-Theater, in dem Duplikate der Mauerkreuze angefertigt wurden. Zu welchem Zweck, darüber schwieg sich die Intendantin des Theaters aus. Der Sprecher des ZPS bestritt indes, dass Duplikate angefertigt worden wären und widersprach damit der Intendantin (www.morgenpost.de/berlin/article134131680/Maxim-Gorki-Theaterunterstuetzte -Diebe-der-Mauerkreuze.html). Das Festival wurde aus Steuermitteln finanziert. Aus dem Hauptstadtkulturfonds flossen 100 000 Euro, wie der damalige Sprecher der Berliner Kulturverwaltung bestätigt hat (www. hauptstadtkulturfonds.berlin.de/index.php?id=25&tx_hkfmgr_projectmanager %5Bcategory%5D=3&cHash=f9b6c985489ce076de997b795750d1f8). In die Kunstaktion des ZPS sollen 10 000 Euro an öffentlichen Mitteln aus dem Hauptstadtkulturfonds geflossen sein. Der Gemeinsame Ausschuss, der über die Auszahlung der Mittel aus dem Hauptstadtkulturfonds befand, soll den genauen Verwendungszweck laut Medienberichten nicht gekannt haben (www. morgenpost.de/berlin/article134131680/Maxim-Gorki-Theater-unterstuetzte- Diebe-der-Mauerkreuze.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1426 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zum anderen wurde in der Presse berichtet, dass im Rahmen des oben genannten Künstlerprojekts Freiwillige mit Bussen zu EU-Grenzanlagen befördert wurden, um diese niederzureißen (http://blogs.taz.de/spurensuche/2014/11/11/ entwendung-aesthetischer-fertigteile-3). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Bund und Berlin haben sich am 8. Mai 2017 im Rahmen des Vertrages über die aus der Hauptstadtfunktion Berlins abgeleitete Kulturfinanzierung und die Abgeltung von Sonderbelastungen der Bundeshauptstadt (Hauptstadtfinanzierungsvertrag 2017) darauf verständigt, u. a. auch den im Jahr 1999 eingerichteten Hauptstadtkulturfonds weiter-zuführen. Aus dem Hauptstadtkulturfonds werden für Berlin als Bundeshauptstadt bedeutsame Einzelmaßnahmen und Veranstaltungen gefördert, die nationale oder internationale Ausstrahlung haben oder besonders innovativ sind. Die Förderung erfolgt auf Grundlage eines Antragsverfahrens , bei dem sich zwei Mal jährlich Künstlerinnen und Künstler mit Projektanträgen bewerben können. Die künstlerische Bewertung der Projekte obliegt einer sechsköpfigen Jury, der ein Kurator vorsitzt. Die Mitglieder der Jury sollen mit dem kulturellen Leben Berlins vertraut und aufgrund beruflicher Qualifikation in der Lage sein, kulturelle Veranstaltungen und Projekte zu bewerten und die Voraussetzungen und Ergebnisse ihrer Förderung zutreffend einzuschätzen. Die Jury tagt zweimal im Jahr. Die Beratungen, das Abstimmungsergebnis sowie das Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder sind vertraulich. Über die Jurysitzungen wird daher ausschließlich ein Ergebnisprotokoll geführt. In der Regel werden im Rahmen einer Jurysitzung zwischen vierzig und sechzig Projekte für eine Förderung vorgeschlagen. Die Entscheidungen über die Vergabe der Mittel aus dem Hauptstadtkulturfonds erfolgen, auf der Grundlage der Juryempfehlungen , zweimal im Jahr im Gemeinsamen Ausschuss. Dem Gemeinsamen Ausschuss gehören vier Mitglieder an, je zwei Vertreter des Bundes und des Senats von Berlin. Die Entscheidungen des Gemeinsamen Ausschusses sollen einvernehmlich getroffen werden. Die Durchführung der Projekte ist jeweils für das Folgejahr geplant, sodass zwischen der Antragsstellung, als Grundlage für die Förderentscheidung, und der Realisierung regelmäßig sechs bis achtzehn Monate liegen. Daher sind Projekte zum Zeitpunkt der Antragstellung häufig noch nicht in allen Details ausgearbeitet. Im Rahmen des weiteren Planungs- und Konkretisierungsprozesses ist es daher durchaus üblich, dass die Planung einzelner Projekte bis zu deren Realisierung in Teilen durch den Antragssteller ergänzt und modifiziert wird. 1. