Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lisa Paus, Dr. Manuela Rottmann, Dr. Danyal Bayaz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/13886 – Steuerrechtliche Behandlung von gemeinnützigen Organisationen und Berufs- und Wirtschaftsverbänden V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Debatte um eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts ist nach Ansicht der Fragesteller durch das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 10. Januar 2019 (V R 60/17) dringender denn je. Durch das BFH-Urteil ist Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Einflussnahme gemeinnütziger Organisationen auf die politische Willensbildung entstanden. Eine politische Einflussnahme gemeinnütziger Organisationen auf (tages-)politische Entscheidungen ist jedoch längst Verfassungspraxis in Deutschland, etwa wenn der Deutsche Bundestag solche Organisationen selbst als Sachverständige anhört oder wenn diese an Bündnissen zur Unterstützung von Volksbegehren und Volksentscheiden in den Bundesländern teilnehmen. Neben der Frage des Spielraums für zivilgesellschaftliche Organisationen hinsichtlich ihres Einflusses auf die politische Willensbildung, stellen sich nach Ansicht der Fragesteller für die Finanzierung von Interessenvertretungen weitere Herausforderungen für eine plurale Demokratie, die eine Repräsentation und einen Ausgleich verschiedener Interessen anstrebt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, NJW 1992, 2545 ff.) hat aus dem Gebot der Chancengleichheit der Parteien auch den Grundsatz abgeleitet, dass das Steuerrecht nicht zu einer ungleichgewichtigen finanziellen Förderung bestimmter politischer Parteien, etwa durch vermögende Anhänger, beitragen darf. Hieraus schlussfolgern die Fragesteller, da sowohl Berufs- und Wirtschaftsverbände als auch gemeinnützige Organisationen steuerlich begünstigt sind, dass sich Beschränkungen der politischen Einflussnahme bei gemeinnützigen Organisationen sowie bei Berufs- und Wirtschaftsverbänden gleichermaßen niederschlagen müssten, um dem Gebot der Chancengleichheit Rechnung zu tragen. Deutscher Bundestag Drucksache 19/14580 19. Wahlperiode 29.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Bundesfinanzhof hat mit seiner Entscheidung vom 10. Januar 2019 (V R 60/17) zum politischen Engagement gemeinnütziger Organisationen auch festgestellt, dass gemeinnützige Organisationen politisch aktiv sein dürfen. Das politische Engagement darf jedoch nicht der alleinige oder weitaus überwiegende Zweck der Betätigung sein. Die anlässlich dieser Entscheidung des obersten Gerichts in Steuersachen begonnene Diskussion über das zivilgesellschaftlichpolitische Engagement ist Anlass für die Bundesregierung, die in diesem Wirkzusammenhang erforderlichen Reformbedarfe im fachlichen Austausch mit den Steuerverwaltungen der Länder und den Nichtregierungsorganisationen zu prüfen.  1. Welche finanziellen, insbesondere steuerlichen, Vorteile bestehen für Organisationen , welche als gemeinnützig gemäß § 51 ff. der Abgabenordnung (AO) anerkannt sind, im Vergleich zu Organisationen, welche nicht als gemeinnützig anerkannt sind, in der Verwaltungspraxis? Die mit dem Status der Gemeinnützigkeit gesetzlich verbundene Gemeinwohlorientierung ist für den Gesetzgeber Anlass und Motivation von steuerlicher Begünstigung. Art und Umfang der steuerlichen Begünstigung sind abhängig vom jeweiligen Einzelfall. Die Entscheidungen für Einzelfälle obliegt nach der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland den Steuerverwaltungen der Länder, so dass der Bundesregierung darüber keine Informationen vorliegen.  