Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beatrix von Storch, Dr. Bernd Baumann, Dr. Gottfried Curio, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/14724 – „Extinction Rebellion“ und Linksextremismus V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bewegung „Extinction Rebellion“ ist eine unter gemeinsamem Logo und Corporate Design auftretende Organisation. Als Verantwortliche der deutschen Internetseite www.extinctionrebellion.de/ wird im Impressum die „Compassionate Revolution Ltd.“ angegeben, ansässig The Exchange, Brick Row, GL5 1DF Stroud, vertreten durch Gail Bradbrook und George Barda. Die Finanzierung der Bewegung wird nach Ansicht der Fragesteller durch Großspender gesichert (vgl. www.de.wikipedia.org/wiki/Extinction_Rebellion, www.taz.de/ Geld-fuer-Klima-AktivistInnen/!5616000/). Zur Verfolgung ihrer politischen Absichten haben nach Ansicht der Fragesteller diese Großspender den „Climate Emergency Fund“ ins Leben gerufen, dessen Ziel auf der Internetseite www.climateemergencyfund.org/faq/ wie folgt widergegeben wird: „The Climate Emergency Fund provides support to individuals and organizations who demonstrate the intention and capability of disrupting the inadequate and immoral gradual approach governments around the world are taking to addressing the climate emergency“ (Etwa: Der Klimanotstandsfonds stellt Unterstützung für Einzelpersonen und Organisationen zur Verfügung, die die Absicht und die Fähigkeit demonstrieren, die unangemessen und unmoralisch zögerliche Herangehensweise von Regierungen aus aller Welt zu unterbinden, mit der diese dem Klimanotstand begegnen). Das Geld des Fonds soll nicht nur an Ortsgruppen und „überregionale Strukturen “ von „Extinction Rebellion“ fließen, sondern auch „für den Lebensunterhalt von AktivistInnen, die sich zeitweise komplett der Bewegung widmen“ (www.taz.de/Geld-fuer-Klima-AktivistInnen/!5616000/). „Extinction Rebellion “ setzt nach eigener Aussage auf „Eine Revolution ohne Gewalt“ (www.ex tinctionrebellion.de/). Dabei setzt die Organisation auf sog. zivilen Ungehorsam (www.extinctionrebellion.de/berlinblockieren/), zu dessen wesentlichen Formen des politischen Kampfes gezielte Rechtsverstöße gehören (www.de.wikipedia.org/wiki/Ziviler_Ungehorsam). Tatsächlich hat „Extinction Rebellion“ mehrfach Unternehmungen organisiert, in deren Verlauf das Recht von Verkehrsteilnehmern auf freie Bewegung im öffentlichen Raum verletzt worden ist. So haben sog. Aktivisten der Organisation am Flughafen Heathrow versucht, Flüge durch den Einsatz von Drohnen zeitweise unmög- Deutscher Bundestag Drucksache 19/15300 19. Wahlperiode 19.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 15. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. lich zu machen. Mehrere von Ihnen wurden von der Polizei in Gewahrsam genommen , darunter auch der Mitbegründer der Bewegung, Roger Hallam (www.theguardian.com/environment/2019/sep/14/extinction-rebellion-cofounder -arrested-at-heathrow-protest). Nach deutschem Recht steht bei derartigen Handlungen neben Nötigung eine Strafbarkeit wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr (§ 315 des Strafgesetzbuches (StGB)) im Raum. In der Woche vom 7. bis 13. Oktober 2019 hat „Extinction Rebellion“ durch Blockaden des Großen Sterns sowie des Potsdamer Platzes Hauptknotenpunkte des Berliner Straßenverkehrs lahmgelegt und damit erhebliche Verkehrsbehinderungen verursacht. Ferner wurde in dieser Woche durch Vertreter der „Extinction Rebellion“ der Verkehr an weiteren Stellen, u. a. an der Jannowitzbrücke und der Marschallbrücke erheblich behindert (siehe www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/10/extinction-rebellion-blockadeaktionenberlin .html, www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/extinctionrebellion -blockiert-weiter-berliner-strassen-wieder-staus-erwartet-polizei-willjannowitzbruecke -raeumen sowie www.tagesspiegel.de/berlin/blockaden-vonextinction -rebellion-klima-aktivisten-wollen-in-berlin-laenger-protestierenals -geplant/25110854.html). Tausende Autofahrer wurden so über mehrere Tage hinweg nach Ansicht der Fragesteller in ihrem Recht auf freie, gesetzeskonforme Bewegung im öffentlichen Raum beeinträchtigt. Nach Aussage von „Extinction Rebellion“ geht es darum, „die Bundesregierung unter Druck zu setzen“, ihre Forderungen zu erfüllen (www.extinctionre bellion.de/berlinblockieren/aktionen/). Zu diesen Forderungen gehört: „Alle politischen Entscheidungen, die der Bewältigung der Klimakrise entgegenstehen , werden revidiert“, „Die Regierung muss jetzt handeln, um die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen bis 2025 auf Netto-Null zu senken “, „Zentrales Ziel der Gesellschaft ist in Zukunft, das Klima und die Ökosysteme der Erde so zu stabilisieren, dass sie allen Menschen und allen Arten ein sicheres Zuhause bietet“, „Die Regierung muss eine Bürger:innenversammlung für die notwendigen Maßnahmen gegen die ökologische Katastrophe und für Klimagerechtigkeit einberufen. Die