Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Sichert, Dr. Axel Gehrke, Udo Theodor Hemmelgarn, Jörg Schneider und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/13780 – Fragen zum Entwurf des Masernschutzgesetzes V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Kabinettsentwurf zum Masernschutzgesetz, der am 17. Juli 2019 im Bundeskabinett beschlossen wurde, führt nach Ansicht der Fragesteller ab März 2020 eine De-facto-Masernschutzimpfungspflicht ein. Die Bundesregierung rechtfertigt dies in ihrem Entwurf mit den Worten, dass die „bisherigen Maßnahmen zur Stärkung der Impfbereitschaft […] nicht in ausreichendem Maße greifen“. Als Beleg nennt die Bundesregierung, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2017 Deutschland als ein Land mit einheimischer Masernverbreitung eingestuft hat, sowie, dass bis Ende Mai 2019 dem Robert Koch- Institut (RKI) bereits 420 Masernfälle in Deutschland für das Jahr 2019 gemeldet wurden. Die Bundesregierung sieht diesbezüglich „keine gleich wirksamen [Alternativen], da die bisherigen gesetzgeberischen Maßnahmen noch nicht zu einem relevanten Rückgang der Maserninfektionen in Deutschland geführt haben“ (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Masernschutzgesetz vom 17. Juli 2019, Kapitel A und C). Laut Auswertungen des RKI hatten 2017 97,1 Prozent der Schulanfänger in der Bundesrepublik Deutschland die erste Impfung gegen Masern bekommen, bei der zweiten Masernimpfung gibt es einige regionale Unterschiede (www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Impfstatus/schulanfaenger/schuleingangsuntersuchungen _node.html). Die Bundesländer Mecklenburg- Vorpommern und Brandenburg verzeichnen eine Durchimpfungsquote (erste und zweite Impfung) von 95 Prozent bzw. 95,5 Prozent (www.rki.de/DE/Con tent/Infekt/EpidBull/Archiv/2019/Ausgaben/18_19.pdf?__blob=publicationFi le) – also über dem gewünschten Ziel von 95 + x Prozent, während das Land Baden-Württemberg eine Durchimpfungsquote von 89,1 Prozent bei der zweiten Impfung nachweisen kann. Bundesweit liegt die Quote bei der Zweitimpfung bei 93 Prozent (www.bun desgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2019/2-quartal/ impfquoten.html). Laut dem sog. epidemiologischen Bulletin für die Jahre 2005 bis 2017 ist die Durchimpfungsquote ständig gestiegen, und zwar von einer bundesweiten Quote bei der zweiten Impfung von 76,6 Prozent% im Jahr 2005 auf die o. g. Werte (www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2017/Ausgaben/ 16_17.pdf?__blob=publicationFile,%20Seite%20138). Deutscher Bundestag Drucksache 19/14462 19. Wahlperiode 23.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Der derzeitige Präsident des RKI hat bei der Veröffentlichung zu den Zahlen am 2. Mai 2019 gesagt, dass „fast die Hälfte der Erkrankten […] junge Erwachsene [sind], das weist auf die großen Impflücken in diesen Altersgruppen hin“. Die STIKO (Ständige Impfkommission) empfiehlt daher für die nach 1970 Geborenen, die Impfung nachzuholen (ebd.). Es sei auch anzumerken, dass die Masernimpfung die höchsten Durchimpfungsquoten unter allen sog. Kinderkrankheiten aufweist. Beispielsweise haben Polio, Röteln, Mumps eine niedrigere Quote (ebd.). Die Zahlen des RKI zeigen auch, dass es seit 2001 immer wieder Schwankungen gab, aber die Zahlen der Masernfälle insgesamt deutlich nach unten gingen (www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Praeventi on/elimination_04_01.html). Kein EU-Land, auch die Länder mit einer Zweifach-Masernimpfpflicht, erreicht aktuell (Daten von April 2018 bis Mai 2019) das Eliminierungsziel der WHO von unter einem Masernfall pro 1 Mio. Einwohner (sog. Inzidenz von weniger als 1) (www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/number-measlescases -month-and-notification-rate-million-population-country-12.) Auch die Länder mit einer Impfquote von 95 + x Prozent verzeichnen teilweise hohe Fallzahlen und Inzidenzen (insbesondere die Länder im Osten, wie z. B. die Slowakei) (www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/vaccination-coveragesecond -dose-measles-containing-vaccine-eueea-2017). Einige Länder (Bulgarien , Tschechien, Polen usw.) haben zum Teil eine Impfpflicht für bis zu 14 Erreger, führen aber gleichzeitig die Tabelle der Fallzahlen und Inzidenzen bei Masern an (vgl. Tabelle des European Centre for Disease Prevention and Control – ECDC – vom 19. Juli 2019 mit der Karte der Impfpflichten in der EU; www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/impfpflicht-in-diesen-eu-laendernfunktioniert -sie-a-1259575.html). Deutschland befindet sich