Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/14822 – Stellung von Landwirtinnen und Landwirten in der Wertschöpfungskette V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Landwirtinnen und Landwirte befinden sich zunehmend unter ökonomischem Druck. Viele leben am Existenzminimum. Sie sehen sich nach Ansicht der Fragesteller einer wachsenden Marktkonzentration und damit einer immer größeren strukturellen, oft global agierenden Konzernmacht sowohl im vorgelagerten (z. B. Pflanzenschutz, Saatgut) als auch im nachgelagerten Bereich (Verarbeitung, Vermarktung) gegenüber, was zu internationalem Preisdruck und sehr volatilen Preisen von Erzeugerinnen und Erzeugern führt. Auf der anderen Seite steigen die Anforderungen der Gesellschaft, nachhaltig zu produzieren . Hinzu kommen explodierende Bodenkauf- und Pachtpreise nach Ansicht der Fragesteller infolge von Bodenspekulation durch landwirtschaftsfremde Netzwerke von Investorinnen und Investoren und die Privatisierung ehemals volkseigener Flächen durch die bundeseigene Bodenverwertungsund -verwaltungs GmbH (BVVG). Die stetig sinkende Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe ist nach Ansicht der Fragesteller nicht zuletzt Ausdruck der erschwerten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Landwirtinnen und Landwirte (vgl. Statistisches Bundesamt, 2019, Landwirtschaftliche Betriebe: Ausgewählte Merkmale im Zeitvergleich, www.destatis.de/DE/Themen/Bran chen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Landwirtschaftli che-Betriebe/Tabellen/ausgewaehlte-merkmale-zv.html), wobei aus dem Prinzip „wachse oder weiche“ immer öfter ein „wachse und weiche“ geworden ist. Die Stellung der Landwirtschaft in der Lebensmittelwertschöpfungskette verschlechtert sich zunehmend. Laut EU-Kommission ist die Wertschöpfung in der Landwirtschaft zwischen 1995 und 2011 um ein Drittel zurückgegangen und lag 2011 nur noch bei 21 Prozent. Demgegenüber verblieben 28 Prozent in der Verarbeitungsindustrie und 51 Prozent beim Lebensmitteleinzelhandel (vgl. EU Commission Communication, 2015, E-000521/2015, www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-8-2015-000521-ASW_EN.html). Gerade der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland ist ein stark konzentrierter Markt. Bereits die Sektoruntersuchung „Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel “ im Jahr 2014 hat gezeigt, dass eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse konsequent angegangen werden muss (vgl. Bundeskartellamt , 2014; w w w . b u n d e s k a r t e l l a m t . d e / S e k t o r u n t e r s u chung_LEH.pdf?__blob=publicationFile&v=7). Deutscher Bundestag Drucksache 19/15354 19. Wahlperiode 21.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 19. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Die prekäre Situation der Landwirtschaft bei zeitgleich hohen Gewinnen der vor- und nachgelagerten Bereiche (unter anderem der Verarbeitung, Vermarktung und des Lebensmitteleinzelhandels) wirft Fragen über Wertschöpfung und Wertabschöpfung auf. 1. Wie wird in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung die Entwicklung der Wertschöpfung innerhalb der Lebensmittelkette (food supply chain) statistisch dokumentiert und analysiert, und welche Schlussfolgerungen sind bisher daraus gezogen worden? 2. Wie hoch ist aktuell nach Kenntnis der Bundesregierung der jeweilige Anteil an der Wertschöpfung innerhalb der Lebensmittelkette (bitte folgende Bereiche: Landwirtschaft, Verarbeitung, Vermarktung, Transport/Logistik, Lebensmitteleinzelhandel in Prozent auflisten)? Wie hat sich dieser Anteil zwischen den Jahren 2000 bis 2018 verändert, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Entwicklung ? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verfolgt die Entwicklung der Wertschöpfung innerhalb der Lebensmittelkette anhand von amtlichen statistischen Daten, die den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) sowie verschiedenen Fachstatistiken entnommen sind. Dabei wird eine feinere Abgrenzung der zur Lebensmittelkette gehörenden Wirtschaftszweige vorgenommen, als sie die relativ grobe Sektorgliederung der VGR zuließe, indem VGR-Daten mit Ergebnissen von amtlichen Fachstatistiken kombiniert werden. Die Fachhochschule Südwestfalen hat dazu eine Methode entwickelt, die eine Ermittlung wesentlicher statistischer Größen (Produktionswert , Bruttowertschöpfung, Zahl der Erwerbstätigen) ermöglicht*. Die nachfolgenden Tabellen 1 und 2 zeigen die Entwicklung der Bruttowertschöpfung für die wesentlichen Bestandteile der Lebensmittelkette