Regierung muss nach deren Beschlüssen handeln“ (www.extinctionrebellion.de/wer-wir-sind/unsereforderungen /). Die von der Organisation ausgehenden Beeinträchtigungen der Rechte ihrer Mitbürger rechtfertigt diese Bewegung wie folgt: „Wir wünschten, den Alltag zu beeinträchtigen wäre nicht nötig, und die Entscheidung fällt uns nicht leicht. Wir selbst haben normale Jobs und würden im Alltag lieber nicht eingeschränkt werden. Aber die erschreckende Realität ist, dass wir alle vom Klimakollaps und Artensterben betroffen sein werden, wenn unsere Regierungen keine ausreichenden Maßnahmen ergreifen. Solange unsere Politik die Krise ignoriert, sind unser Leben, Jobs und Zuhause in Gefahr. Bekannte Forscher und Fachleute sagen, dass auf einem überhitzten Planeten die Wirtschaft und damit die Gesellschaft zusammenbrechen wird. […] Wir können allen, die sich durch unsere Aktionen beeinträchtigt oder angegriffen fühlen nur raten, sich mit dem Ausmaß der Klimakrise beschäftigen“ (www.extinctionrebelli on.de/, unten, FAQ). 1. Wie ordnet die Bundesregierung die Haltung von „Extinction Rebellion“ zur verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ein? Hinsichtlich „Extinction Rebellion“ (XR) bestehen nach Erkenntnis der Bundesregierung keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Drucksache 19/15300 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 2. Sieht die Bundesregierung bei „Extinction Rebellion“ Ansätze einer problematischen Selbstermächtigung, die sich über die durch die verfassungsmäßige Ordnung vorgesehenen Verfahrensweisen politischer Willensbildung hinwegzusetzen beabsichtigt? Nach Artikel 8 des Grundgesetzes (GG) haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Zwar ergeben sich Schranken dieses Grundrechts insbesondere aus den Versammlungsgesetzen des Bundes beziehungsweise der Länder. Grundsätzlich können Bürgerinnen und Bürger aber nach Anmeldung bei der zuständigen Behörde ihre Forderungen mittels öffentlicher Demonstrationen ausdrücken. 3. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über bestehende personelle oder organisatorische Verbindungen von „Extinction Rebellion“ zu linksextremistischen Organisationen und Gruppierungen, z. B. zur Antifa oder der Interventionistischen Linken vor? Die Gruppierung „Extinction Rebellion“ ist mit ihren Protesten vornehmlich im Themenfeld „Umweltschutz/Klima“ aktiv und damit in einem Themenbereich, der seit vielen Jahren im Fokus der linken Szene steht. Dadurch können sich grundsätzlich im Einzelfall personelle Überschneidungen ergeben. Organisatorische Verbindungen sind bisher nicht bzw. nur anlassabhängig zu erkennen, z. B. wenn verschiedene Gruppierungen an der gleichen Protestveranstaltung teilnehmen oder dafür mobilisieren. 4. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über ein Einsickern gewaltbereiter Extremisten bei „Extinction Rebellion“ vor? Erkenntnisse über das Einsickern gewaltbereiter Extremisten bei „Extinction Rebellion“ liegen der Bundesregierung nicht vor. 5. Wie beurteilt die Bundesregierung den Grad der organisatorischen Verfestigung von „Extinction Rebellion“ insbesondere unter Berücksichtigung der Fähigkeit zur koordinierten und gleichzeitigen Durchführung von professionell organisierten und inszenierten Aktionen in unterschiedlichen Staaten ? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 6. Hält die Bundesregierung die tagelange Blockade wichtiger Verkehrsknotenpunkte in der Bundeshauptstadt (siehe Verlinkung in der Vorbemerkung der Fragesteller) unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung gesetzmäßiger Zustände sowie der öffentlichen Ordnung für hinnehmbar? Beim strafrechtlichen Vorgehen aufgrund von Blockaden öffentlicher Straßen sind die Maßgaben der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG zu beachten, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes konkretisiert wurden (vgl. BVerfGE 73, 206 ff.; BVerfGE 104, 92 ff.). Demnach kann im Ergebnis auch eine temporäre Blockade von Straßen zur Kommunikation des Anliegens einer Versammlung zulässig sein, ohne dass dieses Anliegen strafrechtlich als nützlich oder wertvoll bewertet werden muss. Im Zusammenhang mit Klimaprotesten besteht ein Sachbezug zum Autoverkehr. Wird darüber hinaus wie im vor- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15300 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. liegenden Fall die Blockade von Straßen im Vorfeld bekanntgegeben und bestehen Ausweichmöglichkeiten, sind Beeinträchtigungen in größerem Maße wegen des hohen Stellenwertes der Versammlungsfreiheit hinzunehmen. Versammlungen , die friedlich und ohne Waffen abgehalten werden, sind nach den Maßgaben des Versammlungsgesetzes grundrechtlich nach Artikel 8 GG geschützt . Wie der Vollzug des Versammlungsrechts liegt im Übrigen auch die Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr und für die Strafverfolgung grundsätzlich bei den Ländern. Drucksache 19/15300 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.