Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sven Lehmann, Katja Dörner, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/13789 – Auswirkungen der Reform des Sozialen Entschädigungsrechts V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundeskabinett hat Ende Juni 2019 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts verabschiedet. Die Bundesregierung reagiert mit der Reform auf die veränderte Situation und die stetig abnehmende Zahl kriegsbedingter Opfer. Sie beabsichtigt, die Komplexität des Leistungssystems zu verringern und einen bürgernahen und transparenten Zugang zu den Leistungen der Sozialen Entschädigung zu eröffnen, indem alle wesentlichen Rechtsnormen in einem neuen Vierzehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV) zusammengefasst werden. Die Reform des Sozialen Entschädigungsrechts (SER) ist im Wesentlichen auch eine Reaktion auf den Anschlag am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016. Bereits Ende November 2018 hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Referentenentwurf mit Stellungnahmefrist bis zum 31. Januar 2019 vorgelegt. Die abgegebenen Stellungnahmen zeichneten nach Ansicht der Fragesteller ein durchwachsenes Bild. Grundsätzlich erfuhren das Gesetzgebungsvorhaben und der Ansatz, die bisherigen Regelungsbereiche der Opferrechte und der Entschädigungsleistungen in einem Gesamtkonzept neu zu regeln, wenig Widerspruch. So wurde ein grundsätzliches Tätigwerden des Gesetzgebers im Bereich der Opferrechte und Opferentschädigung als wichtiger Schritt begrüßt. Positiv erschienen vielen Verbänden vor allem die gesetzliche Verankerung der sogenannten Schnellen Hilfe, insbesondere der Traumaambulanzen und die Aufnahme der psychischen Gewalt als Tatbestand. Scharf kritisiert wurde jedoch der dem Entwurf innewohnende Paradigmenwechsel . So sei der Ausgleichsgedanke bei dem neuen Konzept in den Hintergrund gerückt, der Entwurf richte den Fokus des sozialen Entschädigungsrechts nun auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dies könnte sich negativ auf die Heilungschancen der Betroffenen auswirken (vgl. Stellungnahme des WEISSEN RINGS zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts, Stand 20. November 2018, S. 4). Bisher war das soziale Entschädigungsrecht darauf ausgerichtet, den Betroffenen eine möglichst umfassende Heilbehandlung zukommen zu lassen, weswegen die Leistungen in vielen Fällen über die der Krankenkassen hinausgingen. Ziel war die soziale Absicherung und der individuelle Schadensausgleich. Deutscher Bundestag Drucksache 19/14904 19. Wahlperiode 07.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 5. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Durch den veränderten Fokus würden nun die Geschädigten und ihre Angehörigen benachteiligt, insgesamt wäre das Leistungsspektrum eingeschränkt worden . In dem nun vorliegenden Entwurf vom 25. Juni 2019 wurde unter Berücksichtigung der geäußerten Kritik an wesentlichen Stellen nachgebessert, jedoch ist für einzelne Opfergruppen wie jene psychischer oder auch häuslicher Gewalt nach Ansicht der Fragesteller unklar, ob die Regelungen des Gesetzentwurfs angemessen ausgestaltet sind, um einen umfassenden und hürdenarmen Zugang zu gewährleisten, der den gruppenspezifischen Erfordernissen gerecht wird. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der von der Bundesregierung am 26. Juni 2019 im Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (SER- Reform) ist das Ergebnis eines mehrjährigen und intensiven Erörterungsprozesses des Bundes mit Betroffenen, ihren Organisationen, den Ländern und den ausführenden Behörden. Mit der SER-Reform wird der einstimmig gefassten Entschließung des Deutschen Bundestages vom 13. Dezember 2017 auf Bundestagsdrucksache 19/234, dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 12. März 2018 sowie dem Beschluss der 94. Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales, in dem die Länder einstimmig die SER-Reform in der 19. Legislaturperiode gefordert haben, entsprochen. Mit der SER-Reform werden auch Schlussfolgerungen für die Opferentschädigung aus den Erfahrungen aus dem Terroranschlag vom Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016 gezogen. Bis kurz vor der Kabinettbefassung wurde über Inhalte des Gesetzentwurfs mit vielen Betroffenen und ihren Organisationen intensiv diskutiert. Inhalte dieser Diskussionen waren unter anderem Befürchtungen, der individuelle Entschädigungsgedanke könnte aufgrund einer Akzentuierung auf Leistungen zur Teilhabe in den Hintergrund rücken und das Leistungsspektrum für die Betroffenen könnte sich verschlechtern. Die Bundesregierung hat diese Bedenken sehr ernst genommen und noch einige Veränderungen am Gesetzentwurf vorgenommen, die Verschlechterungen zum Status Quo ausschließen. So wird es weiterhin umfassende Leistungen für Hinterbliebene von Opfern geben. Auch der Berufsschadensausgleich ist inhaltsgleich vom Bundesversorgungsgesetz in den Gesetzentwurf übernommen worden. Der Teilhabegedanke wird mit der SER- Reform gestärkt, allerdings nicht zu Lasten der individuellen Entschädigungsleistungen , auf die bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht und die wesentlich erhöht wurden. Von dem sehr umfassenden Gewaltbegriff des neuen SER, der dem Leistungsspektrum der Opferentschädigung zugrunde liegt, sind Opfer von psychischer Gewalt (darunter auch sexuelle Gewalt , Mobbing, Stalking u. a.) ebenso erfasst wie Opfer körperlicher Gewalteinwirkung . Die Bundesregierung ist davon überzeugt, mit der SER-Reform ein umfassendes Gesamtpaket beschlossen zu haben, das für deutliche Verbesserungen in allen Bereichen der Sozialen Entschädigung steht. Die großen Sozial- und Opferverbände unterstützen den Gesetzentwurf und fordern eine Verabschiedung noch im Jahr 2019. Für die Umsetzung des Sozialen Entschädigungsrechts sind nach der verfassungsmäßigen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sowohl nach geltendem als auch nach neuem Recht die Länder zuständig. Der Bundesregierung hat in diesem Bereich weder Aufsichts- noch Weisungsbefugnisse gegenüber den Ländern. Soweit sich einzelne Fragen dieser Kleinen Anfrage auf die Verwaltungspraxis des Sozialen Entschädigungsrechts in den Ländern beziehen , kann die Bundesregierung hierzu nicht Stellung nehmen. Drucksache 19/14904 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  1. Wie viele Personen haben seit 2009 Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (und Opferentschädigungsgesetz) beantragt, und wie viele Anträge wurden hiervon bewilligt (bitte nach Jahren und Bundesländern differenzieren)? Hierzu liegen der Bundesregierung aufgrund der Zuständigkeit der Länder für die Umsetzung des Sozialen Entschädigungsrechts keine Daten zu Antragszahlen vor. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.  