sowie die prozentuale Gliederung entsprechend der amtlichen Klassifikation der Wirtschaftszweige . Diese Daten werden in zusammengefasster Form auch in den Agrarpolitischen Berichten der Bundesregierung veröffentlicht, zuletzt im Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2019, S. 68 (www.bmel-statis tik.de/fileadmin/daten/DFB-0010010-2019.pdf). Die in der Fragestellung genannten Funktionen (Landwirtschaft, Verarbeitung, Vermarktung, Transport/ Logistik, Lebensmitteleinzelhandel) können dabei aus konzeptionellen Gründen nur teilweise berücksichtigt werden. Ergebnisse für Jahre vor 2007 sind wegen der Änderung der Klassifikation der Wirtschaftszweige mit denen für die hier dargestellten Jahre nicht vergleichbar. * Lödding, J., u. a., Entwicklung einer Methodik zur Abschätzung der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Agribusiness und der flankierenden Bereiche der Bioökonomie. Forschungsberichte des Fachbereichs Agrarwirtschaft Nr. 42. Soest 2017 Drucksache 19/15354 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Tabelle 1: Bruttowertschöpfung der Lebensmittelkette (ohne vorgelagerte Wirtschaftsbereiche) in Mrd. Euro Wirtschaftsbereiche 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017v Landwirtschaft 16,5 18,7 14,9 18,8 21,7 19,9 23,2 22,8 16,9 18,1 23,1 Nachgelagerte Wirtschaftsbereiche 111,3 114,5 116,3 118,9 113,5 117,4 119,5 125,9 135,3 141,1 147,1 davon Ernährungsgewerbe und Tabakverarbeitung 36,9 35,9 35,9 37,3 37,6 38,7 40,0 41,1 43,7 46,0 . Nahrungsmittelhandel 50,2 54,0 54,1 54,6 50,4 53,8 55,3 59,1 63,8 66,3 . Gastronomie 24,2 24,6 26,3 26,9 25,5 24,9 24,3 25,8 27,7 28,7 . Lebensmittelkette insg. 127,8 133,2 131,2 137,7 135,2 137,3 142,7 148,7 152,2 159,2 170,2 Tabelle 2: Anteile an der Bruttowertschöpfung der Lebensmittelkette in Prozent Wirtschaftsbereiche 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017v Landwirtschaft 12,9 14,0 11,4 13,7 16,0 14,5 16,3 15,3 11,1 11,4 13,6 Nachgelagerte Wirtschaftsbereiche 87,1 86,0 88,6 86,3 84,0 85,5 83,7 84,7 88,9 88,6 86,4 davon Ernährungsgewerbe und Tabakverarbeitung 28,9 26,9 27,4 27,1 27,8 28,2 28,0 27,6 28,7 28,9 . Nahrungsmittelhandel 39,3 40,5 41,2 39,7 37,2 39,2 38,7 39,7 42,0 41,7 . Gastronomie 18,9 18,5 20,1 19,6 18,9 18,1 17,0 17,3 18,2 18,0 . Lebensmittelkette insg. 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 v = vorläufig Quelle: Statistisches Bundesamt, FH Südwestfalen, BMEL (723) 3. Welche Anteile des Verbraucherpreises entfallen nach Kenntnis der Bundesregierung durchschnittlich an die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft für folgende Produktklassen (in Prozent), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus a) Fleisch und Fleischerzeugnisse b) Milch und Milcherzeugnisse c) Gemüse d) Obst e) Getreide und Getreideerzeugnisse? 4. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anteile des Verbraucherpreises , der auf die Landwirtschaft entfällt, in den Produktklassen Fleisch und Fleischerzeugnisse, Milch und Milcherzeugnisse, Gemüse, Obst, und Getreide und Getreideerzeugnisse zwischen 2000 und 2018 entwickelt (bitte die einzelnen Produktklassen und Angaben in absoluten Zahlen sowie Prozent auflisten)? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . In vielen Fällen kaufen Verbraucherinnen und Verbraucher eine Vielzahl von Artikeln, die aus einem einzigen landwirtschaftlichen Grunderzeugnis entstehen . Beispielsweise erzielen landwirtschaftliche Betriebe einen bestimmten Preis je Kilogramm Schlachtgewicht für den Verkauf von Schlachtschweinen (lediglich differenziert nach Handelsklassen); auf Konsumentenebene stehen dem zahlreiche Fleischteilstücke vom Schwein, Würste, Schinken und weitere Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15354 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Verarbeitungserzeugnisse gegenüber. Zur Beantwortung der Frage erscheint in diesen Fällen eine Gegenüberstellung von Erzeugererlösen und den Verbraucherausgaben für eine entsprechende Produktgruppe als sinnvollere Darstellung . Das Thünen-Institut für Marktanalyse berechnet den Anteil der Verkaufserlöse der Landwirtschaft an den Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel inländischer Herkunft in Deutschland u. a. für die in Frage 3 angesprochenen Produktgruppen a), b) und e) (vgl. nachfolgende Tabelle 3). Schwankungen der Erzeugerpreise der Landwirtschaft, sowie bei Getreide von Jahr zu Jahr unterschiedliche Erntemengen, führen auch zu von Jahr zu Jahr etwas schwankenden Anteilen der Erzeugererlöse, denn die auf der Stufe der landwirtschaftlichen