Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/13554 – Dorschfanglimits für Anglerinnen und Angler V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2017 hat die EU-Kommission begonnen, über die Fischerei hinaus auch das Freizeitangeln im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU zu regulieren. Erstmals durften Anglerinnen und Angler an der Ostsee nur noch fünf Dorsche am Tag entnehmen, aktuell sind es sieben. Diese Gleichsetzung von erwerbsmäßiger Fischerei und Hobbyaktivitäten ist nach Auffassung der Fragesteller nicht nur unverhältnismäßig und falsch, sie treibt auch seltsame Blüten. So gelten laut Kommission die Bestimmungen der Gemeinsamen Fischerei Politik (GFP) für die Berufsfischerinnen und Berufsfischer auch für Anglerinnen und Angler – zum Beispiel die Anlandepflicht von untermaßigen Dorschen, die mit der Handangel gefangen und schonend abgehakt in der Regel überlebensfähig sind. Sollte die Freizeitangelei im kommenden Jahr von neuen Beschränkungen betroffen sein, würde das nach Ansicht der Fragesteller den Angeltourismus an den Küsten stark treffen. Der Angeltourismus an der deutschen Nord- und Ostsee steht weiterhin vor großen Schwierigkeiten. In den letzten zwei Jahren mussten durch die Beschränkungen der Freizeitangelei bereits gut 60 Prozent der Hochseeangelschiffe aufgeben (vgl. www.netzwerk-angeln.de/angelpoli tik/395-baglimit-dorsch-2020-angeltourismus-an-der-ostsee-letzte-abfahrtthuenen .html). Weitere Beschränkungen sind nach Ansicht der Fragesteller für die noch existierenden Betriebe nicht zu verkraften. Das betrifft gerade kleinere Betriebe und viele Angestellte, die davon betroffen sind. Die Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag steht ganz klar zum Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Bestandsbewirtschaftung. Wir suchen Lösungen , die nachhaltig für die Dorschbestände, aber auch für den Angeltourismus und die kommerzielle Fischerei wirken. Lösungen, die nicht nur nachhaltig klingen, sondern nachweislich dem Dorsch, der kommerziellen Fischerei und vor allem der wirtschaftlich so wichtigen Freizeitangelei mit dem Angeltourismus helfen – neben Schleswig-Holstein gerade auch im Osten, in Mecklenburg -Vorpommern. Das muss das erklärte Ziel der Wissenschaft und der Politik sein. Deutscher Bundestag Drucksache 19/14512 19. Wahlperiode 25.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 23. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g In der vorliegenden Kleinen Anfrage wird wiederholt nach Fangdaten für das Jahr 2019 gefragt. Diese Daten liegen im laufenden Jahr regelmäßig nicht vor, sondern frühestens im April des Folgejahres (also 2020). Da die Managementmaßnahmen für die Freizeitfischerei erst für das Jahr 2017 eingeführt wurden, ist ein Vergleich der Daten für die Jahre 2016 bis 2018 somit relevanter. Es werden daher, wenn nicht anders vermerkt, Daten für diese drei Jahre geliefert. Die gewünschte Evaluierung der Auswirkungen verschiedener Managementoptionen in der Freizeitfischerei auf Dorsch in der westlichen Ostsee berücksichtigt ausschließlich die deutsche Freizeitfischerei in der westlichen Ostsee (Sub-Divisionen 22 und 24). Für eine vollständige Betrachtung müssten die internationalen Daten berücksichtigt werden. Die entsprechenden Primärdaten liegen jedoch nicht vor und sind zudem nicht öffentlich verfügbar. 