Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Protschka, Verena Hartmann, Wilhelm von Gottberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/13882 – Folgen des ökologischen Landbaus V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der ökologische Landbau wird als besonders ressourcenschonendes und umweltverträgliches Landnutzungssystem betrachtet, welches sich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit orientiert (vgl. Sanders, J. & Hess, J. (eds.), 2019, Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft. Braunschweig : Johann Heinrich von Thünen-Institut, Thünen Report 65). Aus diesem Grunde wird der ökologische Landbau in der Bundesrepublik Deutschland politisch besonders gefördert. Dabei ist das „Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN)“ mit einem jährlichen Bundeshaushaltsbudget von 30 Mio. Euro das wichtigste Finanzierungsinstrument (vgl. www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Nachhaltige- Landnutzung/Oekolandbau/oekolandbau_node.html, zuletzt abgerufen am 27. Juni 2019). Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der ökologischen Anbaufläche bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland auszuweiten (vgl. www.bmel.de/DE/Landwirt schaft/Nachhaltige-Landnutzung/Oekolandbau/oekolandbau_node.html, zuletzt abgerufen am 27. Juni 2019). Da die Erträge im ökologischen Landbau allerdings geringer sind als in der konventionellen Landwirtschaft, ist mehr Fläche nötig, um die gleiche Menge Nahrung zu produzieren (vgl. www.bmel.de/DE/Bundesministerium/Organisa tion/Beiraete/_Texte1/NutzungBiomasseEnergiegewinnung.html, zuletzt abgerufen am 27. Juni 2019). Das kann dazu beitragen, dass es durch die nationale Ausweitung des ökologischen Landbaus zu globalen Zielkonflikten mit Umweltschutz und Biodiversität kommt (vgl. Searchinger, T. D. & Wirsenius, S. & Beringer, T. & Dumas, P., 2018, Assessing the efficiency of changes in land use for mitigating climate change. Naturevolume 564, S. 249–264). Deutscher Bundestag Drucksache 19/14539 19. Wahlperiode 28.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 24. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 1. Um wie viel größer ist nach Kenntnis der Bundesregierung der durchschnittliche Flächenverbrauch in der ökologischen Landwirtschaft im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft aufgrund der Ertragslücke (Quellen siehe Vorbemerkung der Fragesteller)? Der systemorientierte Ansatz des ökologischen Landbaus hat zur Folge, dass die Erträge im Vergleich zur konventionellen Bewirtschaftung in der Regel niedriger ausfallen. Im Ackerbau liegt das durchschnittliche Ertragsniveau in Mittel- und Westeuropa je nach Standort, Fruchtart und Bewirtschaftungssystem 9 bis zu 40 Prozent unter dem der konventionellen Landwirtschaft (de Ponti et al., 2012; Seufert et al., 2012; Ponisio et al., 2015). Dabei hängen die Ertragsunterscheide stark von der Intensität bzw. dem Management der ökologischen und konventionellen Bewirtschaftung, dem Standort und der Kultur ab. Statistisch belastbare Daten über die Ertragsdifferenz in Deutschland liegen nicht vor. Zwar werden beispielsweise in der „Besonderen Ernteermittlung“ der Statistischen Landesämter Erträge auf Flächen des ökologischen Landbaus mit erhoben, aber aufgrund des geringen Stichprobenumfangs bisher nicht separat ausgewertet. Auf der Basis von Fallbeispielen oder regionalen Erhebungen lassen sich jedoch für Deutschland im Hinblick auf die mittlere Ertragslücke folgende Größenordnungen ableiten: • bei Getreide zwischen 30 und 50 Prozent (Schmid und Hülsbergen, 2015) • bei Körnerleguminosen bei 0–10 Prozent (Landessortenversuche Niedersachsen 2016–2018) • im Grünfutterbau (Kleegras, Luzerne) 0–20 Prozent (Schmid und Hülsbergen , 2015) • Silomais 0–10 Prozent (Landessortenversuche Niedersachsen 2015–2018) • Kartoffelbau 40–50 Prozent (Kolbe et. al 2012) • Gemüsebau 15–30 Prozent (MULEWF, 2013) • Agrarholz 0 Prozent (Huber