Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Dr. André Hahn, Zaklin Nastic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/14238 – Pläne Deutschlands und Frankreichs zur Gestaltung eines gesamteuropäischen Raums unter Einschluss Russlands V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Perspektiven eines künftigen gesamteuropäischen Raums von Lissabon bis Wladiwostok “ vom 5. Oktober 2018 (siehe Bundestagsdrucksache 19/4758, Antwort zu Frage 9) „sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, einen neuen Vertrag über die Europäische Sicherheit auszuarbeiten.“ In demselben Dokument weist die Bundesregierung darauf hin, dass auch für die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok die Voraussetzungen derzeit nicht erfüllt sind (ebenda, Antwort zu Frage 24). Darüber hinaus hat die Bundesregierung „weder nachgeordnete Bundesbehörden noch sonstige Institutionen mit der Entwicklung von Plänen zur Gestaltung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok beauftragt“ (ebenda, Antwort zu Frage 34). Bei der Eröffnung des 17. Treffens des deutsch-russischen Petersburger Dialogs im Oktober 2018 in Moskau sprach der Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier über einen „europäischen Wohlstandsraum“ (siehe dazu www.oaoev.de/de/altmaier-ka empft-um-die-deutsch-russische-zukunft). Im Spätsommer und Herbst 2019 sorgten die Erklärungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron über die Notwendigkeit einer grundlegenden Neugestaltung der Beziehungen der EU zu Russland und eine neue europäische Sicherheitsarchitektur für ein großes mediales Aufsehen (siehe dazu „En Marche nach Moskau“ in Handelsblatt am 11. September 2019, S. 14). Pierre Vimont, einer der prominentesten Diplomaten Frankreichs, „soll künftig die nächsten Annäherungsschritte überwachen und eine strategische „Roadmap “ ausarbeiten“ (siehe „Macrons Annäherung an Moskau wird konkreter“ in FAZ vom 10. September 2019). Deutscher Bundestag Drucksache 19/14986 19. Wahlperiode 11.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 7. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sind vielfältig. Das politische Verhältnis wird überschattet von Verstößen Russlands gegen völkerrechtliche Grundprinzipien: Mit der illegalen Annexion der Krim und der fortgesetzten Destabilisierung der Ostukraine hat Russland Grundprinzipien des Völkerrechts und der europäischen Nachkriegsordnung verletzt und im Gegensatz zu den selbst eingegangenen Verpflichtungen gehandelt, die etwa aus der Helsinki- Schlussakte wie auch aus der Charta von Paris und dem Budapester Memorandum erwachsen. Aus diesem Grund hat die EU im Jahr 2014 gegen die Russische Föderation einstimmig Sanktionen verhängt, mit denen die EU und mit ihr die Bundesregierung das Ziel verfolgen, eine Verhaltensänderung der Russischen Föderation in ihrer Ukraine-Politik herbeizuführen und zu einer Lösung des Konfliktes in der Ostukraine und auf der Krim beizutragen. Die Bundesregierung bewertet die den Sanktionen zugrundeliegende politische Lage fortlaufend . Die Gründe für die Verhängung der Sanktionen bestehen weiterhin fort. Gleichzeitig unterhält die Bundesregierung mit Russland eine Vielzahl von Dialogkanälen. Zum Beispiel tauschen sich beide Staaten über aktuelle Fragen der Sicherheitspolitik im Rahmen der deutsch-russischen Hohen Arbeitsgruppe für Sicherheitspolitik (HAGS) aus. Ein anderes wichtiges bilaterales Forum für den deutsch-russischen Dialog ist der jährlich tagende Petersburger Dialog mit zehn Arbeitsgruppen zu verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Zudem heben beide Seiten mit den gemeinsamen deutsch-russischen Themenjahren jeweils einen Bereich der bilateralen Zusammenarbeit besonders hervor. Darüber hinaus besteht zwischen Deutschland und Russland ein reger Kultur- und Bildungsaustausch . 1. Hat die Bundesregierung die Äußerung des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron über die Notwendigkeit einer grundlegenden Neugestaltung der Beziehungen der EU zu Russland geteilt (siehe die Rede des französischen Staatspräsidenten auf der Botschafterkonferenz am 27. August 2019; https://de.ambafrance.org/Auszuge-aus-der-Rede-des-franzo sischen-Staatsprasidenten-bei-der)? Grundlage der Beziehungen der Europäischen Union zur Russischen Föderation sind die gemeinsam festgelegten fünf Prinzipien von März 2016 (https://ee as.