Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hagen Reinhold, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/14815 – BVVG-Flächen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Altlasten der sozialistischen Bodenreformen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sind bis zum heutigen Tage nicht abschließend beseitigt . Weiterhin befindet sich ehemaliger staatlicher Grundbesitz der DDR in der Verwaltung der Bodernverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), die 1992 mit dem Ziel der Privatisierung ehemals „volkseigenen“ Grundbesitzes als Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt gegründet wurde. Damit ist der Auftrag der Treuhand auch beim Thema Grundeigentum, im 28. Jahr nach der Wiedervereinigung noch nicht gänzlich vollzogen. Vor diesem Hintergrund sind die nach Ansicht der Fragesteller lautstarken Bemühungen des Landesministers für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Mecklenburg- Vorpommern, Dr. Till Backhaus, bemerkenswert, die verbliebenen Flächen der BVVG in Mecklenburg-Vorpommern an das Land zu übertragen. Der Landwirtschaftsminister thematisiert dieses Thema seit mindestens 2011 medial regelmäßig. (www.topagrar.com/management-und-politik/news/backhausbekraeftigt -interesse-an-bvvg-flaechen-9605078.html | www.topagrar.com/ management-und-politik/news/mecklenburg-vorpommern-will-bvvg-flaechenaufkaufen -9577519.html). Durch eine Übertragung der verbliebenen Flächen, rund 41.000 ha landwirtschaftliche Fläche und 750 ha Wald, will Dr. Till Backhaus weitere Steigerungen der Bodenpreise durch eine unterstellte „Hochpreispolitik“ der BVVG unterbinden. (www.svz.de/regionales/mecklen burg-vorpommern/ackerpreise-explodieren-id17813991.html). Am 10. Juli 2019 berichtete der „NDR“, das Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch seinen Minister für Landwirtschaft und Umwelt, sei weiterhin interessiert, Flächen der BVVG anzukaufen (www.ndr.de/nachrichten/meck lenburg-vorpommern/Land-will-bundeseigene-BVVG-Ackerflaechen-kau fen,landwirtschaft684.html). Insbesondere handele es sich dabei um Flächen in und um Trinkwasserschutzgebiete. Dies deckt sich mit der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen, Bettina Hagedorn, auf die Schriftliche Frage 6 des Abgeordneten Hagen Reinhold auf Bundestagsdrucksache 19/11017, welche die Fraktion der FDP mit dieser Kleinen Anfrage ausdrücklich wieder aufgreift. In ihrer Antwort betont die Parlamentarische Staatssekretärin aber, dass zwischen dem Land Mecklenburg -Vorpommern und dem Bund bislang keine konkreten Festlegungen über eine Übertragung erfolgt seien. Deutscher Bundestag Drucksache 19/15369 19. Wahlperiode 22.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung zur Größe der verbleibenden Flächen in der Verwaltung der BVVG (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln )? Wie viele dieser Flächen sind tatsächliche oder potenzielle landwirtschaftliche Nutzfläche (Acker- und Grünland)? Der Flächenbestand der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) stellt sich zum Stichtag 31. Oktober 2019 wie folgt dar: BVVG insgesamt (ha) davon Acker Grünland Wald übrige Nutzungsarten Mecklenburg-Vorpommern* 39.239 27.120 8.754 1.204 2.161 Brandenburg 35.431 23.995 7.800 1.876 1.759 Sachsen-Anhalt 24.615 19.661 2.280 1.394 1.279 Sachsen 8.556 5.532 1.664 739 621 Thüringen 7.143 3.110 1.211 2.561 261 BVVG insgesamt 114.984 79.418 21.710 7.775 6.082 * Incl. 20 ha in Niedersachsen 2. Welche von der BVVG verwalteten Grundstücke befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung in Mecklenburg-Vorpommern (bitte nach Größe, Bewertung, Klassifikation und geographischer Lage aufschlüsseln )? a) Welche dieser Flächen sind Bestandteil von Verhandlungen zwischen dem Minister für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Till Backhaus, und der Bundesregierung ? b) Über welche dieser Flächen ist in den Verhandlungen eine Einigung zu ihrer Übertragung erzielt worden? Die Übertragung welcher Flächen ist dem Einvernehmen der Bundesregierung nach noch umstritten? Der Flächenbestand der BVVG in Mecklenburg-Vorpommern stellt sich zum Stichtag 