Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Neumann, Daniel Föst, Frank Sitta, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/13703 – Sicherer Tiefbau in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sind die Beschleunigung des Netzausbaus sowie die Digitalisierung bis zur Haustür vorgesehen ( w w w . b u n d e s r e g i e r u n g . d e / r e s o u r c e / b l o b / 9 7 5 2 2 6 / 847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertragdata .pdf?download=1). Verlegt werden hierbei u. a. Versorgungsleitungen im Wechselstrombereich als Erdkabel. Bei den anfallenden Tiefbauarbeiten werden zahlreiche Versorgungsnetze (Gas, Strom, Wasser/Abwasser, Fernwärme, Kommunikation) sowie Spezialnetze (Chemie, Nato) durchquert. Hierbei handelt es sich nicht nur um innerstädtische Hausanschlüsse, sondern auch um quer durch Deutschland verlaufende Transportleitungen großer Querschnitte. Da verlegte Leitungen einer Vielzahl von Betreibern gehören und die Dokumentation des Bestandes weder einheitlich geregelt ist, noch zentral zusammenläuft , sind konkrete Verläufe erdverlegter Versorgungsnetze Dritten oft nur bedingt bekannt. Diese Dokumentationsdefizite führen bei Tiefbauarbeiten zu Herausforderungen und resultieren in teils erheblichem Mehraufwänden. Die deutschen Versorgungsnetzbetreiber stellen vermehrt fest, dass Bauarbeiten oftmals direkt an und in der Nähe dieser Infrastrukturen durch Firmen aus dem EU-Raum durchgeführt werden, deren Mitarbeiter für diese sensiblen Aufgaben nicht hinreichend qualifiziert sind (aber sicher!, Magazin des Verbands Sicherer Tiefbau e. V. und des Sicherheitspartnerschaft Tiefbau e. V., Ausgabe 76/2019, S. 5, www.profi-partner-club.de/downloads/Web_abersi cher-76.pdf). Angesichts des Umfangs der im Fokus stehenden Versorgungsleitungen erscheint es nach Ansicht der Fragesteller sinnvoll, verbindliche Präventionsmaßnahmen in die Konzepte zum Netz- bzw. Leitungsausbau aufzunehmen und hierdurch verbindliche Standards für Verlegearbeiten in der Nähe dieser sensiblen und teilweise auch kritischen Versorgungsinfrastrukturen zu setzen. Zwar existieren Regelwerke für Arbeiten an Versorgungsnetzen (z. B. Erkundigungspflicht nach DVGW-Hinweis GW 315), und es ist bei Ausschreibungen gefordert, dass der Auftraggeber die entsprechende Qualifizierung der Mitarbeiter überprüft. Die Realität sieht jedoch nach Auffassung der Fragesteller anders aus, sodass es in der Folge zu Schäden oder gar Unfällen kommt. Diese stellen leicht vermeidbare Gefahren für das eingesetzte Personal, aber auch für – teilweise kritische – Infrastrukturnetze dar. Deutscher Bundestag Drucksache 19/14654 19. Wahlperiode 31.10.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 29. Oktober 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Die in Deutschland erdverlegten Versorgungsnetze haben Aussagen der Fachverbände zufolge einen geschätzten Vermögenswert von 500 Mrd. Euro (Verband Sicherer Tiefbau, 2018). Durch Modernisierungsarbeiten generell und durch Ausbaubedarfe, resultierend aus der Energiewende im Besonderen, werden eine Erweiterung dieser Netze und die zunehmende Hochwertigkeit ihrer Komponenten beobachtet. