Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 28. März 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1478 19. Wahlperiode 29.03.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Reichardt, Frank Pasemann, Matthias Büttner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/1197 – Beiträge zur Pflegeversicherung von Eltern – Neubewertung des Kinder- Berücksichtigungsgesetzes im Zeichen der demographischen Krise V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundesverfassungsgericht hat in einer richtungweisenden Entscheidung vom 3. April 2001 (1 BvR 1629/94) dem Gesetzgeber aufgegeben, die so genannte Transferausbeutung von Eltern im Rahmen der Beitragsbemessung der gesetzlichen Pflegeversicherung wegen Unvereinbarkeit mit Artikel 3 in Verbindung mit Artikel 6 des Grundgesetzes zu beenden. Die Erziehungsleistung von Eltern habe im Umlageverfahren konstitutive Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Systems. Denn das Umlageverfahren sei auf die Beiträge der nachwachsenden Generation angewiesen. Alle künftigen Pflegebedürftigen zögen aus der Erziehungsleistung von Eltern gleiche Vorteile im Rahmen eines öffentlich -rechtlichen Pflichtversicherungssystems „gesamthänderisch verbundener Unterhaltsschuldner“, unabhängig von der Elterneigenschaft. Versicherten ohne Kinder erwachse im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter (generativer Beitrag), die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichtet hätten . Dieser generative Beitrag sei innerhalb des Systems auszugleichen. Und zwar durch Regelungen, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten, da die von der Kindergeneration künftig aufzubringenden Beiträge ins System gerade in der Erziehungszeit generativ ermöglicht worden seien (das Bundesverfassungsgericht spricht hier auch von einem Synallagma). Der Gesetzgeber hatte im Jahr 2005 in (vermeintlicher) Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gesetzlich versicherte Kinderlose zwischen dem 23. und dem 65. Lebensjahr mit einem Beitragszuschlag von 0,25 Prozent belegt (www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffevon -a-z/k/kinderlosenzuschlag.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1478 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Betrachtet die Bundesregierung die Wertungen des Gesetzes zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung vor dem Hintergrund der sich verschärfenden demographischen Krise und auch der bereits 2005 von Verbänden formulierten Kritik an der damaligen Neuregelung für überprüfungsbedürftig? Wenn nein, warum nicht? 2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Frage, ob gegenüber einer Beitragserhöhung zu Lasten Kinderloser ein pauschaler, nach Zahl der Kinder gestaffelter Beitragsnachlass zu Gunsten von Erziehungsleistungen erbringender Eltern besser mit dem Ziel einer demographischen Stabilisierung der Pflegeversicherung korreliert? 3. Wie beurteilt die Bundesregierung im Lichte der Wertungen des Bundesverfassungsgerichts zum generativen Beitrag von Eltern den Umstand, dass der Beitragsaufschlag zu Lasten Kinderloser im System sofort für die Finanzierung gegenwärtigen Pflegebedarfs verkonsumiert wird? 4. Erkennt die Bundesregierung in einer Verminderung des Umfangs der Leistungsgewährungen für kinderlose Versicherte in Verbindung mit einem Beitragsnachlass zu Gunsten der Eltern einen Weg, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in demographisch sensibler Weise gerecht zu werden? Wenn ja, warum? 5. Hält die Bundesregierung an den Wertungen des Gesetzgebers von 2005 fest, wonach der auszugleichende Nachteil bei den Erziehungsleistungen erbringenden Versicherten, der nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung während der Erziehungsleistung liegt, durch eine monetäre Belastung bei den kinderlosen Versicherten ausgleichbar ist? Wenn ja, warum? 6. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der vom Bundesverfassungsgericht entfalteten Figur der gesamthänderisch verbundenen Unterhaltsschuldner den bereits während des Gesetzgebungsverfahrens 2005 formulierten Einwand, dass ein Zuschlag bei den kinderlosen Versicherten nur dann ökonomisch als generativer Beitrag in die Zukunft wirken könne, wenn er unmittelbar kapitalgedeckt angespart, nicht aber für die Finanzierung laufender Pflegeaufwände verwendet wird? Aufgrund des engen Sachzusammenhangs werden die Fragen zusammen beantwortet . Mit Entscheidung vom 3. April 2001 hat das Bundesverfassungsgericht die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) für unvereinbar mit Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes erklärt, soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden wie Mitglieder ohne Kinder mit gleichem Einkommen. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2004 gesetzliche Regelungen zu schaffen, die die Betreuungs- und Erziehungsleistung bei der Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung berücksichtigen . Hierfür hat es dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Gesetzgeber müsse prüfen, „welche Wege zur Herbeiführung einer verfassungskonformen Rechtslage tragfähig und finanzierbar sind“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1478 Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere offen gelassen, ob der erforderliche Beitragsabstand zwischen Kindererziehenden und Kinderlosen durch einen Zuschlag für die einen oder eine Ermäßigung für die anderen oder durch beides erreicht wird. Mit dem Kinder-Berücksichtigungsgesetz vom 15. Dezember 2004 hat der Gesetzgeber die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt: Kinderlose Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die das 23. Lebensjahr vollendet haben , zahlen seit dem 1. Januar 2005 einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (sog. Beitragszuschlag für Kinderlose gemäß § 55 Absatz 3 SGB XI), das heißt, für sie wird der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht. Kinderlose Mitglieder, die vor dem 1. Januar 1940 geboren wurden, sind von der Zuschlagspflicht ausgenommen. Ziel des Gesetzgebers war es, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in einer sowohl für die Versicherten als auch für die Pflegekassen mit wenig Aufwand verbundenen Weise umzusetzen. Vor diesem Hintergrund hat sich der Gesetzgeber für einen Beitragszuschlag entschieden, der gemeinsam mit dem regulären Pflegeversicherungsbeitrag in dem dafür üblichen Beitragszahlungsverfahren zu entrichten ist. Eine Lebendgeburt reicht aus, um beide Elternteile zuschlagsfrei zu stellen. Eine in die Privatsphäre der Mitglieder gehende Motivforschung , warum jemand keine Kinder hat, findet nicht statt und für den Nachweis der Elterneigenschaft können alle Urkunden berücksichtigt werden, die geeignet sind, die Elterneigenschaft zuverlässig zu belegen. Der Gesetzgeber hielt es nicht für gerechtfertigt, auch von Kindern und jungen Erwachsenen, die gegebenenfalls schon beitragspflichtig in der Pflegeversicherung sind, den Beitragszuschlag für Kinderlose zu erheben. Kinder und junge Erwachsene seien gerade nicht die Gruppe der Kinderlosen, die gegenüber Eltern einen Ausgleich erbringen müssten. Sie sollten vielmehr an der Seite ihrer Eltern von den Ausgleichsleistungen der Kinderlosen mit profitieren. Auch insoweit hat sich der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung für eine feste Altersgrenze entschieden. Diese wurde auf 23 Jahre festgelegt und orientiert sich an der für die Durchführung der beitragsfreien Familienversicherung in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für nicht erwerbstätige Kinder geltenden Begrenzung bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres. Nach diesem Zeitpunkt müssen in der Regel auch nicht erwerbstätige junge Erwachsene, soweit sie sich nicht in Schul- oder Berufsausbildung befinden, kein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstgesetzes oder Bundesfreiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz leisten, Beiträge zur Pflegeversicherung entrichten. Gleiches gilt für den Beitragszuschlag für Kinderlose. Mit Beschluss vom 23. Januar 2018 hat die 6. Kammer des Sozialgerichts Freiburg (Az.: S 6 KR 448/18) einen bei ihr rechtshängigen Rechtsstreit ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht mit folgender Frage vorgelegt: „Sind die §§ 54, 55, 57, 131 – 136 SGB XI insofern mit der Verfassung, namentlich Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 GG, im Einklang, als Eltern von mehreren Kindern in gleicher Weise zu Beiträgen herangezogen werden wie Versicherte mit nur einem Kind?“ Die Entscheidung obliegt nun dem Bundesverfassungsgericht, das im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens entscheiden wird. Die Bundesregierung hält es für geboten, zunächst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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