Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Busen, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/14471 – Borkenkäfer in stillgelegten Wäldern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Wälder in Deutschland sind geschwächt von der Trockenheit. Der Borkenkäfer gab Millionen von Bäumen in den vergangenen Monaten den Rest – weite Landesteile bestehen nahezu ausschließlich aus Schadholz (www.tages spiegel.de/wirtschaft/das-naechste-waldsterben-ist-der-deutsche-wald-nochzu -retten/24957944.html). Dies betrifft auch sogenannte naturbelassene Wälder , also Wälder, die sich selbst überlassen werden, stillgelegt sind. Dort verbieten naturschutzrechtliche Vorschriften die Bewirtschaftung und damit auch den Abtransport des Schadholzes. So bleiben dem Borkenkäfer große Brutstätten in den Wäldern erhalten. Statt nach Ansicht der Fragesteller kontraproduktiver Waldstilllegungen braucht es derzeit eine aktive Waldwirtschaft zum Erhalt wichtiger Waldsubstanz. 1. Welche Beobachtungen laut § 6 des Bundesnaturschutzgesetzes macht die Bundesregierung derzeit hinsichtlich des Schädlingsdrucks und des Vorkommens an Kalamitäten in stillgelegten Waldbeständen? 2. Welche Beobachtungen laut § 6 des Bundesnaturschutzgesetzes hat die Bundesregierung in den letzten zwei Jahren hinsichtlich des Schädlingsdrucks und des Vorkommens an Kalamitäten in stillgelegten Waldbeständen gemacht? Die Frage 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Nach § 6 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) beobachten nicht nur der Bund, sondern auch die Länder jeweils im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Natur und Landschaft. Dieses Monitoring ist vor dem Hintergrund der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nach § 1 BNatSchG zu sehen. Es dient der gezielten Ermittlung, Beschreibung und Bewertung des Zustands der beiden Schutzgüter Natur und Landschaft und ihrer Veränderungen einschließlich der Ursachen und Folgen dieser Veränderungen. Die Beobachtung umfasst insbesondere den Zustand bestimmter Landschaften, Biotope und Arten zur Erfüllung unions- und völkerrechtlicher Verpflichtungen, z. B. den Erhaltungszu- Deutscher Bundestag Drucksache 19/14968 19. Wahlperiode 08.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 6. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. stand der natürlichen, nach der Richtlinie 92/43/EWG geschützten Lebensraumtypen sowie das Vorkommen invasiver Arten im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014. Die besondere Erfassung des Schädlingsbefalls in Wäldern ist nicht Gegenstand dieser Aufgabe. Bei dem im Zusammenhang mit den akuten, großflächigen Ausfällen in der Fichte relevanten Borkenkäferarten (insbesondere Ips typographus und Pityogenes chalcographus) handelt es sich um keine besonders geschützten oder von den vorgenannten Monitoringverpflichtungen erfassten Arten. Aus den Beobachtungen nach § 6 BNatSchG liegen der Bundesregierung dementsprechend keine Erkenntnisse zum Schädlingsbefall von Wäldern vor, sondern allenfalls Informationen zu den Erhaltungszuständen der waldbezogenen FFH-Lebensraumtypen. Die dem aktuellen FFH-Bericht 2019 zugrunde liegende Datenerhebung wurde kurz vor der Vegetationsperiode 2018 abgeschlossen , so dass eventuelle Auswirkungen auf die Waldlebensraumtypen erst für den anstehenden sechsjährigen Berichtszeitraum relevant werden. 