in der Tabelle weit unter dem EU-Durchschnitt, sowohl bei der Inzidenzzahl wie auch bei den absoluten Zahlen (auf Platz 10 der Fallzahlen insgesamt, obwohl Deutschland das bevölkerungsreichste Land der EU ist). Dazu sei noch anzumerken, dass laut dem ECDC nur fünf Länder die gewünschte Impfquote von 95 + x Prozent haben, in zwei davon gibt es keine Impfpflicht (Schweden und Portugal ), insgesamt gibt es nur in zehn EU-Ländern eine Impfpflicht für Masern (ebd.). Die Wissenschaftlichen Dienste (WD) des Deutschen Bundestages haben in einer Ausarbeitung vom Januar 2016 zu den Fragen „Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Impfpflicht“ die Impfpflicht als „einen Eingriff in den Schutzbereich von Artikel 2 Absatz 2 S. 1 GG“ eingestuft (Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 019/16, S. 3). Die WD stellen darin fest, dass dieser Eingriff mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein müsse, d. h. die Maßnahme (Impfpflicht) muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Diesbezüglich stellten die WD fest, dass „die Abwägung […] stets unter Berücksichtigung der verschiedenen Erkrankungsarten erfolgen [muss]. Ergibt die Abwägung im Ergebnis nur ein geringes Risiko, dürfte eine generelle Impfpflicht ein Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art 2 Absatz 2 GG darstellen, der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen [sei].“ (Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 019/16, S. 5–6). Mit anderen Worten, eine generelle Impfpflicht, die an sich einen Eingriff in das von Artikel 2 des Grundgesetzes (GG) geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit darstellt, wäre nach Ansicht der Fragesteller nicht zu rechtfertigen, wenn man dabei ein nachweisbar minimales bis vernachlässigbares Risiko eingeht. Der Deutsche Ethikrat hat sich in seiner Stellungnahme vom 27. Juni 2019 gegen eine Impfpflicht für Masern ausgesprochen. Der Rat empfiehlt eine „Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die eine bessere Erfassung nicht geimpfter Kinder, eine intensivierte Beratung der Eltern und Impfaktionen in den Einrichtungen selbst ermöglicht“ sowie „zusätzlich […] die verhältnismäßig große Gruppe der ungeimpften Erwachsenen verstärkt in den Blick zu nehmen . Sie [die Gruppe] sollte dringend mit speziellen Aufklärungs- und Impfkampagnen angesprochen werden.“ (www.ethikrat.org/mitteilungen/2019/ deutscher-ethikrat-massnahmenbuendel-zur-erhoehung-der-masernimpfquotestatt -allgemeiner-impfpflicht/). In seiner Stellungnahme bemängelt der Rat, dass seit 2017 kein Masern-Einzelimpfstoff mehr verfügbar ist. Der Rat Drucksache 19/14462 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. schreibt weiter „Dementsprechend wäre eine gesetzliche Masernimpfpflicht derzeit rein praktisch nicht präzise umsetzbar, da mit den allein verfügbaren Mehrfachimpfstoffen (MMR, MMRV) eine unfreiwillige ‚Mitimpfung‘ gegen Krankheiten erfolgen müsste, gegen die keine Impfpflicht bestünde. So medizinisch sinnvoll Mehrfachimpfungen auch sind, wäre eine solche Ausweitung einer Impfpflicht zweifellos rechtlich angreifbar, sodass Masern- Einzelimpfstoffe wieder auf den Markt gebracht werden müssten“ (Deutscher Ethikrat „Impfen als Pflicht?“, S. 64–65). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Es liegt in der politischen Verantwortung der einzelnen Staaten, ihre Impfprogramme und Maßnahmen zum Schutz vor Infektionskrankheiten jeweils dem Rahmen ihrer historisch entstandenen Gesundheitssysteme, der epidemiologischen Lage sowie weiterer spezifischer Gegebenheiten anzupassen. Regelungen zur Umsetzung von Impfungen sind jeweils landesspezifisch und lassen sich nicht ohne weiteres auf andere Gesundheitssysteme übertragen. Jeder Staat muss die Lösungen zur Erreichung hoher Impfquoten oder zur Verhinderung von Masern finden, die es unter seinen jeweiligen landesspezifischen Bedingungen als geeignet erachtet und umsetzen kann. Hierzu kann die Einführung einer Impfpflicht ein Mittel sein.  1. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass bestimmte EU-Länder (beispielsweise die Slowakei, Tschechien, Polen , Bulgarien, Frankreich, Italien) trotz genereller Impfpflicht für Masern (und andere Erreger) sehr hohe Fallzahlen und eine Inzidenz, die ein Vielfaches dessen darstellt, was in Deutschland verzeichnet wird, aufweisen ? a) Wie erklärt sich die Bundesregierung diese Diskrepanz zwischen der bestehenden Impfpflicht in bestimmten EU-Ländern und den gleichzeitig hohen Fallzahlen von Masernfällen in genau diesen Ländern (beispielsweise die Slowakei und Tschechien)? b) Erkennt die Bundesregierung an diesen Beispielländern die Möglichkeit , dass eine hohe Durchimpfungsquote nicht zwangsläufig mit weniger Fällen einhergeht? c) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung diesbezüglich für die vorgeschlagene Impfpflicht für Masern in Deutschland? d) Gibt es oder gab es Studien, die belegen, dass eine Impfpflicht in Deutschland die Fallzahlen deutlich reduzieren würde, und wenn ja, welche? e) Wenn es diese Studien nicht gibt, wie rechtfertigt die Bundesregierung die vorgeschlagene Impfpflicht in Anbetracht der Negativbeispiele aus der EU-Nachbarschaft? Wie in der Vorbemerkung der Bundesregierung bereits erwähnt, sind Erfahrungen anderer Staaten mit der Impfpflicht nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragbar. Denn die Gründe für Masernausbrüche in Ländern mit Impfpflicht sind vielfältig . Neben der Art und der Umsetzung der Impfpflicht, der Erreichbarkeit der Zielgruppen für eine Impfpflicht und der Durchsetzung möglicher Sanktionen können weitere Faktoren Masernausbrüche begünstigen, wie z. B. – eine hohe Bevölkerungsdichte, die eine Ausbreitung der hochansteckenden Masern begünstigt, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14462 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. – Unterschiede in der Umsetzung der Impfpflicht in verschiedenen Bevölkerungsgruppen , die zur Ansammlung von Ungeschützten führen (z. B. bei Berücksichtigung von Ausnahmen von der Impfpflicht aus religiösen Gründen; in für gesundheitliche Maßnahmen schwer erreichbaren Bevölkerungsgruppen ) – das Fehlen von sog. Nachholstrategien (catch-up), um die Personen zu erreichen , die einer Routineimpfung nicht zugänglich waren oder diese aus anderen Gründen noch nicht erhalten haben, – unterschiedliche Zugänge zum Impfen im Gesundheitssystem eines Landes (zentral durch staatliche Dienste, dezentral durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte usw.) Dass hohe Impfquoten nicht zwangsläufig mit dem gänzlichen Verschwinden der Masern (Eradikation) einhergehen, ist aufgrund der Vielzahl der oben genannten Faktoren nachvollziehbar. Hohe Impfquoten verhindern jedoch die Weiterverbreitung des Masernvirus sehr effektiv. Bezogen auf die spezifische Situation in Deutschland liegen nach hiesigen Erkenntnissen derzeit keine Studien zu Fallzahlen in Relation zur Impfpflicht vor.  2. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass Portugal und Schweden keine Impfpflicht für Masern (sowie andere Erreger) haben, aber trotzdem eine Durchimpfungsquote von 95 + x Prozent aufweisen? Regelungen und Erfahrungen anderer Staaten sind nicht eins zu eins auf andere Gesundheitssysteme übertragbar (vgl. die Vorbemerkung der Bundesregierung und Antwort zu Frage 1).  3. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die Masern- Durchimpfungsquote (zweite Impfung) in Deutschland seit 2005 kontinuierlich steigt (von damals 76,6 Prozent auf 92,8 Prozent im Jahr 2017 – siehe diesbezüglich die Zahlen des RKI – Absatz 2 der Vorbemerkung der Fragesteller)? a) Wie passt diese Entwicklung der Zahlen zu der Behauptung in dem Gesetzentwurf, wonach die „bisherigen Maßnahmen zur Stärkung der Impfbereitschaft […] nicht in ausreichendem Maße greifen“ (siehe Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Masernschutzgesetz vom 17. Juli 2019, Kapitel A, Absatz 3, S. 1)? b) Sieht die Bundesregierung angesichts dieser steigenden Zahlen immer noch die Notwendigkeit einer Masernimpfpflicht? c) Wurden Studien von der Bundesregierung in Auftrag gegeben, um die Wirksamkeit von verschiedenen Maßnahmen zur Steigerung der Impfbereitschaft zu untersuchen, und wenn ja, was waren die Ergebnisse? d) Wenn von der Bundesregierung keine Studien in Auftrag gegeben wurden, die die Wirksamkeit von verschiedenen Maßnahmen zur Steigerung der Impfbereitschaft untersuchen, auf welche Faktenlage stützt die Bundesregierung ihre Schlussfolgerung, dass – wie oben zitiert – „andere Maßnahmen nicht greifen“? Die Impfquoten für die zweite Masernimpfung sind nach Schuleingangsuntersuchungen von 2001 bis 2014 angestiegen, stagnieren aber seitdem bei Werten knapp unter 93 Prozent. Im Rahmen der Strategie „Wirksam regieren“ der Bundesregierung wurden 2016 verschiedene Möglichkeiten der Information für Patientinnen und Patien- Drucksache 19/14462 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. ten zur Masernimpfung in Zusammenarbeit mit zwei Krankenkassen vergleichend getestet. Die größte Wirkung bei jungen Erwachsenen erzielte eine zielgruppenspezifische , kurze und direkte Information der Versicherten in Form eines Briefs der Krankenkasse. Vor diesem Hintergrund enthält der Entwurf des Masernschutzgesetzes neben der Nachweispflicht über einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern verschiedene weitere Elemente, wie z. B. eine Regelung , wonach die Krankenkassen ausdrücklich ermächtigt werden, ihre Versicherten in geeigneter Form individuell über fällige Schutzimpfungen zu informieren . In den Bundesländern gibt es ferner eine Reihe von Initiativen und Maßnahmen zur Verbesserung der Impfquoten. Um die zur Unterbrechung der Masernübertragungen notwendige Impfquote von mindestens 95 Prozent zu erreichen sind jedoch weitere Maßnahmen notwendig .  