Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Otto Fricke, Christian Dürr, Christoph Meyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/13996 – Entwicklungsstand strukturschwacher Regionen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesrepublik Deutschland ist ein plurales und vielfältiges Land, das historisch, sozioökonomisch und auch verwaltungstechnisch bedingt, unterschiedliche regionale Strukturen aufweist. Neben einer Vielzahl von Regionen mit zentralen Wirtschaftszentren und hohem Wachstum existieren genauso Regionen mit ökonomisch schwachen Landstrichen und Städte mit erheblichen Entwicklungsschwierigkeiten. Während beispielsweise urbane Zentren immer weiter anwachsen und insbesondere junge Menschen aufgrund des Bildungs- und Arbeitsangebotes in diese Regionen ziehen, haben andere Gebiete besonders stark mit den Folgen des demographischen Wandels und geringer Wirtschaftsleistung zu kämpfen. Resultat dieser Disparitäten sind erhebliche Unterschiede in der Lebensqualität, sodass die Wahl des Wohnortes maßgeblich darüber entscheidet, auf welches Arbeitsangebot oder auch auf welche Verkehrs- und Gesundheitsinfrastruktur man zurückgreifen kann. Außerdem auch, ob und welches kulturelle, soziale und sportliche Angebot vorhanden ist (www.bmi.bund.de/SharedDocs/downlo ads/DE/veroeffentlichungen/themen/heimat-integration/gleichwertige-lebensv erhaeltnisse/unser-plan-fuer-deutschland-langversion-kom-gl.pdf?__blob=pub licationFile&v=4). Die Daseinsversorgung prägt dementsprechend wesentlich die Lebenswirklichkeit und Lebensqualität der Menschen in Deutschland. Mit dem am 2. September 2019 vorgelegten Maßnahmenpapier der Bundesregierung zur Umsetzung der Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse “ legte die Bundesregierung ein breitgefächertes Spektrum an Maßnahmen vor, die sich den Aspekten der Daseinsversorgung und der strukturellen Gegebenheiten auf dem Bundesgebiet widmen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Förderung sogenannter strukturschwacher Regionen (www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/h eimat-integration/gleichwertige-lebensverhaeltnisse/kom-gl-massnahmen.pdf? __blob=publicationFile&v=4), die künftig durch ein gesamt-deutsches Fördersystem unterstützt werden sollen. Nach Ansicht der Fragesteller ist es die Aufgabe einer effizienten und nachhaltigen Regionalpolitik, die teils erheblichen Disparitäten zu identifizieren und auf deren Behebung hinzuarbeiten. Unklar bleibt nach Auffassung der Fragesteller jedoch, wie der Entwicklungstand der derzeitigen Strukturpolitik ist und durch welche Merkmale und allgemeine Deutscher Bundestag Drucksache 19/15309 19. Wahlperiode 19.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 12. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Kennzahlen sich die strukturschwachen Regionen heute sowie in naher Zukunft auszeichnen. 1. Wie viele strukturschwache Regionen gibt es laut Definition bzw. Klassifikation der Bundesregierung im Bundesgebiet, und welche sind das? Zum Fördergebiet der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) zählen 160 Landkreise und kreisfreie Städte sowie Teile zehn weiterer Landkreise bzw. kreisfreier Städte. Das Fördergebiet umfasst die in der nachstehenden Abbildung farbig hervorgehobenen Regionen.