3. Setzt sich die Bundesregierung den Verbleib von borkenkäferbedingten Kalamitäten in stillgelegten Wäldern ein oder nicht (www.deutschland funk.de/walds terben- jeder-muss-s ich-um-se inen-wald-kuem mern.694.de.html?dram:article_id=457492; www.morgenpost.de/politik/ article227187529/Wie-die-Umweltministerin-den-deutschen-Wald-rettenwill .html)? Vom Borkenkäfer befallenes Holz soll grundsätzlich aus Wäldern, die sich selbst überlassen werden, nach Auffassung der Bundesregierung nicht entnommen werden. Im Falle einer Insektenkalamität ist eine Holzentnahme für Wälder mit rechtlich festgelegter Zielbestimmung einer natürlichen Waldentwicklung prinzipiell nur zulässig zur unmittelbaren Gefahrenabwehr. Dies bezieht sich auf Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht so wie auch des Waldschutzes. So können bei Gefahr im Verzug für die Nachbarwälder Forstschutzmaßnahmen auch in Wäldern mit natürlicher Waldentwicklung zulässig sein. Die konkreten Vorgaben können in diesem Zusammenhang je nach Schutzstatus und räumlicher Lage der betroffenen Flächen variieren. Die Naturdynamikzonen der Nationalparke und die Kernzonen von Biosphärenreservaten haben zum Ziel, den möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten. Die Möglichkeit zur Fällung befallener Bäume und die Räumung von befallenem Schadholz richtet sich in diesen Gebieten nach der jeweiligen landesrechtlichen Schutzgebietsverordnung. Auch auf Flächen die von den Ländern als Naturwaldreservat, Naturwaldzelle oder Bannwald ausgewiesen sind gibt es länderspezifische Vorgaben. 4. Inwieweit hält die Bundesregierung daran fest, offensichtlich fichtengeprägte Wälder einer natürlichen Waldentwicklung zu überlassen, obwohl die Problematik mit dem Borkenkäfer während des Sommers 2019 stark zugenommen hat? Für fichtengeprägte Wälder in der NWE-Kulisse (die etwa 0,2 Prozent der deutschen Landfläche einnehmen) gelten grundsätzlich die in Bezug zu Frage 3 getroffenen Aussagen. Drucksache 19/14968 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Welche Erkenntnisse liegen der Bunderegierung vor, wonach Waldstilllegungen mehr Kohlenstoff binden sollen als ein aktiv bewirtschafteter Wald, und bezieht die Bundesregierung in dieser Frage vor dem Hintergrund diesbezüglich widersprüchlicher Äußerungen der Bundesministerinnen für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und Ernährung und Landwirtschaft eine einheitliche Position (www.topagrar.com/jagd-undwald /news/schulze-schlaegt-umstellungspraemie-fuer-waldbesitzervor -11806709.html)? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP „Aktive Waldbewirtschaftung als Beitrag zum Klimaschutz „auf Bundestagsdrucksache 19/13188 verwiesen. Die Bundesregierung setzt sich neben der langfristigen Erhaltung von Wäldern und deren nachhaltiger Bewirtschaftung unter Klimagesichtspunkten auch für den Erhalt der biologischen Vielfalt in den Wäldern gemäß der relevanten Ziele der nationalen Biodiversitätsstrategie ein. Hierzu zählt, einen bestimmten Anteil an Wäldern aus der Nutzung zu nehmen und dort eine ungestörte Waldentwicklung zuzulassen. 6. Wie viele Forstflächen befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit einer Konversion zu einer Waldstilllegung (bitte die Flächengröße in Hektar je Konversionsprozess angeben)? Konversionsprozess ist im Naturschutz keine eingeführte Begrifflichkeit. Derzeit gibt es in Deutschland etwa 324.000 ha NWE-Flächen, die dauerhaft für die natürliche Waldentwicklung gesichert sind und den unter zu 6c aufgeführten Kriterien entsprechen. Das entspricht gemäß der BWI3 einem Anteil von ca. 2,8 Prozent der Waldfläche. Aber auch weitere nutzungsfreie Waldflächen ohne einen dauerhaften rechtlichen Schutzstatus können relevante Beiträge zur Erhaltung der Biodiversität im Wald leisten. Das Thünen-Institut schätzt auf der Basis der Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2012, dass derzeit unter Einbezug nicht begehbarer Flächen bis zu 5,6 Prozent der Waldfläche Deutschlands nutzungsfrei sind. Hinzu kommen ungenutzte Kleinflächen, die mosaikartig über die Waldfläche verteilt vorhanden, aber nur schwer erfassbar sind. Eine Flächenaufstellung der Flächengröße je Konversionsprozess liegt der Bundesregierung nicht vor. a) Welche Zeitdauer wird für einen Konversionsprozess benötigt? Es gibt keine allgemein verbindliche Vorgabe für die Umstellung von Wirtschaftswald mit Holzentnahme hin zu Wäldern mit natürlicher Waldentwicklung . Im Prinzip kann dieser Vorgang mit der Entscheidung und rechtlichen Sicherung ohne weitere Übergangsprozesse umgesetzt sein. Vielfach