2. Welche finanziellen, insbesondere steuerlichen, Vorteile bestehen für Berufs- und Wirtschaftsverbände, die als solche gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) anerkannt sind, im Vergleich zu Organisationen, die weder als Berufsverband noch als gemeinnützig anerkannt sind in der exekutiven Praxis? In welchem Umfang einem Berufsverband aus der Steuerbefreiung des § 5 Absatz 1 Nummer 5 KStG Vorteile erwachsen, ist abhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalls. Nach der Finanzverfassung sind für die Besteuerung der Einzelfälle die obersten Finanzbehörden der Länder zuständig. Daher liegen der Bundesregierung über den Umfang der Wirkungen der Steuerbefreiung im Einzelfall keine Erkenntnisse vor.  3. In welchem Umfang wird gemeinnützigen Organisationen in der Praxis der Finanzverwaltung zugestanden, politische Parteien finanziell zu fördern oder zu unterstützen, ohne dass es zu einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit kommt? Gesetzlich ist es gemeinnützigen Organisationen in § 55 Absatz 1 Nummer 1 Satz 3 AO untersagt, politische Parteien unmittelbar oder auch nur mittelbar zu unterstützen. Drucksache 19/14580 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  4. In welchem Umfang wird Berufs- und Wirtschaftsverbänden in der Praxis der Finanzverwaltung zugestanden, politische Parteien finanziell zu fördern oder zu unterstützen, ohne dass es zu einer Versagung der Steuerbefreiung nach dem KStG kommt? a) Wie begründet die Bundesregierung diesen möglichen Umfang finanzieller Förderung oder Unterstützung politischer Parteien? b) Falls der Umfang sich im Vergleich zu gemeinnützigen Organisationen unterscheidet, wie begründet die Bundesregierung diesen Unterschied ? Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 28. September 1993 (Bundestagsdrucksache 12/5774 Seite 20) zu § 5 Absatz 1 Nummer 5 Satz 2 Buchstabe b KStG verlieren Berufsverbände ihre Steuerbefreiung, wenn sie mehr als 10 Prozent ihrer Einnahmen für die unmittelbare oder mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwenden, weil es mit dem Zweck eines Berufsverbandes nicht vereinbar ist, wenn er seine Mittel in erheblichem Umfang an politische Parteien weiterleitet. Daneben unterliegen die Mittel, die der Berufsverband zur unmittelbaren oder mittelbaren Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwendet, nach § 5 Absatz 1 Nummer 5 Satz 4 KStG stets einem Körperschaftsteuersatz von 50 Prozent. Nach der Gesetzesbegründung werde dadurch unter Beachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 1992 (BVerfGE 85, 264 ff.) sichergestellt, dass die für Mitgliedsbeiträge von Berufsverbänden im Rahmen des Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzugs beim Mitglied eingetretene Steuerentlastung auf der Ebene des Berufsverbands ausgeglichen werde, wenn er Zuwendungen an politische Parteien leiste.  5. Gibt es in der Praxis der Finanzverwaltung eine Begrenzung der politischen Betätigung von gemeinnützigen Organisationen (ohne Einsatz finanzieller Mittel), ohne dass es zu einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit kommt? Der Bundesfinanzhof hat mit seiner Entscheidung vom 10. Januar 2019 (V R 60/17) zum politischen Engagement gemeinnütziger Organisationen die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt, dass gemeinnützige Organisationen auch politisch aktiv sein dürfen. Das politische Engagement darf jedoch nicht der alleinige oder weitaus überwiegende Zweck der Betätigung sein.  6. Gibt es in der Praxis der Finanzverwaltung eine Begrenzung der politischen Betätigung von Berufs- und Wirtschaftsverbänden (ohne Einsatz finanzieller Mittel), ohne dass es zu einer Versagung der Steuerbefreiung nach dem KStG kommt? a) Wie begründet die Bundesregierung eine mögliche (Nicht-)Begrenzung politischer Betätigung? b) Falls die Begrenzung sich im Vergleich zu gemeinnützigen Organisationen unterscheidet, wie begründet die Bundesregierung diesen Unterschied ? Nach der Finanzverfassung sind für die Besteuerung der Einzelfälle die obersten Finanzbehörden der Länder zuständig. Daher liegen der Bundesregierung über den Umfang der Wirkungen der Steuerbefreiung im Einzelfall keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14580 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  7. Wie viele gemeinnützige Organisationen waren gemäß § 51 ff. AO in Deutschland in den Jahren 2014 bis 2018 nach Kenntnis der Bundesregierung steuerlich anerkannt (bitte nach Jahren und ihrem gemeinnützigen Zweck gemäß § 52 Absatz 2 AO aufgeschlüsseln)? Nach der Finanzverfassung ist die Steuerverwaltung eine Angelegenheit der Länder. Dazu gehört auch die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Der Bund führt kein zentrales Register für gemeinnützige Organisationen. Die Informationen werden auch nicht zentral erhoben.  