Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 28. März 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1513 19. Wahlperiode 03.04.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Benjamin Strasser, Manuel Höferlin, Konstantin Kuhle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/1234 – Predictive Policing in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Einsatz softwaregestützter Prognosetechnologien im Rahmen der Verbrechensvorhersage („Predictive Policing“) spielt eine wachsende Rolle in der Arbeit deutscher Polizeibehörden. Ein Schwerpunkt der Nutzung entsprechender Prognosesoftware lag bis dato insbesondere im Bereich des Wohnungseinbruchsdiebstahls . Die Landeskriminalämter (LKA) in Bayern und Baden-Württemberg nutzen die kommerzielle Prognosesoftware „PreCobs“ (Pre Crime Observation System), während die Landeskriminalämter in Berlin, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mit selbst erstellten Systemen arbeiten. Hessen setzt seine Prognosesoftware „KLB-operativ“ mittlerweile im gesamten Bundesland ein. Das LKA Nordrhein-Westfalen beabsichtigt, das Programm „Skala“ ab 2018 landesweit zu nutzen (vgl. https://lka.polizei.nrw/artikel/projektskala -im-lka-nrw-vorgestellt, letzter Abruf: 8. März 2018). Die Vorhersagesoftwares stützen sich dabei auf kriminologische Theorien, denen zufolge einschlägige Deliktsbegehungen bestimmte Muster aufweisen. Die spezielle Datenanalysesoftware soll anhand der Kerndaten vergangener Straftaten bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es an bestimmten Orten und Zeiten zu Folgetaten kommt, und ein präventives Einschreiten der Polizei ermöglichen. Seinen Ursprung hat der Ansatz des Predictive Policing in den USA, wo er mittlerweile für verschiedene Deliktsbereiche angewendet wird. Hier werden auch mithilfe des Sammelns von personenbezogenen Daten Risikoprofile einzelner Personen erstellt und in Gefährderlisten, sogenannten Heat Lists, zusammengefasst (vgl. Singlstein, NStZ 2018, 1 (2)). Medienberichten zufolge erwägen verschiedene Bundesländer wie Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen aber die Ausweitung auf andere Deliktsbereiche wie Kfz-Diebstähle, Raub und Gewerbeeinbrüche (vgl. www.heise.de/newsticker/meldung/Predictive-Policing- Die-deutsche-Polizei-zwischen-Cyber-CSI-und-Minority-Report-3685873.html, letzter Abruf: 8. März 2018). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1513 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g In den Sicherheitsbehörden des Bundes werden softwaregestützte Prognosetechnologien im Sinne eines Predictive Policing derzeit weder genutzt noch entwickelt . Im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion beobachtet das Bundeskriminalamt (BKA) die nationalen und ausländischen polizeilichen Lösungen und bietet eine Plattform für den Erfahrungsaustausch zwischen Bundes- und Länderpolizeien. In den Ländern wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Methodik von Predictive Policing in unterschiedlichen polizeilichen Verfahren angewendet. Ungeachtet der differenten methodischen Herangehensweisen haben die Konzepte Gemeinsamkeiten. Dazu gehören nach Kenntnis der Bundesregierung insbesondere die Nutzung nichtpersonenbezogener Daten zum jeweiligen Fall, die Fokussierung auf den Wohnungseinbruchdiebstahl (WED), die Nutzung phänomenbezogener historischer Daten als Basis für die Berechnungen, die Prognoseerstellung bzw. Alarmauslösungen für konkrete (abgegrenzte) Gebiete. Den laufenden Prozess begleitet das BKA im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion . 1. Beobachtet die Bundesregierung die Weiterentwicklungen von Predictive Policing im Bereich der Einbruchskriminalität, und wenn ja, welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus ihren bisherigen Beobachtungen gewonnen ? Für die Bundesregierung unterhält und koordiniert das BKA einen intensiven Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern zum Einsatz von Predictive Policing im Bereich der Polizeien. Die bisher geführten Diskussionen über die Erfahrungen in einzelnen Ländern lassen erkennen, dass große elektronisch generierte Datenmengen, wenn diese systematisch analysiert und verarbeitet werden, ein zusätzlicher Baustein im Rahmen einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls (WED) sein können, insbesondere als wirkungsvolle Ergänzung der (kriminal)polizeilichen Einsatzplanung und Ermittlungstätigkeit . 