1. Hat die Aufhebung der Schonzeit für die kommerzielle Fischerei (vgl. www.blinker.de/angelmethoden/meeresangeln/angelgewaesser/ostseefangquote -aktuelle-entscheidungen-auf-einen-blick/) nach Kenntnis der Bundesregierung Auswirkungen auf die aktuelle Reproduktion des Dorsches in der westlichen Ostsee (bitte erläutern)? In den Jahren 2016 bis 2018 deckte die Laichschonzeit für den Dorschbestand der westlichen Ostsee erstmals den wichtigsten Zeitraum der tatsächlichen Laichaktivitäten ab, die ungefähr von Mitte Januar bis Mitte April andauern können (Gipfel des Laichens der älteren Weibchen). Bis zum Jahr 2015 lag die Laichschonzeit über viele Jahre im April und damit außerhalb der wichtigsten Laichaktivitäten. Im Jahr 2016 wurde ein starker Jahrgang produziert, während die Jahrgänge 2017 und 2018 trotz Laichschonzeit sehr schwach ausfielen. Da der starke 2016er Jahrgang zu einer positiven Bestandsentwicklung für 2019 führte, wurde die Laichschonzeit im Jahr 2019 nicht fortgeführt, obwohl die Nachwuchsproduktion der letzten Jahre weiter schwach ausfiel. Die Nachwuchsproduktion aus dem Frühjahr 2019 wird frühestens im Herbst 2019 im Rahmen der internationalen Forschungsreisen sowie durch die Beprobung der kommerziellen Bundgarnnetze bei Fehmarn erfasst. Ergebnisse dazu liegen erst im ersten Quartal 2020 vor. 2. Wie beeinflusst eine Schonzeit für die kommerzielle Fischerei die Reproduktion beim Dorsch in der westlichen Ostsee? Laichschonzeiten sind ein in vielen Managementgebieten eingeführtes und bewährtes Mittel der Bewirtschaftung kommerziell genutzter mariner Fischbestände . Sie können mit verschiedenen Zielen eingeführt worden sein. In der Ostsee zielen die meisten Dorschfischereien auf Vorlaich- oder Laichaggregationen . Verschiedene Untersuchungen außerhalb der Ostsee haben gezeigt, dass Dorsch (bzw. Kabeljau) an den Laichplätzen ein hoch-ritualisiertes Paarungsverhalten zeigt, das z. B. deutliche Verhaltensunterschiede zwischen den Geschlechtern , Tag und Nacht sowie territoriales Verhalten umfasst. Die Fischerei auf Laichaggregationen stört – jenseits der reinen Entnahme laichreifer Tiere – das Laichgeschäft, vertreibt die laichenden Fische und kann dann zu einer geringeren Nachwuchsproduktion führen. Bei gesunden Beständen, die trotz Fischereiaktivitäten ausreichend Nachwuchs produzieren, kann dies kompensiert werden. Beim westlichen Dorsch ist das derzeitige Problem aber genau die sehr schwache Rekrutierung. Eine Schonzeit während der Hauptlaichzeit trägt dazu bei, dieses Problem zu beheben, z. B. durch mehr befruchtete Eier und weniger fehlgebildete Larven. Das Ziel der Laichschonzeit ist also nicht primär die Reduzierung der Entnahmemenge, sondern die Sicherstellung eines unge- Drucksache 19/14512 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. störten und damit möglichst erfolgreichen Laichgeschäfts. Für eine wissenschaftlich fundierte Bewertung der Effekte der Laichschonzeit für diesen speziellen Bestand ist die Zeitserie leider noch zu kurz. Hierzu werden mindestens fünf, besser zehn Jahre konstante Bedingungen (vor allem einheitliche Schließzeiten und -bedingungen) benötigt. 3. In welchem Rahmen würde eine Schonzeit sich positiv auf die Bestandsentwicklung im ersten Jahr und in den folgenden fünf Jahren beim Dorsch in der westlichen Ostsee auswirken? Dazu ist aufgrund der in der Antwort zu Frage 2 aufgeführten Gründe und der sehr hohen Variabilität der Nachwuchsproduktion zwischen den Jahren derzeit keine Aussage möglich. Das Ziel der Laichschonzeit für westlichen Dorsch ist, durch eine bessere Nachwuchsproduktion den Bestand anwachsen zu lassen und damit auch produktiver zu machen. Die Zeitspanne zwischen Rekrutierung und Eintritt der Tiere in den Elternbestand (Geschlechtsreife) beträgt zwei bis vier Jahre. 4. Trifft es zu, dass der Verzicht von Anglerinnen und Anglern auf den Fang von Laichdorsch vom Thünen-Institut des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgeschlagen wurde (vgl. www.dafv.de/projekte/europaarbeit/item/312-angeln-in-der-ost see-2020.html)? Das Thünen-Institut hat Angelverbände und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wiederholt auf die Vorteile eines Verzichtes auf den Fang von Laichdorschen für die Reproduktion des Dorschbestandes der westlichen Ostsee hingewiesen. Unabhängig von solchen Überlegungen verzichten bereits heute die meisten Hochseeangelkutter freiwillig auf das gezielte Anfahren von Laichdorsch-Aggregationen. 