8. Wie viel Prozent aller gestellten Anträge von Organisationen auf Anerkennung als gemeinnützig nach § 51 ff. AO wurden seit 2014 von den zuständigen Finanzbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung abgelehnt (bitte nach Jahren aufgeschlüsseln)? Für welche Gemeinnützigkeitszwecke nach § 52 Absatz 2 AO wurden diese Anträge am häufigsten abgelehnt (bitte insgesamt als auch pro Jahr aufführen)?  9. Wie viele Berufs- und Wirtschaftsverbände waren gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 5 KStG in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 bis 2018 steuerlich anerkannt? Die Fragen 8 und 9 werden zusammen beantwortet. Nach der Finanzverfassung ist die Steuerverwaltung eine Angelegenheit der Länder. Dazu gehört auch die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Gemeinnützigkeit . Informationen über anerkannte oder nichtanerkannte Organisationen kann der Bund schon mangels gesetzlicher Erlaubnis weder zentral erheben noch verwalten. 10. Wie hoch waren die Steuermindereinnahmen in den Jahren 2014 bis 2018 insgesamt in Deutschland durch die Anerkennung von gemeinnützigen Organisationen nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Jahren aufgeschlüsseln und wodurch die Steuermindereinnahmen entstanden sind – Steuerart und ob durch Steuerbefreiung bei der gemeinnützigen Organisation oder durch Spendenabzug bei den Mittelgeberinnen und Mittelgebern – in Euro angeben)? 11. Wie hoch waren die Steuermindereinnahmen in den Jahren 2014 bis 2018 insgesamt in Deutschland durch die Anerkennung von Berufs- und Wirtschaftsverbänden nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Jahren aufgeschlüsseln und wodurch die Steuermindereinnahmen entstanden sind – Steuerart und ob durch Steuerbefreiung beim Berufsverband oder durch Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug bei den Mittelgeberinnen und Mittelgebern – in Euro angeben)? Die Fragen 10 und 11 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen dazu keine Daten vor. 12. Wie hoch war die finanzielle Unterstützung oder Förderung politischer Parteien von gemeinnützigen Organisationen in den Jahren 2014 bis 2018 insgesamt in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte in Euro angeben)? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Drucksache 19/14580 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 13. Wie hoch war die finanzielle Unterstützung oder Förderung politischer Parteien von Berufs- und Wirtschaftsverbänden in den Jahren 2014 bis 2018 insgesamt in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte in Euro angeben)? Der Bundesregierung liegen dazu keine Daten vor. 14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen des BFH-Urteils vom 10. Januar 2019 auf das Gebot der Chancengleichheit im Hinblick auf die politischen Einflussmöglichkeiten von Berufs- und Wirtschaftsverbänden im Gegensatz zu gemeinnützigen Organisationen? Die Auswirkungen des BFH-Urteils vom 10. Januar 2019 (V R 60/17) zum politischen Engagement gemeinnütziger Organisationen und potentielle Regelungsbedarfe werden derzeit auf der Fachebene zwischen dem Bund und den Steuerverwaltungen der Länder erörtert. 15. Hält die Bundesregierung eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts für notwendig, um dem Gebot der Chancengleichheit gerecht zu werden und um Rechtssicherheit für gemeinnützige Organisationen zu schaffen, die durch die aktuelle Rechtsprechung die Aberkennung der Gemeinnützigkeit fürchten? Das Bundesministerium der Finanzen beabsichtigt, einen Gesetzentwurf zur Änderung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts vorzulegen, der den Beteiligten Rechtssicherheit garantiert. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14580 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.