et al. 2016) • Grünland (0–20 Prozent) (Lind et al. 2013, Steinwender et al. 2000) Eine Ausweitung der ökologischen Wirtschaftsweise könnte unter den gegebenen Rahmenbedingungen zur Folge haben, dass der Flächenanspruch in anderen Regionen zunimmt. Eine Quantifizierung des Flächenanspruchs setzt jedoch die Kenntnis voraus, auf welchen Standorten mit welchen Standorteigenschaften die Produktion sich in Folge einer Ausdehnung des ökologischen Landbaus verändert, da die Ertragsunterschiede neben der Intensität und dem Management der ökologischen und konventionellen Bewirtschaftung in hohem Maße von dem Standort sowie der Kultur abhängig sind. Darüber hinaus führen Aspekte, wie technologische Entwicklungen, veränderte Ernährungsgewohnheiten (z. B. Fleischkonsum), Bemühungen zur Reduktion von Ernte- und Lebensmittelverlusten oder die Aufgabe oder der Verlust von landwirtschaftlich genutzten Flächen dazu, dass eine Extensivierung der Produktion nicht zwangsläufig bzw. in gleichem Umfang zu einer Intensivierung an anderer Stelle führen muss. Modellanalysen von Muller et al. (2017) weisen darauf hin, dass unter der Annahme eines reduzierten Fleischkonsums und verminderter Lebensmittelabfälle eine deutliche Ausweitung des ökologischen Landbaus nicht notwendigerweise negative Verlagerungseffekte mit sich bringen muss. Daraus ist zu schließen, dass die pauschale Ableitung eines möglichen Flächenmehrbedarfs in Folge einer Ausweitung des ökologischen Landbaus als nicht sachgerecht anzusehen ist. Drucksache 19/14539 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 2. Wie positioniert sich die Bundesregierung hinsichtlich der Einschätzung des Weltklimarates (IPPC), nach der Habitatverlust, neben invasiven Spezies und Raubbau, einer der Hauptgründe für das Artensterben ist (Cahill , A. E. & Aiello-Lammens, M. E. & Fisher-Reid, M. C. & Hua, X. & Karanewsky, C. J. & Ryu, H. Y. & Sbeglia, G. C. & Spagnolo, F. & Waldron , J. B. & Warsi, O. & Wiens, J. J., 2013, How does climate change cause extinction? Proceedings Biological Sciences 280 (1750); Cramer, W. & Yohe, G. W. & Auffhammer, M. & Huggel, C. & Molau, U. & da Silva Dias, M. A. F. & Solow, A. & Stone, D. A. & Tibig, L., 2014, Detection and attribution of observed impacts. In: Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability. Part A: Global and Sectoral Aspects. Contribution of Working Group II to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Field, C.B. & Barros, V. R. & Dokken , D. J. & Mach, K. J. & Mastrandrea, M. D. & Bilir, T. E. & Chatterjee, M. & Ebi, K. L. & Estrada, Y. O. & Genova, R. C. & Girma, B. & Kissel, E. S. & Levy, A. N. & MacCracken, S. & Mastrandrea, P. R. & White, L. L. (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, S. 990)? a) Wie positioniert sich die Bundesregierung hinsichtlich der Einschätzung des Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES), nach der Landnutzungsänderungen einer der Hauptgründe für das Artensterben ist (Díaz, S. & Settele, J. & Brondízio, E. & Ngo, H. T. & Guèze, M. & Agard, J. & Arneth, A. & Balvanera, P. & Brauman, K. & Butchart, S. & Chan, K. & Garibaldi, L. & Ichii, K. & Liu, J. & Subramanian, S. M. & Midgley, G. & Miloslavich , P. & Molnár, Z. & Obura, D. & Pfaff, A. & Polasky, S. & Purvis , A. & Razzaque, J. & Reyers, B. & Chowdhury, R. R. & Shin, Y.-J. & Visseren-Hamakers, I. & Willis, K. & Zayas, C., 2019, Summary for policymakers of the global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. – zuletzt abgerufen am 27. Juni 2019, www.ufz.de/export/data/2/228052_spm_unedited_adv ance_for_posting_htn.pdf)? Aus Sicht der Bundesregierung können Landnutzungsänderungen Gründe für Artenrückgang und lokales Aussterben von Arten sein. Jedoch können Landnutzungsänderungen in Abhängigkeit von der Art der Veränderung und dem Ausgangszustand der betroffenen Flächen sehr unterschiedliche Wirkungen auf den Artenreichtum haben. So kann die Umwandlung einer artenreichen, zweischürigen