Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Jan Korte, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/13427 – Beziehungen der Bundesregierung zur Agrarwirtschaft (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/12868) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung beantwortet die Frage 1 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/12868 nach den dienstlichen Kontakten der Beschäftigten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zu den erfragten Unternehmen und Verbänden gar nicht. Weitere Fragen (Fragen 3, 4, 10, 11, 12) werden nur im Hinblick auf die Hausleitung, nicht jedoch im Hinblick auf die Fach- und Arbeitsebene des Bundesministeriums beantwortet . Sie begründet dies damit, dass „das Verhalten einzelner Beschäftigter unterhalb der Leitungsebene nicht Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle“ sei (vgl. Bundestagsdrucksache 19/12868). Diese „Auffassung“ ist nach Ansicht der fragestellenden Fraktion ganz offensichtlich falsch. Diese Auffassung der Bundesregierung findet nach Ansicht der fragestellenden Fraktion aus folgenden Gründen keine Stütze in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung: Der parlamentarische Informationsanspruch erstreckt sich auf den Verantwortungsbereich der Bundesregierung. Der Verantwortungsbereich der Bundesregierung umfasst nicht nur das Regierungshandeln im engeren Sinn, sondern darüber hinaus die gesamte Regierungsverantwortung . Erfasst sind sowohl die von der Regierung selbst wahrgenommenen Aufgaben als auch der von ihr verantwortete Aufgabenbereich, mithin der Aufgabenbereich nachgeordneter Behörden (vgl. Bayerischer Verfassungsgerichtshof , Entscheidung vom 26. Juli 2006 – Vf. 11-IVa-05 –, juris, Rn. 421 ff.; ebenso Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 20. März 2014 – Vf. 72-IVa-12 – juris, Rn. 70 ff. zur Verantwortlichkeit der bayerischen Staatsregierung für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz ; Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. August 2008 – 7/07 –, juris, Rn. 246; BVerfG, Urteil vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11 –, BVerfGE 147, 50–184). Die Bundesbehörden handeln durch ihre Beschäftigten. Daher ist auch das Handeln der Beschäftigten grundsätzlich Inhalt parlamentarischen Auskunftsanspruchs. Soweit erforderlich , muss die Auskunft gegebenenfalls mit anonymisierten Daten erfolgen. Deutscher Bundestag Drucksache 19/14457 19. Wahlperiode 23.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 22. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwortverweigerung bezüglich der Fach- und Arbeitsebene findet auch keine Stütze in der bisherigen Staatspraxis (vgl. nur Bundestagsdrucksache 19/12120, Antwort zu Frage 73, Seite 54). Das der parlamentarischen Kontrolle unterliegende exekutive Handeln vollzieht sich naturgemäß im gesamten Handeln von Bundesministerien und Behörden, nicht nur auf Leitungsebene. Daher untersteht nicht nur dieses Handeln der parlamentarischen Kontrolle. Die verfassungsrechtliche Verpflichtung aus dem parlamentarischen Auskunftsrecht zur Veröffentlichung von Gesprächskontakten von Beschäftigten der Bundesministerien und Bundesbehörden kann, wie bereits praktiziert, in anonymisierter Form erfolgen. Diese Form der Veröffentlichung nutzt die Bundesregierung in ständiger Staatspraxis (vgl. nur Bundestagsdrucksache 19/12120, Antwort zu Frage 73, Seite 54), und etwa in Anwendung der Leitlinien zur Umsetzung des Artikels 5 Absatz 3 des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs vom 21. Mai 2003 nach eigener Darstellung sogar ohne Rechtspflicht (vgl. dazu Tabelle aller Gespräche bis zur Fachebene, im Internet abrufbar unter: www.bmel.de/DE/Ernaehrung/ Gesundheit/NichtRauchen/_Texte/Gespraeche_Tabakindustrie.html;jsessio nid=2B7FE7CDE7670BB3F59CF688182380BF.1_cid358). Die pauschale Verweigerung der parlamentarischen Auskunft ist nach Auffassung der fragestellenden Fraktion nicht nachvollziehbar. Die Bundesregierung weist in der Antwort zu Frage 18 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/12868 darauf hin, dass bestimmte Dokumentationspflichten aus Gründen der Korruptionsprävention bestünden. Die Daten zu den abgefragten dienstlichen Kontakten müssten also ohne unzumutbaren Aufwand verfügbar sein, worauf rein vorsorglich an dieser Stelle hingewiesen wird. Die genaue Angabe von datierten Kontaktterminen wird – unter anderem – benötigt , um unzulässige Einflussnahme auf die Bundesregierung, auch auf Beschäftigte oder mittels Beschäftigter des BMEL, offenzulegen. Die Agrarlobby hat, wie in der Vorbemerkung der Fragesteller der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/12055 