2. Von wie vielen Anspruchsberechtigten pro Jahr geht die Bundesregierung auf Grundlage des Gesetzentwurfes zum SER aus, und auf welcher Grundlage hat die Bundesregierung die Kostenabschätzung der Jahre 2024 bis 2028 errechnet? Die Zahl der Berechtigten wird für das Jahr des Inkrafttretens auf 62.000 geschätzt . Durch einen allmählichen Bestandsaufbau bei den Neufällen sowie den weiteren Rückgang bei den Bestandsfällen (insbesondere bei den Opfern der beiden Weltkriege), wird bis zum Jahr 2028 mit insgesamt rund 51.000 Berechtigten gerechnet. Die Kostenschätzung der Jahre 2024 bis 2028 basiert auf den erwarteten Fallzahlen sowie ermittelten Kostensätzen der einzelnen Leistungen je Leistungsfall. Grundlage der Ermittlung von Fallzahlen und Kostensätzen sind die bisherigen Haushaltsausgaben des Bundes (Kapitel 1103 des Bundeshaushaltes ), die amtliche Statistik der Kriegsopferfürsorge sowie umfangreiche weitere statistische Daten des Bundes und der Länder.  3. Wie ist der enorme, im Gesetzentwurf dargelegte Kostenrückgang für den Bund bei gleichzeitigem Kostenanstieg für die Länder zwischen den Jahren 2024 und 2028 zu erklären? Die Zahl der Berechtigten mit Ansprüchen aus den Vorschriften zu Besitzständen geht altersbedingt stark zurück. Dies betrifft größtenteils die Opfer der beiden Weltkriege. Entsprechend sinken die Ausgaben für diese Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher. Aufgrund der Regelung zur Kostentragung zwischen Bund und Ländern für die unterschiedlichen Betroffenengruppen hat der Bund einen weit höheren Anteil der Ausgaben für Besitzstände zu leisten. Der altersbedingte Kostenrückgang bei den Kriegsopfern wirkt sich daher beim Bund stärker als bei den Ländern aus. Die Schätzung der finanziellen Auswirkungen des Gesetzentwurfes geht davon aus, dass sich der Bestand der nach neuem Recht Leistungsberechtigten in den ersten Jahren nach Inkrafttreten zunächst stetig aufbaut, bevor in späteren Jahren auch ein altersbedingtes Ausscheiden aus dem Leistungsbezug für eine Nivellierung des Bestands sorgen werden. Opfer von Gewalttaten werden dabei die größte Gruppe neuer Leistungsberechtigter ausmachen. Der sich aufbauende Bestand neuer Leistungsberechtigter verursacht entsprechend zunächst ansteigende Kosten. Aufgrund der Regelung zur Kostentragung zwischen Bund und Ländern wirkt sich die Kostensteigerung in der Phase des Bestandsaufbaus bei den Ländern stärker aus als beim Bund.  4. Inwiefern ginge mit dem Gesetzentwurf eine Verschiebung der Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern im Gegensatz zu den bisherigen entschädigungsrechtlichen Aufwendungen einher? Der Gesetzentwurf setzt grundsätzlich die bestehenden Regelungen zur Kostenverteilung fort. Da die im Bundesversorgungsgesetz (BVG) vorgenommene Unterscheidung von versorgungs- und fürsorgerischen Leistungen entfällt, wird Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14904 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. für Leistungen aus den Vorschriften zum Besitzstand für unmittelbar nach dem BVG und nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) Leistungsberechtigte eine Kostenverteilung geregelt, die der tatsächlichen Verteilung der Ausgaben nach der bisherigen Rechtslage entspricht. Im Ergebnis kommt es damit in diesen Fällen nicht zu Verschiebungen in der Kostenverteilung. Für Personen, die als Kriegsopfer oder durch Ingewahrsamnahme in sowjetisch besetzten Gebieten Geschädigte oder deren Angehörige und Hinterbliebene erstmals nach Inkrafttreten des SGB XIV einen Antrag auf Leistungen stellen, ergibt sich in der Kostenverteilung eine materielle Änderung: für diese Personen übernimmt der Bund abweichend von den bisherigen Regelungen, denen zufolge die Länder 20 Prozent der fürsorgerischen Leistungen tragen, künftig die Kosten nach dem SGB XIV-E in voller Höhe. Im Übrigen bleibt die Kostenverteilung in der Sozialen Entschädigung unverändert.  5. Aus welchem Grund ist in den Regelungen zur amtlichen Statistik (§ 126 SGB XIV-E) und zu den Erhebungsmerkmalen (§ 127 SGB XIV-E) nicht aufgenommen, wie viele Anträge abgelehnt werden und mit welcher Begründung die Ablehnung erfolgt? Die Zahl der im Erhebungsmonat gestellten und erledigten Anträge ist gemäß § 127 Absatz 1 Nummer 7 und 8 SGB XIV-E für die Statistik zu erfassen. Die Bundesregierung befürwortet eine insoweit klarstellende Ergänzung des § 127 Absatz 1 SGB XIV-E. Die Entscheidung über die Umsetzung dieses Vorschlags ist Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens.  6. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass anstelle der im Gesetzentwurf vorgesehenen Verschränkungen von Leistungen der Krankenbehandlung und Pflegeleistungen einerseits und Leistungen der Unfallkassen andererseits ein ausschließlicher Rückgriff auf den Leistungskatalog der Unfallkassen eine Verbesserung der Leistungen zugunsten der Betroffenen zur Folge hätte (§§ 41 bis 61 SGB XIV-E)? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Nein. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass ein ausschließlicher Rückgriff auf den Leistungskatalog der Unfallkassen sowohl bei der Krankenbehandlung als auch bei den Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu Versorgungslücken führen würde. Dies betrifft beispielsweise die besonderen psychotherapeutischen Leistungen, die für Gewaltopfer sowie deren Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende sehr wichtig sind.  7. Kann die Bunderegierung ausschließen, dass mit dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des SER eine finanzielle oder sonstige Schlechterstellung einzelner Geschädigter einhergehen könnte, und wenn ja, sind bestimmte abgrenzbare Opfergruppen besonders betroffen? Wenn nein, warum nicht? Der Bundesregierung war es, ebenso wie den Opferverbänden, ein wichtiges Anliegen, dass es bei der Neuregelung des SER zu keiner Schlechterstellung kommt. Der Gesetzentwurf sieht daher umfangreiche Leistungsansprüche der Berechtigten und großzügige Bestandsschutzregelungen vor. Drucksache 19/14904 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.  8. Steht § 83 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 SGB XIV-E und der damit verbundene Ausschluss von Abfindungen für Geschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 nach Ansicht der Bundesregierung im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der vorgelegte Gesetzentwurf zur SER-Reform der UN-Behindertenkonvention entspricht. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates dem Vorschlag des Bundesrates, auch für Geschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 die Möglichkeit vorzusehen, eine Abfindung in Anspruch nehmen zu können, zugestimmt. Die Entscheidung über die Umsetzung dieses Vorschlags ist Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens.  9. Welche Behörden sind in welchen Bundesländern zuständig für das Soziale Entschädigungsrecht oder damit befasst, und wie viel Personal stand diesen Behörden (in erster Linie den Versorgungsämtern) in den Jahren 2000, 2010 und 2018 zur Verfügung? Die für die Gesetzesdurchführung im Sozialen Entschädigungsrecht zuständigen Behörden der Länder sind auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unter folgendem Link aufgeführt: www.bmas.de/DE/The men/Soziale-Sicherung/Soziale-Entschaedigung/soziale-entschaedigung.html. Angaben darüber, wie viel Personal diesen Behörden zur Verfügung steht oder gestanden hat, liegen der Bundesregierung nicht vor. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 10. Wie bewertet die Bundesregierung die Personalsituation der Landesverwaltungen , die für die Umsetzung des SER zuständig sind, und in welchen Bundesländern besteht diesbezüglich in welchem Umfang Handlungs- bzw. Aufstockungsbedarf? Die Frage betrifft das Verwaltungsverfahren. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 11. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das Verwaltungshandeln sowie die personelle Ausstattung der zuständigen Landesbehörden entscheidend für die Umsetzung des neuen SER sind? Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung. Die Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts sind Ausdruck der Solidarität der staatlichen Gemeinschaft mit den Betroffenen. Diese haben in ihrer oftmals schwierigen Situation Anspruch auf sensible und fachlich gute Beratung und Betreuung im Verwaltungsverfahren . Der Gesetzentwurf zur SER-Reform enthält dazu die erforderlichen gesetzlichen Regelungen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 12. Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass die Bundesländer die für das SER zuständigen Landesbehörden mit ausreichend Ressourcen ausstatten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig schulen? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14904 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 13. Wie lang ist nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittliche Dauer von Antragsverfahren nach bisheriger Rechtslage, und sieht sie die Notwendigkeit sowie Möglichkeit, die Verfahren zu beschleunigen? Wie wird sich die Reform des SER auf die Verfahrensdauer auswirken, und wie bewertet die Bundesregierung die Einführung konkreter Fristen für die Bearbeitung und die Möglichkeit einer automatischen Genehmigung , insofern Anträge im Rahmen einer bestimmten Frist nicht abschließend bearbeitet wurden? Über die durchschnittliche Dauer von Antragsverfahren im Sozialen Entschädigungsrecht liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die SER-Reform mit dem niedrigschwelligen Zugang insbesondere zu den Leistungen der Schnellen Hilfen einen Beitrag zu einem zügigen, auf die besonderen Bedürfnisse von Opfern von Gewalttaten zugeschnittenen Verfahren leistet. Eine Aussage darüber, wie sich die SER-Reform auf die Verfahrensdauer auswirken wird, ist nicht möglich. Zukünftige Erkenntnisse hierzu werden bei der Weiterentwicklung des Sozialen Entschädigungsrechts zu berücksichtigen sein. 14. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem Vorschlag der Einrichtung einer Clearingstelle und deren Beteiligung am Entscheidungsprozess (vgl. Eckpunkte WEISSER RING e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der sozialen Entschädigung in das Sozialgesetzbuch vom 4. Juli 2018)? Über Anträge auf Leistungen des SER entscheiden sachkundige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Verwaltungsbehörde. Sollten Betroffene mit deren Entscheidungen nicht einverstanden sein, gibt es hinreichende Möglichkeiten , gegen die Entscheidungen vorzugehen: Sie können Widerspruch einlegen und Klage erheben. Auch hierüber entscheiden entsprechend qualifizierte Behörden und Gerichte, die erforderlichenfalls auch Sachverständige einschalten können. Die Schaffung einer zusätzlichen Clearingstelle würde eine Doppelstruktur im System der Sozialen Entschädigung einführen, da die Behörden den gesetzlichen Auftrag zur Entscheidung über den Antrag haben. Daher kann die Entscheidungsfindung nicht auf eine Stelle außerhalb der Behörde übertragen werden . Zudem wäre die Schaffung einer Clearingstelle mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verbunden und würde das Verfahren erheblich verzögern. Zweifelhaft wäre der Nutzen der Einführung von Clearingstellen für die Betroffenen auch deshalb, weil die Verwaltung an das Votum der Clearingstelle nicht gebunden ist. Problematisch ist darüber hinaus, dass für das Votum der Clearingstelle hinsichtlich des schädigenden Ereignisses der Maßstab der Plausibilität gelten soll. Dies widerspricht dem Grundsatz des SGB XIV-E, wonach das schädigende Ereignis grundsätzlich nachgewiesen werden muss, wobei unter bestimmten Voraussetzungen die Glaubhaftmachung ausreicht. Drucksache 19/14904 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 15. Inwiefern finden Opfer institutioneller Gewalt in § 13 SGB XIV-E hinreichend Berücksichtigung, und inwieweit bedarf es in Bezug auf diese Opfergruppe einer gesonderten Erwähnung oder Klarstellung in § 14 SGB XIV-E (vgl. Prüfbitte in den Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates , Bundesratsdrucksache 351/1/19, S. 5 f.)? 16. Werden vom SGB XIV-E auch Betroffene erfasst, die im Rahmen einer Unterbringung in Kinder- und Jugendheimen, Einrichtungen der Behindertenhilfe , Kinderkurheimen, Kinder- und Jugendpsychiatrien, Jugendstrafanstalten usw. Leid und Unrecht erfahren haben, und werden hierbei auch Formen von Leid und Unrecht erfasst, die sich aus fehlender Förderung , unzureichender materieller Versorgung und Vernachlässigung in derartigen Einrichtungen ergeben haben? Die Fragen 15 und 16 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hält eine Ergänzung des § 14 SGB XIV-E für nicht erforderlich . Die §§ 13 und 14 SGB XIV-E erfassen Opfer von Gewalttaten und gleichgestellten Taten. Dabei ist unerheblich, ob sich die Gewalttat oder die ihr gleichgestellte Tat im öffentlichen, privaten oder institutionellen Umfeld ereignet hat. 17. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Anmerkung des Bundesrates , der im SGB XIV-E zugrunde gelegte Gewalt- bzw. Opferbegriff setze die Vorgaben der Istanbul-Konvention nicht hinreichend um, da nicht auf das Ausmaß der Wirkung beim Opfer, sondern in erster Linie auf das Verhalten der Täterin oder des Täters abgestellt werde und auch die Regelbeispiele das Risiko bergen würden, den Gewaltbegriff zu sehr einzuengen (vgl. Prüfbitte in den Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates , Bundesratsdrucksache 351/1/19, S. 4)? Die in der Frage wiedergegebenen Anmerkungen sind nicht Teil der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf zur SER-Reform. Eine Positionierung der Bundesregierung hierzu ist daher im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht erforderlich. Im Übrigen geht die Bundesregierung davon aus, dass der Gesetzentwurf allen Vorgaben aus den einschlägigen internationalen Übereinkommen entspricht. 