* Drucksache 19/15309 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Wie viele Menschen leben bundesweit in Regionen, die laut Definition bzw. Klassifikation der Bundesregierung als strukturschwach zu bezeichnen sind (bitte tabellarisch nach Bundesland und Angabe in absoluten sowie relativen Zahlen, gemessen an der Einwohnerzahl des jeweiligen Bundeslandes auflisten)? Die Festlegung des Fördergebiets der GRW erfolgte unter Beachtung der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014 bis 2020 der Europäischen Kommission vor Beginn der seit 1. Juli 2014 laufenden Förderperiode. Danach durften in Deutschland Regionalfördergebiete (sog. C-Fördergebiete) im Umfang von 25,85 Prozent der Gesamtbevölkerung ausgewiesen werden. Darüber hinaus sind für ca. 11,8 Millionen Einwohner nicht unter das Regionalbeihilferecht fallende Fördergebiete (sog. D-Fördergebiete) ausgewiesen worden. In den kreisfreien Städten und Landkreisen, die vollständig oder teilweise zum Fördergebiet der GRW gehören, lebten 2017 insgesamt 33,7 Millionen Menschen . Die nachstehende Tabelle zeigt auf der räumlichen Ebene der Kreise und kreisfreien Städte für die Länder die jeweilige Anzahl und ihren Anteil an der gesamten Einwohnerzahl des jeweiligen Landes. Land Einwohner in strukturschwachen Regionen 2017* Anteil Spalte 2 an der Einwohnerzahl des Landes im Jahr 2017 (in %)* Baden-Württemberg 0,0 0,0 Bayern* 853.299 6,6 Berlin* 3.594.163 100,0 Brandenburg 2.499.344 100,0 Bremen 679.893 100,0 Hamburg 0,0 0,0 Hessen* 752.686 12,1 Mecklenburg-Vorpommern 1.610.897 100,0 Niedersachsen 3.433.361 43,2 Nordrhein-Westfalen 8.081.571 45,1 Rheinland-Pfalz* 750.807 18,4 Saarland 659.725 66,3 Sachsen 4.081.546 100,0 Sachsen-Anhalt 2.229.667 100,0 Schleswig-Holstein 2.370.598 82,1 Thüringen 2.154.667 100,0 Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder (VGRdL) 2019; eigene Berechnungen. * Ausgewiesen wird in Spalte 2 jeweils die gesamte Einwohnerzahl der betroffenen Kreise bzw. kreisfreien Städte; entsprechend ist der tatsächliche Anteil der Bevölkerung in strukturschwachen Regionen in einigen Ländern niedriger als in Spalte 3 ausgewiesen. Dies betrifft folgende Fälle: In Bayern gehört der Landkreis Schwandorf nicht vollständig zum GRW-Fördergebiet. In Berlin gehört ein Teil der Verkehrszellen nicht zum GRW-Fördergebiet; dieser umfasste zum Zeitpunkt der Festlegung des Fördergebietes ca. 1,4 Millionen Einwohner. Nur teilweise zum GRW-Fördergebiet gehören in Hessen die Landkreise Gießen und Hersfeld-Rotenburg, in Nordrhein-Westfalen die Städte Duisburg, Essen und Mülheim an der Ruhr, der Landkreis Viersen, in Rheinland-Pfalz die Stadt Kaiserslautern und die Landkreise Kaiserslautern und Donnersbergkreis. In Schleswig- Holstein gehört vom Kreis Pinneberg nur Helgoland zum GRW-Fördergebiet. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15309 3. Wie haben sich die Einwohnerzahlen in den Regionen, die laut Definition der Bundesregierung als strukturschwach gelten, in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte nach Jahren und Bundesländern geordnet tabellarisch darstellen)? Insgesamt ist die Zahl der Einwohner in den betreffenden Regionen von 2008 bis 2017 um rund 9.000 Personen gestiegen. Die nachstehende Tabelle zeigt die Entwicklung der Einwohnerzahlen der zum GRW-Fördergebiet gehörenden Kreise nach Ländern zusammengefasst. in 1.000 Pers. 