Erzeuger erzielten Preise schwanken sehr viel stärker als die Verbraucherpreise. Hinzu kommt im Zeitverlauf, dass das Preisstützungsniveau in den ersten Jahren der Zeitreihe bei Milch höher lag als in späteren Jahren . Gleichwohl zeigen sich in der Zeitreihe keine markanten langfristigen Veränderungen des Anteils der Erzeugererlöse. Tabelle 3: Anteil der Verkaufserlöse der Landwirtschaft an den Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel inländischer Herkunft in Deutschland in Prozent (Wirtschafts-) jahr Brot(-getreide) Fleisch (-waren) Milch (-erzeug- nisse) 1999/00 4,2 23,4 39,5 2000/01 4,1 25,5 44,7 2001/02 4,0 22,2 42,5 2002/03 3,7 23,1 38,8 2003/04 4,5 24,7 39,6 2004/05 3,5 26,4 39,2 2005 3,5 23,6 38,4 2006 4,2 24,1 36,7 2007 6,4 21,9 43,1 2008 5,6 23,3 41,0 2009 3,9 21,2 30,8 2010 4,6 21,7 38,1 2011 6,3 23,2 40,7 2012 6,0 24,7 37,4 2013 5,4 23,2 42,7 2014 4,4 21,9 41,9 2015 4,1 21,1 34,2 2016 3,5 22,4 32,6 2017 3,9 23,5 39,9 2018 (v) 4,1 22,0 34,0 v = vorläufig. Quelle: Thünen-Institut für Marktanalyse Für Gemüse und Obst liegen vergleichbare Berechnungen nicht vor. Allerdings gibt es hier für Frischware eine Reihe von Erzeugnissen, für die landwirtschaftliche Erzeugerpreise und Verbraucherpreise gegenübergestellt werden können, da Frischobst und -gemüse keiner Verarbeitung unterliegen (vgl. nachfolgende Tabelle 4). Daten liegen ab 2012 vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vermarktungsfunktionen wie der Sortimentsbildung durch den Handel, aber auch Verluste in der Vermarktungskette, in den Verbraucherpreisen mit kalkuliert sind. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Verbraucherpreise für Kleingebinde bzw. je Stück gelten und hier nur zur Vergleichbarkeit auf größere Gebinde bzw. Mengen umgerechnet wurden. Schließlich ist die jeweilige Produktdefinition auf Erzeuger- und Verbraucherstufe nicht in allen Punkten identisch, so dass die ausgewiesenen Anteile des Erzeugerpreises am Verbraucherpreis nur einen Anhaltspunkt zur Verdeutlichung der Größenordnung bieten kann. Drucksache 19/15354 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Tabelle 4: Verbraucher- und Erzeugerpreise wichtiger Gemüse- und Obstarten Erzeugnis Einheit 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Verbraucherpreise Euro Frischgemüse Kopfsalat 100 St. 74,00 82,00 80,00 86,00 89,00 91,00 93,00 Salatgurken 100 St. 52,00 57,00 51,00 58,00 62,00 59,00 66,00 Blumenkohl 100 St. 111,00 123,00 117,00 126,00 143,00 128,00 141,00 Möhren, ohne Laub dt 89,00 94,00 83,00 96,00 101,00 94,00 108,00 Zwiebeln, 1-1,5 kg dt 77,00 92,00 86,00 91,00 94,00 81,00 95,00 Speisekartoffeln, 1-2,5 kg dt 64,00 79,00 71,00 66,00 78,00 75,00 76,00 Tomaten, rund dt 186,00 190,00 193,00 214,00 210,00 224,00 208,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 Frischobst Äpfel, alle Sorten dt 160,00 188,00 172,00 163,00 173,00 190,00 218,00 Erdbeeren dt 328,00 338,00 327,00 362,00 397,00 434,00 436,00 Erzeugerpreise Euro Gemüse Kopfsalat1) 100 St. 50,62 41,70 37,90 48,75 42,44 38,71 48,49 Salatgurken1) 100 St. 29,45 32,19 26,76 35,20 35,78 29,72 37,44 Blumenkohl 100 St. 51,13 55,27 51,99 58,93 67,51 61,32 68,22 Möhren dt 27,38 18,04 18,50 26,49 25,36 21,39 32,65 Zwiebeln dt 14,10 23,92 18,32 18,35 20,98 13,91 23,17 Speisekartoffeln dt 26,91 51,98 17,95 39,26 45,01 26,83 38,05 Tomaten1) dt 118,32 114,79 126,83 147,33 151,41 157,69 161,68 Obst Äpfel, alle Sorten dt 47,41 59,84 45,08 40,44 44,85 55,89 69,00 Erdbeeren dt 187,94 177,77 186,70 193,64 231,73 275,02 233,52 Erzeugerpreis in % des Verbraucherpreises Gemüse Kopfsalat 68,4 50,9 47,4 56,7 47,7 42,5 52,1 Salatgurken 56,6 56,5 52,5 60,7 57,7 50,4 56,7 Blumenkohl 46,1 44,9 44,4 46,8 47,2 47,9 48,4 Möhren 30,8 19,2 22,3 27,6 25,1 22,8 30,2 Zwiebeln 18,3 26,0 21,3 20,2 22,3 17,2 24,4 Speisekartoffeln 42,0 65,8 25,3 59,5 57,7 35,8 50,1 Tomaten 63,6 60,4 65,7 68,8 72,1 70,4 77,7 Obst Äpfel, alle Sorten 29,6 31,8 26,2 24,8 25,9 29,4 31,7 Erdbeeren 57,3 52,6 57,1 53,5 58,4 63,4 53,6 1) Unterglasware. Quelle: Agrarmarkt Informations-GmbH Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15354 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 5. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Verhältnis zwischen den Erzeugungskosten und den Erzeugerpreisen für die in Frage 3 aufgezählten Produktklassen zwischen den Jahren 2000 und 2018 entwickelt, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Da die Spannweite der Erzeugungskosten der genannten Produkte je nach Betriebstyp und Betriebsgröße sehr groß ist, werden sie nicht amtlich ermittelt. Daher ist auch kein Vergleich zwischen Erzeugungskosten und Erzeugerpreisen möglich. 