Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulle Schauws, Canan Bayram, Sven Lehmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/14820 – Antidiskriminierungsstelle des Bundes ohne unabhängige Leitung seit 2017 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit dem Zusammentreten des Deutschen Bundestages im Jahr 2017 ist die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) unbesetzt. Die ADS ist nach Ansicht der Fragesteller entscheidend für unsere offene Gesellschaft und bei der Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen der „Rasse“ oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung , einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Dennoch ist ihr Wirkungsgrad ohne eine reguläre Leitung eingeschränkt. Als Grund für die Nichtbesetzung nennt die Bundesregierung „ein anhängiges Konkurrentenstreitverfahren, das eine Besetzung bislang nicht zugelassen hat“ (s. die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 188 auf Bundestagsdrucksache 19/8806). Dabei verschweigt sie den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Februar 2019, der nach der Klage einer anderen Bewerberin erging und das Bewerbungsverfahren in einer nach Meinung der fragenden Fraktion vernichtenden Art und Weise bewertet (s. Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin, VG7 L 218.18 sowie www.tagesspiegel.de/ politik/streit-um-antidiskriminierungsstelle-keine-neue-chefin-in-sicht/ 24191586.html). In der Begründung des Beschlusses stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Auswahlentscheidung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) „mit dem Prinzip der Bestenauslese des Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar“ sei. Die Auswahlentscheidung habe sich als „ermessensfehlerhaft, weil sie auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage beruht“, erwiesen. Die ausgewählte Bewerberin, eine SPD-Politikerin, hat nicht einmal eine Bewerbung abgegeben. Vielmehr wurde auf eine solche nach den Ausführungen des BMFSFJ, anders als bei der Mitbewerberin, verzichtet. Nachdem die Bewerberin in Gesprächen ihr Interesse bekundet hatte, hat sie am 23. März 2018 fünf Zeugnisse und einen Lebenslauf per E-Mail ohne ein Anschreiben an die Personalverantwortlichen geschickt. Das am 27. April 2018 vom SPD-Geschäftsführer erstellte Zeugnis ist mit E-Mail vom gleichen Tag direkt von der SPD an das Bundesministerium übermittelt worden (o. g. Beschluss, S. 9). Da im Ergebnis dem Bundeskanzleramt und schließlich dem Kabinett keine Bewerbungen vorgelegt wor- Deutscher Bundestag Drucksache 19/15353 19. Wahlperiode 21.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. den sind, konnte die Bundesregierung die Bewerbungen im Hinblick auf die geforderten Erfahrungen und Fähigkeiten nicht nachvollziehen und keiner weiteren Prüfung unterziehen. Sie konnte noch nicht einmal erkennen, dass es eine Bewerbung der SPD-Politikerin „i.e.S.“ gar nicht gegeben hat (o. g. Beschluss , S. 9 und 10). Das alles veranlasste das Gericht zur folgenden Feststellung: „Insgesamt entsteht der Eindruck, dass das Verfahren zur Besetzung der Leitung der ADS nicht in der gebotenen Weise ergebnisoffen geführt wurde.“ V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung ist mit der Tatsache konfrontiert, dass die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) derzeit nicht besetzt werden kann. Grund sind Konkurrentenstreitverfahren, die eine Besetzung bislang nicht zulassen . Eine endgültige gerichtliche Klärung der Frage, ob die beabsichtigte Besetzung rechtmäßig ist, ist noch nicht erfolgt. Bislang sind lediglich gerichtliche Prüfungen im Wege des Eilrechtsschutzes erfolgt. Diese haben zu sich widersprechenden Ergebnissen geführt. Die Besetzung der ADS-Leitung ist hinsichtlich Person und Zeitpunkt damit von der endgültigen gerichtlichen Klärung abhängig. 1. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass seit fast zwei Jahren die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) unbesetzt ist und die ADS lediglich kommissarisch geleitet wird? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 2. Erwägt die Bundesregierung, das Konkurrentenstreitverfahren zu beenden und eine neue ordnungsgemäße Bewerberauswahl einzuleiten? Die Besetzung der ADS-Leitung ist hinsichtlich Person und Zeitpunkt von der endgültigen gerichtlichen Klärung abhängig. Erst diese Klärung wird zeigen, welche Anforderungen an die Auswahl der ADS-Leitung zu stellen sind und ob die getroffene Auswahl rechtmäßig war und umgesetzt werden kann oder eine erneute Auswahl stattfinden muss. 3. Liegt der Bunderegierung hierzu die aktuellste Überprüfung interner Abläufe und der zwangsläufig aus der Nichtbesetzung der Stelle entstehenden Einschränkungen als Bericht vor, und wenn ja, zu welchen Ergebnissen hat diese geführt? Die Überprüfung hat zu der Empfehlung geführt, das Verfahren zur Besetzung der Leitung der ADS nach Möglichkeit rechtlich genauer festzulegen, um künftige längere Vakanzen der Leitung zu verhindern. Für eine solche rechtliche Festlegung ist der Ausgang der Konkurrentenstreitverfahren von entscheidender Bedeutung. Bei der kommissarischen Leitung handelt es sich um die bestmögliche Übergangslösung bis zur gerichtlichen Klärung. Durch die kommissarische Leitung der ADS werden Einschränkungen bei der Wahrnehmung der Aufgaben der ADS weitestgehend vermieden. Drucksache 19/15353 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 4. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den bisherigen Auswahlverfahren zur Besetzung der Leitung der ADS angesichts der Feststellung des Verwaltungsgerichts Berlin, wonach das Verfahren zur Besetzung der Leitung der ADS nicht in der gebotenen Weise ergebnisoffen geführt würde ? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Eine endgültige gerichtliche Klärung steht noch aus. 5. Erfüllt eine kommissarische, mit einem Mitarbeiter des BMFSFJ besetzte Leitung nach Meinung der Bundesregierung die Anforderungen des § 26 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), wonach die Leitung in Ausübung ihres Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen ist? Bei der kommissarischen Leitung handelt es sich um die bestmögliche Übergangslösung bis zur gerichtlichen Klärung. Der kommissarische Leiter genießt die Unabhängigkeit, die die Leitung der ADS nach § 26 AGG hat. 6. Inwiefern werden Arbeit und Wirkmöglichkeiten der Antidiskriminierungsstelle aufgrund der fehlenden unabhängigen Leitung beeinträchtigt? Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 7. Inwiefern ist nach Meinung der Bundesregierung die jetzige Situation, wonach die ADS seit zwei Jahren keine unabhängige Leitung hat, der Anforderung der tatsächlichen Unabhängigkeit der Gleichstellungsstellen, wie die Europäische Kommission am 22. Juni 2018 von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gefordert hat, gerecht? Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 8. Hat die Bundesregierung eine Bewertung der Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) vom 7. Dezember 2017 in Bezug auf die Gleichstellungsstellen, und wenn ja, welche ? Entspricht die jetzige Situation, wonach die ADS seit zwei Jahren keine unabhängige Leitung hat, nach Meinung der Bundesregierung diesen Empfehlungen ? Der Bundesregierung ist bewusst, dass die ECRI sich insbesondere für die Unabhängigkeit der Gleichstellungsstellen einsetzt. Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 9. Besteht die Bundesregierung weiterhin auf die Besetzung der Leitungsstelle durch die bisher ausgewählte SPD-Politikerin? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15353 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 10. Ist es ein üblicher Vorgang bei der Besetzung der zur Leitung der ADS analogen Stellen, dass die Bewerberinnen und Bewerber keine Bewerbung im engeren Sinne abgeben müssen, sondern ihre Zeugnisse aus den entsprechenden Parteizentralen an das zuständige Bundesministerium übermittelt werden? Aus Sicht der Bundesregierung ist für eine ordnungsgemäße Bewerbung grundsätzlich maßgeblich, dass sich eine Person inhaltlich klar und eindeutig auf eine Position bewirbt und die dafür nötigen Angaben macht sowie die dafür nötigen Unterlagen übermittelt. Ob die sich bewerbende Person diese Unterlagen selbst übermittelt oder sich dafür einer dritten Person bedient, ist für die Bewerbung nicht relevant. 11. Wer trägt im Bundesministerium die Verantwortung für die Auswahl einer Bewerberin bzw. eines Bewerbers für die Leitungsstelle der ADS? Gemäß § 26 Absatz 1 Satz 1 AGG ernennt die Bundesministerin oder der Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Vorschlag der Bundesregierung eine Person zur Leitung der ADS. Drucksache 19/15353 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.