Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Föst, Katja Suding, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/13892 – Maßnahmen von Jobcentern gegenüber Alleinerziehenden V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Situation von Alleinerziehenden auf dem Arbeitsmarkt ist durch die Doppelbelastung von Kinderbetreuung und unflexiblen Arbeitszeiten nicht einfach . Daher ist es eine besondere Herausforderung, in einer solchen Situation eine neue Arbeitsstelle zu finden. Hier ist es Aufgabe der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter, den Alleinerziehenden unterstützend zur Seite zu stehen und auf die besondere Situation dieser Personengruppe einzugehen. Viele Jobcenter bieten daher auch spezielle Angebote für Alleinerziehende an, um sie auf ihrem Weg zurück in den ersten Arbeitsmarkt zu unterstützen. In manchen Jobcentern erfolgt bei einer drohenden oder verhängten Sanktion eine automatisierte Meldung an das zuständige Jugendamt zur Überprüfung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Dies verunsichert manche Kundinnen und Kunden, was zu Anfragen an die Mitglieder des Deutschen Bundestages oder einem Aufgreifen bestimmter Einzelfälle durch die Medien führt. Beispielsweise hat das Jobcenter in Potsdam mit der Landeshauptstadt Potsdam eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, welche vermerkt, dass bei einer Sanktionierung eine Meldung an das örtliche Jugendamt vorgenommen werden soll, wenn die Mitarbeiter des Jobcenters von einer sozialen Notlage ausgehen (www.potsdam.de/sites/default/files/documents/rahmenkonzept_kinder schutz_150216.pdf, vgl. S. 75). Aus Medienberichten zu Einzelfällen ist bekannt, dass dieses Vorgehen nicht nur im Jobcenter der Landeshauptstadt Potsdam angewandt wird. In den Schreiben einiger Jobcenter findet sich ein entsprechender Vermerk, welcher besagt, dass bei einer Sanktionierung das Jugendamt informiert wird, um eine möglicherweise drohende Kindeswohlgefährdung zu überprüfen. Eine rechtzeitige Information und Einschaltung des Jugendamtes ist zwar in bestimmten Fällen durchaus sinnvoll, um präventiv einzugreifen. Es ist jedoch unklar, wieso ein solches Vorgehen bereits nach der ersten Sanktion pauschal bei allen Alleinerziehenden erfolgen sollte. Vor allem dann, wenn es sich beispielsweise um eine Sanktion aufgrund eines Meldeversäumnisses handelt. Deutscher Bundestag Drucksache 19/14586 19. Wahlperiode 29.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 25. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  1. Wie viele Jobcenter haben nach Kenntnis der Bundesregierung eine Kooperationsvereinbarung mit der Kommune oder dem örtlichen Jugendamt geschlossen, die dazu führt, dass nach einer Sanktion das Jugendamt informiert wird (bitte bei allen Jobcentern abfragen und nach einzelnen Jobcentern und Jahr des Abschlusses der Vereinbarung aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Bundesweit erfolgt keine systematische Erfassung zu Kooperationsvereinbarungen der Jobcenter mit Kommunen oder dem örtlichen Jugendamt im Sinne der Fragestellung.  2. Wie viele Meldungen eines Jobcenters an ein Jugendamt zur Überprüfung einer möglichen Kindeswohlgefährdung sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren erfolgt (bitte nach einzelnen Jobcentern , bzw. falls nicht möglich nach Bundesländern und Jahren aufschlüsseln )? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.  3. Wie beurteilt die Bundesregierung das in der Einleitung beschriebene Vorgehen, dass nach einer Sanktion eine Meldung an das Jugendamt erfolgt ? Die der Kleinen Anfrage zugrundeliegende Kooperationsvereinbarung sieht keine pauschale und automatische Meldung an das Jugendamt vor. Vielmehr erfolgt hiernach eine Abwägung im Einzelfall. Eine Gefährdung des Kindeswohls wird angenommen, wenn „gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Schädigung für das Kind die Folge ist“. Beispielhaft werden eine erhebliche Vernachlässigung, eine Misshandlung und ein Missbrauch aufgeführt (Seite 2 der Vereinbarung, Hervorhebungen im Original). Es handelt sich demnach gerade nicht um eine pauschale und automatische Meldung, sondern um eine Einzelfallentscheidung, der konkrete Verdachtsmomente zugrunde liegen müssen. Die Bundesregierung begrüßt und unterstützt verantwortungsvolles und einzelfallbezo-genes Handeln der Jobcenter.  4. Auf welche Rechtsgrundlage stützen die Jobcenter ihr Vorgehen nach Kenntnis der Bundesregierung? Grundlage für die in der Kleinen Anfrage genannte Kooperationsvereinbarung ist § 18 Zweites Buch Sozialgesetzbuch i. V. m. § 81 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII).  