6. Sieht die Bundesregierung aufgrund der Gesamtentwicklung Handlungsbedarf ? Wenn ja, welchen? Wenn nein, warum nicht? Die Gesamtentwicklung, wie in den Antworten zu den Fragen 1 bis 4 dargestellt , ist gekennzeichnet durch einen relativ stabilen Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung (BWS) der Lebensmittelkette in Höhe von durchschnittlich 13,6 Prozent im Verlauf der Jahre 2007 bis 2017 (vgl. Tabelle 2). Der Anteil der Erzeugererlöse an den Verbraucherpreisen zeigt sich im Zeitverlauf seit dem Jahr 2000 für die Produktgruppen Fleisch und Fleischerzeugnisse, Milch und Milcherzeugnisse sowie Getreide und Getreideerzeugnisse weitestgehend unverändert (vgl. Tabelle 3). Für die Produktgruppen Obst und Gemüse weisen die Anteile der Erzeugerpreise an den Verbraucherpreisen zum Teil deutlichere Schwankungen auf (vgl. Tabelle 4). Aufgrund der stabilen Entwicklung sowohl des Anteils der Landwirtschaft an der BWS der Lebensmittelkette als auch des Verhältnisses von Erzeuger- zu Verbraucherpreisen ergibt sich daraus derzeit kein Handlungsbedarf. Im Übrigen wird auf die in der Antwort zu Frage 12 aufgeführten Maßnahmen der Europäischen Kommission verwiesen. 7. Welche Kontrollen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung zur Umsetzung des Verbots, Produkte unter dem Einkaufspreis zu verkaufen, seit dem Jahr 2000, und welche Konsequenzen wurden daraus mit welchem Ergebnis gezogen? Das Bundeskartellamt hat in der Vergangenheit verschiedene Verfahren wegen des Angebots von Lebensmitteln und anderen Waren unter Einstandspreis geführt . Im Bereich Lebensmittel ist die letzte Entscheidung im Jahr 2007 gegen das EDEKA-Tochterunternehmen Netto Marken-Discount ergangen, das im Dezember 2006 und im Januar und Februar 2007 verschiedene Milchprodukte unter den jeweiligen Einstandspreisen angeboten hatte. In den letzten 10 Jahren ergingen in diesem Bereich keine weiteren Verfügungen . Die Anwendung der Vorschrift war durch die sog. Rossmann- Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. November 2009 erschwert worden, die den Handelsunternehmen erheblichen Spielraum bei der Umlegung von Vergünstigungen (Werbekostenzuschüsse, Boni usw.) auf den Einkaufspreis einzelner Produkte gewährte. Hierauf hat der Gesetzgeber mit der Neunten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (9. GWB-Novelle) im Jahr 2017 reagiert, indem gesetzlich klargestellt wurde, dass derartige Vergünstigungen gleichmäßig auf das vom jeweiligen Hersteller bezogene Sortiment umzulegen sind, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist (§ 20 Absatz 3 Satz 3 GWB). Drucksache 19/15354 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Bundeskartellamt Hinweisen und Beschwerden über einen möglichen Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis fortlaufend nachgeht. In vielen Fällen liegt ein niedriger Abgabepreis jedoch nicht unter dem Einkaufspreis, weil dieser ebenfalls sehr niedrig war. Dies kann – wie im Fall der Milchpreise in den Jahren 2015/2016 – an einem Überangebot auf dem vorgelagerten Markt liegen. Auch kann die Nachfragemacht der großen Lebensmitteleinzelhändler diesen erlauben, zu sehr günstigen Konditionen einzukaufen. 8. Welche Konsequenzen wurden, nach Kenntnis der Bundesregierung, aus der Sektoruntersuchung „Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel“ des Bundeskartellamts von 2014 gezogen, und welche Ergebnisse hatten diese konkret? Im Rahmen der 9. GWB-Novelle im Jahr 2017 wurde auf die Situation im Lebensmitteleinzelhandel reagiert. So wurde das Verbot des Anbietens von Lebensmitteln unter Einstandspreis entfristet und eine Definition zum Einstandspreis geschaffen mit dem Ziel, die Anwendbarkeit des Verbots des Anbietens von Waren und Dienstleistungen unterhalb des Einstandspreises zu erleichtern. Mit der gesetzlichen Bestimmung des Begriffs des Einstandspreises wird die Freiheit der Händler bei der Anrechnung von Vergünstigungen zur Bestimmung des Einstandspreises zu Gunsten der Lieferanten beschränkt. Aus der Sicht der Bundesregierung wird hierdurch die Position der Lieferanten gegenüber den Händlern gestärkt. Daneben wurde das sog. Anzapfverbot in § 19 Absatz 2 Nummer 5 GWB angepasst und ergänzt, um eine effektivere Anwendbarkeit des Anzapfverbots zu ermöglichen . Mit dem Streichen des Erfordernisses der Ausnutzung der Marktstellung wurde klargestellt, dass schon die Aufforderung zur Vorteilsgewährung selbst einen Missbrauch von Marktmacht darstellt, soweit sie nicht