4. Verfügt die Bundesregierung über Zahlen oder hilfsweise über Schätzungen , wie viele der nach 1970 Geborenen weniger als zwei Impfungen in der Kindheit erhalten haben (Quote)? Wenn ja, wie hoch ist die Durchimpfungsquote (zweite Impfung) für die genannte Gruppe (bitte in einer Tabelle aufzeigen)? Für die genannte Gruppe aller nach 1970 geborenen Personen in Deutschland liegen Impfquoten für Kinder nach Auswertungen der KV-Impfsurveillance am Robert-Koch Institut (RKI) sowie aus den Schuleingangsuntersuchungen vor (siehe Tabellen 1 und 2). Für nach 1970 geborene Erwachsene besteht seit 2010 die Empfehlung einer einmaligen Impfung, wenn sie bisher noch gar keine oder nur eine Impfung in der Kindheit erhalten hatten oder bei ihnen der Impfstatus unbekannt ist. Schätzungen über den Anteil der nach 1970 geborenen Erwachsenen ohne Immunität aus einer in den Jahren 2008 bis 2011 bundesweit untersuchten Stichprobe vor (s.www.rki .de/DE/Content/InfAZ/M/Masern/Seropraeva lenz_DEGS1.pdf?__blob=publicationFile). Die Daten zeigen, dass etwa 85 Prozent der untersuchten Erwachsenen eine Immunität gegen Masern aufwiesen. Seit der Impfempfehlung 2010 lassen sich nach Schätzungen des RKI jährlich etwa ein Prozent der von der Empfehlung betroffenen Altersgruppe gegen Masern nachimpfen. Damit ist zu erwarten, dass sich die Immunität in dieser Altersgruppe noch verbessert hat. Geburtsjahrgang Mind. 1 Impfung bis zum Alter von 15 Monaten (in %) 2 Impfungen bis zum Alter von bis 24 Monaten (in %) 2004 71,7 59,1 2005 77,7 63,1 2006 80,4 66,3 2007 82,0 67,6 2008 83,0 67,5 2009 83,1 69,2 2010 85,7 71,1 2011 85,7 70,4 2012 86,7 71,3 2013 87,3 73,7 2014 89,5 73,9 Tabelle 1 – Impfquoten im Alter von 15 bzw. 24 Monaten nach Geburtsjahrgang nach Daten der KV-Impfsurveillance (Quelle: RKI) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14462 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Jahr der Schuleingangsuntersuchung mind. 1 Masern- Impfung (%) 2 Impfungen (%) 2002 91,3 33,1 2003 92,5 50,9 2004 93,3 65,7 2005 94,0 76,6 2006 94,5 83,2 2007 95,4 86,4 2008 95,9 89,0 2009 96,1 90,2 2010 96,4 91,5 2011 96,6 92,1 2012 96,7 92,4 2013 96,7 92,6 2014 96,8 92,8 2015 96,8 92,8 2016 97,1 92,9 2017 97,1 92,8 Tabelle 2 – Impfquoten für die erste und zweite Masernimpfung nach Schuleingangsuntersuchungen (Quelle: RKI)  5. Wie positioniert sich die Bundesregierung, falls sie über keine Zahlen darüber verfügt, wie viele der nach 1970 Geborenen weniger als zwei Impfungen in der Kindheit erhalten haben (Quote), bzw. welche Schlussfolgerung zieht sie aus der Aussage des derzeitigen Präsidenten des RKI, der am 2. Mai 2019 gesagt hat, dass „fast die Hälfte der Erkrankten […] junge Erwachsene [sind]“? Besteht nach Ansicht der Bundesregierung angesichts dieser Aussage nicht im Ansatz ein Bedenken bezüglich der adäquaten Zielgruppe der Maßnahmen durch das Masernschutzgesetz? Der Entwurf des Masernschutzgesetzes sieht vor, dass alle nach 1970 geborenen Erwachsenen einer Nachweispflicht über einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern bzw. einer bestehenden Immunität gegen Masern unterliegen, wenn sie aufgrund ihrer beruflichen Exposition ein besonders hohes Risiko haben , die Masern zu bekommen oder die Masern an Personen weiterzugeben, die ein besonders hohes Risiko haben, schwere Komplikationen bei einer Masernerkrankung zu erleiden. Hierzu gehören Beschäftigte in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), Gemeinschaftsunterkünften nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 IfSG sowie Personal in medizinischen Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1 IfSG. Des Weiteren sieht der Entwurf zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung der allgemeinen Impfprävention vor, die auch bei Erwachsenen zur Steigerung der Impfquoten beitragen sollen. Drucksache 19/14462 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  6. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass es bei Masern immer Schwankungen gab (siehe die gemeldeten Fallzahlen von 2001 bis 2018 vom RKI – Absatz 2 der Vorbemerkung der Fragesteller) – die Fallzahlen schwankten kurzzeitig in den Jahren 2006, 2011, 2013 und 2015 nach oben (in einigen Jahren sogar um den Faktor 10 im Vergleich zum Vorjahr) und gingen danach wieder nach unten, waren aber weit unter dem Niveau von 2001, wo es mehr als 6000 Fälle bundesweit gab? Sieht die Bundesregierung angesichts dieser Zahlen immer noch die Notwendigkeit einer Masernimpfpflicht, und wenn ja, mit welcher Begründung ? Deutschland hat weiterhin das Ziel der Masernelimination noch nicht erreicht. Die schwankenden Fallzahlen sind der Beleg dafür, dass weiterhin eine unzureichende Immunität in der Bevölkerung bzw. einzelnen Bevölkerungsgruppen besteht. In Regionen oder unter Bevölkerungsgruppen mit unzureichenden Impfquoten kommt es zur Anhäufung von gegen die Masern unzureichend geschützten Personen, die dann erkranken, wenn sie mit dem Virus in Kontakt kommen. In diesen Regionen oder Gruppen bilden sich dann Infektketten. Daraus resultieren jährliche Fallzahlschwankungen.  7. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg auch ohne Impfpflicht die erwünschte Impfquote von 95 + x Prozent für die zweite Impfung aufweisen? Sieht die Bundesregierung angesichts dieser Zahlen auch eine Masernimpfpflicht in diesen Bundesländern vor, und wenn ja, mit welcher Begründung , bzw. mit welchem Ziel? Auch in diesen Bundesländern liegt die Impfquote bei den Kleinkindern noch deutlich unter 95 Prozent: So hatten in Mecklenburg-Vorpommern bspw. nur 71,9 Prozent der 2014 Geborenen im Alter von 24 Monaten die zweite Masernimpfung erhalten, in Brandenburg waren dies 73,5 Prozent (Daten der KV- Impfsurveillance; s. auch www.vacmap.de).  8. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass die niedrigste Impfquote deutschlandweit im Land Baden- Württemberg verzeichnet ist (nicht nur bei Masern – siehe Daten des RKI in der Vorbemerkung der Fragesteller)? Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Annahme der Fragesteller , dass es sich, wenn überhaupt, um ein regionales Problem handelt? Die Daten der KV-Impfsurveillance zeigen, dass in keinem Bundesland die altersentsprechenden Impfquoten bei Kleinkindern bei der Zielgröße von 95 Prozent liegen. Es handelt sich damit nicht nur um ein regionales Problem, auch wenn es Regionen in Deutschland gibt, in denen besonderes niedrige Impfquoten vorhanden sind. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/14462 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  9. Wie positioniert sich die Bundesregierung, bzw. welche Schlussfolgerungen zieht sie aus den Ausführungen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, wonach, falls bei einem Eingriff „im Ergebnis nur ein geringes Risiko“ gegeben ist […] [dann] „eine generelle Impfpflicht ein Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art 2 Absatz 2 GG darstell[t], der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei“ (siehe Vorbemerkung der Fragesteller, vorletzter Absatz )? Der Bund hat nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des Grundgesetzes (GG) (Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten) die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung einer Impfpflicht inne. Bereits heute sind aufgrund von § 20 Absatz 6 und 7 IfSG das Bundesministerium für Gesundheit und, solange das Bundesministerium für Gesundheit von seiner Ermächtigung keinen Gebrauch macht, die Landesregierungen, dazu ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Eine Impfpflicht kann mit den Grundrechten, insbesondere mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG), vereinbar sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bereits in einem Urteil vom 14. Juli 1959 – I C 170.56 – mit der Frage der Vereinbarkeit des Impfgesetzes vom 8. April 1874 (Pockenschutzimpfung) mit dem GG auseinandergesetzt. Eine Impfpflicht auf gesetzlicher Grundlage wird insbesondere bei besonders ansteckenden Krankheiten, die Leben und Gesundheit anderer Menschen schwer gefährden, als zulässig erachtet. Der Schutz der Gesundheit anderer Personen beziehungsweise der Allgemeinheit zur Abwehr von Seuchengefahren rechtfertigt dann den gesetzlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Das Gericht hat dabei auch festgestellt, dass der Wesensgehalt des Grundrechts der körperlichen Unversehrtheit nicht durch einen Eingriff angetastet werde, dessen Zielsetzung gerade die Erhaltung der Unversehrtheit ist. Obwohl vorliegend die Freiwilligkeit der Impfentscheidung selbst unberührt bleibt, folgt aus der Vorgabe, dass bestimmte Personen einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern aufweisen müssen, ein mittelbarer Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG). Allerdings ist der Eingriff durch die damit verfolgten öffentlichen Ziele des Gesundheitsschutzes als gerechtfertigt anzusehen. Insbesondere ist ein solcher Eingriff auch nach den Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages aus folgenden Erwägungen heraus als verhältnismäßig im engeren Sinne einzustufen. Bei Masern handelt es sich um eine besonders gefährliche Infektionskrankheit. Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten beim Menschen. Infolge des hohen Kontagions- und Manifestationsindex erkranken faktisch alle nicht-immunen Menschen nach Exposition. Insbesondere bei Kindern unter fünf Jahren und Erwachsenen können Masern zu zum Teil schweren Komplikationen führen. In Industriestaaten gehören zu den häufigen Komplikationen einer akuten Masernerkrankung eine Otitis media (7 Prozent-9 Prozent), bakterielle Pneumonie (1 Prozent-6 Prozent) und Durchfälle (8 Prozent). In einem von 1.000 bis 2.000 Fällen tritt im weiteren Verlauf der Infektion eine akute oder eine postinfektiöse Enzephalitis auf. Eine für gewöhnlich tödlich verlaufende Spätfolge der Masern ist die subakute sklerosierende Panenzephalitits (SSPE), durchschnittlich etwa sieben Jahre nach einer akuten Maserninfektion auftritt. Kinder haben ein deutlich höheres Risiko. Insgesamt versterben in Industrieländern etwa 1-3/1.000 an Masern erkrankte Menschen. Personen mit einer primä- Drucksache 19/14462 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. ren oder sekundären Immundefizienz oder Immunsuppression haben ein besonders hohes Risiko, schwere Organkomplikationen nach Maserninfektion zu entwickeln und/oder an den Masern zu versterben. Erkenntnisse aus kontrollierten Studien im Rahmen von Masernausbrüchen deuten darauf hin, dass schwangere Frauen ein erhöhtes Risiko haben, Komplikationen durch Masern zu erleiden. Masern können während der Schwangerschaft mit einer erhöhten Abortrate und Frühgeburtlichkeit assoziiert sein. Die Personen in den vom Gesetzentwurf erfassten Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen sind größtenteils als vulnerabel einzustufen und können sich teilweise wegen einer medizinischen Kontraindikation (z. B. Neugeborene, Schwangere oder Personen mit schwerer Immunsuppression) nicht selbst vor Maserninfektionen schützen. Die aktive Impfung bietet dagegen einen sicheren Schutz gegen die akute Masernerkrankung . Die Impfung induziert die Bildung von Antikörpern sowie eine zelluläre Immunantwort, vergleichbar mit derjenigen nach einer natürlichen Infektion. Unabhängig vom Virusstamm erreichte die einmalige Impfung in zahlreichen klinischen Studien wie Beobachtungsstudien eine Impfeffektivität gegen Masern von mindestens 92 Prozent bei Kindern und Jugendlichen im Alter bis 15 Jahre. Für die zweifache Impfung gegen Masern wurde eine mediane Impfeffektivität von 95 bis 100 Prozent errechnet. Die Qualität der vorliegenden Evidenz wurde von Seiten der WHO als hoch eingeschätzt. Demgegenüber ist das Risiko von Schutzimpfungen gegen Masern auch in Form von Kombinationsimpfstoffen für gesunde Menschen als gering einzustufen . Masern-, Mumps- und Röteln (MMR)-Kombinationsimpfstoffe wurden seit ihrer Zulassung millionenfach verabreicht. Sie sind gut verträglich und werden allgemein als sicher bewertet. Durch wirksame Schutzimpfungen kann den schwerwiegenden Gefahren einer Maserninfektion begegnet werden, die den möglichen unerwünschten Nebenwirkungen einer Schutzimpfung gegen Masern, auch bei Verabreichung von Kombinationsimpfstoffen, bei weitem überwiegen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die staatliche Schutzpflicht zugunsten derjenigen hinzuweisen, deren Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit durch die Masernimpfpflicht geschützt werden sollen. Dem Staat und seinen Organen kommt bei der Erfüllung derartiger Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu (vgl. BVerfGE 77, 170; 79, 174, BVerfGE 115, 118. Anders als die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive Abwehrrechte sind die sich aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte ergebenden staatlichen Schutzpflichten grundsätzlich unbestimmt (vgl. BVerfGE 96, 56 [64]). Wie die staatlichen Organe solchen Schutzpflichten nachkommen, ist von ihnen prinzipiell in eigener Verantwortung zu entscheiden (vgl. BVerfGE 46, 160 [164]; 96, 56 [64]). 