18. Welche Entschädigungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung in Fällen wie dem Medizinskandal Alte Apotheke Bottrop (vgl. www.zeit.de/ 2017/46/krebsmedikamente-apotheke-bottrop-betrug), wo über eine sogenannte Schwerpunkt-Apotheke einer Vielzahl von Krebserkrankten über Jahre hinweg falsch deklarierte bzw. falsch dosierte Zytostatika verkauft wurden, in denen die Betroffenen nicht dem im SER zugrunde gelegten Gewaltbegriff unterfallen und eine Entschädigung durch die Schädigerin oder den Schädiger aufgrund der Vielzahl von entschädigungsberechtigten Opfern ausscheidet? Zu konkreten Einzelfällen und laufenden Verfahren äußert sich die Bundesregierung nicht. Losgelöst vom Einzelfall könnte es sich bei der bewussten Veränderung der Zusammensetzung eines Medikaments durch einen Apotheker und dem anschließenden Verkauf des veränderten Medikaments um eine vorsätzliche Beibringung von Gift im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 1 des Opferentschädigungsgesetzes handeln. Daher könnten in solchen Fällen Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz in Betracht kommen. Schadensersatzansprüche wegen der Personenschäden könnten in solchen Fällen gegen den Schädiger aus vertragli- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/14904 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. cher Gewährleistungshaftung nach § 280 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder ggf. aus der außervertraglichen Haftung nach § 823 Absatz 1 BGB und § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit einem strafrechtlichen oder arzneimittelrechtlichen Schutzgesetz folgen. Besteht für Ansprüche aus diesen Haftungsgründen eine Haftpflichtversicherung, tritt diese nicht ein, wenn der Schädiger vorsätzlich und widerrechtlich gehandelt hat. 19. Welche generellen Entschädigungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung in Fällen von Menschenhandel (§ 232 des Strafgesetzbuches – StGB) sowie Zwangsprostitution (§ 232 a StGB), und welche konkreten Umstände müssten gegeben sein, um eine Entschädigung im Rahmen des Gesetzentwurfs geltend zu machen? 20. Welche generellen Entschädigungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung in Fällen von Arbeitsausbeutung (§ 233 StGB), Zwangsarbeit (§ 232 b StGB) und Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung (§ 233 a StGB), und welche konkreten Umstände müssten gegeben sein, um eine Entschädigung im Rahmen des Gesetzentwurfs geltend zu machen ? Die Fragen 19 und 20 werden gemeinsam beantwortet. Gesetzliche Entschädigungsmöglichkeiten sind im SGB XIV-E geregelt. Bei den in den Fragen genannten Taten handelt es sich um Gewalttaten i. S. d. § 13 Absatz 1 Nummer 1, wenn körperliche Gewalt angewendet wurde. Wurde keine körperliche Gewalt angewendet, werden die genannten Tatbestände vom neu eingeführten Begriff der psychischen Gewalt des § 13 Absatz 1 Nummer 2 umfasst . Dass es sich bei allen Tatbeständen des Menschenhandels um ein schwerwiegendes Verhalten i. S. d. § 13 Absatz 1 Nummer 2 handelt, wird in § 13 Absatz 2 ausdrücklich klargestellt. Ob im Einzelfall die Entschädigungsvoraussetzungen vorliegen, wird von dem jeweils zuständigen Leistungsträger geprüft. 21. Welche Fonds mit welchen jeweiligen Empfängerkreisen zur Entschädigung von Gewalttaten bzw. terroristischen Taten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung a) die vom Bund (mit)finanziert werden, b) die nach Kenntnis der Bundesregierung von den Bundesländern (mit)finanziert werden, c) die nach Kenntnis der Bundesregierung von sonstigen Institutionen (Kirchen etc.) finanziert werden (bitte auch die jeweiligen Empfängerkreise und das Finanzvolumen der jeweiligen Fonds benennen und bei gemeinsamer Finanzierungen die Höhe der jeweiligen Anteile der Beteiligten aufschlüsseln)? Der Fonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen nach § 12 des Pflichtversicherungsgesetzes greift, wenn eine Haftpflichtversicherung deswegen keine Deckung gewährt oder gewähren würde, weil der Ersatzpflichtige den Schaden vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat (Bsp.: Angriff mit einem Kraftfahrzeug); die Leistungen erfolgen auf der Grundlage des Schadensersatzrechts . Der Entschädigungsfonds leistet im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestversicherungssummen (Anlage zu § 4 Absatz 2 des Pflichtversicherungsgesetzes ). Die Aufgabe des Entschädigungsfonds ist der Verkehrsopferhilfe e. V. übertragen worden, die der Übertragung und Wahrnehmung der Aufgabe zugestimmt Drucksache 19/14904 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. hat. Die Verkehrsopferhilfe e. V. wird aus Mitteln der Kfz.- Haftpflichtversicherung finanziert. Im Haushalt des BMJV (Einzelplan 07) gibt es zwei Haushaltstitel (nachfolgend als Fonds bezeichnet), die (ausschließlich) Bundesmittel für Opfer extremistischer Übergriffe bzw. terroristischer Straftaten zweckgebunden enthalten (Kapitel 0718 Titel 681 01 [Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe ] und Kapitel 0718 Titel 681 02 [Härteleistungen für Opfer terroristischer Straftaten]). Aktuell sind hierfür folgende Beträge vorgesehen: Im Kapitel 0718 Titel 681 01 (Extremismus) sind im Haushalt 2019 2,8 Mio. Euro veranschlagt. Im Kapitel 0718 Titel 681 02 (Terrorismus) sind im Haushalt 2019 6,2 Mio. Euro veranschlagt. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Fonds „Heimerziehung in der DDR zwischen 1949 und 1990“ und „Heimerziehung West 1949 bis 1975“ wie auch der Fonds „Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ und die Stiftung Anerkennung und Hilfe keine Entschädigungsleistungen für Opfer von Gewalttaten erbringen, sondern bedarfsgerechte Sachleistungen bzw. Anerkennungsund Unterstützungsleistungen, um die Lebenssituation Betroffener zu verbessern . 22. Inwiefern sind diese Fonds nach Kenntnis der Bundesregierung auf eine bestimmte Anzahl von Opferfällen bzw. geschädigten Personen oder zeitlich begrenzt (bitte ausführen)? Für den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen nach § 12 des Pflichtversicherungsgesetzes bestehen keine der in der Frage genannten Beschränkungen . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. Die im Geschäftsbereich des BMJV bewirtschafteten Fonds sind nicht auf eine bestimmte Anzahl von Opferfällen bzw. geschädigten Personen begrenzt, sehen allerdings Stichtage vor, d. h. für Taten vor diesen Stichtagen können Härteleistungen nicht oder nur unter besonderen, engen Voraussetzungen gewährt werden . 23. Wie viele Personen erhalten nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit Entschädigungszahlungen aus den jeweiligen Fonds, und wie hoch sind die durchschnittlichen Zahlbeträge pro Fall bzw. geschädigter Person und Fonds (bitte nach Möglichkeit auch die jeweiligen Mindest- und Maximalbeträge beziffern)? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wie viele Personen derzeit vom Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen nach § 12 des Pflichtversicherungsgesetzes Entschädigung erhalten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. Für die im Geschäftsbereich des BMJV bewirtschafteten Fonds können für die Jahre 2015 bis 2019 folgende Angaben gemacht werden, wobei diese Zeitspanne gewählt wurde, da sie einen aussagekräftigen und zu Vergleichen geeigneten zeitlichen Abschnitt darstellt, für den entsprechend belastbare statistische Daten vorliegen: • Aus dem Fonds für Opfer extremistischer Übergriffe haben 464 Personen Härteleistungen erhalten. Dabei handelt es sich um einmalige Kapitalleistungen . Die Höhe der jeweiligen Härteleistung für Verletzte orientiert sich individuell an den von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/14904 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Schmerzensgeldbeträgen und differiert daher nach dem Grad der jeweiligen Betroffenheit zwischen 200 Euro und 80.000 Euro, sodass ein durchschnittlicher Zahlbetrag keine aussagekräftige Angabe darstellen würde. An Hinterbliebene werden Pauschalbeträge ausbezahlt (Eltern, Kinder, Ehegatten erhalten 30.000 Euro, Geschwister 15.000 Euro). • Aus dem Fonds für Opfer terroristischer Straftaten haben 440 Personen Härteleistungen erhalten. Aus den vorgenannten Gründen ergeben Durchschnittsbeträge auch für diesen Fonds keine aussagekräftigen Angaben, weil die gezahlten Härteleistungen nach dem Grad der Betroffenheit zwischen 3.000 Euro und 35.000 Euro lagen. 24. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Verhältnis von Leistungen nach dem SER zu Leistungen aus Entschädigungsfonds, und wie wird verfahren, wenn sowohl Leistungen nach dem SER als auch Leistungen aus einem Fonds bezogen werden? Im Rahmen des Sozialen Entschädigungsrechts findet eine Anrechnung von Leistungen aus Entschädigungsfonds nicht statt. Bei Leistungen aus einem Fonds kann eine Anrechnung von Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts ggf. stattfinden. 25. Gelten nach Kenntnis der Bundesregierung die Grundsätze, die in diesem Zusammenhang für den Garantiefonds (Entschädigungsfonds) des Vereins Verkehrsopferhilfe e. V. greifen (vgl. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 25. Juni 2019, S. 207 f.), auch für andere Entschädigungsfonds? Wenn nein, warum nicht? § 12 des Pflichtversicherungsgesetzes gilt lediglich für den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen. 26. Inwiefern greift nach Kenntnis der Bundesregierung § 8 Absatz 1 SGB XIV-E in Bezug auf Leistungen aus Entschädigungsfonds ein, sodass Berechtigte etwa nicht gleichzeitig Leistungen nach dem SGB XIV-E und aus einem Entschädigungsfonds beziehen dürfen? § 8 Absatz 1 SGB XIVE-E behandelt eine Anspruchskonkurrenz. Wird die Leistung vom Bund oder von einem Land aus einem Entschädigungsfonds nicht aufgrund eines Rechtsanspruchs erbracht, ist § 8 Absatz 1 SGB XIV-E schon vom Wortlaut her nicht einschlägig. 27. Aus welchen Erwägungen der Bundesregierung heraus wurden über die Leistungen der Sozialen Entschädigung hinausgehende Ansprüche, insbesondere Amtshaftungsansprüche, gemäß § 8 SGB XIV-E grundsätzlich ausgeschlossen? § 8 SGB XIV-E soll verhindern, dass Berechtigten der Sozialen Entschädigung wegen eines schädigenden Ereignisses nach dem SGB XIV-E mehrere Ansprüche gegen denselben Kostenträger (Bund oder ein Land) zustehen. Er schließt andere Ansprüche gegen den Bund oder ein Land aus, wenn ein schädigendes Ereignis nach dem SGB XIV vorliegt. Die Vorschrift wurde der Konkurrenzregelung des § 81 BVG nachgebildet, dessen praktische Anwendung allerdings äußerst selten ist. Die Bundesregierung befürwortet eine Ergänzung des § 8 Ab- Drucksache 19/14904 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. satz 1 SGB XIV-E dahingehend, dass Amtshaftungsansprüche aus fahrlässiger Amtspflichtverletzung entsprechend § 3 Absatz 3 OEG aus dem Anwendungsbereich dieses Anspruchsausschlusses ausgenommen werden. Die Entscheidung über die Umsetzung dieses Vorschlags ist Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens. a) Welche Ausnahmen kann es von dieser grundsätzlichen Regelung geben (abgesehen von der Ausnahme für Ansprüche nach den Vorschriften der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge)? Weitere Ausnahmen gibt es keine. b) Wie soll es gehandhabt werden, wenn Betroffene vor Antragstellung bzw. Antragsbewilligung andere Leistungen bezogen haben bzw. bereits Amtshaftungsansprüche geltend gemacht haben, bzw. inwiefern müssen diese rückabgewickelt oder abgetreten werden? Die Rechtsfolge des § 8 Absatz 1 SGB XIV-E ist der Ausschluss anderer Ansprüche wegen desselben schädigenden Ereignisses gegen den Bund oder ein Land. § 8 Absatz 1 SGB XIV-E stellt nicht darauf ab, ob und wie diese Ansprüche bisher geltend gemacht wurden und ob und wie über sie entschieden worden ist, denn der Ausschluss ist materiell-rechtlicher Natur und tritt von selbst ein. Sollte der Bund oder ein Land einen Amtshaftungsanspruch bereits erfüllt haben, wäre die Leistung ohne Rechtsgrund erbracht worden. Es bestünde dann ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Anspruchsteller, der entweder durchgesetzt oder gegen einen Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung aufgerechnet werden könnte. c) Inwiefern könnten Betroffenen nach Einschätzung der Bundesregierung aus dem Ausschluss, insbesondere aus dem Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen, welche Nachteile entstehen, und wodurch wären diese zu rechtfertigen? Der durch § 8 Absatz 1 SGB XIV-E ausgeschlossene Amtshaftungsanspruch kann auch eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) umfassen. Der Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung umfasst dagegen kein Schmerzensgeld. Allerdings haben die monatlichen Entschädigungszahlungen, die einkommensunabhängig gezahlt werden, neben der materiellen auch eine stark immaterielle Komponente. Bereits nach geltendem Recht sind die Ansprüche nach dem BVG in der Regel wesentlich höher als Ansprüche aus Amtshaftung. Dies gilt umso mehr nach dem SGB XIV-E, mit dem die monatlichen Entschädigungszahlungen wesentlich erhöht werden. d) Inwieweit ist vorgesehen, die Betroffenen bei Antragstellung explizit über diese Umstände (Anspruchskonkurrenzen, Anspruchsübergänge etc.) zu informieren (etwa auf dem Antragsformular selbst oder einem Informationsblatt dazu)? In den nach geltendem Recht verwendeten Formularen werden explizit Fragen nach möglichen anderen Leistungsverpflichteten einschließlich Schädigern gestellt . Die Ausgestaltung der Antragsformulare und Informationsblätter nach dem SGB XIV-E ist Sache der das Gesetz ausführenden Länder. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/14904 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 28. Gilt nach Auffassung der Bundesregierung für den Übergang der Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige gemäß § 120 SGB XIV-E der im Zusammenhang mit § 116 SGB X maßgebliche Zeitpunkt (Anspruchsübergang in der Regel mit dem Entstehen eines Sozialleistungsanspruchs, nicht erst mit dem Erbringen von Leistungen an den Geschädigten)? a) Wann genau findet der Anspruchsübergang statt: bereits im Augenblick des schadenstiftenden Ereignisses, bei Antragstellung, bei Bewilligung des Antrag, oder zu welchem konkreten Zeitpunkt? Die Fragen 28 und 28a werden gemeinsam beantwortet. Die Schadensersatzansprüche gegen den Dritten gehen, wie auch beim Forderungsübergang nach § 116 SGB X, dem Grunde nach bereits zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses auf den Kostenträger der Sozialen Entschädigung über. b) Welche Nachteile können sich nach Einschätzung der Bundesregierung für die Betroffenen daraus ergeben? Nachteile ergeben sich daraus nach Einschätzung der Bundesregierung für die Geschädigten nicht. Hat der Ersatzpflichtige bzw. Schädiger Zahlungen an sie trotz Forderungsübergang geleistet, regelt § 120 Absatz 1 SGB XIV-E i. V. m. § 116 Absatz 7 SGB X die Rechtsfolgen. Zusätzlich geschützt sind die Geschädigten durch § 120 Absatz 2 Sätze 2 und 3 SGB XIV-E, wonach zuerst die Geschädigten und dann erst der Träger der Sozialen Entschädigung befriedigt werden soll. c) Bleiben Schmerzensgeldansprüche oder andere höchstpersönliche Ansprüche davon unberührt (falls ja, bitte Ansprüche konkret benennen)? Voraussetzung für den Anspruchsübergang ist die Gleichartigkeit (Kongruenz) der betreffenden Sozialleistungs- und Schadenersatzansprüche in sachlicher und zeitlicher Hinsicht. Schadensersatz- und Sozialleistungsanspruch müssen nach § 116 Absatz 1 Satz 1 SGB X der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum beziehen, d. h. Sozialleistungsund Schadenersatzanspruch müssen dieselbe Zweckbestimmung haben. Eine dementsprechende Kongruenz zwischen Sozialleistungen und Schmerzensgeld nach § 253 Absatz 2 BGB besteht bisher nicht, weil es keine auf die Erfassung des Schmerzes gerichteten Sozialleistungen gibt. Solche Sozialleistungen werden auch mit der SER-Reform nicht eingeführt. 