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Baden- Württemberg 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Bayern 872 866 860 856 852 850 848 850 851 853 Berlin 3.266 3.269 3.274 3.302 3.351 3.399 3.446 3.495 3.547 3.594 Brandenburg 2.492 2.478 2.466 2.457 2.451 2.449 2.454 2.471 2.490 2.499 Bremen 654 653 652 652 653 656 660 667 675 680 Hamburg 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Hessen 756 750 745 742 740 738 739 745 751 753 Mecklenburg- Vorpommern 1.648 1.632 1.620 1.611 1.604 1.598 1.598 1.606 1.612 1.611 Niedersachsen 3.453 3.432 3.416 3.401 3.390 3.384 3.387 3.410 3.431 3.433 Nordrhein- Westfalen 8.102 8.052 8.009 7.981 7.966 7.962 7.972 8.026 8.076 8.082 Rheinland-Pfalz 766 761 756 753 749 746 746 748 750 751 Saarland 675 670 665 661 658 656 655 656 659 660 Sachsen 4.133 4.103 4.078 4.060 4.052 4.048 4.051 4.070 4.083 4.082 Sachsen-Anhalt 2.364 2.334 2.309 2.287 2.268 2.252 2.240 2.241 2.241 2.230 Schleswig- Holstein 2.319 2.314 2.310 2.310 2.311 2.315 2.324 2.340 2.360 2.371 Thüringen 2.244 2.222 2.204 2.188 2.176 2.166 2.159 2.164 2.164 2.155 Gesamt 33.743 33.537 33.365 33.262 33.222 33.220 33.277 33.488 33.691 33.752 Quelle: VGRdL 2019; eigene Berechnungen. Drucksache 19/15309 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wie viel Prozent der deutschen Bevölkerung werden laut Prognosen bzw. Kenntnis der Bundesregierung voraussichtlich in den Jahren 2025, 2030 und 2035 in den von der Bundesregierung als strukturschwach klassifizierten Regionen leben (bitte nach Regionen aufschlüsseln)? Die nachstehende Tabelle zeigt auf Basis der Daten der Bevölkerungsprognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) 2015 bis 2035 für die aktuell zum GRW-Fördergebiet gehörenden Regionen die Bevölkerungszahl und deren Anteil an der gesamten Bevölkerung des jeweiligen Landes. Bevölkerungszahl in strukturschwachen Regionen (aktuelle Förderperiode) 2015 2020 2025 2030 2035 Baden-Württemberg 0 0 0 0 0 Bayern 850.894 830.893 812.515 797.172 783.821 Berlin 3.519.981 3.743.373 3.833.285 3.884.618 3.914.660 Brandenburg 2.484.870 2.471.977 2.454.563 2.424.041 2.392.485 Bremen 671.474 684.109 681.316 677.740 674.388 Hamburg 0 0 0 0 0 Hessen 749.232 898.963 874.298 854.404 837.993 Mecklenburg-Vorpommern 1.612.404 1.341.197 1.281.927 1.222.799 1.171.324 Niedersachsen 3.429.122 3.390.308 3.346.692 3.313.643 3.285.421 Nordrhein-Westfalen 8.070.826 8.015.706 7.897.972 7.789.493 7.692.850 Rheinland-Pfalz 749.403 734.754 719.306 706.127 694.967 Saarland 658.125 643.214 623.840 606.016 590.275 Sachsen 4.084.864 3.991.382 3.853.369 3.700.505 3.556.234 Sachsen-Anhalt 2.245.504 2.096.677 1.960.922 1.833.302 1.723.006 Schleswig-Holstein 2.351.552 2.397.609 2.424.105 2.445.069 2.460.965 Thüringen 2.170.746 2.060.783 1.949.452 1.838.384 1.737.381 Deutschland 33.648.997 33.300.945 32.713.562 31.623.741 31.515.770 Anteil an der Gesamtbevölkerungszahl (in %) 2015 2020 2025 2030 2035 Baden-Württemberg 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Bayern 6,6 6,3 6,0 5,9 5,7 Berlin 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Brandenburg 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Bremen 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Hamburg 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Hessen 12,1 14,3 13,9 13,6 13,4 Mecklenburg-Vorpommern 100,0 86,6 86,2 85,8 85,5 Niedersachsen 43,3 42,5 42,1 41,8 41,6 Nordrhein-Westfalen 45,2 44,7 44,4 44,1 43,8 Rheinland-Pfalz 18,5 18,1 17,8 17,5 17,3 Saarland 66,1 66,1 66,0 65,9 65,8 Sachsen 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Sachsen-Anhalt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Schleswig-Holstein 82,3 81,9 81,6 81,3 81,1 Thüringen 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Deutschland 40,9 40,1 39,4 38,3 38,4 Quelle: Bevölkerungsprognose des BBSR 2015 bis 2035/Strukturdatenprognose; eigene Berechnungen . Anmerkung: Für Kreise und kreisfreie