Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Benjamin Strasser, Stephan Thomae, Katharina Willkomm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/14320 – Eintragung des Anis Amri in die Antiterrordatei V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 19. Dezember 2016 kam es auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz zum schwersten islamistisch motivierten Anschlag in Deutschland. Der Tunesier Anis Amri tötete dabei zwölf Menschen und verletzte viele weitere Menschen schwer. Der Attentäter stand unter intensiver Beobachtung von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten, da er bereits Ende 2015 gegenüber einer eingesetzten Vertrauensperson des LKA NRW über die Planung von Anschlägen sprach. Im Verlauf des Jahres 2016 wurde er regelmäßig im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) thematisiert. Die Bewertung seines Gefährdungspotentials wurde im Sommer 2016 zunehmend geringer bewertet. Das ermittlungsführende Landeskriminalamt Berlin folgerte dies u. a. aus der Einbindung des Islamisten in den Bereich der BTM- Kriminalität und setzte Überwachungsmaßnahmen gegen Amri nicht in der gleichen Intensität fort. Die Observationsmaßnahmen gegen Amri endeten daher im Juni 2016, die TKÜ im September 2016 (vgl. Abschlussbericht des Sonderbeauftragten des Berliner Senats Bruno Jost zum Fall Anis Amri: www.berlin.de/sen/inneres/presse/weitere-informationen/abschlussberichtbruno -jost.pdf). Aus Sicht der Fragesteller ist zu klären, ob und aus welchen Gründen der Attentäter und dessen Kontaktpersonen in Datenbanken wie der Antiterrordatei (ATD) gespeichert waren und welche Konsequenzen mögliche Einträge für die Aktivitäten der Polizeibehörden und Nachrichtendienste im Umgang mit den Personen hatten. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Antwort auf verschiedene Fragen kann in Teilen nicht offen erfolgen. Die Einstufung der Antwort auf die Fragen als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Geheim“ ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich. Nach § 2 Absatz 2 Nummer 2, 3 und 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz vom 10. August 2018 (Verschlusssachenanweisung , VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den In- Deutscher Bundestag Drucksache 19/14991 19. Wahlperiode 11.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 7. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. teressen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schweren Schaden zufügen können, entsprechend einzustufen. Eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde Informationen zu dem Modus Operandi sowie den Fähigkeiten und Methoden des Bundesnachrichtendienstes (BND) einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Eine solche Veröffentlichung von Einzelheiten ist daher geeignet, zu einer wesentlichen Verschlechterung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Informationsgewinnung zu führen. Dies kann der Bundesrepublik Deutschland schweren Schaden zufügen. Diese Informationen werden daher als „VS – Geheim“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt.  1. Wann wurde Anis Amri durch welche Behörde in die Antiterrordatei eingetragen ? Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat Anis Amri am 13. September 2016 in der Antiterrordatei (ATD) gespeichert. Darüber hinaus wird auf die VS-Anlage mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Geheim“ verwiesen.*  2. Welcher konkretere Sachbearbeiter innerhalb der entsprechenden Behörde war für die Eintragung verantwortlich? Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden keine Informationen über Sachbearbeiter , die Datensätze in der ATD erfasst oder geändert haben, herausgegeben . Der Schutz von Leib und Leben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiegen hier gegenüber dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse.  3. War der Bundesregierung bekannt, ob weitere Behörden – insbesondere Behörden der Länder – eine Eintragung des Anis Amri in die Antiterrordatei forciert haben? a) Falls ja, um welche Behörden handelte es sich? b) Fanden mit diesen Behörden vor oder nach der Eintragung Gespräche statt? Falls nein, weshalb nicht? Die Fragen 3 bis 3 b werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegt in dem begleiteten Gefährdungssachverhalt kein Schriftverkehr vor, der eine Speicherung des Amri in der ATD thematisiert. * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Geheim“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Drucksache 19/14991 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  4. Wurden vor der Eintragung von Anis Amri in die Antiterrordatei durch den zuständigen Sachbearbeiter weitere Behörden des Bundes und der Länder kontaktiert? Wenn ja, welche, wann und weshalb? Nein. Das Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (ATDG) sieht keine Konsultationen weiterer Behörden des Bundes und der Länder vor, wenn die Voraussetzungen für eine Speicherung (§ 2 ATDG) erfüllt sind.  5. Wurde die erfolgte Eintragung von Anis Amri in die Antiterrordatei innerhalb einer Sitzung oder einem schriftlichen Umlaufverfahren des GTAZ kommuniziert? Falls nein, weshalb nicht? Nein. Speicherungen in der ATD sind durch alle beteiligten Behörden einsehbar . Mithin erfordert eine Speicherung in der ATD keine weitere Unterrichtung der beteiligten Behörden. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen.  6. Gab es eine übergeordnete oder behördeninterne Anweisung, eine Eintragung des Anis Amri in die Antiterrordatei vorzunehmen? Nein. Speicherungen in der ATD erfolgen auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen (§ 2 ATDG) verpflichtend durch die beteiligten Behörden. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen.  7. Welche Erkenntnisse und Dokumente über Personen sind erforderlich, um diese in die Antiterrordatei einzutragen? Die Gründe zur Erfassung einer Person in der ATD sind gesetzlich normiert, siehe hierzu insbesondere § 2 ATDG.  8. Welche konkreten Erkenntnisse waren für die Entscheidung Anis Amri in die Antiterrordatei einzutragen maßgeblich, und wann und durch welche Behörde wurden diese erhoben?  9. Waren Erkenntnisse von nationalen Sicherheitsbehörden und/oder Nachrichtendiensten für die Entscheidung Anis Amri in die Antiterrordatei einzutragen maßgeblich? a) Wenn ja, welche Erkenntnisse waren maßgeblich? b) Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung die Eintragung in die Antiterrordatei? Die Fragen 8 bis 9 b werden gemeinsam beantwortet. Die Speicherung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in der ATD erfolgte auf Grundlage einer Übermittlung des Bundeskriminalamts (BKA). Das Schreiben des BKA enthielt ein durch das LKA Berlin erstelltes Personagramm des zum als Gefährder eingestuften Anis AMRI. Dieses beinhaltete Hinweise auf Anschlagsabsichten AMRIs und seine Kontakte zu einem oder mehreren Mitgliedern des sog. Islamischen Staates im Ausland. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/14991 Darüber hinaus wird auf die VS-Anlage mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Geheim“ verwiesen.* 10. Waren Erkenntnisse ausländischer Sicherheitsbehörden und/oder Nachrichtendienste für die Entscheidung, Anis Amri in die Antiterrordatei einzutragen , maßgeblich? a) Wenn ja, welche Erkenntnisse waren maßgeblich? b) Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung die Eintragung in die Antiterrordatei? Die Fragen 10 bis 10 b werden gemeinsam beantwortet. Für das BKA und den BfV lagen keine Erkenntnisse im Sinne der Frage vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 8 und 9 verwiesen. Darüber hinaus wird auf die VS-Anlage mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Geheim“ verwiesen.* 11. Gab es im Vorfeld der Eintragung diesbezüglich einen dienstlichen Austausch zwischen der eintragenden Behörde mit anderen Behörden? a) Wenn ja, mit welchen Behörden? b) Wenn ja, was war der Hintergrund des dienstlichen Austauschs? Die Fragen 11 bis 11b werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Ein darüber hinaus gehender dienstlicher Austausch im Sinne der Fragestellung hat bei BKA und BfV nicht stattgefunden. Darüber hinaus wird auf die VS-Anlage mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Geheim“ verwiesen.* 12. Welche Konsequenzen für den Umgang der Polizeibehörden und Nachrichtendienste von Bund und Ländern mit Anis Amri hätte dessen Eintrag in der Antiterrordatei aus Sicht der Bundesregierung haben müssen? Wurden diese aus Sicht der Bundesregierung zutreffend umgesetzt? Das ATDG schafft für den Bereich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland die Rechtsgrundlage für eine Verbunddatei (die Antiterrordatei – ATD) von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder. 38 Sicherheitsbehörden Deutschlands haben damit die Möglichkeit und die Verpflichtung, den gegenseitigen Informationsaustausch zu systematisieren und zu beschleunigen. Dies erfolgt, indem Erkenntnisse zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, über die eine der beteiligten Behörden verfügt, für alle beteiligten Behörden schneller auffindbar und leichter zugänglich gemacht werden. Die ATD enthält damit nur solche Daten, die auch an anderer Stelle bereits vorhanden sind; mit ihr sind weder zusätzliche Datenerhebungen noch Veränderungen im jeweiligen rechtlichen Befugnisrahmen der beteiligten Behörden verbunden (vgl. Bundestagsdrucksache 17/12665). * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Geheim“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Drucksache 19/14991 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Speicherungen des AMRI in der ATD verfolgten den gesetzlich normierten Zweck. 13. Wie viele Suchabfragen in der Antiterrordatei erfolgten hinsichtlich eines Eintrags von Anis Amri? In der ATD wurden von Oktober 2014 bis Oktober 2019 34 Suchanfragen nach „Anis Amri“ und 146 Suchanfragen nur nach „Amri“ durchgeführt. 14. Welche Kontaktpersonen des Anis Amri im Sinne der im 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode konsentierten Liste („123er-Liste“) sind in der Antiterrordatei erfasst? Wann erfolgte jeweils durch welche Behörde die Eintragung? Die Beantwortung dieser Frage für das BKA kann nicht offen erfolgen, da durch eine Veröffentlichung der erbetenen Auskünfte sensible Informationen aus Ermittlungen der Sicherheitsbehörden preisgegeben würden. Darüber hinaus wären bei einer Veröffentlichung der Informationen an einen zumindest nicht beschränkten Personenkreis die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzt. Deshalb ist die Antwort zu Frage 14 gemäß Verschlusssachenanweisung (VSA) als „VS – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und wird als nicht zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmte Anlage übermittelt.* Darüber hinaus wird auf die VS-Anlage mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Geheim“ verwiesen.** * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft . Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. ** Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Geheim“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/14991 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333