5. Welche direkten Auswirkungen hat das Angeln nach Erkenntnis der Bundesregierung auf die Reproduktion des Dorsches in der westlichen Ostsee ? Die mit Abstand wichtigste direkte Auswirkung der Freizeitfischerei auf die Reproduktion des Dorsches ist die Entnahme von Elterntieren aus dem Laicherbestand . 6. Wie hoch waren die realen Fänge von Anglerinnen und Anglern (Entnahme ) beim Dorsch in der westlichen Ostsee in den Monaten Februar und März der Jahre 2017, 2018 und 2019? Die Anglerfänge von Dorsch aus der westlichen Ostsee lagen in den Monaten Februar und März 2016 bei 264 Tonnen, 2017 bei 88 Tonnen und 2018 bei 76 Tonnen. Die Daten für 2019 liegen noch nicht vor. Diese Daten beziehen sich nur auf die deutschen Fänge. Internationale Daten liegen in der erforderlichen monatlichen Auflösung nicht vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14512 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 7. Wie hoch ist der Anteil der Fänge (Entnahme) in den „typischen“ Laichgebieten des Dorsches? Die räumliche Auflösung der verfügbaren Daten zu den Entnahmen der kommerziellen Fischerei und der Freizeitfischerei reicht nicht aus, um diese Frage beantworten zu können. Die Berufsfischerei muss den Ort der Fänge nur auf Basis statistischer Rechtecke angeben (Gebiete von 30 mal 30 Seemeilen), die Freizeitfischerei muss keine Angaben zur Fangmenge oder der Position der Fänge machen. Das Laichgeschäft des Westdorsches findet in der Regel in Gebieten tiefer als 20 Meter Wassertiefe statt. Diese Gebiete decken sich nicht mit den statistischen Rechtecken. Da die weitaus größten Fänge an Westdorsch jedoch im ersten Quartal in Gebieten tiefer als 20 Meter erzielt werden, ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der Fänge zur Laichzeit in den Laichgebieten getätigt wird, wenn diese Zeit nicht durch eine Laichschonzeit für die Fischerei gesperrt ist. 8. Gibt es Modellrechnungen der Bundesregierung bzw. des Thünen-Instituts, wie sich eine Schonzeit im Februar und März eines Jahres auf die Entwicklung des Dorsches in der westlichen Ostsee im ersten und in den folgenden fünf Jahren auswirken würde? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen. Eine solche Modellrechnung ist derzeit, vor allem wegen der zu kurzen Zeitserie, nicht möglich und wurde daher weder von der Bundesregierung/dem Thünen-Institut noch vom Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) vorgenommen. 9. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Hauptursachen für die ausbleibende Reproduktion beim Dorsch in der westlichen Ostsee nach dem aktuellen Stand der Forschung (bitte unter Nennung der Auswirkung auflisten)? Viele genutzte Fischbestände zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Laicherbiomasse (also dem Gesamtgewicht der erwachsenen Tiere) und der Nachwuchsproduktion, auch der Dorsch der westlichen Ostsee. Sinkt die Anzahl der erwachsenen Tiere unter eine bestimmte Schwelle, den sogenannten Limit-Referenzwert Blim, steigt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten schwacher Jahrgänge stark an, weil nicht mehr ausreichend Elterntiere vorhanden sind. Der Dorsch der westlichen Ostsee wurde aus jetziger Sicht viele Jahre überfischt, die Biomasse schwankt seit 2009 um den Limit-Referenzwert. Es fehlen also vor allem Elterntiere (v. a. ältere Tiere, die überproportional zur Nachwuchsproduktion beitragen) und traditionelle Laichgebiete, v. a. in der Kieler Bucht, bringen nur noch wenig Nachwuchs hervor. Auch wenn die Biomasse aufgrund des starken Jahrgangs 2016 wieder schnell angewachsen ist, kann es Jahre dauern, bis eine ausgewogene Altersstruktur des Bestandes wiederhergestellt ist und unvorteilhafte Umweltbedingungen abgepuffert werden können. Sehr variable Jahrgangsstärken sind bei sich erholenden Beständen nicht ungewöhnlich. Zu weiteren Ursachen wie Erwärmung und Versauerung der Ostsee gibt es derzeit nur Laborexperimente und Modellergebnisse. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass Erwärmung und Versauerung zu erhöhter Sterblichkeit und Fehlbildungen bei den Larven führen. Ferner ist bekannt, dass die produktiven Flachwasserbereiche für die Elterntiere während der Sommerphase durch zu hohe Wassertemperaturen (>15°C) nicht nutzbar sind. Ein Ausweichen in tiefere , kühlere Gebiete wird durch Sauerstoffmangelzonen am Boden der Becken Drucksache 19/14512 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. der westlichen Ostsee erschwert. Kühlen die Flachwasserbereiche im Herbst später ab, können die Tiere dort erst später die Defizite aus dem Sommer durch Fressen kompensieren und über den Herbst Reserven für das Laichgeschäft im Winter/Frühjahr anlegen. Gleichzeitig verschiebt sich das Laichgeschäft wegen milderer Winter zeitlich nach vorne, so dass die Aufbauphase weiter verkürzt wird. So kann ein Trend entstehen, bei dem die Elterntiere in zunehmend schlechterem Zustand ins Laichgeschäft eintreten bzw. der Anteil der Tiere, die gar nicht am Laichgeschäft teilnehmen, zunimmt. 10. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung als zwingend erforderlich an, um die Reproduktion wieder dauerhaft zu verbessern? Wie in der Antwort zu Frage 9 erläutert, ist das Ziel der Bewirtschaftung zunächst , den Bestand durch eine schnelle und deutliche Reduzierung der fischereilichen Sterblichkeit wiederaufzubauen, also die Laicherbiomasse anwachsen zu lassen und eine ausgewogene Altersstruktur herzustellen. Ferner erscheint die Einführung und Beibehaltung einer Laichschonzeit mindestens bis zur dauerhaften Erholung eine sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung des Nachwuchsaufkommens (siehe oben). Wie lange es dauert, bis diese Ziele selbst bei geeigneten Maßnahmen erreicht werden, lässt sich leider nicht zuverlässig vorhersagen . 11. Sieht die Bundesregierung die Freizeitfischerei grundsätzlich als eine Bedrohung für die Fischbestände in der westlichen Ostsee an (bitte begründen )? Weder die Berufsfischerei noch die Freizeitfischerei stellen eine Bedrohung für einen Nutzfischbestand dar, wenn die Entnahmemengen für die Bestände insgesamt nach international abgestimmten Prinzipien festgesetzt werden. Dies gilt auch für die Fischbestände der westlichen Ostsee, die trotz des größeren Einflusses der Umweltbedingungen in diesem Brackwassermeer bei einer nachhaltigen Nutzung durch den Menschen grundsätzlich ausreichend produktiv sind. 12. Gibt es Modellrechnungen der Bundesregierung bzw. des Thünen-Instituts , wie sich eine Anhebung des Mindestmaßes auf 45 cm – wie es der Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern als freiwillige Selbstverpflichtung beschlossen hat (vgl. www.ndr.de/nachrichten/mecklen burg-vorpommern/Angler-in-MV-Nur-noch-groessere-Dorsche-anlanden, dorsch232.html), auf die Entwicklung des Dorsches in der westlichen Ostsee im ersten und in den folgenden fünf Jahren auswirken würde? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Eine Erhöhung des Mindestmaßes führt zu höheren Rückwürfen geangelter Dorsche und reduziert deren Anlandungen. Wissenschaftliche Daten belegen, dass die Überlebensraten von geangelten und zurückgeworfenen Dorschen (see-basierte Angelmethoden) bei nahezu 90 Prozent liegen und somit ein großer Teil der zurückgesetzten Dorsche überlebt und dem Bestand nicht verloren geht. Das Thünen-Institut hat beispielhaft eine Berechnung des Effektes einer möglichen Erhöhung des Mindestmaßes auf 45 cm in den Jahren 2013 bis 2015 durchgeführt, weil die Fänge in diesem Zeitraum noch nicht