Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Renata Alt, Alexander Graf Lambsdorff, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/13884 – Zukunft des Friedensprozesses in der Ukraine V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit 2014 führt und unterstützt Russland in der Ostukraine einen bewaffneten Krieg, in dessen Verlauf bislang knapp 13.000 Menschen starben. Alle Vermittlungsversuche westlicher Staaten zwischen den Konfliktparteien waren nach Ansicht der Fragesteller bislang nicht erfolgreich. Nach der Wahl des neuen ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskij im April 2019 provozierten sowohl der russische Staatspräsident Wladimir Putin als auch Präsident Selenskij die jeweils andere Seite durch die Ankündigung einer vereinfachten Verleihung von Staatsbürgerschaften an Bürgerinnen und Bürger des anderen Landes (www.tagesspiegel.de/politik/antwort-auf-putin-selenskibietet -russen-einbuergerung-an/24265490.html). Im Kontrast zu diesen Ankündigungen gab es mindestens zwei von beiden Seiten als produktiv charakterisierte Telefonate zwischen den Staatspräsidenten (www.sueddeutsche.de/politik/ostukraine-putin-und-selenskij-telefonie ren-1.4522050). In der Grenzstadt Stanyzja Luhanska scheinen sich die Fronten zwischen von Russland unterstützten Rebellen und ukrainischer Armee zu lockern. Dort setzt die Entflechtung von Truppen ein, die einen wichtigen Baustein im Minsker Abkommen aus dem Februar 2015 darstellt (www.mor genpost.de/politik/article226830327/Kann-Wolodymyr-Selenskyj-der-Ukrai ne-den-Frieden-bringen.html). Bei weiteren Punkten des vier Jahre alten Abkommens, wie Abzug aller Truppen und schwerer Waffen, sind jedoch keine Fortschritte zu melden. Im Vorfeld sowie während des im August 2019 stattgefundenen G7-Gipfels in Frankreich thematisierte Gastgeber Emmanuel Macron neue Initiativen für Frieden, u. a. mit den Präsidenten Selenskij und Putin sowie mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Zuletzt kündigte Präsident Macron ein Treffen im Normandie-Format an (www.zeit.de/news/2019-08/26/macon-kuendigt-neu en-vierer-gipfel-zur-ukraine-fuer-september-an). Als Anlass nannte er neben der „echten Veränderung“ der Situation durch die Wahl Selenskijs (www.dw.com/de/macron-sieht-echte-chance-f%C3%BCr-die-ukraine/ a-50084243) auch gegebene Voraussetzungen für einen „nützlichen Gipfel“ (www.zeit.de/news/2019-08/26/macon-kuendigt-neuen-vierer-gipfel-zurukraine -fuer-september-an). Deutscher Bundestag Drucksache 19/14804 19. Wahlperiode 05.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 1. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Dieses Treffen ist Medienberichten zufolge nach ersten vorbereitenden Gesprächen jedoch „in weite Ferne gerückt“ („Keine Besserung in Sicht“, FAZ 20. September 2019, S. 5). Als Grund wurde u. a. die nachträgliche Forderung der russischen Seite genannt, vorab Schlussfolgerungen bzw. Ergebnisse eines Gipfeltreffens festzulegen (www.rferl.org/a/ukraine-foreign-minister-andothers -fear-being-pushed-by-west-into-bad-deal-with-russia/30167312.html). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g In enger Abstimmung mit ihren europäischen und internationalen Partnern engagiert sich die Bundesregierung seit Jahren intensiv auf allen Ebenen und insbesondere im Rahmen des Normandie-Formats (Deutschland, Frankreich, Russland, Ukraine) dafür, eine friedliche Lösung des Konflikts in der Ost- Ukraine herbeizuführen und die vollständige Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit der Ukraine wiederherzustellen. Grundlage des deutschen Engagements bleibt das Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen von 2014 und 2015, in denen sich Russland und die Ukraine auf einen verbindlichen Fahrplan geeinigt haben. Die Beendigung dieses Konflikts hat auch der neue ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selensky zu einer Priorität seiner Amtszeit erklärt. Seit seinem Amtsantritt hat er seine Bereitschaft zu einem baldigen Gipfel im Normandie- Format bekundet. Der letzte Gipfel fand im Oktober 2016 in Berlin statt. Auch Russland signalisiert grundsätzlich Zustimmung zu einem baldigen Normandie- Gipfel, soweit die notwendigen Vorbedingungen erfüllt sind. Verschiedene Vertreter der Russischen Föderation wiesen im August und September wiederholt darauf hin, dass insbesondere die Truppenentflechtung in drei Pilotzonen sowie die schriftliche Fixierung der sogenannten „Steinmeier-Formel“ (zum Inkrafttreten des Sonderstatus nach den Kommunalwahlen in den nicht regierungskontrollierten Teilen des Donbass) erforderlich seien. Zuletzt gelangen unter anderem eine Verständigung über eine Bekräftigung der Waffenruhe zum 21. Juli 2019 und ein Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland am 7. September 2019. Am 1. Oktober 2019 erklärte der Sondergesandte des OSZE-Vorsitzes für die Ukraine und Leiter der Trilateralen Kontaktgruppe (TKG), Martin Sajdik, in Minsk, dass die Mitglieder der TKG und Vertreter der sog. „Volksrepubliken“ die „Steinmeier-Formel“ auf Empfehlung der außenpolitischen Berater der Normandie-Staaten bestätigt hätten. Ferner gelang die Einigung auf Bemühungen zur erneuten Entflechtung in den Pilotzonen Solote und Petriwske. Deutschland und Frankreich arbeiten gemeinsam daran, die inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitungen für einen Normandie-Gipfel in Paris abzuschließen .  1. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung zu, dass das von Präsident Macron angekündigte Treffen im Normandie-Format „in weite Ferne gerückt “ sei, und wie bewertet die Bundesregierung den Ausgang der vorbereitenden Gespräche zum Gipfel? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Drucksache 19/14804 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  2. Welche Forderungen oder Entwicklungen führten nach Kenntnis der Bundesregierung dazu, dass ein Gipfeltreffen im Normandie-Format aller Voraussicht nach nicht mehr im September 2019 abgehalten werden wird? Ein Datum für einen baldigen Normandie-Gipfel in Paris wird weiterhin sondiert .  3. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der von Russland nachträglich formulierten Bedingung, vor einem Treffen müssten Schlussfolgerungen feststehen? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.  4. Welche Voraussetzungen müssen nach Ansicht der Bundesregierung geschaffen sein, damit ein Treffen auf Ebene der Außenminister und der Staats- und Regierungschefs stattfinden kann? Die Bundesregierung ist bereit, an einem Normandie-Gipfel auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs teilzunehmen mit dem Ziel, Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu erreichen. Dies gilt auch für ein Treffen der Außenminister.  5. Welche konkreten Ergebnisse und Fortschritte in welchen Punkten erwartet die Bundesregierung nun von einem Treffen im Normandie-Format? Die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen ist die Grundlage für eine friedliche und nachhaltige Konfliktlösung in der Ost-Ukraine. Gemeinsam mit Frankreich arbeitet Deutschland im Normandie-Format an konkreten Schritten zur Lösung des Konflikts. Dazu zählen unter anderem die dauerhafte Einhaltung der Waffenruhe, die Truppenentflechtung entlang der Kontaktlinie, der Abzug schwerer Waffen sowie die Umsetzung der politischen Punkte des Minsker Maßnahmenpakets.  6. Wie bewertet die Bundesregierung die aktuellen Fortschritte in der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen (bitte jeden der 13 Punkte separat bewerten)?  7. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der bislang ausgebliebenen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen? Die Fragen 6 und 7 werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Aus Sicht der Bundesregierung stellt die vollständige Umsetzung aller Punkte des Minsker Abkommens weiterhin die Grundlage dar, um eine friedliche und nachhaltige Konfliktlösung zu ermöglichen. Die Bundesregierung begrüßt die jüngsten positiven Entwicklungen – wie unter anderem die Entflechtung und den Beginn der Brückenreparaturarbeiten bei Stanyzja Luhanska, die Vereinbarung über erneute Entflechtungen in Solote und Petriwske sowie den Gefangenenaustausch am 7. September 2019. Die Bundesregierung setzt sich mit Nachdruck für weitere Fortschritte ein. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14804  8. Trifft die vom Bundesaußenminister Heiko Maas in der Regierungsbefragung des Deutschen Bundestages am 13. Februar 2019 getroffene Feststellung weiterhin zu, dass „die Beweglichkeit der Konfliktparteien außerordentlich eingeschränkt“ sei? Falls nein, welche Veränderungen haben zur Rücknahme dieser Aussage geführt, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Für die Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets bleibt entscheidend, dass die Seiten ihrer Verantwortung gerecht werden. Unter dem neuen ukrainischen Staatspräsidenten hat die neue ukrainische Regierung in den letzten Wochen große Bereitschaft gezeigt, in der Konfliktlösung voranzukommen, und bedeutende Schritte dafür unternommen. Die innenpolitischen und sonstigen Rahmenbedingungen bleiben für alle Seiten schwierig. Gemeinsam mit Frankreich wird sich Deutschland weiterhin für die Konfliktlösung in der Ost-Ukraine einsetzen .  9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den aktuellen Stand der Entflechtung von Kampftruppen und über mögliche vorhandene Truppenkontingente in und um Stanyzja Luhanska? Die Bundesregierung verweist auf die Presseerklärung des Sonderbeauftragten des OSZE-Vorsitzes für die Ukraine und die Trilaterale Kontaktgruppe Botschafter Martin Sajdik vom 15. Oktober 2019 www.osce.org/chairmanship/ 436118. 