sachlich gerechtfertigt ist. Es ist somit nicht erforderlich, dass zwischen der Marktmacht und der Aufforderung ein über die allgemeinen Regeln hinausgehender Ursachenzusammenhang bestehen muss. Bisher war dies umstritten. Die eingeführten Kriterien für eine sachliche Rechtfertigung erleichtern deren Prüfung und führen zugleich zu mehr Rechtssicherheit. Die im Gesetz geregelten Kriterien ermöglichen eine verfeinerte Einzelfallabwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Zielsetzung dieses Gesetzes. Dabei ist die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung in hohem Maße einzelfallabhängig . Daher ist es weiterhin möglich und im Einzelfall auch erforderlich, über die genannten Kriterien hinausgehende Aspekte bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung zu berücksichtigen. 9. Welche Konsequenzen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung, aus der Sektoruntersuchung Milch des Bundeskartellamts von 2009 und 2012 gezogen, und welche Ergebnisse hatten diese konkret? Das Bundeskartellamt hat am 19. Januar 2012 seinen Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Milch veröffentlicht. Unter anderem untersuchte das Bundeskartellamt neben dem Aspekt der Verhandlungsmacht des Lebensmitteleinzelhandels auch die Bereiche Vertragslaufzeiten, Kündigungsfristen, Andienungspflichten , Marktinformationssysteme und Referenzpreismodelle. Ausgelöst durch ein Verwaltungsverfahren gegen eine Molkerei hat das Bundeskartellamt ferner im März 2017 in einem Sachstandspapier zu Lieferbedingungen für Rohmilch erneut u. a. lange Kündigungsfristen für die Milcherzeuger , hundertprozentige Andienungspflichten, nachträgliche Preisfestsetzung kri- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/15354 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. tisiert. Es hatte die Auffassung vertreten, dass hieraus eine nachhaltige Beeinträchtigung des Wettbewerbsgeschehens resultiere; dies sei wettbewerbsrechtlich problematisch. Im Januar 2018 beendete das Bundeskartellamt das Verwaltungsverfahren zu den Milch-Lieferbedingungen unter anderem mit der Schlussfolgerung, dass inzwischen deutlich mehr Landwirte ihre Molkerei gewechselt hätten und branchenweit neue Vertragsmodelle diskutiert würden. Aktuelle Marktentwicklungen deuteten auf eine stärkere wettbewerbliche Aktivität in den Jahren 2017/2018 hin. Auch würden die Lieferbedingungen teilweise geändert und insbesondere die Kündigungsfristen abgesenkt. Gleichzeitig verwies das Bundeskartellamt auf eine Änderung des europäischen Rechtsrahmens zu den Vertragsbeziehungen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse. Das BMEL hat im Jahr 2018 ein repräsentatives Gutachten zu Modellen der Mengenplanung und Mengensteuerung der Molkereien in Deutschland in Auftrag gegeben. Die Studie kommt bei den Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und Milcherzeugern zu folgenden Ergebnissen: • 22,8 Prozent der an der Befragung teilgenommenen Molkereien haben bereits kurzfristigere Lieferverträge eingeführt; in 12,3 Prozent der deutschen Molkereien wird ein höherer Anteil an Vertragslandwirten festgestellt, welche mit Festmengen mehr Planungssicherheit ermöglichen; • in 15,8 Prozent der befragten Molkereien kommen Festpreissysteme mit festgelegten Mengen zur Anwendung, welche die Preissicherheit für die Milcherzeuger erhöhen und das Preisrisiko verringern (Back-to-back- Verträge, Durchschnittsverwertung, Börsenpreise); börsenbasierte Angebote sind von weiteren rund 12,3 Prozent der Molkereien geplant; • 5,3 Prozent der deutschen Molkereiunternehmen planen die Einführung von Zwei- und Mehrpreissystemen zur Steuerung der Milchanlieferungsmengen. Die Milchwirtschaft hat die Vorlage einer Sektorstrategie 2030 für Januar 2020 angekündigt. BMEL hat die Branche aufgefordert, die Bereiche Risikomanagement sowie Mengenplanung und Mengensteuerung in ihrer Sektorstrategie zu adressieren. 10. