Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Martina Renner, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/14020 – Forschungsprojekt zur Nutzung von OSINT bei der Polizei V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Unter dem Namen SENTINEL haben die Polizeidirektion Osnabrück sowie die Polizeipräsidien Dortmund und München eine neue Software zur „Einsatzbewältigung “ getestet (www.dhpol.de/departements/departement_II/FG_II.1/ projekt-sentinel.php). Die Beteiligten haben untersucht, wie Open Source Intelligence (OSINT) in die tägliche Arbeit integriert werden kann. Bei einer Ermittlung sucht die Anwendung in Sozialen Medien nach dem Aufenthaltsort und aktuellen Fotos der Zielperson. Vor dem polizeilichen Zugriff können auch Informationen über den Zugang zu Gebäuden oder Baumaßnahmen abgefragt werden. Die Software soll über eine Internetsuche außerdem mögliche Fluchtwege der Gesuchten darstellen. Schließlich soll die Abfrage sozialer Medien weitere „Hinweise zu bestimmten Milieus ergeben“. Genannt werden „Kampfhundehalter“, „Sportschütze“ oder „Boxer“. Das Forschungsprojekt dauerte 18 Monate und stand unter der Leitung der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Beteiligt waren die Polizeidirektion Osnabrück sowie die Polizeipräsidien Dortmund und München. Die Kosten von 84.600 Euro hat die Hamburger Stüllenberg Stiftung getragen. Inzwischen haben die Beteiligten ihre Ergebnisse auf einer Abschlusskonferenz vorgetragen.  1. Welche Polizeibehörden welcher Bundesländer nahmen nach Kenntnis der Bundesregierung an dem Projekt SENTINEL teil, und welche Beiträge haben diese erbracht?  2. Welche weiteren Einrichtungen oder Institutionen haben nach Kenntnis der Bundesregierung (auch beratend) an SENTINEL teilgenommen?  3. Welche Kosten entstanden für das Projekt, und wie wurden diese getragen ?  4. Welche Anwendungen zur „Einsatzbewältigung“ wurden nach Kenntnis der Bundesregierung getestet, und wer hat diese entwickelt? Deutscher Bundestag Drucksache 19/14651 19. Wahlperiode 31.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 30. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  5. In welchen Sozialen Medien suchte nach Kenntnis der Bundesregierung die Anwendung nach Informationen?  6. Welche Informationen erhoffen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Behörden durch eine solche Recherche, und wonach wurde konkret gesucht (etwa dem Aufenthaltsort und aktuellen Fotos der Zielperson, den Zugang zu Gebäuden, Baumaßnahmen¸ Fluchtwegen der Gesuchten )?  7. Welche polizeilichen Datenbanken wurden in SENTINEL genutzt bzw. mit welchen Registern könnten dort erfolgte Abfragen kombiniert werden ?  8. Wurden die OSINT-Daten in SENTINEL auch mit der Datei „Personengebundene Hinweise“ (PHW) kombiniert, und falls ja, welche Erläuterungen kann die Bundesregierung hierzu machen? Die Fragen 1 bis 8 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Seitens der Gefahrenabwehrbehörden, der Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienste des Bundes erfolgte keine Teilnahme am Forschungsprojekt „SENTINEL“ der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Zu Fragestellungen, die den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer betreffen, nimmt die Bundesregierung keine Stellung.  9. Wie viele Personen sind derzeit mit PHWen sowie „ermittlungsunterstützenden Hinweisen“ (EHW) beim Bundeskriminalamt gespeichert (bitte für die einzelnen Kategorien ausweisen)? Die Beantwortung dieser Frage kann nicht offen erfolgen, da durch eine Veröffentlichung der erbetenen Auskünfte Rückschlüsse zu Verfahrens- und Vorgehensweisen des Bundeskriminalamtes bei seiner Aufgabenwahrnehmung in den Bereichen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gezogen werden könnten, was sich nachteilig auf die Aufgabenerfüllung des Bundeskriminalamtes und damit auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland auswirken könnte. Deshalb ist die Antwort zu Frage 9 gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (VS- Anweisung – VSA) als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und wird als nicht zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmte Anlage übermittelt.* 10. Welche Folgeprojekte von SENTINEL sind anvisiert, welche Anträge wurden bereits gestellt, und wer sind die vorgesehenen Beteiligten? 11. Welche wesentlichen Ergebnisse wurden in SENTINEL erzielt? a) Wie wird die Anwendung im Abschlussbericht bewertet? b) Ist es in SENTINEL gelungen, vor einem Polizeieinsatz „Hinweise zu bestimmten Milieus“ zu erhalten? c) Welche „Milieus“ wurden dadurch erkannt? * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS –Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft . Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 19/14651 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 12. Welche Empfehlungen geben die Projektbeteiligten nach Kenntnis der Bundesregierung zum Einsatz von OSINT in der täglichen Polizeiarbeit? Die Fragen 10 bis 12 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 8 verwiesen. 