31. Oktober 2019 wie folgt dar (Aufschlüsselung nach Größe, Klassifikation und geographischer Lage): Mecklenburg-Vorpommern nach Landkreisen insgesamt (ha) davon Acker Grünland Wald übrige Nutzungsarten Ludwigslust-Parchim 3.714 2.512 933 135 134 Mecklenburgische Seenplatte 10.303 7.493 1.929 285 595 Nordwestmecklenburg 3.980 2.944 799 82 155 Rostock-Land 10.495 7.488 2.157 337 512 Rostock-Stadt 11 1 6 1 3 Schwerin 190 176 9 3 1 Vorpommern-Greifswald 6.494 3.984 1.920 168 422 Vorpommern-Rügen 4.032 2.520 999 193 320 M-V insgesamt 39.219 27.118 8.752 1.204 2.142 Drucksache 19/15369 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Der Flächenbestand umfasst Flächen unterschiedlicher regionaler Lage, Nutzungsart und Bodengüte. Die konkrete Bewertung der Grundstücke hängt u. a. von diesen Faktoren ab und ist erst in einem Verkaufsverfahren möglich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 3. Seit wann befinden sich der Minister für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Till Backhaus, und die Bundesregierung in Gesprächen zur Übertragung von Flächen in BVVG-Verwaltung an das Land Mecklenburg-Vorpommern? a) Welche qualitativen Fortschritte in den Verhandlungen kann die Bundesregierung für diese Zeitspanne vorweisen? b) Ist es seit der Beantwortung der Schriftlichen Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 19/11017 zu Verhandlungsfortschritten zwischen dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Mecklenburg- Vorpommern und dem Bundesministerium der Finanzen gekommen? Welche sind dies konkret? c) Welche Hindernisse stehen einem Abschluss der Verhandlungen nach Kenntnis der Bundesregierung noch entgegen? d) Sind einschränkende Vorgaben über die spätere Verfahrensweise des Landes mit den zur Diskussion stehenden BVVG-Flächen Bestandteil der Verhandlungsposition der Bundesregierung? e) Welche finanziellen Konditionen für die Übertragung werden aktuell diskutiert? Im Nachgang zu der in Bezug genommenen Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 19/11017 liegt kein neuer Sachstand vor. 4. Hat die Bundesregierung Kenntnis von vergangenen oder laufenden Verhandlungen mit anderen Bundesländern über die Übertragung von Flächen der BVVG? Wenn ja, welche Bundesländer sind dies, und seit wann laufen die Verhandlungen ? Welcher Verhandlungsausgang ist jeweils absehbar? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden derzeit keine Verhandlungen über die Übertragung von Flächen der BVVG geführt. In früheren Legislaturperioden wurden Gespräche mit den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt geführt. 5. Bestehen seitens der Bundesregierung etwaige Vorgaben an die BVVG zur Preispolitik? a) Wenn ja, welche Vorgaben sind dies, und wie sind diese begründet? b) Wenn nein, an welchen Gesichtspunkten richtet die BVVG ihre Preispolitik aus? c) Unterscheidet sich die Preispolitik der BVVG in den einzelnen Bundesländern ? Wenn ja, inwiefern? Für die Privatisierung der BVVG-Flächen gelten hinsichtlich der Kaufpreisermittlung im Rahmen der Verkehrswertverkäufe die Vorgaben der Bundes- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15369 haushaltsordnung (BHO) („voller Wert“) sowie die europarechtlichen Vorschriften („Marktwert“). Eine Ausnahme bilden lediglich die preisbegünstigten Verkäufe auf der Grundlage des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG), mit dem abweichend Kaufpreisermittlungsvorschriften für land- und forstwirtschaftliche Flächen für diese Fälle gesetzlich geregelt werden . Das Regelverfahren der Privatisierung ist nach den zwischen Bund und den neuen Bundesländern abgestimmten Privatisierungsgrundsätzen 2010 (PG2010) das Ausschreibungsverfahren. Dieses Verfahren führt im Ergebnis zum Verkauf an den jeweiligen Bestbieter. Im Rahmen der Direktverkäufe an berechtigte Pächter im Rahmen der PG2010, bei denen mangels Ausschreibungsverfahren die Marktwertbestimmung nicht im Wege des öffentlichen Wettbewerbs erfolgen kann, ermittelt die BVVG den aktuellen Marktwert auf der Grundlage des von der Europäischen Kommission im Jahr 2012 notifizierten BVVG-eigenen Vergleichspreissystems (VPS; SA.33167(2012/N)). Mit der