reguliert waren. Danach betrug die mittlere Fangreduktion durch diese Maßnahme 655 Tonnen. Diese Daten beziehen sich nur auf die deutschen Fänge, internationale Daten liegen in der erforderlichen Auflösung nicht vor. Die realisierte Fangreduktion Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14512 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. ist jedoch maßgeblich von der Bestandsituation und der Größenverteilung der Dorsche abhängig. Eine Einschätzung der Auswirkung einer solchen Maßnahme auf die Dorschentwicklung der folgenden fünf Jahre ist derzeit nicht möglich. 13. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die realen Fänge durch Anglerinnen und Angler (Entnahme) von Dorsch in der westlichen Ostsee bei Dorschen zwischen 38 cm und 45 cm in den Jahren 2017, 2018 und 2019? Die geschätzten Anglerfänge für Dorsch in der westlichen Ostsee im Längenintervall 38 cm bis 45 cm beliefen sich im Jahr 2017 auf 351 Tonnen und im Jahr 2018 auf 588 Tonnen. Für 2019 liegen noch keine Daten vor. Diese Daten beziehen sich nur auf die deutschen Fänge. Internationale Daten liegen in der erforderlichen Auflösung nicht vor. 14. Welche aktuellen technisch umsetzbaren Möglichkeiten sind der Bundesregierung in Anbetracht des Anlandegebots in der kommerziellen Fischerei beim Dorsch bekannt, um den Beifang von kleinen Dorschen zu optimieren , und zu welchem Anteil kommen diese in der westlichen Ostsee zum Einsatz? Es gibt verschiedene technische Möglichkeiten, geschleppte und statische Fanggeräte so zu modifizieren, dass sie möglichst wenig untermaßige Dorsche fangen, z. B. durch die Vergrößerung der Maschenöffnung. Allerdings sind die meisten Ostsee-Bodenfischereien gemischt, d. h. es werden verschiedene Fischarten unvermeidbar gemeinsam gefangen, und die Unterschiede in Körpergestalt und Verhalten beeinflussen die Größenselektivität für die einzelnen Arten (wie Scholle und Dorsch). Moderne fangtechnische Ansätze zielen daher auf die Trennung verschiedener Arten im Schleppnetz, bevor die Größenselektion angewendet wird. Für die Optimierung der Fanggeräte ist allerdings die klare Definition von Managementzielen erforderlich, die bisher nicht durchgängig erfolgt. Aktuelle Untersuchungen zeigen sogar, dass Netze mit größeren Maschen tatsächlich zu einem höheren Anteil an untermaßigen Dorschen im Fang führen können, da die Fängigkeit von Dorschen zwischen 35 cm und 45 cm (dieser Längenbereich macht zurzeit einen Großteil der fischbaren Population aus) stärker abnimmt als die Fängigkeit von untermaßigen Dorschen. Um dies zu kompensieren, erhöht die Fischerei die Fischereintensität (den Aufwand ) und erhöht dadurch den Fischereidruck auf die großen Fische, da die Fängigkeit für diese unverändert bleibt. In den Ostsee-Gebieten SD 24-26 hat die EU-Kommission ab 22. Juli 2019 als Notfallmaßnahme zum Schutz des Ostseedorsches ein zunächst bis Ende 2019 befristetes grundsätzliches Fangverbot für Dorsch erlassen. Vorschriften zur Vermeidung von Dorschbeifängen wurden nicht erlassen. Zurzeit arbeitet das Thünen-Institut für Ostseefischerei intensiv an fangtechnischen Lösungen für die gemischte Fischerei, die den Fang von Dorschen stark reduziert oder sogar weitgehend verhindert – siehe hierzu www.thuenen.de/codex und www.thue nen.de/sortex. Inwieweit derartige Lösungen zur Anwendung kommen werden, lässt sich noch nicht vorhersagen. Drucksache 19/14512 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 15. Welche Projekte hat die Bundesregierung zum selektiven Fang beim Dorsch in den vergangenen zehn Jahren gefördert (Summe, Zeitraum, Institution), und welche Schlussfolgerungen hat sie aus den Ergebnissen gezogen? Welche Projekte plant sie dazu? Das Thünen-Institut für Ostseefischerei arbeitet seit vielen Jahren kontinuierlich und mit großem Aufwand an diversen Fragestellungen zum