10. Auf welche Maßnahmen für die Ostukraine einigten sich die Staats- und Regierungschefs der G7-Gruppe während ihres Gipfels im August 2019? a) Von welchem Staats- oder Regierungschef ging die jeweilige Initiative aus? b) Für welche Zeiträume sind die jeweiligen Maßnahmen vorgesehen? 11. Wie unterscheiden sich die in Frage 10 erfragten Maßnahmen von denen der Minsker Vereinbarungen? 12. Sehen die neuen Maßnahmen verpflichtende Elemente vor? Wenn ja, welche? Wenn nein, wie möchten die Staats- und Regierungschefs der G7 sicherstellen , dass Russland und die Ukraine bei der Umsetzung dieser Maßnahmen kooperieren? Wie gestaltet sich der Austausch diesbfezüglich mit Russland und der Ukraine? Die Fragen 10 bis 12 werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Rahmen des von Frankreich vom 24. bis 26. August 2019 ausgerichteten Gipfeltreffens in Biarritz haben sich die Staats- und Regierungschefs der G7 darauf verständigt, dass Frankreich und Deutschland ein Gipfeltreffen im Normandie-Format organisieren. Drucksache 19/14804 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Welche Gesprächsergebnisse haben, nach Kenntnis der Bundesregierung, den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zu der Aussage veranlasst, es seien nun die Voraussetzung für einen „nützlichen Gipfel“ gegeben? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 14. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung des französischen Staatspräsidenten zu, dass es durch die Wahl von Wolodymyr Selenskij in der Ukraine eine „echte Veränderung“ der Situation gegeben habe? Falls ja, was, außer der Wahl selbst, lässt die Bundesregierung zu diesem Schluss kommen? Den Frieden im Donbass hat Staatspräsident Selensky zur Priorität erklärt. Unter seiner Regierung wurden die Entflechtung aus der Pilotzone Stanyzja Luhanska abgeschlossen, die Waffenruhe bekräftigt und ein bilateraler Gefangenenaustausch durchgeführt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 15. Plant die Bundesregierung eine Priorisierung der Maßnahmen oder eine Konditionalisierung in der Umsetzung dieser Maßnahmen? Falls ja, betrifft dies nur die neuen Maßnahmen oder auch die Maßnahmen der Minsker Vereinbarungen? Aus Sicht der Bundesregierung stellt die vollständige Umsetzung aller Punkte des Minsker Abkommens weiterhin die Grundlage dar, um eine friedliche, politische Konfliktlösung in der Ost-Ukraine herbeizuführen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 10 bis 12 verwiesen. 16. Welche konkreten Bereiche und Projekte umfasst die von Präsident Macron angekündigte „Agenda des Vertrauens und der Sicherheit“ nach Kenntnis der Bundesregierung? Die französischen Vorschläge für einen Dialog mit der Russischen Föderation umfassen mehrere Themengebiete, unter anderem Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung , die Zukunft der strategischen Stabilität in Europa und regionale Konflikte. Die „Agenda des Vertrauens und der Sicherheit“ wurde anlässlich des Besuches des französischen Außenministers Le Drian und der französischen Verteidigungsministerin Parly am 9. September 2019 in Moskau mit der russischen Regierung besprochen. 17. Wie wurde der Vorschlag dieser Agenda, nach Kenntnis der Bundesregierung , von russischer Seite aufgenommen? Die russische Seite hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung gegenüber dem französischen Dialogangebot offen gezeigt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14804 18. Handelt es sich bei dieser Agenda um ein mit europäischen Partnern abgestimmten Vorstoß? Wenn ja, welche EU-Mitgliedstaaten unterstützen nach Kenntnis der Bundesregierung den Umfang und die Zielsetzung dieser Initiative? Die Stärkung von Stabilität und Sicherheit in Europa ist ein gemeinsames Anliegen aller EU-Mitgliedstaaten. Deutschland und Frankreich haben am 16. Oktober 2019 in der Erklärung von Toulouse ihr Bekenntnis bekräftigt, den Einsatz für eine Stärkung des Dialogs mit Russland sowohl in der EU (auf Grundlage der fünf Mogherini-Prinzipien) als auch in der NATO (auf Grundlage der Gipfelbeschlüsse von Warschau und Brüssel) zu intensivieren. 19. Hatte die Bundesregierung vorab Kenntnis über den Vorstoß des französischen Präsidenten, Russland eine „Agenda des Vertrauens und der Sicherheit “ anzubieten? Wenn ja, wann wurde dies an welche konkrete Stelle innerhalb der Bundesregierung kommuniziert? Aus öffentlichen Äußerungen des französischen Präsidenten war seine grundsätzliche Haltung bekannt, eine Intensivierung des Dialogs mit Russland in Betracht zu ziehen. 20. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Antworten zu den Fragen 12, 16, 18 und 19 den fortgesetzten Ausschluss Russlands aus der Gruppe der G8? Der Beschluss aus dem Jahr 2014, bis auf weiteres im G7-Format zu tagen, besteht fort. Er gründet auf der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, die fortdauert. Es liegt in der Hand der russischen Führung, diesen Zustand zu beenden . Drucksache 19/14804 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333