Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Christoph Meyer, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/14814 – Berücksichtigung der gescheiterten PKW-Maut im Bundeshaushalt V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem Urteil vom 18. August 2019 befand der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen, resultierend aus dem Infrastrukturabgabengesetz, (sog. PKW-Maut) der Bundesrepublik Deutschland für unzulässig, da sie gegen EU-Recht verstößt. Hintergrund der Entscheidung ist, dass die Abgabe zu einer Diskriminierung ausländischer PKW-Fahrer führt. Die finanzielle Last der Abgabe fällt quasi ausschließlich auf Autofahrer aus anderen EU-Staaten, während Fahrzeughalter aus Deutschland bei einer Einführung über die Kfz-Steuer von der Abgabe entlastet würden (www.tagesschau.de/inland/pkw-maut-197.html). Die Entscheidung des EuGH führte zu einer breiten politischen und öffentlichen Diskussion rund um die Verantwortung des Bundesministers für Verkehr in Bezug auf das Vergeben von Aufträgen, die im Zusammenhang mit einer geplanten Einführung der PKW-Maut standen. Des Weiteren sind bestehende Haushaltsrisiken, die bereits getätigten Ausgaben i. H. v. ca. 80 Mio. Euro bis Ende 2019 und die Defizite in der Vertrags- und Vergabegestaltung thematisiert worden (Bundestagsdrucksache 19/11413). Auch das Bundesministerium der Finanzen war in das Gesetzgebungsverfahren sowie die Bewertung der Infrastrukturabgabe eingebunden. So warnte der damalige Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble vor einem möglichen Minusgeschäft resultierend aus dem damaligen Vorschlag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (www.spiegel.de/politik/deutsch land/maut-schaeuble-warnt-vor-verlusten-de-maiziere-vor-verfassungsbrucha -990234.html) und schlug ein alternatives Konzept vor (www.spiegel.de/ wirtschaft/soziales/maut-schaeuble-laesst-alternative-zu-dobrindts-konzepterarbeiten -a-988993.html#ref=veeseoartikel). Das Urteil des EuGH wirkt sich auf den aktuellen Entwurf für den Bundeshaushalt 2020 sowie die darüber hinaus gehende Finanzplanung bis 2023 aus. Im aktuellen Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2020 heißt es zur Infrastrukturabgabe : „Im nun vorgelegten Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2020 und im Finanzplan bis 2023 sind die haushalterischen Auswirkungen des Urteils noch nicht nachvollzogen“. Lediglich Sach- und Personalkosten sind im Gesetzgebungsverfahren vor der Zuleitung an den Bundestag nachträglich berücksichtigt worden. Für die Folgejahre werden die ausbleiben- Deutscher Bundestag Drucksache 19/15386 19. Wahlperiode 25.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. den Einnahmen und Ausgaben erst mit Aufstellung des Regierungsentwurfs für den Bundeshaushalt 2021 berücksichtigt. Darunter fallen auch bereits vorgesehene Investitionen in den Jahren 2021 bis 2023 von insgesamt 1,1 Mrd. Euro (Ausschussdrucksache 19(8)3429 KabVorlage RegE 2020). 1. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung, abgesehen von dem im „SPIEGEL“-Artikel erwähnten Bericht, weitere Ausarbeitungen seitens des Bundesministeriums der Finanzen in Bezug auf die Infrastrukturabgabe erstellt, und wenn ja für welchen Zweck, zu welchem Zeitpunkt, und sind diese Ausarbeitungen einsehbar? Der Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) war vom Vorhaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zur Einführung einer Infrastrukturabgabe zum einen durch die flankierende Entlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer und zum anderen wegen der Auswirkungen auf den Bundeshaushalt betroffen. Aus diesem Grund waren fortlaufende Abstimmungen zwischen beiden Ressorts erforderlich. Diese Abstimmungen beschränkten sich auf die Betroffenheit der genannten Zuständigkeiten des BMF. 2. Lagen nach Kenntnis der Bundesregierung im Bundesministerium der Finanzen seit Beginn der Legislaturperiode Informationen vor, die auf die rechtlichen Unsicherheiten, insbesondere ein mögliches Verbot der Infrastrukturabgabe , hingewiesen haben, und wenn ja welche Informationen, in welcher Art, und zu welchem Zeitpunkt? Das BMF erhielt als mitbetroffenes Ressort die Schriftsätze im Rahmen des Klageverfahrens der Republik Österreich vor dem Europäischen Gerichthof (EuGH) von dem für die Prozessvertretung vor dem EuGH und für Vertragsverletzungsverfahren koordinierend federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). 