2. Welche Schlussfolgerungen hinsichtlich der Wirksamkeit der polizeilichen Vorhersagesoftware zieht die Bundesregierung aus dem Evaluationsbericht des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zu dem Pilotprojekt „Predictive Policing P4“ (vgl. www.mpicc.de/de/forschung/ forschungsarbeit/kriminologie/predictive_policing_p4.html, letzter Abruf: 8. März 2018)? Der Bundesregierung sind die Ergebnisse des Evaluationsberichts bekannt. Diese decken sich tendenziell mit den bisher vorliegenden Erkenntnissen. Belastbare Aussagen zur tatsächlichen Wirksamkeit von Predictive Policing lassen sich nach Einschätzung der Bundesregierung auf Basis des Berichts aber kaum treffen. Die zitierte Studie beschränkt sich auf die Anwendung PRECOBS. Es bleibt die Fortsetzung aller Projekte in den Bundesländern abzuwarten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1513 3. Verwenden Sicherheitsbehörden des Bundes softwaregestützte Prognosetechnologien ? Wenn ja, welche Behörden sind dies, und in welchen Deliktsbereichen wird welche Analysesoftware eingesetzt? Bei den Sicherheitsbehörden des Bundes werden softwaregestützte Prognosetechnologien im Sinne eines Predictive Policing derzeit weder genutzt noch entwickelt . 4. Erwägen Sicherheitsbehörden des Bundes den Einsatz softwaregestützter Prognosetechnologien? a) Wenn ja, welche Behörden sind dies, und in welchen Deliktsbereichen soll welche Analysesoftware eingesetzt werden? Welche genauen Zeithorizonte kann die Bundesregierung für Testphasen , Einführung, Evaluation etc. entsprechender Software benennen? In den Sicherheitsbehörden des Bundes ist derzeit der Einsatz von softwaregestützten Prognosetechnologien im Sinne der Anfrage nicht geplant. b) Wenn nein, aus welchen Gründen wird von einem Einsatz solcher Software nach Erkenntnissen der Bundesregierung bisher abgesehen? In den Sicherheitsbehörden des Bundes wird vor dem Hintergrund ausstehender Projektergebnisse und fehlender originärer Zuständigkeiten des Bundes insbesondere im Phänomenbereich WED der Einsatz von Prognosesoftware derzeit nicht verfolgt. 5. Auf welcher Rechtsgrundlage könnte der Einsatz softwaregestützter Prognosetechnologien in den Sicherheitsbehörden des Bundes nach Einschätzung der Bundesregierung erfolgen? Für den Zuständigkeitsbereich des BKA könnte, vorbehaltlich der technischen Ausgestaltung im Einzelnen, die Anwendung softwaregestützter Prognosetechnologien als Zentralstelle auf Grundlage des § 2 Absatz 6 Nr. 1 und Nr. 3 BKAG neue Fassung (Inkrafttreten 25. Mai 2018) und – soweit es bei dem Einsatz auch um Maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung geht – im Zuständigkeitsbereich des BKA auf Grundlage von § 4 BKAG neue Fassung erfolgen. Nach bisheriger Rechtslage würden sich die Rechtsgrundlagen entsprechend nach § 2 Absatz 6 Nr. 1 BKAG (gültig bis 24. Mai 2018) bzw. § 1 Absatz 3 in Verbindung mit § 4 BKAG richten. Im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei könnte der Einsatz softwaregestützter Prognosetechnologien auf § 1 Absatz 5 in Verbindung mit § 12 BPolG (Verhütung von Straftaten) gestützt werden. Durch das Zollkriminalamt (ZKA) könnte der Einsatz auf Grundlage der Datenverarbeitung und des Datenabgleichs nach den §§ 7 und 15 des Zollfahndungsdienstgesetzes erfolgen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1513 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Können die Prognosen einer polizeilichen Vorhersagesoftware aus Sicht der Bundesregierung rechtliche Relevanz haben (z. B. zur Rechtfertigung polizeilicher Eingriffsmaßnahmen oder zur Rechtfertigung der Überwachung eines bestimmten Ortes mittels Videotechnik)? Nach Einschätzung der Bundesregierung könnten aus polizeilicher Prognosesoftware erlangte Vorhersagen als Hilfsmittel für die Beurteilung der (Kriminalitäts-) Lage dienen. Gewonnene Erkenntnisse über Tatortschwerpunkte bzw. Tatserien könnten somit als Entscheidungsgrundlage für schlicht-hoheitliche Maßnahmen dienen. Die darauf folgenden konkreten polizeilichen Eingriffsmaßnahmen (präventiv /repressiv) richten sich nach dem jeweils geltenden Befugnisrecht. 7. Hat die Bundesregierung, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die Bundespolizei Informationen im Umgang mit polizeilicher Prognosesoftware von Sicherheitsbehörden der eingangs erwähnten Bundesländer oder anderer Staaten eingeholt, und wenn ja, welche Software konkret , von wem, und wie bewertet die Bundesregierung diese jeweils? Für die Bundesregierung informiert sich das BKA im Rahmen eines regelmäßigen Austauschs über die Erfahrungen mit Predictive Policing im In- und Ausland (siehe auch Antwort zu Frage 1). In einzelnen Bundesländern wird die Methodik von Predictive Policing in unterschiedlichen Verfahren getestet. Eine Bewertung dieser Verfahren erfolgt erst, wenn die Ergebnisse aus den Projekten und Tests der Länder vollständig vorliegen. 