Anwendung des VPS wird im Ergebnis der Kaufpreisermittlung die Gewährung unerlaubter Beihilfen im Rahmen der Direktverkäufe ausgeschlossen. Die Direktverkäufe sind im Jahr 2018 im Wesentlichen abgeschlossen worden. Die vorgenannten Vorschriften und Verfahrensweisen wendet die BVVG über alle Bundesländer, in denen sie Flächen veräußert, einheitlich an. 6. Decken sich die Erkenntnisse der Bundesregierung zur Preispolitik der BVVG mit den Vorwürfen des Ministers für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Till Backhaus, dass die BVVG die ihr anvertrauten Flächen systematisch zu marktunüblichen Preisen anbietet ? a) Wenn ja, geschieht dieses Vorgehen der BVVG in Absprache mit der Bundesregierung? Wenn ja, welches Ziel verfolgt die Bundesregierung mit diesem Vorgehen ? b) Wenn nein, verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse zur Motivation des Ministers für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Mecklenburg -Vorpommerns, Dr. Till Backhaus, der BVVG ein preistreiberisches Geschäftsgebaren vorzuwerfen? Die Kaufpreise der BVVG sind – mit Ausnahme der EALG-Verkäufe (vgl. Antwort zu Frage 5) – uneingeschränkt marktüblich, da sie im Rahmen der Ausschreibungen durch ein öffentliches, transparentes und bedingungsfreies Bieterverfahren erzielt werden. Sie bilden damit den Preis ab, den interessierte Käufer am Markt im Wege des Wettbewerbs für diese Flächen zu zahlen bereit sind. Nach von der BVVG seit August 2016 erhobenen Daten handelt es sich bei rund 80 Prozent der Käufer um landwirtschaftliche Unternehmen, die deutlich mehr als 80 Prozent der verkauften Flächen erwarben. Die im Rahmen der Direktverkäufe mit dem VPS (vgl. Antwort zu Frage 5) ermittelten Kaufpreise werden im Wege des standardmäßigen Vergleichswertverfahrens aus den am Markt erzielten Kaufpreisen abgeleitet und sind deshalb ebenso marktüblich. Drucksache 19/15369 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Bestehen aus Sicht der Bundesregierung Alternativen zur bisherigen Vergabepraxis von Flächen der BVVG, die rechtskonform und im Einklang mit den Interessen der Steuerzahler realisiert werden könnten? Die BVVG privatisiert die land- und forstwirtschaftlichen Flächen auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und der mit den neuen Bundesländern abgestimmten Privatisierungsgrundsätze. Die Bundesregierung sieht derzeit keine Veranlassung, von der bisherigen Praxis abzuweichen. 8. Ist eine Übertragung von Flächen der BVVG an eine Gebietskörperschaft der Bundesrepublik Deutschland mit dem Privatisierungsauftrag der BVVG vereinbar? a) Wenn ja, welche Rechtsgrundlage erlaubt dies? Eine rechtliche Einschätzung würde maßgeblich vom konkreten Übertragungsmodell abhängen. In diesem Zusammenhang wäre insbesondere zu berücksichtigen , dass eine Übertragung der BVVG-Flächen an die Bundesländer für sich grundsätzlich keine Privatisierung im Sinne des Treuhandgesetzes darstellt. b) Wenn nein, auf welcher Grundlage wurden bisher Flächen der BVVG an Gebietskörperschaften der Bundesrepublik Deutschland übertragen? Bei den bisher an einzelne Bundesländer übertragenen BVVG-Flächen handelte es sich um solche, die bereits gegenwärtig oder zukünftig einer anderen als originär land- und forstwirtschaftlichen Zweckbestimmung dienen oder dienen sollen. Dies betraf sowohl den Verkauf von Seen an die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg als auch von Flächen, die der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie dienen, an die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Insofern waren diese Flächen vom Privatisierungsauftrag nach dem Treuhandgesetz, soweit hierdurch ein Beitrag für den Aufbau einer stabilen Land- und Forstwirtschaft in den neuen Bundesländern geleistet werden soll, ausgenommen. Darüber hinaus waren einzelne Bundesländer Empfänger von für den Naturschutz besonders wertvollen Flächen im Rahmen der bundesgesetzlichen Regelungen nach dem EALG. Ferner wurden Flächen der BVVG nach dem Vermögenszuordnungsgesetz an Gebietskörperschaften übertragen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15369 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333