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Bundesseitig gibt es keine verbindlichen Vorgaben für ein zentrales Informationssystem über unterirdische Ver- und Entsorgungsleitungen sowie zur Dokumentation von Schadensfällen. Die Pflicht zur Vermeidung von Kollisionen mit den Netzen liegt in kommunaler Verantwortung. Das Katasterwesen über das u. a. auch solche Kollisionen vermieden werden sollen, liegt in der Zuständigkeit der Länder. Das in Frage 9 erwähnte „Bundesweite Informationssystem Leistungsanfrage“ (BIL) basiert auf freiwilligen Angaben von Leitungsbetreibern. Auch hierin sind nicht alle Leitungsbetreiber vertreten, so dass eine Abfrage dieses Systems lediglich ein unvollständiges Abbild der unterirdischen Situation wiedergeben dürfte. Ein Informationssystem entbindet im Übrigen die Baufirmen nicht von der Erkundigungs- und Sicherungspflicht sowie fachgerechten Erkundungsmaßnahmen (wie sie z. B. durch den Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. – DVGW – vorgegeben sind, siehe Vorbemerkung der Fragesteller).  1. Welche Informationen liegen der Bundesregierung vor a) über die Zahl der jährlich bundesweit ausgeführten Tiefbauarbeiten im Bereich von Versorgungsleitungsinfrastruktur, b) über die Zahl der im Rahmen der Tiefbauarbeiten aufgetretenen Zwischenfälle an Leitungsinfrastrukturen sowie c) über die Zahl aufgetretener Zwischenfälle mit Personenschaden, und welche sind nach Ihrer Kenntnis die Hauptursachen für aufgetretene Schäden oder Unfälle? Die Pflicht zur Vermeidung von Kollisionen mit den Netzen liegt in kommunaler Verantwortung. Das Katasterwesen, über das u. a. auch solche Kollisionen vermieden werden sollen, liegt in der Zuständigkeit der Länder. Statistiken zu Störfällen in Versorgungsnetzen aufgrund von Tiefbauarbeiten werden von den Verbänden der Versorgungs- und Tiefbaubranche sowie der Versicherungsbranche geführt, dem Bund liegen hierzu keine Zahlen vor. Laut der Bundesregierung vorliegenden Auszügen aus der Schadens- und Unfallstatistik des DVGW steigen zwar mit zunehmendem Breitbandausfall auch die Anzahl von Konfliktfällen im Tiefbau, die ohnehin nur einstellige Anzahl meldepflichtiger Ereignisse im Gas- und Wasserbereich geht aber seit 2015 stetig zurück. In der folgenden Aufstellung sind Unfälle in Mitgliedsunternehmen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) im Zeitraum 2010 bis 2019 dargestellt , die aufgrund der Unfallschwere oder besonderer Unfallursachen von Aufsichtspersonen der BG BAU untersucht wurden. Im Sinne der Anfrage wurden ausschließlich die Unfälle berücksichtigt, die sich im Zusammenhang mit besonderen Gefährdungen durch erdverlegte Leitungen (Strom, Wasser, Ab- Drucksache 19/14654 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode wasser, Telekommunikation, Gas) ereigneten. Andere tiefbautypische Unfälle sind nicht berücksichtigt. Jahr Anzahl der Unfälle Davon: Tödliche Unfälle Unfallursache 2010 2 Stromführendes Erdkabel getroffen 2011 1 Stromführendes Erdkabel getroffen 2012 2 Stromführendes Erdkabel getroffen 2013 1 Stromführendes Erdkabel getroffen 2014 1 Gasverpuffung 2015 – – – 2016 1 Stromführendes Erdkabel getroffen 2017 4 1 Gasverpuffung 2018 2 Gasverpuffung 2019 1 Wasserleitungsrohr Summe: 15 1  2. Wie viele meldepflichtige erhebliche IT-Sicherheitsvorfälle resultierten aus diesen Zwischenfällen? Für den Bereich der Betreiber kritischer Infrastrukturen gemäß IT-Sicherheitsgesetz liegen dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik drei Meldungen zu meldepflichtigen erheblichen IT-Sicherheitsvorfällen vor, die auf bei Tiefbauarbeiten beschädigte erdverlegte Versorgungsleitungen zurückzuführen sind.  3. Welche präventiven Ansätze sieht die Bundesregierung als besonders vielversprechend, um die Zahl solcher Schadens- und Unfälle künftig zu minimieren? Die Wirtschaftsverbände betreiben nicht nur ein