Heuwiese in eine Silagewiese mit 4-6-maliger Mahd zu einem Rückgang des lokalen Pflanzenartenreichtums und infolgedessen auch des Tierartenreichtums führen (Allan et al. 2015). Dagegen kann die Umwandlung von Acker- in Grünland oder die Extensivierung der Ackernutzung durch Erhöhung der Artenvielfalt der dort wachsenden Pflanzen und einen verringerten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln einen positiven Effekt auf den lokalen Artenreichtum haben (Boutin et al. 2008). Bei einer Intensivierung der Landwirtschaft ist häufig mit einer Abnahme der Biodiversität zu rechnen (Kleijn et al. 2010). In Bezug auf Ackerflächen kann eine intensivere Bewirtschaftung zu einer Abnahme des Artenreichtums führen, während Extensivierung und Brache den Artenreichtum fördern. Im Grünland sind Flächen mit moderater Nutzungsintensität (1-2-malige Mahd/extensive Beweidung, geringe Düngung oder Düngeverzicht) häufig am artenreichsten, weswegen sowohl Intensivierung als auch Nutzungsaufgabe zu Artenrückgang führen können. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14539 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Beispiele von Landnutzungsveränderungen und ihrer Wirkung auf den Artenreichtum Flächentyp Landnutzungsveränderung Wirkung auf Artenreichtum Grünland Verringerte Mahdfrequenz von ≥4 auf 1–2 Mal/ Jahr Positiv Aushagerung durch Düngeverzicht Positiv Wiederaufnahme der Nutzung nach Brache Positiv Erhöhte Mahdfrequenz von 1–2 auf ≥4 Mal/ Jahr Negativ Umwandlung in Ackerland Negativ Eutrophierung durch Düngung Negativ Nutzungsaufgabe/ Verbrachung Negativ Ackerland Verminderte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln Positiv Erweitere Fruchtfolge Positiv Erhöhte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln Negativ Engere Fruchtfolge Negativ Umwandlung konventioneller Acker in ökologischen Acker Positiv Umwandlung ökologischer Acker in konventionellen Acker Negativ Quelle: Zusammenstellung des Thünen-Instituts b) Welche potentiellen Schlussfolgerungen leitet die Bundesregierung aus diesen Studienergebnissen des IPPC und des IPBES ab, und welche konkreten Maßnahmen sind von Seiten der Bundesregierung diesbezüglich geplant? Der ökologische Landbau stellt im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft eine extensivere Nutzung dar. Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und leicht löslichen mineralischen Düngemitteln ist untersagt, und die Gesamtmenge des im Betrieb ausgebrachten Wirtschaftsdüngers tierischer Herkunft darf, wie im konventionellen Landbau auch, 170 kg Stickstoff je Jahr und Hektar nicht überschreiten. Somit stellt die Umstellung von konventioneller Landwirtschaft auf Ökolandbau eine Landnutzungsänderung dar, die sich positiv auf den Artenreichtum der bewirtschafteten Flächen auswirken kann (Boutin et al. 2008, Aavik & Liira 2010). 3. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Schadstoffbelastung je Ertragseinheit in der ökologischen Landwirtschaft? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse in Bezug auf die Schadstoffbelastung je Ertragseinheit in der ökologischen Landwirtschaft vor. Das Land Baden-Württemberg führt seit dem Jahr 2002 ein spezielles Überwachungsprogramm im Bereich der ökologisch erzeugten Lebensmittel durch. Ziel des Programms ist u. a. eine Statuserhebung der Belastung ökologisch erzeugter Lebensmittel mit Rückständen und Kontaminanten sowie ein Vergleich ökologisch und konventionell erzeugter Produkte. Demnach schnitt ökologisch erzeugtes, frisches Obst und Gemüse auch im Jahr 2018 besser ab im Vergleich zu konventionell erzeugten Produkten, sowohl in Bezug auf die Häufigkeit von Rückstandsfunden als auch bezüglich der Rückstandgehalte chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel. Detaillierte Informationen in Bezug auf die Häufigkeit von Rückstandsfunden in ökologisch erzeugten Lebensmitteln können dem Bericht zum Ökomonitoring 2018 des Landes Baden Württemberg entnommen werden*. * www.baden-wuerttemberg.de/de/service/publikation/did/oekomonitoring-2018-2/ Drucksache 19/14539 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 4. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, inwiefern Produkte aus der ökologischen Landwirtschaft förderlicher für die menschliche Gesundheit sind als Produkte aus der konventionellen Landwirtschaft ? Das Max-Rubner-Institut (MRI) konnte in eigenen Studien keine signifikanten Unterschiede in den Gehalten wertgebender Inhaltsstoffe zwischen Produkten aus ökologischer und konventioneller Produktion feststellen. Auch wenn es aus einigen anderen Studien Hinweise darauf gibt, dass ökologisch erzeugte Produkte höhere Gehalte an antioxidativ wirkenden sekundären Pflanzenstoffen enthalten, konnten Interventionsstudien keine klare Verbindung zwischen den Konzentrationen an Antioxidantien im Menschen und der Anbauweise der Produkte (organisch oder konventionell) aufzeigen (Mie, A., et al., 2007). Das Max-Rubner-Institut (MRI) geht daher unter Berücksichtigung des heutigen Stands der Forschung nicht von einer ernährungsphysiologisch höheren Qualität von ökologisch im Vergleich zu konventionell erzeugten Produkten aus. Zudem wird auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Wie bewertet die Bundesregierung die Studienergebnisse von Searchinger et al., nach denen die Erzeugung von ökologischen Lebensmitteln zu erheblich höheren Emissionen führen kann als die der konventionelle Landwirtschaft (Searchinger, T. D. & Wirsenius, S. & Beringer, T. & Dumas, P., 2018, Assessing the efficiency of changes in land use for mitigating climate change. Naturevolume 564, S. 249–264)? a) Wie groß sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Treibhausgas- Opportunitätskosten (v. a. CO2-Opportunitätskosten) in der ökologischen Landwirtschaft? Der ökologische Landbau emittiert pro Flächeneinheit in der Regel geringere Treibhausgasmengen (CO2eq je ha) als die konventionelle Produktion. Bei den ökologischen Betrieben besteht u. a. durch eine Steigerung der Erträge bei Beibehaltung der vorteilhaften Umweltwirkungen (insbesondere Biodiversität, Gewässerschutz) Optimierungsbedarf. Im Hinblick auf die Treibhausgas-Opportunitätskosten in der ökologischen Landwirtschaft bzw. dem von Searchinger (2018) vorgestellten „Carbon Benefits Index“ (Kohlenstoff-Nutzen-Index) ist grundsätzlich anzumerken, dass die Berechnung des Indexes die Effizienz in der Produktion von der Effizienz im Konsum trennt. Das bedeutet, dass sich verändernde Verzehrgewohnheiten und Nahrungsmittelverluste nicht simultan mit Entscheidungen über die Agrarproduktion betrachtet werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung der Produktion steht somit die Frage, wie ein Hektar Landwirtschaftsfläche idealerweise genutzt werden sollte. Die dabei je Produkteinheit entstehenden Treibhausgasemissionen und die Kapazität der genutzten Fläche durch Aufforstung zu binden , werden mit globalen Durchschnittswerten verglichen. Das Konzept bewertet somit nicht die indirekten Landnutzungsänderungen aufgrund von Produktionsveränderungen , sondern die klimapolitischen Opportunitätskosten jeder genutzten Fläche. Die Treibhausgas-Opportunitätskosten der ökologischen Landwirtschaft sollten nicht isoliert ermittelt und interpretiert werden. Searchinger et al. (2018) legen vielmehr nahe, dass anhand ihres Ansatzes alle produktions- und konsumbezogenen Entscheidungen bewertet werden. Das von diesen Autoren entwickelte Konzept liefert für die zugrundeliegende Fragestellung aus verschiedenen Gründen keine vollständige Entscheidungsgrundlage: Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14539 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. (1) Der ökologische Landbau erzielt am Markt Premiumpreise, die oft deutlich über den Preisen für konventionelle Vergleichsprodukte liegen. Bedingt durch die Preisstruktur unterscheiden sich auch die Warenkörbe der Konsumenten von ökologisch