Städte, die nur teilweise zum GRW-Fördergebiet gehören, wurde die gesamte Einwohnerzahl berücksichtigt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15309 5. Wie viel Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Bundesgebiet entfallen auf die laut der Definition der Bundesregierung als strukturschwach geltenden Regionen? Im Jahr 2017 entfielen 32,74 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf als strukturschwach definierte Regionen. Im Folgenden ist der Anteil strukturschwacher Regionen am Bruttoinlandsprodukt für die einzelnen Bundesländer aufgeführt (Quelle: VGRdL 2019). Bundesland Anteil strukturschwacher Regionen am BIP Bundesland Anteil strukturschwacher Regionen am BIP BW 0 % NI 35,73 % BY 5,01 % NRW 37,48 % B 100 % RP 16,24 % BB 100 % SL 69,07 % HB 100 % SN 100 % HH 0 % ST 100 % HE 7,93 % SH 81,98 % MV 100 % TH 100 % 6. Wie viel Prozent der Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland entfallen auf die Regionen, die nach Klassifikation der Bundesregierung als strukturschwach eingeordnet werden? Nach Auswertungen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit hatten im Juni 2018 rund 37 Prozent aller Beschäftigten (Summe aus sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und ausschließlich geringfügig Beschäftigten) ihren Arbeitsort in Kreisen, die als Fördergebiet gelten. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Auszubildenden lag bei rund 35 Prozent. 7. Welche Wirtschaftszweige (auf Basis der Einordnung des statistischen Bundesamtes) sind besonders stark in strukturschwachen Regionen anzutreffen , und welche Gründe liegen hierfür vor? Grundlage für die Berechnungen sind die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder 2019. Es wird deutlich, dass hinsichtlich des Anteils an der Bruttowertschöpfung insbesondere im verarbeitenden Gewerbe ein Unterschied zwischen strukturschwachen und nichtstrukturschwachen Regionen besteht und der Anteil in strukturschwachen Regionen deutlich niedriger ausfällt. Der Anteil von Dienstleistungen an der Bruttowertschöpfung ist hingegen in strukturschwachen Regionen deutlich höher. Die Gründe für diese Unterschiede können politischer, geografischer oder historischer Natur sein und der Bundesregierung liegen diesbezüglich keine weitergehenden Erkenntnisse vor. Drucksache 19/15309 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wirtschaftszweig nach WZ-Gliederung A*10 Anteil an Bruttowertschöpfung 2017 Nichtstrukturschwache Regionen Strukturschwache Regionen Land- und Forstwirtschaft , Fischerei 0,008 0,011 Prod. Gewerbe 0,329 0,273 Davon verarbeitendes Gewerbe 0,260 0,179 Davon Bau 0,046 0,055 Dienstleistungen 0,664 0,717 davon Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe , Information und Kommunikation 0,214 0,198 davon Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister ; Grundstücks- und Wohnungswesen 0,258 0,244 davon Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit , Private Haushalte mit Hauspersonal 0,192 0,275 8. Wie viele Regionen fallen knapp nicht unter die Definition einer strukturschwachen Region der Bundesregierung, drohen aber aus Sicht der Bundesregierung in den nächsten zehn Jahren womöglich unter diese Definition zu fallen (bitte auflisten und begründen)? Zur Klassifizierung der Regionen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird der sog. GRW-Regionalindikator verwendet. Dieser wird auf der räumlichen Ebene von Arbeitsmarktregionen durch Verknüpfung von vier zuvor normierten Einzelindikatoren zum regionalen Einkommen, zur