29. Ist § 16 SGB XIV-E nach Auffassung der Bundesregierung so zu verstehen , dass Ansprüche nach dem SER von vornherein ausgeschlossen sind, während § 17 SGB XIV-E die Möglichkeit eröffnet, Leistungen auch nach Antragsbewilligung und Leistungserbringung durch den Träger zu versagen? Die Bundesregierung teilt dieses Verständnis der §§ 16 und 17 SGB XIV-E. Drucksache 19/14904 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 30. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Anregung, in § 16 Absatz 1 SGB XIV-E ergänzend aufzunehmen, dass die Tatsache, dass Betroffene häuslicher oder sexueller Gewalt im Nahbereich sich nicht aus der Beziehung mit der schädigenden Person lösen, keine vorwerfbare Mitverursachung darstellen solle (vgl. Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, Bundesratsdrucksache 351/1/19, S. 6 f.), da andernfalls eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung der Betroffenen durch die Regelung des § 16 Absatz 1 SGB XIV-E zu befürchten sei? Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass die in der Frage wiedergegebene Anregung nicht Teil der Stellungnahme des Bundesrates ist. In der Gesetzesbegründung zu § 16 SGB XIV-E wird ausdrücklich ausgeführt, dass Opfer von häuslicher Gewalt oder Partnerschaftsgewalt, die sich entscheiden, in ihr häusliches Umfeld und damit zum Täter oder zur Täterin zurückzukehren, nicht grundsätzlich von der Leistungserbringung ausgeschlossen sind. 31. Regelt § 16 Absatz 2 SGB XIV-E nach Auffassung der Bundesregierung nur die Art und Weise der Leistungsgewährung oder kann er auch einen kompletten Leistungsausschluss begründen, und inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass flankierende unterhaltsrechtliche Regelungen notwendig seien könnten, um sicherzustellen, dass die Schädigerin oder der Schädiger nicht zulasten der Betroffenen aufgrund von Leistungen des SER unterhaltsrechtlich entlastet werden (Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, Bundesratsdrucksache 351/1/19, S. 7 f.)? § 16 Absatz 2 SGB XIV-E regelt die Art und Weise der Leistungserbringung. Die Schaffung flankierender unterhaltsrechtlicher Regelungen ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht erforderlich. 32. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Anregung, in § 17 SGB XIV-E einzufügen, dass in Fällen häuslicher oder sexualisierter Gewalt die persönliche Situation der Antragstellerin oder des Antragstellers besonders zu berücksichtigen sei (Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates , Bundesratsdrucksache 351/1/19, S. 8 f.)? Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass die in der Frage wiedergegebene Anregung nicht Teil der Stellungnahme des Bundesrates ist. In der Gesetzesbegründung zu § 17 SGB XIV-E wird ausdrücklich ausgeführt, dass bei der Ermessensentscheidung der Behörde im Rahmen des § 17 SGB XIV-E den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist. Als Konstellationen, in denen trotz fehlender Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung Leistungen erbracht werden können, werden ausdrücklich verwandtschaftliche, eheliche oder eheähnliche Beziehungen zum Täter oder zur Täterin genannt. Schließlich wird in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass eine Unzumutbarkeit der Mitwirkung des Opfers beispielsweise bei zu hoher Belastung oder Minderjährigkeit des Opfers gegeben sein kann. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/14904 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 33. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der in § 16 Absatz 2 SGB XIV-E durch Leistungsversagung vorgesehene Anreiz für die Betroffenen, sich dem Einflussbereich der schädigenden Person zu entziehen , dem eigentlichen Zweck des SER, nämlich der Entschädigung und Stärkung der Selbstbestimmung der Geschädigten, zuwiderläuft? Aus Sicht der Bundesregierung besteht kein Widerspruch zwischen der Regelung des § 16 Absatz 2 SGB XIV-E und der Zweckbestimmung des Sozialen Entschädigungsrechts. 34. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Kritik, Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt – gerade im familiären Bereich – seien mit sogenannten Milieu-Taten (vgl. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 25. Juni 2019, S. 207) oder einer Selbstgefährdung wie bei Reisen in Krisengebiete nicht vergleichbar (Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, Bundesratsdrucksache 351/1/19, S. 9)? Diese Kritik bezieht sich auf die Regelung zur Versagung von Leistungen in § 17 Absatz 2. Wie schon in der Antwort zu Frage 32 ausgeführt, wird in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass in solchen Konstellationen den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist. Verallgemeinerungen im Sinne einer Kategorisierung, z. B. nach Deliktarten, sind nach Auffassung der Bunderegierung wenig zielführend. 35. Sieht die Bundesregierung es als problematisch an, dass Personen, die in der Vergangenheit geschädigt wurden bzw. zum jetzigen Zeitpunkt geschädigt werden, keinen Anspruch nach den neuen Regelungen des SGB XIV-E haben werden? Personen, die vor dem Inkrafttreten des SGB XIV geschädigt wurden und deren Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz bestandskräftig festgestellt worden sind, erhalten die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz weiter (§ 142 Absatz 1 SGB XIV-E). Sie können aber auch die Leistungen des SGB XIV erhalten, wenn sie ihr Wahlrecht gemäß § 152 SGB XIV-E entsprechend ausüben und sich für das neue Recht entscheiden. Personen, die vor dem Inkrafttreten des SGB XIV geschädigt wurden und die den Antrag erst nach Inkrafttreten des SGB XIV stellen , erhalten unter den Voraussetzungen des § 138 Absatz 1 SGB XIV-E die Leistungen nach dem SGB XIV. 36. Aus welchem Grund ist keine der Härtefallregelungen des § 10a des Opferentschädigungsgesetzes entsprechende Norm in den Gesetzestext mit aufgenommen worden? Es trifft nicht zu, dass keine den Härteregelungen des § 10a des Opferentschädigungsgesetzes entsprechende Regelungen in das SGB XIV-E aufgenommen worden sind. Insofern verweist die Bundesregierung auf § 138 Absatz 3 und 4 SGB XIV-E (Besonderer zeitlicher Geltungsgereich für Opfer von Gewalttaten ). Drucksache 19/14904 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 37. Unterscheiden sich nach Auffassung der Bundesregierung die Regelungen zur Beweiserleichterung gemäß § 117 SGB XIV-E von den entsprechenden Regelungen gemäß § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), und wenn ja, wodurch? Die Regelungen in § 117 Absatz 1 und Absatz 3 SGB XIV-E entsprechen − mit einer sprachlichen Präzisierung in Absatz 1 − der Regelung in § 15 KOVVfG. Im Unterschied zu § 15 KOVVfG enthält § 117 SGB XIV-E in seinem Absatz 2 eine Definition der Glaubhaftmachung von Tatsachen, die in Rechtsprechung und Literatur gleichermaßen anerkannt ist. a) Inwiefern ist für die Betroffenen in der neuen Regelung eine Verbesserung im Vergleich zu den Regelungen des KOVVfG zu sehen? Die in § 117 Absatz 2 SGB XIV-E zusätzlich eingefügte Definition der Glaubhaftmachung dient der Transparenz des Gesetzes und seiner Anwendung. b) Welchen möglichen Änderungsbedarf in der Praxis sieht die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Einholung aussagepsychologischer Gutachten, und inwiefern sieht die Bundesregierung in der Einholung dieser Gutachten einen Widerspruch zu der Intention der Regelungen zur Beweiserleichterung, das Verfahren zu erleichtern, die Rechte der Opfer von Gewalttaten und insbesondere von sexuellem Missbrauch zu stärken und eine (Re)Traumatisierung der Betroffenen zu verhindern? Die Frage betrifft das Verwaltungsverfahren. Insoweit wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Die Bundesregierung hat großes Verständnis für das Anliegen vieler Opfer, das ihnen zugefügte Leid nicht immer wieder vortragen zu müssen. Daher wird ihnen durch das Fallmanagement eine Ansprechperson zur Seite gestellt, die sie im Verfahren der Sozialen Entschädigung begleitet. Die Erbringung der Leistungen des Fallmanagements steht grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörden. War das schädigende Ereignis aber eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, ist das Ermessen im Interesse der Betroffenen eingeschränkt. c) Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Bitte um Prüfung, ob den besonderen Bedürfnissen der Opfer sexualisierter Gewalt bzw. sexuellen Missbrauchs durch Anpassung in Bezug auf den Nachweis der Kausalität Rechnung getragen werden kann (vgl. Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, Bundesratsdrucksache 351/1/19, S. 1 f.)? Der Gesetzentwurf trägt den Bedürfnissen der Opfer sexualisierter Gewalt an verschiedenen Stellen Rechnung. Hervorzuheben sind die Regelungen zu dem in der Frage angesprochenen Nachweisschwierigkeiten der Betroffenen. Bei fehlenden Beweismitteln enthält der Gesetzentwurf in § 117 SGB XIV-E Beweiserleichterungen . Den Nachweisschwierigkeiten bei der Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge wird durch § 4 Absatz 4 und 5 SGB XIV-E Rechnung getragen. Es genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Diese wird bei psychischen Gesundheitsstörungen im Einzelfall vermutet, wenn diejenigen medizinischen Tatsachen vorliegen, die nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, einen Ursachenzusammenhang zwischen einem nach Art und Schwere geeigneten schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung und der Schädigungsfolge zu begründen. Die Vermutung kann nur durch einen anderen Kausalverlauf widerlegt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/14904 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. d) Inwiefern käme nach Auffassung der Bundesregierung im Rahmen des SER eine ähnliche Regelung oder eine analoge Anwendung wie in der Soldatenversorgung in Betracht, wo unter Heranziehung der Einsatzunfallverordnung bei bestimmten (psychischen) Störungen die individuelle gutachterliche Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einem Einsatzunfall und der psychischen Störung durch eine generelle, widerlegbare Vermutung dieses Zusammenhangs ersetzt wird? Mit der im SGB XIV-E vorgesehenen Regelung soll insbesondere Opfern sexualisierter Gewalt geholfen werden, die oftmals besondere Schwierigkeiten beim erforderlichen Nachweis der Kausalität zwischen schädigendem Ereignis, Schädigung und Schädigungsfolgen haben. Bei dieser Personengruppe treten vor allem psychische Störungen auf. Eine Übernahme der Regelungen aus der Einsatzunfallverordnung ist nicht beabsichtigt. Bei von sexualisierter Gewalt Betroffenen können eine Vielfalt psychischer Störungen auftreten, sodass eine Aufzählung einzelner Störungen, wie vorgeschlagen, ihrer Situation nicht gerecht werden würde. e) Aus welchen Gründen wurde in § 8 SGB XIV-E die widerlegbare Kausalitätsvermutung auf psychische Gesundheitsstörungen beschränkt , und wie werden diese definiert bzw. abgegrenzt? Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich diese Frage auf § 4 SGB XIV-E bezieht, der in seinen Absätzen 4 bis 6 Regelungen zu Fragen der Kausalitätsfeststellung enthält, und nicht auf § 8 SGB XIV-E, der sich mit der Konkurrenz von Ansprüchen beschäftigt. Zur Begrenzung auf psychische Gesundheitsstörungen wird auf die Antwort zu d) verwiesen. Hinsichtlich der Definition oder Abgrenzung psychischer Störungen sind die aktuellen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft heranzuziehen. 38. Wie stellt die Bundesregierung mit der Reform des SER sicher, der besonderen Situation von Opfern sexuellen Missbrauchs gerecht zu werden und in Bezug auf das Risiko einer Retraumatisierung Mehrfachbefragungen zu verhindern? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 37, dort insbesondere zu 37b verwiesen. 39. Wie verhält sich die Bundesregierung zur Forderung, für Leistungen der Traumaambulanzen bzw. schnellen Hilfen einen späteren als den bisher in § 10 Absatz 5 SGB XIV-E angegebenen Zeitpunkt für einen entsprechenden Antrag festzulegen, um im Sinne der oft psychisch stark belasteten Betroffenen mehr Flexibilität zu ermöglichen? Grundsätzlich werden Leistungen der Sozialen Entschädigung auf Antrag erbracht . Um den Zugang psychisch stark belasteter Personen zu Leistungen der Traumaambulanz zu erleichtern, sieht § 10 Absatz 5 Satz 1 SGB XIV-E eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor. Vor Antragstellung können bis zu zwei Sitzungen in der Traumaambulanz in Anspruch genommen werden. Benötigt die betroffene Person weitere Sitzungen, ist ein Antrag zu stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser kurzgehalten werden kann; es genügt die Mitteilung , dass Leistungen der Sozialen Entschädigung beantragt werden. Durch den Antrag erhält die zuständige Behörde Kenntnis davon, dass von ihr zu tragende Leistungen in Anspruch genommen werden. Zudem wird sie in die Lage versetzt , das Verfahren zur Prüfung von Ansprüchen nach dem SGB XIV einzulei- Drucksache 19/14904 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. ten. Vor diesem Hintergrund erachtet die Bundesregierung die Vorschrift des § 10 Absatz 5 SGB XIV-E für ausgewogen. 40. Wie wird im Rahmen der Definition von § 13 SBG XIV-E die Verbesserung der Situation von Opfern sexueller Gewalt gewährleistet? Wäre es im Sinne aller potenziell betroffenen Altersgruppen dafür nicht notwendig, den Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung explizit in den Gesetzestext mit aufzunehmen? § 13 Absatz 1 SGB XIV umfasst alle körperlichen und psychischen Gewalttaten , darunter fallen auch Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Es wurde darauf verzichtet, einzelne Taten oder Deliktgruppen zu erwähnen, um den Entschädigungstatbestand möglichst offen auch für zukünftige Entwicklungen zu lassen. Die Bundesregierung befürwortet eine Aufnahme gravierender Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in die beispielhafte Aufzählung für ein schwerwiegendes Verhalten in § 13 Absatz 2 SGB XIV. Die Entscheidung über die Umsetzung dieses Vorschlags ist Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens . 41. Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung eine adäquate Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, über Traumaambulanzen sichergestellt werden, wenn keine für diese Opfergruppe spezifischen Traumaambulanzen im Regierungsentwurf zum SGB XIV vorgesehen sind? Wie soll eine Mindestqualifikation des Personals, das entsprechende Sitzungen durchführt, mit Blick auf psychotherapeutische Intervention mit Kindern und Jugendlichen sichergestellt werden? Wie wird zudem sichergestellt, dass das Personal in der Lage ist, die Bezugspersonen des Kindes oder Jugendlichen fachlich fundiert in die Arbeit einzubeziehen und welches zudem über profunde Kenntnisse der kinder- und jugendspezifischen Unterstützungssysteme – vor allem der Kinder- und Jugendhilfe – hat? Wie wird nicht zuletzt gewährleistet, dass Traumaambulanzen kinderund jugendgerecht ausgestattet sind, so wie es fachlich für erforderlich gehalten wird? Ausweislich der Begründung zum Abschnitt über die Traumaambulanz verfolgt die Bundesregierung mit dem SGB XIV-E u. a. das Ziel, Traumaambulanzen flächendeckend im gesamten Bundesgebiet einzuführen und dabei auch den speziellen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen Rechnung zu tragen. Zwar gibt es mittlerweile mehr Traumaambulanzen für Kinder und Jugendliche als früher, das Angebot ist aber immer noch nicht flächendeckend. Mit den weiteren Vorschriften des dritten Abschnitts des Kapitel 4 wird den genannten Zielsetzungen Rechnung getragen. Hiernach haben alle Personen einen Anspruch auf Zugang zu Traumaambulanzen, also auch Kinder und Jugendliche . Bereits aus diesem Anspruch ergibt sich, dass die Angebote altersangemessen sein müssen. Über die Verordnungsermächtigung in § 38 SGB XIV-E, wonach in die Verordnung u. a. Bestimmungen zur Qualifikation des Personals der Traumaambulanz , das die Sitzungen durchführt, aufzunehmen sind, wird sichergestellt, dass die Qualifikation zur Frühintervention bei Kindern- und Jugendlichen gegeben ist. In der Begründung zu § 38 wird ausgeführt, dass bei der Festlegung der erforderlichen Qualifikation darauf zu achten ist, dass diese auch im Hinblick auf die psychotherapeutische Intervention bei Kindern und Jugendlichen gegeben Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/14904 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. ist. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass bei Kindern und Jugendlichen ein erhöhter Abstimmungsbedarf mit Bezugspersonen und weiteren Unterstützungssystemen erforderlich sein kann. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates dem Vorschlag des Bundesrates, die Zahl der Sitzungen in der Traumaambulanz für Kinder und Jugendliche von 15 bis zu 18 zu erhöhen, zugestimmt . Die Entscheidung über die Umsetzung dieses Vorschlags ist Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens. 42. Wie wird nach Auffassung der Bundesregierung gewährleistet, dass Oper sexuellen Missbrauchs, für die eine Hilfe durch das Fallmanagement oder eine Traumaambulanz nicht das adäquate Hilfeinstrument ist, Beratungsund Unterstützungsleistungen z. B. in spezialisierten Fachberatungsstellen erhalten? Die Beratung und Unterstützung der Opfer, auch der Opfer sexuellen Missbrauchs , ist vornehmlich Aufgabe der zuständigen Verwaltungsbehörden. Die Bundesregierung erachtet das neue Instrument des Fallmanagements als die entscheidende Neuerung in diesem Bereich, gerade für Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass bei diesen Personen die Leistungen des Fallmanagements im Regelfall erbracht werden („soll“-Vorschrift). Sollten darüberhinausgehende Beratungs- und Unterstützungsleistungen erforderlich sein, können die Träger der Sozialen Entschädigung entsprechende Kooperationsvereinbarungen schließen (§ 39 SGB XIV-E). Die qualitativen Anforderungen an die Kooperationsvereinbarungen sollen durch Verordnung geregelt werden (§ 40 SGB XIV-E). 43. Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung, in den ergänzenden Leistungen nach § 43 Absatz 2 SGB XIV-E auch besondere Leistungen für minderjährige Opfer, die eine Unterstützung bei der schulischen und/oder beruflichen Laufbahn darstellen, zu verankern? Die Bundesregierung beabsichtigt dies nicht, da sich der Katalog der ergänzenden Leistungen ausschließlich auf Leistungen der Krankenbehandlung bezieht. Die in der Fragestellung beschriebene Bedarfslage wird durch die Leistungen zur Teilhabe an Bildung gemäß § 65 SGB XIV-E gedeckt. 44. Ist beabsichtigt, eine Norm zur Hinzuziehung von Sachverständigen aufzunehmen , die sicherstellt, dass Opfer ein Vorschlags- und Widerspruchsrecht haben und dass Sachverständige über die jeweils spezifisch notwendige fachliche Eignung verfügen, um z. B. Traumafolgestörungen begutachten zu können? Die Frage der Hinzuziehung von Sachverständigen bei der Erstellung von Gutachten im Rahmen des SER ist Teil des Verwaltungsverfahrens und liegt daher in der Zuständigkeit der Länder. Der rechtliche Rahmen des Verwaltungshandelns ist durch das SGB X vorgegeben. Es wird insoweit auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Drucksache 19/14904 – 18 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 45. Welche sonstigen konkreten Maßnahmen und Regelungen sind geplant oder nach Auffassung der Bundesregierung notwendig, um der besonderen Situation von Opfern sexualisierter Gewalt bzw. sexuellen Missbrauchs Rechnung zu tragen und eine (Re-)Traumatisierung im Rahmen der Beantragung von Leistungen nach dem SER entgegenzuwirken? Die Bundesregierung hat großes Verständnis für das Anliegen vieler Opfer, insbesondere von sexualisierter Gewalt und von sexuellem Missbrauch, eine Retraumatisierung zu vermeiden. Hierzu wurde von Betroffenenseite im Gesetzgebungsverfahren vorgetragen, dass das Erfordernis, das zugefügte Leid immer wieder und immer unterschiedlichen Personen mitteilen zu müssen, retraumatisierend wirken kann. Das den Betroffenen zur Seite gestellte Fallmanagement soll sie durch eine konkrete Ansprechperson im gesamten Verfahren der Sozialen Entschädigung begleiten und unterstützen. Diese Unterstützung im Einzelfall durch eine konkrete Ansprechperson soll Retraumatisierungen vermeiden helfen. 46. Wie ist nach der Auffassung der Bundesregierung die fachliche Eignung der Gutachterinnen und Gutachter bei der Begutachtung von Traumafolgestörungen sicherzustellen, und wie positioniert sich die Bundesregierung hinsichtlich eines eigenen Vorschlagsrechts der Betroffenen hinsichtlich geeigneter Gutachterinnen oder Gutachter? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die Antwort zu Frage 44 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 19 – Drucksache 19/14904 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.