bzw. konventionell erzeugten Produkten. (2) Weitere Umweltziele, wie die Förderung der Biodiversität und des Gewässerschutzes durch extensivere Landbauformen werden im „Carbon Benefits Index“ nicht berücksichtigt. Diese sind aber ein wichtiger Grund für die Förderung des ökologischen Landbaus. (3) Der „Carbon Benefits Index“ berücksichtigt keine Transportkosten. Wo auf der Welt die Nachfrage nach Agrarprodukten zu theoretisch geringeren CO2- Opportunitätskosten gedeckt werden kann, spielt in dem Konzept keine Rolle. (4) Der „Carbon Benefits Index“ liefert lediglich theoretische Vergleichsgrößen , solange die durch effizientere Agrarproduktion eingesparte Flächen nicht tatsächlich aufgeforstet oder einer anderen, hohen Kohlenstoffanreicherung zugeführt werden. Eine großflächige Aufforstung wird in Deutschland derzeit u. a. aus Gründen der langfristigen Ernährungssicherung nicht verfolgt. Diese Zusammenhänge wurden in einer einfachen Anwendung der CO2- Opportunitätskosten nach Searchinger et al. (2018) nicht berücksichtigt. b) Welche potentiellen Schlussfolgerungen leitet die Bundesregierung aus diesen Studienergebnissen ab, und welche konkreten Maßnahmen werden diesbezüglich erwogen? Aus der Studie von Searchinger et al. (2018) ist die Schlussfolgerung zu ziehen , dass klimapolitische Opportunitätskosten bei allen produktions- und konsumbezogenen Entscheidungen im Agrar- und Ernährungsbereich berücksichtigt werden sollten. Große klimaschutzpolitische Potentiale liegen den Autoren zufolge im Bereich des Konsums. Dieser Aspekt wird im Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 mit der Maßnahme Vermeidung von Lebensmittelabfällen aufgegriffen. Im Hinblick auf die Flächennutzung weisen entwässerte Moorböden in Deutschland mit großem Abstand die höchsten CO2 -Opportunitätskosten pro Hektar auf. Dem Moorbodenschutz wird daher im Maßnahmenprogramm eine eigene Maßnahme gewidmet. 6. In welchem Maße (prozentual) wird nach Einschätzung der Bundesregierung der globale Nahrungsmittelbedarf bis 2050 im Vergleich zu heute voraussichtlich wachsen? Zur Beantwortung dieser Frage wird auf Analysen internationaler Institutionen zurückgegriffen, da die Bundesregierung keine solchen Prognosen erstellt. Jüngste Prognosen mit dem erfragten langfristigen Zeithorizont hat die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) im Jahr 2012 erstellt. Danach ist bis 2050 ein Anstieg der globalen Nahrungsmittelerzeugung von 60 Prozent gegenüber dem Referenzzeitraum von 2005/07 notwendig, um den steigenden Bedarf zu decken. Diese Projektionen beziehen sich nicht auf einzelne Staaten, sondern lediglich auf Gruppen von Staaten wie entwickelte Staaten und Entwicklungsländer. Zu Einzelheiten wird auf die FAO-Studie sowie auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP „Weltweite Nahrungsmittelproduktion“ auf Bundestagsdrucksache 19/9803 verwiesen*. * FAO, World Agriculture Towards 2030/2050. The 2012 Revision. Rom 2012. Drucksache 19/14539 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 7. Wie hoch sind die Fördermittel für den ökologischen Landbau (bitte nach Fördermitteln von EU, Bund, Ländern aufschlüsseln)? Die Einführung der ökologischen Wirtschaftsweise und deren Beibehaltung wurden im Jahr 2018 mit öffentlichen Mitteln in Höhe von insgesamt 330,1 Mio. Euro gefördert. Davon entfielen 208,2 Mio. Euro auf die EU, 77,4 Mio. Euro auf den Bund sowie 44,5 Mio. Euro auf die Länder. Darüber hinaus ist das Bundesprogramm ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) im Haushaltsjahr 2018 mit 30 Mio. Euro ausgestattet. Das BÖLN hat zum Ziel, die Rahmenbedingungen für die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft und anderer Formen nachhaltiger Landbewirtschaftung in Deutschland zu verbessern. Von den Fördermaßnahmen im Bereich der Forschung und das durch sie generierte Wissen können die ökologische und die konventionelle Landwirtschaft gleichermaßen profitieren. Darüber hinaus profitiert der ökologische Landbau auch von horizontalen Förderinstrumenten , beispielsweise in den Bereichen der Investitions- oder Forschungsförderung . 