regionalen Arbeitsmarktentwicklung, zur zukünftigen Erwerbstätigenentwicklung und zur Infrastrukturausstattung gebildet. Welche Regionen zukünftig möglicherweise nicht mehr als strukturschwach gelten, hängt zum einen von der wirtschaftlichen Entwicklung der Regionen bis zur Neufestlegung des Fördergebiets, zum anderen von den Vorgaben durch Regionalleitlinien der Europäischen Kommission zum Umfang des zulässigen Regionalfördergebiets ab. Diese Eckdaten liegen derzeit noch nicht vor. Vielmehr hat die Europäische Kommission angekündigt, die Regionalleitlinien und weitere Vorschriften aus dem Bereich des Beihilferechts um zwei Jahre bis Ende 2022 zu verlängern. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/15309 9. Werden nach Einschätzung der Bundesregierung durch die politisch getroffene Entscheidung zu einem Kohleausstieg bis spätestens 2038 heute nicht als strukturschwach klassifizierte Regionen absehbar als strukturschwach zu klassifizieren sein? a) Falls ja, welche (bitte namentlich auflisten und begründen)? b) Falls nein, wie kommt die Bundesregierung zu dieser Einschätzung? Der Kohleausstieg bedeutet einen Kraftakt für die betroffenen Regionen, die teilweise als strukturschwach eingestuft sind. Mit dem Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen unterstützt der Bund die Regionen langfristig bei dem anstehenden Strukturwandel, um wegfallende Beschäftigung zu kompensieren und die Regionen dabei zu unterstützen, sich zu modernen Wirtschaftsregionen zu entwickeln . Der Gesetzentwurf sieht dafür Finanzhilfen und weitere Maßnahmen des Bundes in Höhe von insgesamt bis zu 40 Mrd. Euro in den Braunkohlerevieren bis spätestens 2038 vor. Auch das ehemalige Braunkohlerevier Helmstedt und strukturschwache Steinkohlekraftwerksstandorte, in denen die Steinkohlekraftwerke einen erheblichen Teil der Wertschöpfung ausmachen, erhalten Unterstützung durch Bundesmittel. Ein Bund-Länder-Koordinierungsgremium wird den Projektfluss sicherstellen. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Erkenntnisse vor. Die Bundesregierung geht jedoch davon aus, dass mit dem Strukturstärkungsgesetz die Kohleregionen die Chance erhalten, einen nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklungspfad einzuschlagen. 10. Verwendet die Bundesregierung über ihre allgemeine Definition strukturschwacher Regionen hinaus ein differenzierteres Klassifizierungsschema, das es erlaubt, innerhalb der Gruppe strukturschwacher Regionen nach dem Grad der Strukturschwäche weiter zu differenzieren? a) Falls ja, welche Klassifizierungsschemata gibt es? b) Falls nein, warum gibt es keine solchen Klassifizierungsschemata? Bei der Klassifizierung als strukturschwache Regionen werden alle Arbeitsmarktregionen in Deutschland anhand eines Gesamtindikators in eine Reihenfolge von der struktur- bzw. wirtschaftsschwächsten Arbeitsmarktregion bis hin zur struktur- bzw. wirtschaftsstärksten Arbeitsmarktregion gebracht. Auf diese Weise lassen sich als strukturschwach definierte Regionen weiter nach dem Grad der Strukturschwäche unterscheiden. 