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/5490/remarks-by-high-repre sentativevice-president-federica-mogherini-at-the-press-conference-following-t he-foreign-affairs-council_en). Diese Prinzipien beinhalten auch ein selektives Engagement mit Russland in Bereichen, bei denen ein substantielles Interesse der Europäischen Union an Dialog besteht. Auf dieser Basis unterstützt die Bundesregierung einen Dialog mit Russland über europäische Sicherheit, internationale Krisenherde und Zukunftsthemen in Übereinstimmung mit den gemeinsam festgelegten Prinzipien und im Rahmen bestehender Strukturen der EU, NATO und OSZE. Drucksache 19/14986 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Beabsichtigt die Bundesregierung auf den Wunsch des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, eine „neue europäische Sicherheitsarchitektur “ zu gestalten, zu reagieren (www.faz.net/aktuell/politik/aus land/ende-diplomatischer-eiszeit-zwischen-macron-und-putin-16341476 .html), und wenn ja, wie? Die Bundesregierung unterstützt den Ansatz eines inklusiven und langfristigen Dialogs über europäische Sicherheit zwischen Europa und Russland. Deutschland und Frankreich haben beim Deutsch-Französischen Ministerrat am 16. Oktober 2019 in Toulouse ihr Bekenntnis bekräftigt, den Einsatz für eine Stärkung des Dialogs mit Russland sowohl in der EU (auf Grundlage der fünf Prinzipien vom März 2016) als auch in der NATO (auf Grundlage der Gipfelbeschlüsse von Warschau und Brüssel) zu intensivieren (vgl. Erklärung von Toulouse unter www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/deutsch-franzoesi sche-erklaerung-von-toulouse-16-oktober-2019-1682252; Schlussfolgerungen des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats unter www.aus waertiges-amt.de/blob/2257854/979d5071a5fc74d31e3e850167c90dea/191016 -erklaerung-data.pdf und textgleich unter www.bmvg.de/resource/blob/137226/ 7a13b5831381598f74bed269eabbe1f1/20191016-download-data.pdf). 3. Über welche Erkenntnisse zu den Plänen des französischen Präsidenten, eine Arbeitsgruppe für einen kontinuierlichen Dialog mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin aufzustellen, verfügt die Bundesregierung ? Plant die Bundesregierung, sich an der Arbeit der erwähnten Arbeitsgruppe zu beteiligen (siehe die Rede des französischen Staatspräsidenten auf der Botschafterkonferenz am 27. August 2019)? Die Intensivierung des Dialogs mit der Russischen Föderation wird von Staatspräsident Macron bereits seit 2018 thematisiert. Nach seinem Treffen mit Präsident Putin am 19. August 2019 in Fort Brégançon und seiner Rede auf der französischen Botschafterkonferenz am 27. August 2019 hat er am 8. September 2019 den ehemaligen Botschafter und Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Pierre Vimont, zum Beauftragten für den Dialog mit der Russischen Föderation ernannt. Die französischen Vorschläge für einen Dialog mit der Russischen Föderation umfassen mehrere Themengebiete, unter anderem Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung, die Zukunft der strategischen Stabilität in Europa und regionale Konflikte. Die „Agenda des Vertrauens und der Sicherheit“ wurde anlässlich des Besuches des französischen Außenministers Le Drian und der französischen Verteidigungsministerin Parly am 9. September 2019 in Moskau mit der russischen Regierung besprochen. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14986 4. Inwiefern sollen nach Ansicht der Bundesregierung die Beziehungen beider Länder zu Russland im Rahmen der besonderen deutsch-französischen Kooperationsbeziehungen des Aachener Vertrags besprochen werden? Die Bundesregierung steht zu allen außen- und sicherheitspolitischen Fragen in einem kontinuierlichen und engen Austausch mit Frankreich. Die Beziehungen beider Länder zu Russland wurden zum Beispiel im Rahmen des Deutsch- Französischen Ministerrats am 16. Oktober 2019 in Toulouse erörtert (vgl. Erklärung von Toulouse unter www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/deutsc h-franzoesische-erklaerung-von-toulouse-16-oktober-2019-1682252; Schlussfolgerungen des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats unter www.auswaertiges-amt.de/blob/2257854/979d5071a5fc74d31e3e850167c9 0dea/191016-erklaerung-data.pdf und textgleich unter www.bmvg.de/resource/ blob/137226/7a13b5831381598f74bed269eabbe1f1/20191016-download-data .pdf). 5. Wird die Bundesregierung über die Inhalte der strategischen „Roadmap“ zu Russland durch die französische Seite informiert? Die Bundesregierung steht mit ihren französischen Partnern in kontinuierlichem und engem Austausch. Einzelheiten einer strategischen „Roadmap“ Frankreichs zu Russland sind der Bundesregierung nicht bekannt. 6. Was sind die Eckpunkte des vom Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vorgeschlagenen Konzepts eines „europäischen Wohlstandsraums “ (siehe dazu www.oaoev.de/de/altmaier-kaempft-um-die-deutsch-r ussische-zukunft)? Verfügt die Bundesregierung über eine Ausarbeitung des genannten Konzepts in schriftlicher Form? 7. Wurde das Konzept eines „europäischen Wohlstandsraums“ gegenüber anderen europäischen Staaten seitens der Bundesregierung bereits thematisiert ? Wenn nicht, beabsichtigt die Bundesregierung für das genannte Konzept weitere Staaten zu gewinnen? 