dargestellt, nach Auffassung der fragestellenden Fraktion das Ziel, auf politisch relevante Akteure in ihrem Sinne einzuwirken . Dazu gehören nach Auffassung der fragestellenden Fraktion selbstverständlich auch das Bundesministerium und dort nicht nur die Leitungsebene, sondern auch die Fach- und Arbeitsebene. Nicht zuletzt das systematische Vorgehen von Monsanto mit den sog. Stakeholder-Listen zeigt nach Ansicht der fragestellenden Fraktion, dass gerade auch Beschäftigte in den Bundesministerien Ziel von Einflussnahme sind (wie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 107 der Abgeordneten Sylvia Gabelmann hervorgeht, standen auf den geheimen Kritikerlisten des Glyphosat-Herstellers auch Mitarbeiter des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft). Die Frage, wie das BMEL mit dieser Einflussnahme umgeht, untersteht ohne jeden Zweifel der parlamentarischen Kontrolle. Dies setzt zwingend voraus, dass der Umfang der Einflussnahme auch auf die Fach- und Arbeitsebene bekannt ist. Es wird um umfängliche (ergänzende) Beantwortung zu den Beschäftigten gebeten . V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Anknüpfend an die umfangreiche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Beziehungen der Bundesregierung zur Agrarwirtschaft “ auf Bundestagsdrucksache 19/12868, werden mit der vorliegenden , als Nachfrage betitelten Kleinen Anfrage erneut detaillierte Fragen zu den in der 18. und 19. Wahlperiode bestehenden Beziehungen zwischen Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie einer Reihe von Verbänden zur Bundesregierung gerichtet. Der Fokus liegt nunmehr ausschließlich auf Kontakten einzelner Beschäftigter der Arbeitsebene des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und des Bundesamtes für Verbraucher- Drucksache 19/14457 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. schutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die Fragestellerinnen und Fragesteller bitten dabei, auf die in der Vorbemerkung ihrer Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/12055 aufgelisteten Unternehmen (inkl. Tochterunternehmen ) und Verbände einzugehen. Nach Auffassung der Bundesregierung ist das aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes abgeleitete Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages als politisches Kontrollrecht auf das Verhalten der Bundesregierung gerichtet. Da die Hausleitung (bzw. die Leitungsebene ) eines jeden Ressorts die politische Verantwortung für ihren Bereich und die Tätigkeiten ihrer Beschäftigten trägt, beinhaltet politische Kontrolle durch den Deutschen Bundestag primär die Kontrolle dieser politisch verantwortlichen Handlungsträger und dadurch der Handlungen und Tätigkeiten der Beschäftigten ihres Verantwortungsbereichs. Einzelne Arbeitsschritte der Administrative und Handlungen der Beschäftigten auf Arbeitsebene unterliegen als verwaltungsinterne Handlungen der politischen Gesamtverantwortung der Ministerin/des Ministers, die als Teil der Bundesregierung insofern der politischen Kontrolle durch die Legislative zugänglich ist. Da also eine umfassende, lückenlose politische Kontrolle der Exekutive gewährleistet ist, ist eine auf einzelne Arbeitsschritte und Handlungen auf Arbeitsebene ausgedehnte Kontrolle nur ausnahmsweise, etwa bei Hinweisen auf rechtswidriges Verhalten einzelner Beschäftigter, notwendig. Soweit das Verhalten einzelner Beschäftigter auf der Arbeitsebene überhaupt Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle sein kann, ist gerade vor dem Hintergrund , dass die genannten Unternehmen und Verbände nahezu alle politisch relevanten Arbeitsbereiche des BMEL abdecken und die Fragesteller alle dienstlichen Kontakte aller Beschäftigten des BMEL und des BVL erfragen, ein spezifisches Kontrollinteresse an der Offenlegung aller Kontakte auf Arbeitsebene nicht ersichtlich. Weiterhin ist für die Bundesregierung nicht zu erkennen , dass seitens der Fragesteller Hinweise auf ein Fehlverhalten einzelner Beschäftigter thematisiert werden, welches ein ausgedehntes parlamentarisches Kontrollrecht in Ausnahmefälle rechtfertigen könnte. Auch eine von den Fragestellern vermutete unzulässige Einflussnahme auf die Bundesregierung oder auf bzw. mittels Beschäftigter des BMEL wird von den Fragestellern nicht konkretisiert . Eine Ergänzung durch Daten der Kontakte der Arbeitsebene ist aus parlamentsverfassungsrechtlicher Sicht deswegen nicht veranlasst. Zudem steht das parlamentarische Fragerecht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit . Parlamentarische Kontrolle kann die Regierungsfunktion auch stören und bedarf daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß (vgl. BVerfGE 110, 199 [219]; 124, 78 [122]; 137, 185 [250]). Schon die Abfrage der Leitungsebene des BMEL zur Beantwortung der Kleinen Anfrage 19/12055 war mit erheblichem Aufwand verbunden, da die Terminkalender rückwirkend für mehrere Jahre gesichtet werden mussten. Anschließend mussten für die entsprechenden Termine die Akten gesichtet werden, um beispielsweise festzustellen , ob die Termine stattgefunden haben, welche Personen tatsächlich teilgenommen bzw. welche Themen konkret besprochen wurden. Dies nahm erhebliche Kapazitäten in Anspruch. Die vorliegende Kleine Anfrage ist nicht mit zumutbarem Aufwand zu beantworten, da dazu eine ähnlich umfangreiche Abfrage aller 1075 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sämtlichen Arbeitseinheiten des BMEL und 696 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BVL hinsichtlich dienstlicher Kontakte zu allen genannten Unternehmen und Verbänden sowie weiteren Unternehmen und Verbänden zum Teil zurückgehend bis Anfang 2014 und Sichtung der entsprechenden Akten erfolgen müsste. Dies würde angesichts des Umfangs der Abfrage auch im Falle der Gewährung einer angemessenen Fristverlängerung gelten. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14457 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass eine vollständige und umfassende Dokumentation von dienstlichen Kontakten oder von dienstlichen Gesprächen im Sinne der Fragestellung unterhalb der Leitungsebene nicht vorhanden ist. Auch eine rechtliche Verpflichtung für eine solche Dokumentation besteht nicht. Die von den Fragestellern in der Vorbemerkung in Bezug genommene Antwort zu Frage 18 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/12868 stellt gerade klar, dass Dokumentationspflichten für Beschäftigte des BMEL nur in Ausnahmefällen (Korruptionsprävention und Nebentätigkeiten) bestehen . Eine vollständige Auflistung ist wegen fehlender Recherchierbarkeit aufgrund von beispielsweise Personalwechseln nicht möglich. Eine mögliche Erstellung der erbetenen Auflistungen entsprechend der vorgenannten Kriterien würde daher lediglich eine fragmentarische Abbildung der angefragten Kontakte ergeben. Durch die Unvollständigkeit könnte ein verzerrtes Gesamtbild und damit eine falsche Darstellung der erbetenen Informationen entstehen, die nicht im Interesse der Fragesteller sein kann. Die Bundesregierung kann somit eine aussagekräftige Auflistung auch aus diesem Grund nicht übermitteln. 1. Welche dienstlichen Kontakte unterhielten oder unterhalten Beschäftigte des BMEL während der 19.Wahlperiode zu den in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/12055 genannten Unternehmen und Verbänden (bitte auflisten nach Datum, Teilnehmenden auf beiden Seiten – ggf. in Form der Angabe der zuständigen Fachebene des BMEL anonymisiert –, Thema bzw. Grund des Kontakts)? 2. Mit welchen der in der Vorbemerkung benannten Unternehmen oder Verbände hatten Beschäftigte des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BvL) in der Zeit von Januar 2014 bis heute dienstlichen Kontakt? 3. Welche Gespräche wurden seitens Beschäftigter des BMEL mit den in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/12055 benannten Unternehmen und Verbänden im Zuge der Wiederzulassung von Glyphosat geführt (bitte Gespräche von Januar 2014 bis heute aufführen)? 4. Welche dienstlichen Gespräche wurden seitens der Beschäftigten des BMEL mit den in der Vorbemerkung der Fragesteller benannten Unternehmen und Verbänden oder weiteren Unternehmen und Verbänden im Zuge der Verhandlungen zur Düngeverordnung geführt (bitte Gespräche unter Angabe der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner von Januar 2014 bis heute aufführen)? 5. Welche dienstlichen Gespräche wurden seitens der Beschäftigten des BMEL mit den in der Vorbemerkung der Fragesteller benannten Unternehmen und Verbänden oder weiteren Unternehmen und Verbänden im Zuge der Verhandlungen zum Thema Ferkelkastration geführt (bitte Gespräche unter Angabe der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner von Januar 2014 bis heute aufführen)? 6. Welche Gespräche wurden seitens der Beschäftigten des BMEL mit den in der Vorbemerkung der Fragesteller benannten Unternehmen und Verbänden oder weiteren Unternehmen und Verbänden im Zuge der Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) geführt (bitte Gespräche unter Angabe der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner von Januar 2016 bis heute aufführen)? Die Fragen 1 bis 6 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bunderegierung wird verwiesen. Drucksache 19/14457 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.