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf zur Anpassung des Kartellrechts , um im Interesse des Gemeinwohls die Marktmacht im Agrarwirtschaftsbereich und ihren Missbrauch gegenüber den Primärproduzentinnen und -produzenten zu verhindern? Wenn ja, welche Maßnahmen schlägt sie vor? Mit der 9. GWB-Novelle im Jahr 2017 ist auf die Situation im Lebensmitteleinzelhandel reagiert worden (siehe Antwort zu Frage 8). Die nunmehr anstehende Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/633 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette strebt eine weitere Stärkung der Erzeuger an (siehe Antwort zu Frage 13). Drucksache 19/15354 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 11. Welche Kontrollen hat es nach Kenntnis der Bundesregierung bezüglich des Missbrauchs der Nachfragemacht bisher gegeben? Welches Ergebnis hatten diese Kontrollen, und welche Schlussfolgerungen wurden daraus gezogen? Neben dem Fall Fuchs Gewürze aus dem Jahr 2002 (B2-12/00) ist im Bereich Lebensmittel vor allem die Missbrauchsverfügung gegen EDEKA („Hochzeitsrabatte “) hervorzuheben (B2-58/09). Hier hat der Bundesgerichtshof (Az.: KVR 3/17) das Bundeskartellamt in entscheidenden Punkten seiner Missbrauchsverfügung vom Juli 2014 bestätigt und einige Grundsatzfragen bezüglich des sog. Anzapfverbots gemäß § 19 Absatz 1 und 2 Nummer 5 i. V. m. § 20 Absatz 2 GWB geklärt. Dabei ist der Bundesgerichtshof ebenso wie zuvor das Bundeskartellamt einer zu weitgehenden Abwälzung des unternehmerischen Risikos von marktmächtigen Händlern auf Hersteller entgegengetreten (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung zum Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 2017/2018, Bundestagsdrucksache 19/10900 S. 56 f.). Als Konsequenz aus dem EDEKA-Konditionenverfahren wurde das Anzapfverbot im Rahmen der 9. GWB-Novelle konkretisiert (siehe Antwort zu Frage 8). 12. Sieht die Bundesregierung den Bedarf, den Landwirtschaftssektor innerhalb der Wertschöpfungskette gegenüber den Bereichen Verarbeitung, Vermarktung, Transport/Logistik, Lebensmitteleinzelhandel zu stärken? Wenn ja, welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung dazu um? Wenn nein, warum nicht? Sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene besteht innerhalb der Agrar- und Ernährungspolitik Einvernehmen, die Position der Landwirtschaft in der Kette stärken zu müssen. Auf Grundlage des Berichts eines Beratergremiums, der sogenannten „Agricultural Markets Task Force“, nahm der Rat der EU-Agrarminister im Dezember 2016 Schlussfolgerungen zur Stärkung der Position der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette und zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken an. Die Europäische Kommission hat aus diesem Grund am 12. April 2018 einen Vorschlag für eine Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette vorgelegt, den der EU-Ministerrat in seiner Sitzung am 9. April 2019 gebilligt hat. Die Richtlinie soll dem Schutz von kleinen und mittleren Unternehmen der Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung, insbesondere Landwirten, in der Lebensmittelversorgungskette gegenüber unlauteren Handelspraktiken von größeren Unternehmen des Lebensmittelhandels und der Lebensmittelverarbeitung dienen (siehe Antwort zu Frage 13). Darüber hinaus hat die Europäische Kommission nach umfangreichen Beratungen die Durchführungsverordnung (EU) 2019/1746 der Kommission vom 1. Oktober 2019 erlassen (ABl. L 286 vom 22.10.2019, S. 6), um die Markttransparenz in der Landwirtschaft und im Lebensmittelsektor zu verbessern. Damit wurde ein weiterer Aspekt zur Stärkung der Erzeuger in der Lebensmittelversorgungskette aufgegriffen. Sowohl für die Richtlinie als auch die Durchführungsverordnung finden derzeit der Rechtssetzungsprozesse auf nationaler Ebene statt. Eine Umsetzung muss bis zum 1. Mai 2021 bzw. bis zum 1. Januar 2021 erfolgen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/15354 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 13. Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung insbesondere bezüglich des Vertragsrechts (Vertragsgestaltung zwischen den Primärerzeugerbetrieben und den Verarbeitungsstrukturen bzw. Vermarktungsstrukturen )? Grundsätzlich gilt das bewährte Rechtsinstrumentarium, also insbesondere die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über Allgemeine Geschäftsbedingungen , das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). In Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/633 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (ABl. L 111 vom 25. April 2019, S. 59) wird die Bundesregierung künftig bestimmte unfaire Handelspraktiken verbieten. Verboten wird beispielsweise die Stornierung eines Vertrags über den Kauf von verderblichen Erzeugnissen , die so kurzfristig erfolgt, dass eine alternative Vermarktungs- oder Verwendungsmöglichkeit praktisch ausgeschlossen ist. 14. Welche Regulationen für Erzeugerpreise oder/und Lebensmittelpreise gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen EU- Mitgliedstaaten für welche Produkte oder Produktgruppen, und welche Prüfungen hat die Bundesregierung zu Vor- und Nachteilen dieses Instruments veranlasst? Welche Schussfolgerungen hat sie mit