5. Besitzt die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob eine Meldung hinsichtlich einer möglichen Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt automatisiert erfolgt, oder ob dies im Einzelfall in den Jobcentern entschieden wird? Für die Jobcenter in Trägerform der gemeinsamen Einrichtung ist in den Fachverfahren der Bundesagentur für Arbeit keine automatische Meldung vorgesehen . Hierüber wird im Einzelfall vor Ort in den Jobcentern entschieden. Für die zugelassenen kommunalen Träger liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse hierzu vor. Drucksache 19/14586 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  6. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Vorgaben bzw. Bestimmungen die Bundesagentur für Arbeit für solche Fälle, in denen es auf eine besondere Sensibilität aller Akteure ankommt, insbesondere in Bezug auf die Kommunikation des Vorgehens an die Betroffenen, an die jeweiligen Jobcenter herausgibt? a) Falls ja, wie lauten diese? b) Falls nein, sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, um mögliche Bestimmungen festzustellen und/oder zu überprüfen? Die Bundesregierung sieht keine Anhaltspunkte für einen etwaigen Handlungsbedarf .  7. Hält die Bundesregierung ein solches Vorgehen im Allgemeinen für sinnvoll , um Alleinerziehende wieder in Beschäftigung zu bringen? a) Falls ja, warum (bitte begründen)? b) Falls nein, welche Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundesregierung sinnvoller und erfolgversprechender? Das einzelfallbezogene Handeln der Jobcenter soll dazu beitragen, eine mögliche Kindeswohlgefährdung zu vermeiden. Die allgemeinen Bemühungen der Jobcenter um eine Beschäftigungsaufnahme und Unterstützungen bei der Beendigung der Hilfebe-dürftigkeit bleiben davon unberührt.  8. Kennt die Bundesregierung die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2017, wonach Einkommensarmut zwar einen Belastungsfaktor im Leben von Kindern darstellt, „[i]hm beim Verständnis der Entstehung von Kindeswohlgefährdung jedoch nur eine eher geringe Rolle zukommt, da für sich genommen die negativen Effekte eines Aufwachsens in Einkommensarmut im Mittel weit unterhalb der Schwelle zur Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) liegen.“ (Quelle: www.bundes tag.de/resource/blob/514128/b094654376dfbd28b5fb8e0ed6b02886/ WD-6-027-17-pdf-data.pdf,S. 10)? Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dieser Einschätzung? Wie ist vor diesem Hintergrund das oben beschriebene Vorgehen einiger Jobcenter in Bezug auf eine eventuelle Kindeswohlgefährdung zu beurteilen ? Ein Bezug von Arbeitslosengeld II führt nicht früher oder später zu einer Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 8a SGB VIII oder des § 1666 BGB. Der Bezug von Arbeitslosengeld II stellt keinen Indikator für eine Kindeswohlgefährdung dar – aber Armutslagen können das Risiko einer Kindeswohlgefährdung erhöhen. So hat unter anderem die Sachverständigenkommission des 14. Kinder- und Jugendberichts auf der Grundlage von vorliegenden Untersuchungen herausgearbeitet , dass Armut und die damit verbundenen prekären Lebenslagen Risiken für die Erziehung beinhalten (vgl. Bundestagsdrucksache 17/12200). Die in der Anfrage herangezogene Studie des Wissenschaftlichen Dienstes weist auch darauf hin, dass es eine statistische nachweisbare Korrelation zwischen einem Bezug von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld und der Höhe der Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung gibt. Dieser Zusammenhang ist besonders stark bei familienersetzenden Hilfen zur Erziehung wie Vollzeitpflege und Heimerziehung. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14586 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Bezüglich des Vorgehens in den Jobcentern wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 7 verwiesen.  9. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen eine Meldung des Jobcenters an ein Jugendamt zur Inobhutnahme des Kindes geführt haben? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Für eine Inobhutnahme müssen die von den Jugendämtern zu prüfenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. 10. Sieht die Bundesregierung in Bezug auf Einkommensarmut und Kindeswohlgefährdung einen Aufklärungsbedarf bei Jobcentern? a) Falls ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in welchem Zeithorizont? b) Falls nein, warum nicht (bitte begründen)? Die Bundesregierung sieht keine Anhaltspunkte für einen etwaigen Aufklärungsbedarf in den Jobcentern. Eine verantwortungsvolle und einzelfallbezogene Herangehensweise der Jobcenter ist als angemessen anzusehen. 11. Wie viele Sanktionen haben die Jobcenter in den letzten zehn Jahren gegen Alleinerziehende verhängt (bitte nach einzelnen Jahren und den Gründen für die Sanktionen aufgeschlüsseln)? Im Jahr 2018 wurden von Jobcentern 91.000 Sanktionen gegenüber alleinerziehenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ausgesprochen. Die Angaben für die letzten zehn Jahre differenziert nach den Sanktionsgründen können der anliegenden Tabelle entnommen werden. Drucksache 19/14586 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14586 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.