8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Einsatz von Predictive Policing in den Bundesländern? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 9. Haben Treffen zwischen Mitarbeitern von Sicherheitsbehörden des Bundes mit denen aus den Bundesländern oder anderen Staaten zum Zweck des Austausches über polizeiliche Prognosesoftware stattgefunden, oder sind derartige Treffen für die Zukunft in Planung (bitte aufzählen)? Im Zeitraum 2016 bis 2017 haben im BKA zwei Fachtagungen zum Thema „Predictive Policing/Einsatz von softwarebasierten Prognosemethoden“ unter Teilnahme von Vertretern von Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder stattgefunden . Eine Fortsetzung des Informationsaustausches ist vorgesehen. 10. Planen einzelne Bundesländer, nach Kenntnis der Bundesregierung, den Einsatz der Prognosesoftware auf weitere Deliktsbereiche auszuweiten? Wenn ja, um welche Bundesländer sowie welche Deliktsbereiche handelt es sich? Der Bundesregierung liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor, da der jährliche Erfahrungsaustausch mit den Ländern in 2018 noch nicht stattgefunden hat. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/1513 11. In welchem Maß erfordert der Einsatz von Prognosesoftware in weiteren Deliktsbereichen aus Sicht der Bundesregierung auch die Erfassung und Analyse personenbezogener Daten? Aus welchen Quellen stammen nach Erkenntnissen der Bundesregierung die eingesetzten personenbezogenen Daten? Der Bundesregierung liegen zu diesem Thema keine gesicherten Erkenntnisse vor. Des Weiteren wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 10 verwiesen. 12. Welche personenbezogenen Daten werden von Vorhersagesoftware gespeichert ? Wie lange werden die Daten gespeichert? Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgen die Speicherung und Nutzung dieser Daten jeweils? Nach Informationen der Bundesregierung werden keine personenbezogenen Daten genutzt oder von Vorhersagesoftware gespeichert. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 13. Inwieweit hält die Bundesregierung die Erfassung und Analyse personenbezogener Daten im Bereich des Predictive Policings für vereinbar mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes)? Die Bundesregierung nimmt zu abstrakten Rechtsfragen nicht Stellung. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 14. Welche Überlegungen bestehen hinsichtlich einer Zusammenarbeit im Bereich des Predictive Policing der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern ? a) Bestehen Pläne zur Einführung einer bundeseinheitlichen Prognosesoftware , und wenn ja, welche? b) Bestehen Pläne zur Einführung einer bundeseinheitlichen Verwaltung der Datenbestände der jeweiligen Prognosesoftware der Bundesländer, und wenn ja, welche? Die Fragen 14 bis 14b werden gemeinsam beantwortet. Planungen zur Vereinheitlichung des Einsatzes und gemeinsamen Nutzung von Predictive Policing bestehen derzeit nicht. 15. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung, die Hersteller der Prognosesoftware zu einer Offenlegung der zugrunde liegenden Algorithmen zu verpflichten? Kennen die Sicherheitsbehörden des Bundes und – nach Kenntnis der Bundesregierung – die Sicherheitsbehörden der Länder, die polizeiliche Vorhersagesoftware verwenden, die zugrunde liegenden Algorithmen und den Quellcode des Programms? Wie werden und wie sollten aus Sicht der Bundesregierung die Qualität und Transparenz der Prognoseentscheidungen sichergestellt werden? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Frage vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1513 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Welche Forschungsprojekte im Bereich des Predictive Policing fördert die Bundesregierung mittelbar oder unmittelbar? Was ist ihr genauer Inhalt? Wie hoch ist die Förderung? Im Rahmenprogramm der Bundesregierung „Forschung für die zivile Sicherheit“ werden keine Projekte gefördert, die dem Bereich der vorhersagenden Polizeiarbeit („Predictive Policing“) zuzuordnen sind. 17. Bestehen nach Erkenntnissen der Bundesregierung Überlegungen, softwaregestützte Prognosetechnologie auch im Rahmen der Rettung von Menschen („Predictive Ambulance“) einzusetzen? Wenn ja, durch welche Behörden, und in welchem Umfang? Seitens der Bundesregierung gibt es für Bundesbehörden oder Einrichtungen des Bundes keine solchen Überlegungen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber vor, ob softwaregestützte Prognosetechnologien im Rahmen des Katastrophenschutzes der Länder zur Rettung von Menschen eingesetzt werden sollen bzw. eingesetzt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333