selektiveren Fang von Dorschen. Diese Arbeiten werden überwiegend aus dem Grundhaushalt des Thünen-Instituts und damit aus dem Bundesetat finanziert, im Wesentlichen durch Schiffszeit, Personalmittel und Fanggeräte. Die Arbeiten sind daher nicht in klar definierte Projekte eingeteilt. In wenigen Fällen wurden die Arbeiten im Rahmen spezieller Projekte am Thünen-Institut zusätzlich gefördert : Lot1 „Collaboration between the scientific community and the fishing sector to minimize discards in the Baltic cod fisheries”. Zeitraum: 2010-2013. Finanzierung aus einem EU-Tender, Zuwendungssumme 300 000 Euro. Ergebnis: Erstmalige Entwicklung von neuen Mehrartenselektionskonzepten, vor allem in der Ostsee. Die Ergebnisse des Projektes bilden die Basis für eine Reihe im Anschluss am Thünen-Institut entwickelter Selektionseinrichtungen. „CODEX (CodExcluder) – Modifikation von Schleppnetzen in der Ostseefischerei zur Reduktion des Dorschbeifanges“. Zeitraum: 10/2019-02/2020 (in Bewilligung). Finanzierung aus EU EMFF und Landesmitteln Mecklenburg- Vorpommern. Fördersumme 37 500 Euro. Ziel: Test und Weiterentwicklung einer Selektionseinrichtung zur Reduktion des Dorschbeifanges in der Ostsee. Die Bundesregierung plant, die Arbeiten durch das Thünen-Institut fortführen zu lassen, da fangtechnische Entwicklungen erhebliche Möglichkeiten für die Verbesserung der Selektivität geschleppter und passiver Fanggeräte liefern können. 16. Wenn es nach dem aktuellen technischen Entwicklungsstand möglich wäre, die Fanggeräte so zu verbessern, dass man gezielter nur Dorsche ab 45 cm fängt, woran scheitert nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Umsetzung? Fanggeräte, die nur Dorsche größer 45 cm fangen, stehen bereits zur Verfügung . Aus jetziger Sicht und bei der derzeitigen Populationsstruktur der Dorschbestände mit wenigen großen Fischen hat diese gezielte Befischung aber möglicherweise schwerwiegende negative Auswirkungen. Dazu gehören vor allem: a) kurzfristig stark erhöhter Fischereidruck auf die großen Tiere mit entsprechenden Auswirkungen auf die Populationsstruktur und b) sehr hoher Fangverlust von maßigen Dorschen. 17. Ist der Bundesregierung die Situation des Angeltourismus bekannt, der seit der Einführung unter drastischen Einbrüchen leidet, insbesondere in den strukturschwachen Regionen an den Küsten in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern https://ruteundrolle.de/2018/12/17/hoch seeangeln-oder-kuttersterben/? Seit Einführung der Tagesfangbegrenzung im Jahr 2017 sank die Zahl der in Mecklenburg-Vorpommern verkauften Küstenangelerlaubniskarten zwischen 2016 und 2018 um insgesamt neun Prozent, allerdings traten die Rückgänge Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/14512 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. vor allem bei den Tagesangelerlaubniskarten auf (–15 Prozent), die vorwiegend von Angeltouristen aus den küstenferneren Bundesländern erworben werden. Die Hochseeangelbetriebe verzeichneten Rückgänge der Fahrgastzahlen von gut 50 Prozent im Vergleich zum Jahr 2016, und 47 Prozent der Betriebe haben 2017/2018 ihren Betrieb eingestellt. Dadurch werden in fünf von ehemals 15 Häfen keine Hochseeangelfahrten mehr angeboten und die entsprechende Infrastruktur ist nicht mehr vorhanden. Der Bundesregierung ist der hohe ökonomische Wert der Freizeitfischerei insbesondere in strukturschwachen Regionen und in der touristischen Nebensaison bewusst und sie begrüßt die grundsätzliche Berücksichtigung dieses Sektors in der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU. 18. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung bzw. des Thünen- Instituts die Auswirkungen der Anglerfänge auf den Hochseeangelschiffen auf die Bestände beim Dorsch in der westlichen Ostsee? Der Anteil der Anglerfänge der Hochseeangelkutter am Gesamtfang der Freizeitfischerei variiert von Jahr zu Jahr und lag im Jahr 2016 bei 18 Prozent, 2017 bei 37 Prozent und 2018 bei 33 Prozent. Ihr Anteil an der Gesamtentnahme von Dorsch (Berufs- und Freizeitfischerei) betrug im Jahr 2016 ca. 9 Prozent, 2017 13 Prozent und 2018 15 Prozent. Diese Daten beziehen sich nur auf die deutschen Fänge. Internationale Daten liegen in der erforderlichen Auflösung nicht vor. Der Einfluss eines bestimmten Fangsegmentes auf den Zustand eines genutzten Bestandes ist in der Regel proportional zur Entnahmemenge , wenn sich die Fangzusammensetzung nicht wesentlich unterscheidet. 19. Welche Maßnahmen zum Bestandsschutz sind nach Expertise der Bundesregierung am besten mit dem Angeltourismus in Einklang zu bringen ? Zukünftige Bewirtschaftungsmaßnahmen sollten die Freizeitfischerei nicht diskriminieren und den Sektor aufgrund seiner ökonomischen Bedeutung nicht gefährden . Die Tagesfangbegrenzung („Bag limit“) hat sich als sinnvolles Instrument erwiesen, um den Anglern und Anglerinnen die Endlichkeit der Ressource zu verdeutlichen und Massenfänge zu unterbinden. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben dabei gezeigt, dass eine Tagesfangbeschränkung die Attraktivität des Angeltourismus beeinträchtigt, insbesondere bei Angeltouristen aus den küstenfernen Bundesländern. Die Erhöhung der Tagesfangbegrenzung auf sieben Fische pro Tag und Angler im Jahr 2019 führte zu einer leichten Entspannung der Situation. Die Tagesfangbegrenzung für das Jahr 2020 hat diesem Umstand Rechnung getragen, indem im europäischen Rahmen fünf Dorsche außerhalb und zwei Dorsche innerhalb der Laichschonzeit Februar/März vereinbart wurden. Damit wird zugleich dem Umstand Rechnung getragen, dass auch die Freizeitfischerei ihren Beitrag zum Wiederaufbau des Dorschbestandes beitragen muss. Drucksache 19/14512 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 20. Welche Verbände beteiligt die Bundesregierung an Vorhaben mit Auswirkungen auf den Angeltourismus in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung des Angeltourismus beim Meeresangeln in Deutschland, der vom Thünen-Institut auf ca. 118 Mio. Euro p. a. geschätzt wird, und werden diese gleichberechtigt mit der kommerziellen Fischerei behandelt? Die nachfolgend genannten Verbände beteiligt die Bundesregierung auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Angeltourismus im Gebiet der Ostsee aufgrund der Dorschfanglimits: Fischereischutzverband Schleswig-Holstein e. V., Deutscher Angelfischerverband e. V., Deutscher Fischereiverband e. V., Landesverband der Kutter- und Küstenfischer Mecklenburg-Vorpommern e. V.. Die Anliegen des Angeltourismus fließen entsprechend ihrer sozio-ökonomischen Bedeutung in die Position der Bundesregierung mit ein. 21. Sieht die Bundesregierung die Beschränkung der Fangmengen für Anglerinnen und Angler als zwingend erforderlich für den Bestandserhalt, oder geht es nach Auffassung der Bundesregierung dabei um die Verteilung der Fangmengen zwischen Anglerinnen und Anglern und kommerzieller Fischerei? Die Bestandssituation beim westlichen Dorsch hat sich in den vergangenen Jahren zusehends verschlechtert. Um einen Wiederaufbau des Bestandes zu ermöglichen , haben die EU-Fischereiminister die Fangmengen für die Berufsfischerei stark reduziert und im Jahr 2017 zusätzlich für die Freizeitfischerei eine Tageshöchstfangmenge pro Angler und Tag („Bag limit“) eingeführt, da eine uneingeschränkte Freizeitfischerei einen spürbaren Anteil an den Gesamtfängen getätigt hatte. Die Einführung eines Tageshöchstfangs hat zu einer besseren Bewirtschaftung des westlichen Dorschbestandes beigetragen. Dieser Umstand steht bei der Festlegung des Tageshöchstfangs im Vordergrund. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/14512 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.