Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Torsten Herbst, Frank Sitta, Oliver Luksic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/14321 – Aktualität und Modernisierungsbedarf der europäischen FFH-Richtlinie V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Verkehrsinfrastruktur ist das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft. Eine moderne und gut ausgebaute Infrastruktur ist nicht nur die Voraussetzung für funktionierende Wertschöpfungs- und Logistikketten, sondern auch Grundlage für die Erfüllung der Mobilitätsbedürfnisse der Bürger. Dennoch gehen Infrastrukturprojekte, insbesondere im Verkehrsbereich, durch die extrem langen und komplexen Planungsverfahren oftmals erst Jahrzehnte nach Beschluss über ihre Umsetzung in die Bauphase. Das hat in den vergangenen Jahren zu einem massiven Stau bei der Umsetzung wichtiger Infrastrukturprojekte geführt , obwohl mittlerweile finanzielle Mittel in Höhe von rund 14 Mrd. Euro pro Jahr für Infrastrukturmaßnahmen im Verkehrsbereich zur Verfügung stehen und die Überjährigkeit der Gelder gewährleistet ist. Einen nicht unwesentlichen Anteil an dieser Verlängerung der Planungs- und Genehmigungsverfahren hat das berechtigte politische Ziel, die Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume für Tiere und Pflanzen in Deutschland zu sichern . Um dieses Spannungsverhältnis zwischen einem zeitgemäßen Umweltschutz und einem nachfragegesteuerten Ausbau der Infrastruktur in Einklang zu bringen, ist ein stets aktueller Kenntnisstand über die Schutzgüter auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse unabdingbare Voraussetzung . Naturgemäß kommt es bei den Vorkommen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten im Verlauf der Zeit zu Veränderungen. Während effektiver Umweltschutz an der einen Stelle dafür sorgt, dass bestimmte Arten nicht mehr gefährdet sind, entstehen an anderer Stelle neue Handlungserfordernisse für den Gesetzgeber (www.handelsblatt.com/politik/deutschland/infrastruktur-ausbaudie -blockierte-republik-woran-oeffentliche-projekte-in-deutschland-schei tern/25078986.html?ticket=ST-40768232-es4T65PGcQVUVdjfTeV1-ap6). Trotz dessen wurde die zentrale Rechtsgrundlage für den Naturschutz in der Europäischen Union (EU), die Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (kurz Fauna- Flora-Habitat-Richtlinie bzw. FFH-Richtlinie), seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 1992 nicht aktualisiert. Die FFH-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten der EU damit auf Grundlage des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes von 1992, bestimmte Naturschutzgebiete zu erhalten und zu entwickeln, in denen Lebensräume und Arten von europaweiter Bedeutung vorkommen. Nach Auffassung der Fragesteller gibt es daher hinreichenden Grund zu der Annahme, Deutscher Bundestag Drucksache 19/14959 19. Wahlperiode 08.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 5. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. dass die FFH-Richtlinie anhand neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse aktualisiert werden sollte.  1. In welcher Art und Weise setzt sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine Aktualisierung der Anhänge der FFH-Richtlinie auf Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ein? Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Ebene nicht für eine Aktualisierung der Anhänge der FFH-Richtlinie ein und verweist auf den sog. Fitness- Check der EU: www.bfn.de/themen/natura-2000/eu-fitness-check.html.  2. Wie ist der aktuelle Stand des Monitoring-Prozesses der Europäischen Kommission zur FFH-Richtlinie, und wann wird die Bundesregierung ihren Bericht über den Erhaltungszustand für den Zeitraum von 2013 bis 2018 dem Deutschen Bundestag zuleiten? Die Mitgliedstaaten haben ihre nationalen Berichtsdaten für den Berichtszeitraum 2013 bis 2018 fristgerecht vor dem 31. August 2019 bei der EU- Kommission eingereicht. Die EU-Kommission bereitet auf dieser Grundlage einen Gemeinschaftsbericht zur FFH-Richtlinie vor, der Ende 2020 veröffentlicht werden soll. Die von der Bundesregierung an die EU-Kommission übermittelten Daten für Deutschland sind auf folgender Webseite einzusehen: http://cdr.ei onet.europa.eu/de/eu/art17/envxuwlta/DE_habitats_reports.xml/manage_docu ment. Das Bundesamt für Naturschutz hat die Informationen unter folgendem Link in verständlicher, nicht technischer Form zusammengefasst und aufbereitet: www.bfn.de/themen/natura-2000/berichte-monitoring/nationaler-ffh-bericht/ berichtsdaten.html.  3. Bei wie vielen Infrastrukturprojekten zum Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege wurden in den vergangenen zehn Jahren Vorkommen besonders schützenswerter Tier- und Pflanzenarten festgestellt, die in den Anhängen der FFH-Richtlinie aufgeführt sind (bitte in absoluten Zahlen sowie als Anteil aller Projekte angeben)?  4. Wie viele Vorkommen besonders schützenswerter Tier- und Pflanzenarten , die in den Anhängen der FFH-Richtlinie aufgeführt sind, wurden in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich bei Infrastrukturprojekten zum Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege festgestellt?  5. Welches waren die zehn am häufigsten gefundenen und durch die FFH- Richtlinie geschützten Tierarten, die beim Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege in den vergangenen zehn Jahren festgestellt wurden, und bei wie vielen Infrastrukturprojekten wurden diese Arten jeweils registriert?  