Schadens-Monitoring, sondern Verbände, wie der DVGW, der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft , der Verband sicherer Tiefbau, der Rohrleitungsverband und die Deutsche Kommission Elektrotechnik sowie der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e. V. (VDE) haben Verlegestandards und Schulungsmaßnahmen im Angebot, um Sach- und Personenschäden beim Tiefbau zu reduzieren. Im Rahmen von Arbeitsschutzprämien fördert beispielsweise die BG BAU für ihre Mitgliedsunternehmen die vom DVGW bzw. vom VDE erlassenen Qualifizierungsmaßnahmen gemäß GW 129 und S 29 „Sicherheit bei Bauarbeiten im Bereich von Versorgungsleitungen – Schulungsplan für Ausführende, Aufsichtführende und Planer“*. Darüber hinaus unterstützt die BG BAU ihre Mitglieder bei der Anschaffung von Kabelortungsgeräten für erdverlegte Hoch-, Mittel- und Niederspannungskabel und metallische Rohrleitungen. Gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 3 Satz 4 des Raumordnungsgesetzes ist im Übrigen auch bauplanungsrechtlich dem Schutz kritischer Infrastrukturen Rechnung zu tragen. * Detailinformationen zur Förderung: www.bgbau.de/service/angebote/arbeitsschutzprae-mien/praemie/kabelortungsge raete/ Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14654  4. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit der Festschreibung verbindlicher Qualifizierungsstandards zur sach- und fachgerechten Ausführung von Arbeiten an und nahe von Leitungsinfrastrukturen für Mitarbeiter von Baufirmen aus dem Inland sowie dem EU-Ausland, und wie, und wann gedenkt sie, entsprechende Vorgaben verbindlich zu regeln? Die Bundesregierung unterstützt Qualifizierungsstandards, z. B. mit der Fachkräfteinitiative des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und dem Steuerkreis Bauwesen der AG Digitale Netze des BMVI. Nach Auskunft der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft existieren bereits Qualifizierungsmaßnahmen für die Unternehmen und deren Beschäftigte. Diese müssten jedoch im Sinne fester Vergabekriterien auftraggeberseitig von den zu beauftragenden Unternehmen eingefordert, also ausgeschrieben und im Rahmen der Koordinierungspflichten des Bauherrn nach Baustellenverordnung und der Bauüberwachungspflichten des Bauherrn auch überwacht werden. Für den Versorgungsleitungsbau ist folgendes Vorschriften- und Regelwerk einschlägig : Staatliches Arbeitsschutzrecht (u. a.): • Arbeitsgesetz (ArbSchG) • Baustellenverordnung (BaustellV) • Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) • Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Autonomes Recht der Unfallversicherungsträger: • DGUV Vorschrift „Bauarbeiten“ • DGUV Regel 100-500 Betreiben von Arbeitsmitteln – Kap 2.31 Arbeiten an Gasleitungen • DGUV Regel 100-500 Betreiben von Arbeitsmitteln – Kap 2.12 Erdbaumaschinen • DGUV Regel 100-500 Betreiben von Arbeitsmitteln Kap 2.8 Lastaufnahmeeinrichtungen • DGUV Informationen 201-052 Rohrleitungsbauarbeiten • DGUV Informationen 201-022 Handlungsanleitung für die Arbeit mit Geräten zur provisorischen Rohrabsperrung • DGUV Informationen 203-017 Schutzmaßnahmen bei Erdarbeiten in der Nähe erdverlegter Kabel und Rohrleitungen • Baustein-Merkheft der BG BAU „Tief- und Straßenbau“ (PDF, 4,65 MB) mit den darin enthaltenen Bausteinen: C473: Rohrleitungsbauarbeiten und C477: Gashausanschlussleitungen.  5. Wie schätzt die Bundesregierung die Einrichtung und Führung eines zentralen GIS-Systems zur Schadensprotokollierung ein? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Drucksache 19/14654 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  6. Wie wird von Seiten der Bundesbehörden die Umsetzung der gemeinsamen KRITIS-Vorgaben des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) realisiert (bitte mit Zahlen unterlegen)?  7. An welchen Stellen sieht die Bundesverwaltung Optimierungsbedarf? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Gemeinsame KRITIS-Vorgaben sind der Bundesregierung nicht bekannt, daher können zur Realisierung und Umsetzung durch die Bundesbehörden keine Aussagen getroffen noch diese mit Zahlen hinterlegt werden. Sofern mit KRITIS- Vorgaben das IT-Sicherheitsgesetz gemeint ist, wird auf Frage 2 verwiesen.  8. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Errichtung einer verpflichtenden zentralen Informationsdatenbank, wie sie etwa in den Niederlanden seit 1990 geführt wird (www.this-magazin.de/artikel/tis_Mit_Sicher heit_mehr_Profit_1377323.html), als sinnvoll an, um bauausführenden Firmen einen vollständigen Überblick über existierende bzw. verlaufende Versorgungsnetze zu ermöglichen und damit auch das Unfallrisiko bzw. Schadensrisiko zu minimieren? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.  9. Wie bewertet die Bundesregierung das „Bundesweite Informationssystem Leitungsrecherche“ (BIL), und in wie vielen Fällen haben Bundesbehörden die entsprechenden Dienstleistungen bereits in Anspruch genommen bzw. ist geplant, bundesseitig davon zu profitieren (bitte nach Jahresscheiben aufgeführt)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 10. Welche gesetzlichen Vorgaben bestehen hinsichtlich der Maßstäbe für Leitungspläne verschiedener Netze, und welche Potentiale sowie Herausforderungen sieht die Bundesverwaltung in der Vereinheitlichung dieser Maßstäbe? Sowohl der Infrastrukturatlas der Bundesnetzagentur als auch der Breitbandatlas der Bundesregierung geben hierfür einheitliche Datenlieferbedingungen vor. Grundlage der Datenlieferbedingungen des Infrastrukturatlas ist § 77a ff. des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Derzeit läuft eine Organisationsuntersuchung der Bundesregierung zur weiteren Verbesserung und Konsolidierung der bestehenden GIS-Planungstools für den Breitband- und Mobilfunkausbau. Neben der Vereinheitlichung von Datenformaten und Schnittstellen der Datenlieferanten stellt die Digitalisierung analoger Daten und die Vervollständigung fehlender Infrastrukturdaten durch Nacherfassung hierbei das Hauptproblem der Datenaufbereitung dar. Die Vorgabe eines einheitlichen Maßstabs ist bei der Einrichtung eines Informationssystems nicht relevant, da die Daten in einem Geo-Informationssystem (GIS) maßstabslos gespeichert werden. Vielmehr müssten Vorgaben zur Erfassungsgenauigkeit und zur Informationsdichten gemacht werden, um unterirdische Leitungen sachgerecht zu dokumentieren. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14654 11. Inwiefern haben nach Kenntnis der Bundesregierung Forschungsergebnisse sachkundiger Einrichtungen, z. B. des Instituts für Bauforschung e. V., Berücksichtigung bei der Standardisierung von Maßnahmen im Tiefbau gefunden? Der Bundesregierung ist keine Auswertung im Sinne der Fragestellung bekannt . 12. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zur a) Schadenssumme bei Tiefbauarbeiten im Bereich der Versorgungsnetze sowie b) Folgeschäden vor? Der Bundesregierung liegen keine Informationen zu einer bundesweiten Schadenssumme aller Versorgungsnetze vor. Drucksache 19/14654 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333