8. Wie ist es nach Kenntnis der Bundesregierung um den Selbstversorgungsgrad der landwirtschaftlichen Produkte und Rohstoffe in der Bundesrepublik Deutschland bestellt (bitte nach pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln aufschlüsseln)? Inwiefern würde sich nach Kenntnis der Bundesregierung dieser Selbstversorgungsgrad ändern, wenn der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche Deutschlands 20, 30, 50, 75 oder 100 Prozent betragen würde? Die nachstehende Übersicht zeigt Daten zum Selbstversorgungsgrad Deutschlands bei wichtigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Selbstversorgungsgrad bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (in Prozent) a. Pflanzliche Erzeugnisse b. Tierische Erzeugnisse Erzeugnis 2017/181) Erzeugnis 2018 1) Getreide Fleisch- und Fleischerzeugnisse Hart- u. Weichweizen 115 Rind- und Kalbfleisch 98 Roggen 98 Schweinefleisch 119 Insgesamt 107 Geflügelfleisch 99 Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Zucker Insgesamt 116 Hülsenfrüchte 86 Milch und Milcherzeugnisse Kartoffeln 2) 148 Frischmilcherzeugnisse 4) 116 Zucker 161 Kondensmilcherzeugnisse 494 Gemüse, Obst (Marktanbau) Vollmilchpulver 5) 126 Gemüse 38 Magermilchpulver 6) 375 Obst 3) 139) Käse 7) 124 Wein 38 Butter 8) 100 Eier und Eierzeugnisse 72 1) Vorläufig. 2) Nur Nahrungsverbrauch. 3) Ohne Zitrusfrüchte, Schalenobst und Trockenfrüchte. 4) Konsummilch, Buttermilch-, Sauermilch-, Kefir-, Milchmischerzeugnisse u. Milchmischgetränke , einschl. sonstige Konsummilch u. Eigenverbrauch, Direktverkauf der landwirtschaftl. Be- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/14539 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. triebe; einschl. Sauermilch-, Kefir-, Joghurt-, Milchmischerzeugnisse u. Milchmischgetränke aus Sahne hergestellt. 5) Einschl. Sahne-, Vollmilch-, Teilentrahmtes Milchpulver, sonstige Trockenmilcherzeugnisse ohne Zusätze, sonstige Milcherzeugnisse in Pulverform, denen vor der Trocknung Zusätze beigegeben wurden, für Nahrungs- u. Futterzwecke. 6) Einschl. Buttermilchpulver. 7) Einschl. Schmelzkäse u. Schmelzkäsezubereitungen. 8) Einschl. Milchfetterzeugnisse und Milchstreichfetterzeugnisse in Butterwert (83 Prozent Fettgehalt ) sowie Herstellung in landwirtschaftl. Betrieben. 9) Rückgang des Selbstversorgungsgrades gegenüber 2016/17 aufgrund der geringen Erntemenge im Jahr 2017. Im Weiteren wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD „Direkte und indirekte Landnutzungsänderungen “ auf Bundestagsdrucksache 19/12697 verwiesen. Aavik T, Liira J (2010) Quantifying the effect of organic farming, field boundary type and landscape structure on the vegetation of field boundaries. Agriculture , Ecosystems & Environment 135(3): 178–186. 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Projected impacts of climate change andland-use change on the global diversity of birds. PLOS Biology 5, 1211–1219. Kleijn D, Kohler F, Baldi A et al. (2009) On the relationship between farmland biodiversity and land-use intensity in Europe. Proceedings of the Royal Society B-biological Sciences 276: 903–909. Kolbe H, Karalus W, Schuster M, Hänsel M, Schaerff A, Pölitz B (2012) Kartoffeln im Ökolandbau. Hrsg. Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie 58 S. Krauss J, Bommarco R, Guardiola M et al. (2010) Habitat fragmentation causes immediate and time-delayed biodiversity loss at different trophic levels. Ecology Letters 13: 597–605. Landesortenversuche 2018: Ergebnisheft Landwirtschaftskammer Niedersachsen Ackerbohne und Futtererbse, Zusammenstellung: Riekmann K, Riekmann G; Öko-Ackerbohnen und Öko-Futtererbsen Zusammenstellung: Mücke M, Rohlfing F, Daten aus 2016–2018 Drucksache 19/14539 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. 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