13. Dürfen Systeme wie SENTINEL nach derzeitigem Stand in Umgebungen betrieben werden, die mit dem Internet verbunden sind? Der Bundesregierung ist das im Forschungsprojekt „SENTINEL“ betrachtete System nicht im Detail bekannt, sodass zu der Frage keine Stellung genommen werden kann. 14. Welche Software nutzen Polizeibehörden des Bundes, um in strafrechtlichen Ermittlungen oder auch zur Gefahrenabwehr Personen mithilfe der Geotagging-Funktion über Soziale Medien zu orten? Die Beantwortung dieser Frage kann nicht offen erfolgen, weil sie Informationen enthält, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik der von der Frage betroffenen Polizeibehörden des Bundes und insbesondere deren Ermittlungsmethoden stehen. Die Antwort beinhalt zum Teil detaillierte Einzelheiten zu technischen Fähigkeiten und ermittlungstaktischen Verfahrensweisen. Aus ihrem Bekanntwerden könnten Rückschlüsse auf die Vorgehensweise, Fähigkeiten und Methoden der betroffenen Polizeibehörden des Bundes gezogen werden, was nachteilig für deren Aufgabenerfüllung und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland sein kann. Deshalb ist die Antwort zu Frage 14 gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und wird als nicht zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmte Anlage übermittelt .* 15. Über welche technischen Mittel wie Personenschutzsender, miniaturisierte Mikrophone oder Kameras sowie entsprechend ausgestattete Mobiltelefone verfügen verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei und des Zollkriminalamtes zur Eigensicherung bei ihren Einsätzen? Inwiefern werden auch Vertrauenspersonen, die nicht Angestellte der genannten Behörden sind, mit diesen Geräten ausgestattet (bitte auch für das Bundesamt für Verfassungsschutz beantworten)? Sofern technische Mittel wie in der Fragestellung aufgeführt auf Veranlassung der genannten Behörden eingesetzt werden, erfolgt dies grundsätzlich im Zusammenhang mit der operativen Aufgabenwahrnehmung der jeweiligen Behörde . Ein Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen/verdeckten Ermittlern sowie Vertrauenspersonen erfolgt in der Regel in hoch gewaltbereiten Gruppierungen der Organisierten Kriminalität und in extremistischen und terroristischen Milieus. Ein Bekanntwerden von Arbeitsweisen, Methoden, Fähigkeiten und eingesetzter technischer Mittel würde einerseits die Effektivität des Einsatzes und damit die Aufgabenerfüllung nachhaltig beeinträchtigen, andererseits wür- * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS –Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft . Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14651 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. den durch täterseitige Abgleiche bzw. Überprüfungen Rückschlüsse auf das Handeln von verdeckten Ermittlerinnen/verdeckten Ermittlern bzw. Vertrauenspersonen im staatlichem Auftrag ermöglicht, wodurch eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der betroffenen Personen entstünde. Der Bundesregierung ist es (auch im Rahmen einer als „Verschlusssache“ eingestuften Antwort) daher nicht möglich, Angaben zu technischen Einsatzmitteln von verdeckten Ermittlerinnen /verdeckten Ermittlern im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zu machen, da dies Rückschlüsse auf das Handeln von verdeckten Ermittlerinnen /verdeckten Ermittlern bzw. Vertrauenspersonen im staatlichem Auftrag zulassen könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Auskunftspflicht der Bundesregierung dort enden, wo die erfragte Information von solcher Bedeutung ist, dass ein auch nur geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann (vgl. BVerfGE 124, 78 [139]). Terrorismus sowie hoch gewaltbereiten Gruppierungen der Organisierten Kriminalität, die auch vor den schwerwiegendsten Kapitalverbrechen wie Mord, Totschlag und schwerem Raub nicht zurückschrecken , kann der deutsche Staat nur wirksam entgegentreten, wenn er auch verdeckte Ermittlerinnen/verdeckte Ermittler einsetzen kann. Terrorismus und Gruppierungen der Organisierten Kriminalität, deren Taten bei den betroffenen Opfern unabsehbares Leid und nur schwer ermessbare Schädigungen verursachen , sind oftmals nicht anders beizukommen als durch den Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen/verdeckten Ermittlern. Würden Einzelheiten zu deren Einsatz bzw. genutzten technischen Mitteln bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von verdeckten Ermittlerinnen/verdeckten Ermittlern und die Arbeitsweise der Polizeien gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Polizeien bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Auch sind die erheblichen persönlichen Risiken zu beachten, die sich daraus ergeben , dass sich verdeckte Ermittlerinnen/verdeckte Ermittler in verbrecherischen und terroristischen Umfeldern bewegen, deren Angehörige sich durch einen hohen Grad an Staatsferne, Kriminalisierung sowie Aggressions- und Gewaltpotenzial auszeichnen. Die verdeckte Arbeitsweise ist daher notwendig durch ein hohes Maß an Vertraulichkeit und Geheimhaltung geprägt. Rückschlüsse auf die Umstände solcher Einsätze, insbesondere auf die wahre Identität dieser Personen bis hin zu einer Enttarnung würden diese einschließlich ihrer Angehörigen einer unmittelbaren und konkreten Gefährdung für Leib, Leben und Freiheit durch das Umfeld , in dem sie sich bewegen oder bewegten, aussetzen. Aus diesen Gründen überwiegen hier ausnahmsweise Gesichtspunkte des Staatswohls sowie des Schutzes der Grundrechte Dritter gegenüber dem parlamentarischen Kontrollrecht . 16. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, nach Vorbild der Niederlande „Real-Time Intelligence Centres“ einzurichten, und welche Überlegungen oder Planungen existieren hierzu? Seitens der Bundesregierung bestehen derzeit keine Planungen im Sinne der Fragestellung. Drucksache 19/14651 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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