10. Gab es bei den Ressortabstimmungen – insbesondere vonseiten des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (sog. Verfassungsministerium) – geäußerte Bedenken bezüglich der Verfassungskonformität der vorgeschlagenen Regelung? a) Wenn ja, welche Einwände wurden genannt, und was wurde darauf erwidert ? b) Hat man sich explizit mit den in Frage 9 genannten Feststellungen bzw. Vorwürfen der WD beschäftigt, und wenn ja, was war das Ergebnis ? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/14462 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. c) Wenn man sich nicht mit den in Frage 9 genannten Feststellungen bzw. Vorwürfen der WD beschäftigt hat, wieso nicht? Im Rahmen der Ressortabstimmung wurde die Verfassungskonformität der zur Einführung einer Masernimpfpflicht vorgesehenen Regelungen geprüft. Die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden berücksichtigt. 11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Daten zu Staaten, die bereits eine Masernimpfpflicht haben bzw. eine Durchimpfungsquote von 95 + x Prozent vorweisen und deren Inzidenz dennoch weitaus höher liegen als die in Deutschland (siehe diesbezüglich die Tabelle des ECDC www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/numbermeasles -cases-month-and-notification-rate-million-population-count ry-12.)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 12. Wie viele a) Impfkomplikationen, b) leichte und schwere Nebenwirkungen, c) dauerhafte Schäden und d) Todesfälle durch eine Masernimpfung wurden seit dem Jahr 1987 an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldet bzw. vom PEI verzeichnet, und wie hoch wird die Melderate bei den o. g. Fällen in Bezug auf die Masernimpfung geschätzt? Dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) werden Verdachtsfälle von Nebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen gemeldet. Diese sogenannten Spontanmeldungen sind essentiell, um zeitnah neue Risikosignale identifizieren zu können, die dann mit anderen Methoden weiter untersucht werden müssen. Die Meldungen von Verdachtsfällen sind mit wenigen Ausnahmen weder geeignet, die Kausalität zu begründen, noch die Häufigkeit von Nebenwirkungen zu ermitteln. Eine Auswertung und Beurteilung der gemeldeten Verdachtsfälle nach Masernimpfstoffen sowie eine Literaturübersicht hat das PEI im Jahr 2014 veröffentlicht . Darüber hinaus veröffentlicht das PEI seit 2010 eine jährliche Auswertung der gemeldeten Verdachtsfälle von Impfreaktionen in dem Bulletin zur Arzneimittelsicherheit (www.pei.de/DE/arzneimittelsicherheit-vigilanz/pharma kovigilanz/bulletin-zur-arzneimittelsicherheit/bulletin-arzneimittelsicherheitnode .html ). Die Definition der Schwere der Nebenwirkungen erfolgt gemäß der allgemeinen , weltweit gültigen Kriterien, die entsprechend im § 4 Absatz 13 des Arzneimittelgesetzes (AMG) definiert sind. Seit dem Jahr 2003 registriert das PEI alle gemeldeten Verdachtsfälle zu Impfreaktionen aus Deutschland in elektronischer Form in einer relationalen Datenbank , wobei, soweit möglich, Papiermeldungen im Zeitraum von 2000 bis 2003 größtenteils nachträglich in diese Datenbank eingegeben worden waren. Alle anderen Meldungen sind als Papiermeldungen bzw. auf Karteikarten archiviert. a) Seit dem Jahr 2000 wurden dem PEI insgesamt 3725 Verdachtsmeldungen zu Masern Einzel- oder Kombinationsimpfstoffen aus Deutschland berichtet. Drucksache 19/14462 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. b) Davon wurden gemäß § 4 Absatz 13 AMG in 2276 Verdachtsfällen mindestens eine der berichteten Impfreaktionen als schwerwiegend definiert. In 1449 Verdachtsmeldungen wurden die gemeldeten Impfreaktionen als nichtschwerwiegend beschrieben. c) In 57 Verdachtsfällen wurde ein bleibender Schaden berichtet, der in zeitlichem Zusammenhang, nicht aber notwendigerweise in ursächlichem Zusammenhang mit einem Masernmono- oder Masern-Kombinationsimpfstoff, aufgetreten war. d) Im Jahr 2014 wurden zwei Kleinkinder mit angeborenem schwerem Immundefekt mit Masernkombinationsimpfstoffen geimpft. Beide Kinder entwickelten in der Folge schwere Impfkomplikationen, die tödlich verliefen und dem PEI gemeldet wurden. Masernkombinationsimpfstoffe sind für Menschen mit Immundefizienz kontraindiziert. Bei beiden Kindern war der schwere Immundefekt zum Zeitpunkt der Impfung allerdings noch nicht diagnostiziert worden. Das PEI hat beide Fallberichte im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit (Ausgabe 2016/2) veröffentlicht unter www.pei.de/SharedDocs/Downloads/vigilanz/ bulletin-zur-arzneimittelsicherheit/2016/2-2016.pdf?__blob=publicationFi le&v=6. 13. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Gefahr von Impfschäden? a) Sind diesbezüglich Studien in Auftrag gegeben worden? b) Wenn diesbezüglich Studien in Auftrag gegeben wurden, was waren die Ergebnisse? c) Wenn nein, wieso wurden keine Studien in Auftrag gegeben? Ein Impfschaden wird nach dem IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung (§ 2 Nummer 11 IfSG). Der Anspruch auf eine Entschädigung wegen eines solchen Impfschadens ist in §§ 60 ff. IfSG geregelt. Die Länder führen die Vorschriften des IfSG über die Versorgung bei Impfschäden als eigene Angelegenheit aus. Statistische Daten in Bezug auf die Zahl von Anträgen und die Zahl anerkannter Impfschäden fallen dementsprechend bei den zuständigen Behörden der Länder an. Eine Bundesstatistik über die Zahl der Anträge und die Zahl anerkannter Impfschäden wird nicht geführt. 14. Wieso werden nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland seit 2017 keine Masern-Einzelimpfstoffe mehr angeboten? 15. Wird bei einer eventuellen Einführung einer Masernimpfpflicht erneut ein Masern-Einzelimpfstoff angeboten, um, wie es der Deutsche Ethikrat Ende Juni 2019 formulierte, eine unfreiwillige verpflichtende „Mitimpfung“ zu verhindern (siehe Vorbemerkung, letzter Absatz)? a) Wenn ja, wann, und welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung bisher unternommen? b) Wenn nein, wieso nicht? Die Fragen 14 und 15 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/14462 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Für die Produktion sowie für die Vermarktung der Impfstoffe sind die pharmazeutischen Unternehmen zuständig. Produktionsentscheidungen orientieren sich dabei auch an den bestehenden Empfehlungen der Impfkommissionen weltweit. Das prioritäre Einsatzgebiet von Masernimpfstoffen ist die Verwendung zur Grundimmunisierung von Kleinkindern. Um mit den Masern gleichzeitig auch die Verbreitung von Mumps und Röteln zu verhindern und damit insbesondere Rötelnembryopathien vorzubeugen, soll auch in Deutschland nach den aktuellen STIKO-Empfehlungen die Impfung gegen Masern ausschließlich mit einem trivalenten Masern-Mumps-Röteln (MMR)- oder tetravalenten Masern- Mumps-Röteln-Varizellen (MMRV)-Impfstoff erfolgen. Entsprechend den STIKO-Empfehlungen gilt dies auch für solche Impfungen, bei denen ausschließlich eine Masernimmunität benötigt oder eine Masernimmunisierung vervollständigt werden soll. Dies gründet sich auf die jahrzehntelange Erfahrung zur Sicherheit und Verträglichkeit der MMR(V)-Impfstoffe, die belegt, dass die zusätzliche Verabreichung von Mumps- und Röteln-Impfviren kein unangemessenes Risiko für den Impfling darstellt. Es ist davon auszugehen, dass die geplante Einführung einer Nachweispflicht über einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern in Deutschland die Nachfrage nach einem monovalenten Impfstoff nicht in ausreichendem Maße erhöhen wird, um die logistischen und ökonomischen Hürden bei den Herstellern zur Wiederaufnahme der Produktion eines Einzelimpfstoffs gegen Masern zu überwinden. Auf Basis der verfügbaren Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit der MMR(V)-Impfstoffe und unter Befolgung der aktuellen STIKO-Empfehlungen können eine dringliche oder zwingende Notwendigkeit zur Bereitstellung eines monovalenten Impfstoffs aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht nicht festgestellt werden. 16. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu bzw. welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates vom 27. Juni 2019 insbesondere zu den rechtlichen Bedenken in Bezug auf die unfreiwillige „Mitimpfung“ durch Kombi-Impfstoffe (siehe Vorbemerkung der Fragesteller, letzter Absatz)? Die Bundesregierung teilt die Einschätzung des Deutschen Ethikrates nicht, dass eine gesetzliche Masernimpfpflicht wegen der derzeit praktisch ausschließlich verfügbaren Kombinationsimpfstoffe nicht präzise umsetzbar und rechtlich angreifbar sei. Alle bekannten Kombinationsimpfstoffe mit einer Komponente gegen Masern zeichnen sich dadurch aus, dass sie kein erhöhtes Risikoprofil im Vergleich zu Einfachimpfstoffen gegen Masern aufweisen. Darüber hinaus sind von der Impfpflicht alle Personen ausgenommen, bei denen eine medizinische Kontraindikation gegen die Schutzimpfung mit dem zur Verfügung stehenden Impfstoff besteht. Damit ist die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs auch dann gewahrt , wenn zur Erfüllung dieser Impfpflicht ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen. Drucksache 19/14462 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.