sind jedoch je nach Ausgangslage (u. a. Altersstruktur, Baumartenzusammensetzung und Strukturgefüge der Waldflächen) Übergangsphasen von bis zu mehreren Jahrzehnten geplant. Die entsprechenden Konzepte können je nach Eigentumsart, Schutzkategorie und anderen Faktoren auch bezüglich ihrer zeitlichen Umsetzungsschiene sehr unterschiedlich ausfallen. Für alle im Rahmen des Nationalen Naturerbes übertragenen Waldflächen ist die möglichst schnelle Überführung in den Prozessschutz das vorrangige Ziel und eine mit der Übertragung verbundene Auflage. Bisherige forstwirtschaftliche Nutzungen werden nicht fortgeführt. Bereits naturnahe Wälder werden mit dem Zeitpunkt der Flächenübertragung dem Prozessschutz überlassen. In den übrigen Waldbereichen (z. B. in naturfernen Nadelholzbeständen) werden mittelfristig noch geeignete Entwicklungssteuerungsmaßnahmen durchgeführt, um die standortheimische Baumartenzusammensetzung zu fördern, bevor auch die- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14968 se Waldbereiche der natürlichen Entwicklung überlassen werden. Davon ausgenommen sind Waldbestände, die aus Gründen des Naturschutzes auf eine spezielle Pflege angewiesen sind, wie z. B. bestimmte eichendominierte FFH- Lebensraumtypen, naturschutzfachlich wertvolle historische Waldnutzungsformen (Mittelwälder, Hudewälder) sowie Maßnahmen der Verkehrssicherung und des Forstschutzes (siehe Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP „Übertragung von Waldflächen“ auf Bundestagsdrucksache 19/9665). b) Wer betreut eine Konversion von einem genutzten Wirtschaftswald hin zu einem stillgelegten Wald? Es gibt keine einheitliche Vorgabe, wer den Übergang von einem Wirtschaftswald mit Holzentnahme zu einem Wald mit natürlicher Waldentwicklung betreut . Auch hier können die Eigentumsart, Flächengröße, Waldbeschaffenheit und andere Faktoren wie Altersstruktur und Baumartenzusammensetzung zu sehr individuellen und unterschiedlichen Situationen führen. Zwischen den Empfängern der Flächen des Nationalen Naturerbes und der BIm A wurden auf der Grundlage des Haushaltsvermerks zum Nationalen Naturerbe (Kap 6004, Nr. 60.1) Dienstleistungsverträge abgeschlossen. Waldflächen des Nationalen Naturerbes sollen grundsätzlich aus der Nutzung genommen werden. Die Nutzungsaufgabe erfolgt in Abhängigkeit von der Naturnähe der Waldbestände. Sofern die Waldbestände noch nicht naturnah sind, sind Entwicklungsmaßnahmen in einem Übergangszeitraum möglich. Details der Betreuung und Verwaltung dazu sind im Dienstleistungsvertrag geregelt (siehe Antwort zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP „Übertragung von Waldflächen“ auf Bundestagsdrucksache 19/9665). c) Welche Parameter werden für einen Konversionsprozess herangezogen? Es gibt keine konkreten Parametervorgaben für die Herausnahme von Waldflächen aus der forstlichen Nutzung. 7. Welche Maßnahmen werden nach Kenntnis der Bundesregierung ergriffen, um die Bestände der Nationalparks in Deutschland gegenüber den klimatischen Veränderungen zu stabilisieren? Aufgrund der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung obliegen Ausweisung, Betrieb und Entwicklung von Nationalparken, einschließlich ihrer Waldgebiete, den jeweiligen Ländern. Der Bundesregierung liegen daher keine Daten zu möglichen klimatischen Veränderungen bezogen auf die deutschen Nationalparke vor. Die Naturdynamikzonen der Nationalparke haben zum Ziel, den möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten . Waldumbaumaßnahmen in diesen Gebieten müssen sich nach der jeweiligen landesrechtlichen Schutzgebietsverordnung richten. 8. Sieht die Bundesregierung die Naturverjüngung hinsichtlich der ungestörten Entwicklung von stillgelegten Wäldern als ein geeignetes Mittel den klimastabilen Waldumbau umzusetzen? In nicht genutzten Wäldern gibt es zur Naturverjüngung keine Alternative. Waldbau als aktive Maßnahme wird dort nicht betrieben. Drucksache 19/14968 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333