11. Beabsichtigt die Bundesregierung, zur Finanzierung des gesamtdeutschen Systems zur Förderung strukturschwacher Regionen ein zusätzliches Sondervermögen einzurichten? Die Facharbeitsgruppe 2 „Wirtschaft und Innovation“ der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat die Ausstattung des gesamtdeutschen Fördersystems einschließlich des entstehenden Mehrbedarfs mit dem erforderlichen Finanzvolumen im Rahmen der nach Haushalts- und Finanzplanung zur Verfügung stehenden Mittel empfohlen. Die Einrichtung eines Sondervermögens wird für diesen Zweck nicht beabsichtigt. Im Rahmen des Interministeriellen Arbeitskreises wird auch über den Ausgleich eines möglichen finanziellen Mehrbedarfs der Programme beraten. Drucksache 19/15309 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass Fördergelder des Bundes im gesamtdeutschen System zur Förderung strukturschwacher Regionen , wie im Maßnahmenpapier der Bundesregierung angekündigt, tatsächlich von den Kommunen abgerufen, bedarfsgerecht verteilt und zweckgebunden verwendet werden? Die Zweckbindung der Mittel ist in den Förderrichtlinien der jeweiligen Programme festgelegt. Die bedarfsgerechte Verteilung der Mittel erfolgt wie bisher , je nach Programm entweder durch den Bund oder die Länder. 13. Welche Schritte hat die Bundesregierung im Rahmen der angekündigten Entwicklung eines gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen bisher unternommen? Gemäß Kabinettsbeschluss von 10. Juli 2019 soll das gesamtdeutsche Fördersystem zum 1. Januar 2020 eingerichtet werden. Hierzu fand am 26. September 2019 die konstituierende Sitzung der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Gesamtdeutsches Fördersystem“, die für die Koordinierung der einzelnen Förderprogramme zuständig ist, statt. Gegenwärtig erfolgt die Umsetzung der strukturpolitischen Komponenten und inhaltlichen Weiterentwicklungen in Verantwortung der einzelnen Programme. Es ist geplant, dass diese Anpassungen bei möglichst vielen Programmen mit Wirkung zum 1. Januar 2020 erfolgen. 14. Wie gewährleistet die Bundesregierung, die effiziente Koordination der Förderprogramme im gesamtdeutschen Fördersystem für strukturschwache Regionen? Eine Koordination der Förderprogramme soll im Rahmen der mehrmals jährlich tagenden Interministeriellen Arbeitsgruppe „Gesamtdeutsches Fördersystem “ erfolgen. Ferner ist ein regelmäßiger Austausch mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden geplant, um auch eine Koordinierung mit wirtschafts- und innovationsorientierten Förderprogrammen der Länder sicherzustellen . 15. Plant die Bundesregierung ein Evaluierungssystem für die verschiedenen Förderprogramme, das Fortschritte in der Strukturpolitik messbar und vergleichbar macht, und wenn ja, welche konkret operationalisierten, regionalen Ziele setzt sie sich dabei als Bewertungsmaßstab? Eine empirische Evaluation der Förderung besteht bereits für viele der Einzelprogramme . Darüber hinaus ist eine langfristig angelegte wissenschaftliche Wirkungsanalyse der Gesamteffekte des gesamtdeutschen Fördersystems für die Regionen geplant. Aufgrund der methodischen Komplexität der Analyse und hoher Anforderungen an die Datenverfügbarkeit ist die Etablierung einer solchen übergreifenden Evaluierung in Ergänzung zu den bestehenden programmbezogenen Verfahren der Wirkungskontrolle perspektivisch angelegt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/15309 16. Plant die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag einen regelmäßigen Bericht zur Lage, Entwicklung und Förderung strukturschwacher Regionen im angekündigten gesamtdeutschen Fördersystem vorzulegen? a) Wenn ja, in welchen zeitlichen Abständen soll dieser vorgelegt werden ? b) Wenn nein, wieso ist kein entsprechender Bericht geplant? Die Bundesregierung beabsichtigt die Vorlage eines eigenständigen Berichts zur Lage, Entwicklung und Förderung strukturschwacher Regionen im Abstand von zwei Jahren. Drucksache 19/15309 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333