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, warum die öffentlichen Fördermittel , die aus dem Hauptstadtkulturfonds im Rahmen des Projektes „Voicing Resistance“ an das Projekt „Erster Europäischer Mauerfall“ des Zentrums für Politische Schönheit flossen, nicht vom Empfänger zurückgefordert wurden (vgl. Bundestagsdrucksache 19/573, Antwort zu den Fragen 5 bis 5b)? Die Fragen 1, 8, 9 und 10 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Kunstfreiheit wird vom Grundgesetz ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet (Artikel 5 Absatz 3 GG). Ihre Schranken ergeben sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere aus den Grundrechten anderer Rechtsträger, aber auch aus sonstigen Rechtsgütern mit Verfassungsrang (BVerfGE 142, 74 [101 f. Rn. 84 m. w. N.]). Die verfassungsrechtliche Recht- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1426 sprechung zur Kunstfreiheit trägt der Erkenntnis Rechnung, dass sich die Freiheitlichkeit einer Rechtsordnung auch daran messen muss, in welchem Umfang Künstlerinnen und Künstler ihrem Schaffen ohne staatliche Eingriffe nachgehen können, insbesondere auch solche Künstlerinnen und Künstler, deren Werk Kritik übt an staatlichem Handeln. Eine freiheitliche demokratische Grundordnung wie die der Bundesrepublik muss daher die Diskussion über streitbare Kunst grundsätzlich aushalten können. Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst stellt Artikel 5 Absatz 3 GG dem modernen Staat die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern. Der Gleichheitssatz in Verbindung mit der Kunstfreiheitsgarantie des Artikel 5 Absatz 3 GG verpflichtet den Staat nicht, jede wirtschaftliche Förderungsmaßnahme allen Bereichen künstlerischen Schaffens gleichermaßen zukommen zu lassen; er darf vielmehr eine sachgerechte Auswahl treffen. Bei der Ausgestaltung positiver Förderungsmaßnahmen hat der Staat im Rahmen seiner Kulturpolitik weitgehende Freiheit (BVerfGE 36, 321 [Leitsatz 2 und 331 f.]). Vor diesem Hintergrund oblag die genaue Ausgestaltung des Projektes - wozu unter anderem auch die Auswahl der Kooperationspartner gehört – der geförderten Institution, die dabei den Zuwendungszweck, hier die Durchführung des Festivals „Voicing Resistance“, zu beachten hatte. Eine Rückforderung der Zuwendung hat regelmäßig bei zweckwidriger Verwendung der Zuwendungsmittel zu erfolgen. Im vorliegenden Fall war die Durchführung des Festivals als Ganzes nach Auffassung der Bundesregierung vom Zuwendungszweck gedeckt. Eine Rückforderung erschien daher nicht gerechtfertigt. 2. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der Staatsschutz aktiv werden musste, weil im Rahmen des ZPS-Projektes „Erster Europäischer Mauerfall “ Busse mit Freiwilligen zu EU-Grenzanlagen gefahren wurden, um diese niederzureißen (https://netzpolitik.org/2015/europaeischer-datenfall -diese-daten-gaben-europaeische-polizeibehoerden-beim-1-europaeischen -mauerfall-weiter)? Falls ja, welche Erkenntnisse konnte der Staatsschutz mit Blick auf das ZPS- Projekt „Erster Europäischer Mauerfall“ gewinnen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 3. War nach Kenntnis der Bundesregierung die Jury oder waren Mitglieder dieser , die die künstlerische Qualität im Hinblick auf die Vergabe der öffentlichen Fördermittel für das Festival Voicing Resistance evaluiert haben, über die genauen Inhalte und Intentionen des Projektes „Voicing Resistance“ informiert ? 4. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung Hinweise, die darauf hindeuteten , dass öffentliche Mittel an das ZPS fließen könnten? Falls ja, warum hat die Jury dessen ungeachtet für eine Förderung des ZPS- Projektes „Erster Europäischer Mauerfall“ optiert? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1426 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Aufgrund welcher inhaltlichen und künstlerischen Merkmale kam der Gemeinsame Ausschuss für den Hauptstadtkulturfonds nach Kenntnis der Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass das Projekt „Voicing Resistance“ förderungswürdig sei? a) Gab es Voten im Gemeinsamen Ausschuss, in denen die Meinung zum Ausdruck kam, das Projekt sei nicht förderungswürdig? Falls ja, warum wurde diesen Voten nicht gefolgt? Welche Position hat ggf. der Kurator des Hauptstadtkulturfonds bei diesen abweichenden Voten bezogen? b) Gab es Aspekte, die gegen eine Förderung des Projektes „Voicing Resistance “ durch den Hauptstadtkulturfonds sprachen, und wenn ja, welche waren dies ggf.? 6. Mit welchem Ziel hat nach Kenntnis der Bundesregierung der Kurator des Hauptstadtkulturfonds, der die Sitzungen der Jury leitete, die Entscheidung über die Förderwürdigkeit des Projekts Voicing Resistance vorbereitet? Aufgrund welcher inhaltlichen und künstlerischen Merkmale kam der Kurator für den Hauptstadtkulturfonds zu dem Ergebnis, dass das Projekt „Voicing Resistance“ förderungswürdig sei? 7. Wie stimmten die Vertreter des Bundes im Gemeinsamen Ausschuss des Hauptstadtkulturfonds im Hinblick auf die Vergabe öffentlicher Mittel für das Projekt „Voicing Resistance“? a) Falls die Vertreter des Bundes die Vergabe öffentlicher Mittel befürworteten , was waren die Gründe? b) Falls die Vertreter des Bundes die Vergabe öffentlicher Mittel nicht befürworteten , was waren die Gründe? Die Fragen 3 bis 7 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Hauptstadtkulturfonds, der Einzelprojekte aus Mitteln des Bundes unterstützt , gewährte im Jahr 2014 auf der Grundlage einer Juryempfehlung dem Maxim -Gorki-Theater Berlin als Zuwendungsempfänger eine Förderung für das spartenübergreifende Projekt „Voicing Resistance“. Dass im Rahmen dieses Projekts das „Zentrum für politische Schönheit“ ein Vorhaben durchführen würde, war zu dem Zeitpunkt, als die Jury des Hauptstadtkulturfonds über die Förderung des Projekts beraten hat, nicht bekannt; gleiches gilt für die Beratungen des Gemeinsamen Ausschusses des Hauptstadtkulturfonds. Im Förderantrag für das Projekt „Voicing Resistance“ war ein Vorhaben des „Zentrums für politische Schönheit “ nicht aufgeführt. Erst zu einem späteren Zeitpunkt, nach Abschluss der Beratungen von Jury und Gemeinsamem Ausschuss und nach Bekanntgabe der Förderentscheidungen , wurde im Zusammenhang der Anzeige einer Änderung des Finanzierungsplans für das Projekt „Voicing Resistance“ unter anderem mitgeteilt , dass eine Aktion des „Zentrums für politische Schönheit“ vorgesehen sei. Zum Inhalt der Aktion wurden keine näheren Angaben gemacht. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/1426 8. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus der aus Sicht der Fragesteller missbräuchlichen Verwendung der öffentlichen Fördermittel durch das ZPS gezogen? Falls die Bundesregierung keine Konsequenzen gezogen hat, was waren die Gründe für diese Haltung? 9. Wenn geförderte Institutionen wie das Maxim-Gorki-Theater in „der Ausgestaltung [ihrer] Kooperationen frei und unabhängig von der Einschätzung der Bundesregierung“ sind (vgl. Bundestagsdrucksache 19/573, Antwort zu Frage 6), wie stellt die Bundesregierung künftig sicher, dass bei diesen Kooperationen öffentliche Fördermittel nicht missbräuchlich verwendet werden ? 10. Falls die Bundesregierung aus der aus Sicht der Fragesteller missbräuchlichen Mittelverwendung bereits Konsequenzen gezogen hat, welche Konsequenzen genau sind das? Die Fragen 8 bis 10 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333