6. Welches waren die zehn am häufigsten gefundenen und durch die FFH- Richtlinie geschützten Pflanzenarten, die beim Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege in den vergangenen zehn Jahren festgestellt wurden, und bei wie vielen Infrastrukturprojekten wurden diese Arten jeweils registriert?  7. Bei welchen zehn Infrastrukturprojekten zum Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege wurden in den vergangenen zehn Jahren die meisten durch die FFH-Richtlinie geschützten Tier- und Drucksache 19/14959 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Pflanzenarten festgestellt, und welche Arten waren dies jeweils (bitte nach Projekt einzeln aufschlüsseln)?  9. Wie viele FFH-Verträglichkeitsprüfungen im Rahmen des Aus- und Neubaus der Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren durchgeführt (bitte nach FFH-Vorprüfung und vertiefender FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 ff. des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sowie nach Jahr aufschlüsseln) 10. Wie viele Monate nahmen die FFH-Verträglichkeitsprüfungen im Rahmen des Aus- und Neubaus der Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich in Anspruch? Die Fragen 3 bis 7, 9 und 10 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung sowie die Länder, denen die Planung und Ausführung von Infrastrukturprojekten zum Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen im Auftrag des Bundes obliegt, führen keine systematische Erfassung über die durch den Neu- oder Ausbau von Bundesfernstraßen betroffenen Tier- und Pflanzenarten der Anhänge der FFH-Richtlinie durch. Daher stehen keine Auswertungen und Statistiken zur Verfügung. Gleiches gilt für die Erfassung von festgesetzten Schadensbegrenzung-, Ausgleichs- oder Kohärenzsicherungsmaßnahmen . Durch das Eisenbahn-Bundesamt erfolgt keine vorhabenübergreifende systematische Datenerfassung darüber, welche Planrechtsverfahren im Hinblick auf die Sicherstellung ihrer Konformität mit dem Schutzregime der FHH-Richtlinie die Durchführung einer Vor- oder Verträglichkeitsprüfung erforderlich machen, welche konkreten Arten in diesen Fällen betroffen sind und ob Gegenstand dieser Planvorhaben ggf. der Aus- und Neubau von Schienenwegen ist. Gleiches gilt für den zeitlichen Aufwand, der auf die Durchführung dieser Vor- und Verträglichkeitsprüfungen sowie auf die Planung und Durchführung entsprechender Ausgleichsmaßnahmen entfällt, zumal sich hier oft inhaltliche Überschneidungen mit anderen naturschutzrechtlichen Schutzvorschriften ergeben, namentlich dem Artenschutz und der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung gemäß § 13 ff. des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG).  8. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung besonders schützenswerte Tier- und Pflanzenarten in Deutschland, die gegenwärtig nicht in den Anhängen der FFH-Richtlinie aufgeführt sind, und falls ja, welche Arten sind dies? Weitere national in Deutschland besonders schützenswerte Arten können den Anhängen der Bundesartenschutzverordnung entnommen werden. Zudem enthält die Verordnung (EG) Nr. 338/97 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels weitere unter Schutz stehende Arten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14959 11. Wie viele Ausgleichsmaßnahmen für den Eingriff in durch die FFH- Richtlinie geschützte Habitate im Rahmen des Aus- und Neubaus der Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren durchgeführt, und wie hoch waren die Kosten für diese Ausgleichsmaßnahmen (bitte nach Jahr aufschlüsseln)? 12. Bei welchen zehn Infrastrukturprojekten zum Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege wurden in den vergangenen zehn Jahren die meisten Mittel für Ausgleichsmaßnahmen nach der FFH- Richtlinie zur Verfügung gestellt, und wie hoch waren die jeweiligen Kosten für die Ausgleichsmaßnahmen (bitte nach Projekt einzeln aufschlüsseln )? Die Fragen 11 und 12 werden gemeinsam beantwortet. Es erfolgt keine vorhabenübergreifende systematische Erfassung der Anzahl und der Kosten der durchgeführten habitatschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen gemäß FFH-Richtlinie (sogenannte Kohärenzmaßnahmen) für den Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen und Bundesschienenwegen. Bezüglich der Vorhaben des Bedarfsplans Schiene liegen dem Eisenbahn- Bundesamt lediglich Erkenntnisse über Gesamtkosten von Maßnahmen vor, die im Rahmen von Landschaftspflegerischen Begleitplänen (LBP) finanziert werden . Die LBPs umfassen neben den Kohärenzmaßnahmen auch die Ausgleichsmaßnahmen für andere naturschutzrechtliche Anforderungen wie beispielsweise den Artenschutz und die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Die Anzahl und die spezifischen Kosten für die Kohärenzmaßnahmen liegen der Bundesregierung nicht vor. 13. Kommen nach Kenntnis der Bundesregierung in anderen EU- Mitgliedstaaten sogenannte Stichtagregelungen beim Aus- und Neubau von Infrastrukturprojekten zur Anwendung, bei denen nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Einwände auf Grundlage der FFH-Richtlinie gegen Infrastrukturprojekte vorgebracht werden können, und wenn ja, in welchen Mitgliedstaaten ist dies der Fall? Der Bundesregierung sind keine derartigen Regelungen in anderen Mitgliedstaaten bekannt. Drucksache 19/14959 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333