welchem Ergebnis dazu gezogen? Die Bundesregierung verfügt über keine umfassenden Informationen zur Regulation von Erzeuger- oder /und Lebensmittelpreisen in den EU- Mitgliedsstaaten. Es ist bekannt, dass die polnische Regierung beabsichtigt, Mindestpreise für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse festzulegen, mit dem Ziel, die Position der landwirtschaftlichen Erzeuger zu stärken. Die Europäische Kommission hat hierzu am 4. Oktober 2019 eine ausführliche Stellungnahme und Bemerkungen abgegeben, weil Probleme mit der Vereinbarkeit mit Artikel 168, Absatz 6 der VO (EU) 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse gesehen werden. Die Bundesregierung prüft den Gesetzentwurf im Rahmen des laufenden Notifizierungsverfahrens (Notifizierung 2019/340/PL). In Frankreich wird mit dem „Gesetz über ausgewogene Handelsbeziehungen im Agrar- und Lebensmittelsektor und gesunde, nachhaltige und zugängliche Lebensmittel für alle“ (EG’AlimG) vom 30. Oktober 2018 durch regulative Eingriffe in Preisverhandlungen das Ziel verfolgt, ein angemessenes Einkommen für die Erzeuger zu sichern. Seit Anfang 2019 sind insgesamt 15 Rechtsakte erlassen worden, bis Ende Oktober 2019 sollten alle notwendigen Durchführungsverordnungen vorliegen. Die Sektor-Branchenverbände haben daraufhin Produktionskosten- und Marktpreisindikatoren festgelegt, die die künftige Vertragsgestaltung erleichtern sollen. Darüber hinaus wurde u. a. die Stellung von Erzeugerorganisationen in den Preisverhandlungen neu definiert. Weiter hat man das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis durch Anhebung der Schwelle für den Weiterverkauf mit Verlust auf 110 Prozent des Einkaufspreises verschärft und den Kontrolldruck bei der Überwachung von Werbeaktionen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) erhöht. Wegen der damit verbundenen Eingriffe in die Vertragsgestaltungen bestehen aus deutscher Sicht Zweifel an dem französischen Vorgehen. Konkrete Vorgaben zur Preisgestaltung sind mit den Grundsätzen der Vertrags- und der Preisbildungsfreiheit der Unternehmen nicht vereinbar. Die im französischen Gesetz festgelegte weitere Reglementierung von Untereinstandspreisverkäufen und die Drucksache 19/15354 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. vorgesehene Rabattbegrenzung bei Sonderaktionen stellen einen Eingriff in die Preissetzungsfreiheit der Unternehmen dar. 15. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Wertschöpfung der einzelnen Agrarwirtschaftsbereiche (Landwirtschaft, Gartenbau, Forstwirtschaft , Handwerk, kleine und mittelständische Unternehmen, Dienstleistungssektor ) in den ländlichen Räumen in Deutschland seit dem Jahr 2000 entwickelt, und welche Schlussfolgerungen sind daraus mit welchem Ergebnis gezogen worden (bitte in Zahlen, tabellarisch nach Bundesländern aufschlüsseln)? 16. Welchen Zusammenhang gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen dem Rückgang der Wertschöpfung der Landwirtschaft und der Wertschöpfung in den ländlichen Räumen insgesamt, und welche Schlussfolgerungen wurden daraus mit welchem Ergebnis gezogen? Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die sozialen Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in den ländlichen Räumen? Die Fragen 15 und 16 werden aufgrund ihres sachlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Die Fragen lassen sich aus unterschiedlichen Gründen nur eingeschränkt beantworten . Zum ersten ist nicht klar, was mit dem „Agrarwirtschaftsbereich“ und hier insbesondere mit „Handwerk, kleinen und mittelständischen Unternehmen, Dienstleistungssektor“ gemeint ist. Handwerksunternehmen, nicht landwirtschaftliche kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) und Unternehmen des Dienstleistungssektors gehören per definitionem nicht zum Agrarsektor. Zum zweiten ist nicht klar, was mit dem „Rückgang der Wertschöpfung der Landwirtschaft“ gemeint ist. Seit der Zeit des Einbruchs der Wertschöpfung in der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung, also seit über 20 Jahren, lässt sich vor allem eine zunehmende Schwankung in der Wertschöpfung der Landwirtschaft, nicht aber eine langfristige Abnahme derselben beobachten (vgl. nachfolgende Abbildung 1). Abbildung 1: Langfristige Entwicklung der Wertschöpfung der Land- und Forstwirtschaft (einschließl. Fischerei) Quelle: Thünen-Institut für Ländliche Räume Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/15354 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Differenziert nach Bundesländern zeigt sich ein ähnliches Bild: Fast überall ist die