3. Inwiefern wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Aufstellung des Bundeshaushalts 2020 das Risiko einer nicht EU-rechtskonformen Abgabe und somit einem Scheitern der Infrastrukturabgabe berücksichtigt? a) Inwiefern wurden vor diesem Hintergrund die im Bundeshaushalt vorgesehenen Investitionen i. H. v 1,1 Mrd. Euro, die im Zusammenhang mit der Infrastrukturabgabe standen, bewertet? b) Inwiefern wurden vor diesem Hintergrund Personal- und Sachausgaben, die im Zusammenhang mit der Infrastrukturabgabe standen, bewertet? c) Wurden im Rahmen der Aufstellung des Bundeshaushalts 2020 konkrete Haushaltsrisiken in Bezug auf die Infrastrukturabgabe berücksichtigt, etwa mögliche Schadenersatzforderungen von Vertragspartnern nach einem Scheitern der Abgabe? Das Risiko einer negativen EuGH-Entscheidung wurde – vor dem Hintergrund der erfolgten Abstimmung mit der Europäischen Kommission, der Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens sowie des Verlaufs des Klageverfahrens Österreich gegen Deutschland – sowohl kontinuierlich dem Monitoring durch das Projektmanagement des BMVI unterzogen und in den monatlichen Sitzungen der Gesamtprojektleitungsgruppe vor Zuschlag besprochen als auch im Rahmen von strukturierten, bei vergleichbaren Vergabeverfahren üblichen Risikoworkshops behandelt. In den Risikoworkshops wurde die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos mit gering bewertet. Diese Einschätzung fand Berücksich- Drucksache 19/15386 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode tigung bei der Aufstellung des Bundeshaushalts 2020, in dem von einer termingerechten Einführung der Infrastrukturabgabe zum 1. Oktober 2020 ausgegangen wurde. Entsprechend wurden in diesem Zusammenhang die Einnahmen aus der Infrastrukturabgabe sowie Personal- und Sachausgaben ausgebracht. Zum Zeitpunkt der Aufstellung des Regierungsentwurfs zum Bundeshaushalt 2020 lagen keine Schadensersatzanforderungen an den Bund vor. 4. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung ein Wissensaustausch in Bezug auf die Rechtssicherheit bzw. Rechtsunsicherheit bei einer Einführung der Infrastrukturabgabe zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur stattgefunden ? a) Falls ja, wann, welche Informationen wurden ausgetauscht, und sind Absprachen daraus entstanden? b) Falls nein, weshalb sah die Bundesregierung, bzw. eines der Bundesministerien keinen Anlass, dies zu tun? Nach Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission sah die Bundesregierung sich in der unionsrechtlichen Bewertung bestätigt und bestärkt. 5. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung eine juristische Einschätzung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für das Bundesministerium der Finanzen und für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Vorbereitung auf das Urteil und des Verfahrens vor dem EuGH? a) Wenn ja, wann, und in welcher Form? b) Wenn ja, welche Rolle spielten dabei die Vertragsverhandlungen mit den Mautbetreibern? c) Falls nein, war das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in anderer Form in eine Vorbereitung oder Ähnliches bezüglich der Verhandlung vor dem EuGH involviert? Es gab keine juristischen Einschätzungen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), für das BMF und für das BMVI in Vorbereitung auf das Urteil und des Verfahrens vor dem EuGH. In der Rechtssache C-591/17 hat das in diesem Verfahren für die Prozessführung vor dem EuGH und Vertragsverletzungsverfahren koordinierend zuständige BMWi das BMJV im Rahmen der üblichen Ressortbeteiligung einbezogen. In diesem Rahmen hat das BMWi Verfahrensschriftstücke an das BMJV übermittelt und es zu den Schriftsätzen und zum Plädoyer der Bundesregierung sowie zur Frage beteiligt, ob die Bundesregierung eine mündliche Verhandlung beantragen soll. BMJV hat BMWi lediglich kleinere redaktionelle Änderungen zur Klagebeantwortung übermittelt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15386 6. Gibt es seitens der Bundesregierung konkrete Vorschläge für zukünftige Gesetzgebungsverfahren, um zu verhindern, dass erneut Gesetzesvorhaben, mit rechtlichen Bedenken Unabhängiger, so wie es bei der Infrastrukturabgabe der Fall war, angestoßen oder umgesetzt werden? Die Bundesregierung prüft bei jedem Gesetzesvorhaben die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht und mit dem Völkerrecht sowie die verfassungsrechtliche Zulässigkeit . Diese Fragen waren bei der Infrastrukturabgabe auch Gegenstand der ausführlichen Beratungen in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages. Drucksache 19/15386 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333