8. Worin besteht nach Ansicht der Bundesregierung der Unterschied zwischen der Vision des gesamteuropäischen Raums von Lissabon bis Wladiwostok und dem vom Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vorgeschlagenen „europäischen Wohlstandsraum“? Die Fragen 6 bis 8 werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung will die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Tätigkeit im gesamten eurasischen Raum unterstützen. Die Bundesregierung verfolgt dabei das Ziel, Wachstum und Wohlstand in den Ländern Europas und Asiens zu fördern, insbesondere durch die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen der Außenwirtschaftsförderung und die Stärkung der multilateralen Organisationen in Abstimmung mit den europäischen Partnern. Drucksache 19/14986 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Welche konkreten Schritte beabsichtigt die Bundesregierung künftig zu unternehmen, um „die Zeiten der Sprachlosigkeit“ zwischen Deutschland und Russland zu überwinden und „einen neuen Anlauf“ vorzunehmen (siehe dazu die Aussage von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: www.zeit.de/news/2019-02/21/altmaier-fuer-neuen-anlauf-bei-beziehun gen-zu-russland-190221-99-79983)? Die Bundesregierung unterhält einen Dialog mit der Russischen Föderation auf allen Ebenen unterhalb der weiterhin ausgesetzten Regierungskonsultationen durch Konsultationen, Besuche und Gespräche in regelmäßigen Formaten wie der Strategischen Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Finanzen sowie der Hohen Arbeitsgruppe für Sicherheitspolitik (HAGS). In Kooperation mit ihren Partnern finden regelmäßige Treffen zum Beispiel im Rahmen des NATO- Russland-Rates statt, für deren Durchführung sich die Bundesregierung regelmäßig einsetzt. Auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ostukraine hat die Bundesregierung im Einklang mit ihren Partnern in der Europäischen Union deutlich reagiert. Die Reaktion ist eine Strategie mit klarer Sanktionierung des Völkerrechtsbruchs, aber auch mit dem Signal, den Dialog aufrecht zu erhalten und über Konfliktfelder mit dem Ziel der Entschärfung und der Wiederannäherung zu sprechen. Die Bundesregierung spricht schwierige Themen regelmäßig und auf allen Ebenen gegenüber Russland an und setzt mit vertrauensfördernden Maßnahmen wie dem deutsch-russischen Themenjahr Zeichen für den Abbau von Fehlperzeptionen und für ein konstruktives Verhältnis zu Russland, insbesondere im Verhältnis zur russischen Zivilgesellschaft. 10. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu den Vorschlägen und Feststellungen aus dem Positionspapier des Ost-Ausschusses „ ,Neue Agenda ʻ für die europäisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen“ (siehe dazu www.oaoev.de/sites/default/files/pm_pdf/OAOEV-PP%20Russland-01.2 019_4.pdf)? a) Ist es angedacht, einzelne Punkte aufzugreifen? b) Wenn ja, welche? Die Fragen 10 bis 10b werden zusammengefasst beantwortet. Wirtschaftskooperation und Handelsbeziehungen mit Russland in von EU-Sanktionen nicht betroffenen Wirtschaftsbereichen liegen auch im Interesse der Bundesregierung . Die Bundesregierung begrüßt daher das Engagement des Ost-Ausschusses – Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft e. V. zur Weiterentwicklung der europäisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen, einschließlich des Positionspapiers „Gemeinsame Interessen definieren – gemeinsame Projekte umsetzen: Eine ‚Neue Agenda‘ für die europäisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen “. Der Ost-Ausschuss – Osteuropaverein wirkt zudem an der Umsetzung der Absichtserklärung über die deutsch-russische Effizienzpartnerschaft mit, die der Bundesminister für Wirtschaft und Energie und der Minister für wirtschaftliche Entwicklung der Russischen Föderation am 7. Juni 2019 vereinbart haben. Die Absichtserklärung umfasst viele Bereiche wirtschaftspolitischer Zusammenarbeit, unter anderem Mittelstand, Aus- und Fortbildung, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien sowie Digitalisierung. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14986 11. Ist der Bundesregierung die Initiative Lissabon-Wladiwostok (https://lis bon-vladivostok.pro/) bekannt? Wenn ja, inwiefern unterstützt die Bundesregierung die genannte Initiative ? Der Bundesregierung ist die Initiative Lissabon-Wladiwostok bekannt. Hinsichtlich der Haltung der Bundesregierung zum gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 21 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/4758 verwiesen. 12. Plant die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wie der französische Staatspräsident Emmanuel Macron auch, anlässlich der Feierlichkeiten zum 75. Jahresgedenken an die Befreiung vom Hitlerfaschismus nach Moskau zu reisen und an der Militärparade am 9. Mai 2020 teilzunehmen ? Über eine Teilnahme der Bundeskanzlerin an den Feierlichkeiten würde die Bundesregierung wie üblich rechtzeitig informieren. Drucksache 19/14986 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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