Bruttowertschöpfung (BWS) im Jahr 2017 mindestens so hoch, meist aber höher, als im Jahr 2000. Es stimmt aber auch, dass die BWS insgesamt und die BWS des verarbeitenden Gewerbes im selben Zeitraum praktisch überall stärker gestiegen sind (vgl. nachfolgende Tabelle 5). Tabelle 5: Bruttowertschöpfung insgesamt, in Land- und Forstwirtschaft (einschließl . Fischerei) und im Verarbeitenden Gewerbe nach Bundesländern in den Jahren 2000 bis 2017 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Deutschland, 2019. Darstellung Thünen- Institut für Ländliche Räume Der Anteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft hat zwischen 2000 und 2016 fast konstant abgenommen, wie die nachfolgende Abbildung 2 mit Blick auf die ländlichen Kreise zeigt. Eine Ausnahme bilden vor allem für Schleswig- Holsteins ländliche Kreise die Jahre der globalen Rezession im Nachgang der Finanzkrise 2009. Der Anstieg des Anteils der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft hier geht wahrscheinlich auch auf eine schwache Entwicklung der Zahl der Erwerbstätigen in anderen Branchen zurück. Drucksache 19/15354 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Abbildung 2: Entwicklung der Anteile der Erwerbstätigen in Land- und Forstwirtschaft , Fischerei im Durchschnitt der ländlichen Kreise nach Bundesländern in Prozentpunkten relativ zum Jahr 2000 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Deutschland, 2019. Darstellung Thünen- Institut für Ländliche Räume* Eine weitere Aufschlüsselung der Entwicklung des Sektors nach Landwirtschaft sowie Gartenbau und Forstwirtschaft kann in der Kürze der Zeit nicht geleistet werden. Insgesamt ist also die relative Bedeutung der Landwirtschaft im langfristigen Strukturwandel der vergangenen hundert Jahre gemessen an den Anteilen in Beschäftigung und Wertschöpfung zwar konstant gesunken. Dies ist jedoch ein Charakteristikum der Entwicklung moderner, produktions- und dienstleistungsbasierter Volkswirtschaften. Eine zukunftsgewandte Politik sollte nach Auffassung der Bundesregierung neben der Unterstützung der Landwirtschaft vor allem auf die Förderung und Gestaltung der Rahmenbedingungen für eine weitere Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft und damit den Aufbau alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten abzielen. 17. Welche Mitgliedsländer der Europäischen Union weisen nach Kenntnis der Bundesregierung eine vergleichbare Verteilung der Wertschöpfungsanteile in der Lebensmittelkette wie in Deutschland auf? 18. Welche Mitgliedsländer der Europäischen Union weisen nach Kenntnis der Bundesregierung einen höheren Wertschöpfungsanteil des Landwirtschaftssektors in der Lebensmittelkette als in Deutschland auf? Welche Gründe sieht die Bundesregierung dafür, und welche Schlussfolgerungen hat sie mit welchem Ergebnis daraus gezogen? Die Fragen 17 und 18 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Kommission hat zuletzt Daten zur Verteilung der Wertschöpfung in der Lebensmittelkette für das Jahr 2015 veröffentlicht (www.ec.europa.eu/info/sites/info/files/ * Die farbige Darstellung der Abbildung ist auf Bundestagsdrucksache 19/15354 auf der Internetseite des Deutschen Bundestages abrufbar. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/15354 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. food-farming-fisheries/key_policies/documents/cap-specific-objectives-brief-3- farmer-position-in-value-chains_en.pdf). Die dabei angewendete Abgrenzung der Lebensmittelkette und die Berechnungsmethoden unterscheiden sich in Einzelheiten von der für Deutschland in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwendeten Methodik. Unter anderem setzt die Generaldirektion die Wertschöpfung der Sektoren zu Faktorkosten an. Nach diesen Angaben betrug der Wertschöpfungsanteil des Landwirtschaftssektors an der gesamten Lebensmittelkette im Jahr 2015 im EU-Durchschnitt rd. 25 Prozent. Die Bandbreite in den Mitgliedstaaten reicht von 61 Prozent in Rumänien bis 9 Prozent in Luxemburg. Deutschland liegt nach diesen Daten mit 17 Prozent im Mittelfeld . Unterschiede in diesem Anteil zwischen Mitgliedstaaten sind geprägt durch die Produktionsschwerpunkte der jeweiligen Landwirtschaftssektoren sowie auf Konsumentenseite durch die Kaufkraft der Konsumenten und die Ausgaben für Essen außer Haus. Unabhängig von den Gegebenheiten in anderen EU-Mitgliedsstaaten ist es Ziel der Bundesregierung, landwirtschaftliche Erzeuger dabei zu unterstützen, ihre Wertschöpfung zu steigern. Drucksache 19/15354 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.