Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 29. März 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1543 19. Wahlperiode 04.04.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/1232 – Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den vergangenen Jahren sind die bürokratischen Anforderungen an die Finanzwirtschaft deutlich gewachsen. Eine der größten regulatorischen Veränderungen stellt die Richtlinie der Europäischen Union 2014/65/EU über Märkte für Finanz-instrumente (hiernach MiFID II) dar. So verpflichtet die EU-Richtlinie inklusive Zusätzen auf ca. 10 000 Seiten unter anderem zu verschärften Regeln im Vertrieb von Finanzprodukten sowie verstärkten Informationsbestimmungen gegenüber den Kunden. So müssen z. B. Händler und Berater Kundengespräche und telefonische Nachfragen ausnahmslos aufzeichnen und für mindestens fünf Jahre archivieren. Die neuen rechtlichen Vorgaben gelten in Deutschland seit dem 3. Januar 2018. 1. Welche Umstellungskosten werden nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Umsetzung der MiFID II für die einzelnen Bereiche der deutschen Finanzwirtschaft durch welche konkreten Regelungen verursacht? Decken sich die tatsächlichen Umstellungskosten mit den im Gesetzentwurf geschätzten Umstellungskosten? Die Umstellungskosten aufgrund der Umsetzung der MiFID II werden durch den im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FinMaNoG) dargestellten Erfüllungsaufwand abgebildet, der sowohl eine Gesamtschätzung als auch eine Differenzierung für einzelne Regelungsbereiche enthält. Der Bundesregierung liegen bislang keine Informationen dazu vor, dass die tatsächlichen Umstellungskosten von den im Gesetzentwurf geschätzten Umstellungskosten abweichen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1543 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Welche laufenden Kosten werden nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Umsetzung der MiFID II für die einzelnen Bereiche der deutschen Finanzwirtschaft durch welche konkreten Regelungen verursacht? Decken sich die tatsächlichen laufenden Kosten mit den im Gesetzentwurf geschätzten laufenden Kosten? Auch die laufenden Kosten aufgrund der Umsetzung der MiFID II werden durch den im Gesetzentwurf zum 2. FinMaNoG dargestellten Erfüllungsaufwand abgebildet . Auch insoweit liegen bisher keine Informationen dazu vor, dass die tatsächlichen Umstellungskosten von den im Gesetzentwurf geschätzten laufenden Kosten abweichen. Eine Nachmessung der laufenden Kosten erfolgt regelmäßig zwei Jahre nach Inkrafttreten eines neuen Gesetzes, im vorliegenden Fall Anfang 2020. 3. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Erfüllungsaufwand von MiFID II? Deckt sich der tatsächliche Erfüllungsaufwand mit dem im Gesetzentwurf geschätzten Erfüllungsaufwand? Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. 4. Welche allgemeinen positiven und welche negativen Wirkungen haben die neuen Vorschriften von MiFID II nach Ansicht der Bundesregierung? Mit den Regelungen der MiFID II hat sich der europäische Gesetzgeber das Ziel gesetzt, Defizite am Finanzmarkt zu beseitigen, die bei der Anwendung der Mi- FID I-Vorschriften und im Zuge der Finanzkrise identifiziert wurden. Vor diesem Hintergrund schließt die MiFID II Aufsichtslücken bei der Regulierung von Handelsplätzen , verstärkt die Transparenz an Handelsplätzen und den Anlegerschutz. Zudem werden EU-einheitliche Regelungen zur Überwachung des Hochfrequenzhandels eingeführt, Positionslimits und -kontrollen an Warenderivatemärkten implementiert und Sanktionsvorschriften verschärft. Um im übrigen Auswirkungen der neuen Vorschriften der MiFID II beurteilen zu können, ist es drei Monate nach Inkrafttreten der Regelungen noch zu früh. 5. Welche konkreten Vorteile wurden nach Ansicht der Bundesregierung für die Kunden erzielt? Die im Zuge der MiFID II-Umsetzung eingeführten neuen Regelungen stärken den kollektiven Verbraucherschutz, beispielsweise indem Finanzprodukte besser auf die Belange von Anlegern zugeschnitten werden und die Kostentransparenz erhöht wird. Die neuen Regeln zur sog. Product Governance stellen einen Paradigmenwechsel von rein vertriebsbezogenen Vorschriften zu erstmals produktbezogenen Vorgaben dar. Sie sehen vor, dass Produkthersteller den potenziellen Kundenkreis (Zielmarkt) definieren und der Produktvertrieb diesen Vorgaben Rechnung trägt. Ergänzt werden die Vorgaben um Produktüberwachungspflichten im Nachgang zum Vertrieb. Der Hersteller muss danach jedes Produkt, das er in den Markt gibt, beobachten und bei relevanten Ereignissen Anpassungen am Produkt, am Vertrieb oder den Product Governance-Prozessen vornehmen. MiFID II verlangt eine detaillierte Aufstellung aller Produkt- und Dienstleistungskosten mit separatem Ausweis der darin enthaltenen Zuwendungen sowie Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1543 den Auswirkungen der Kosten auf die Rendite. Diese Kostentransparenz ermöglicht es den Kunden, eine bewusste Anlageentscheidung auf informierter Grundlage zu treffen und Produkte miteinander zu vergleichen. 6. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob im Zuge von MiFID II die Beratung für Kunden von Finanzdienstleistungen teurer geworden ist bzw. gewisse Produktberatungen gar nicht mehr angeboten werden? Nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gibt es vereinzelt Institute, die das Wertpapierdienstleistungsgeschäft aufgrund der erhöhten regulatorischen Anforderungen durch MiFID II einschränken bzw. nicht mehr anbieten. Bei diesen Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelt es sich um Institute, die das Wertpapierdienstleistungsgeschäft bisher nur in geringem Umfang angeboten haben. 7. Wie hat sich die MiFID-II-Umsetzung nach Kenntnis der Bundesregierung auf die Neukundengewinnung von Finanzdienstleistern ausgewirkt? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Entwicklung der Neukundengewinnung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen seit der Umsetzung der MiFID II vor. 8. Welche konkreten Vorteile wurden nach Ansicht der Bundesregierung durch MiFID II für die Finanz- und Kreditwirtschaft erzielt? Konkrete Vorteile für die Finanz- und Kreditwirtschaft bestehen insbesondere in der Verbesserung der Markttransparenz und der Erfassung sämtlicher Handelsplätze durch die Regulierungsvorschriften. Im Ergebnis kann dadurch das Geschehen an den Finanzmärkten besser nachvollzogen und so die Funktionsfähigkeit und Integrität des Finanzmarkts verbessert werden. Durch den verbesserten Anlegerschutz und die verschärften Sanktionsregelungen wird zugleich das allgemeine Vertrauen in den Finanzplatz erhöht. 9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass Banken und andere Finanzdienstleister aufgrund der höheren bürokratischen Belastungen durch MiFID II ihr Geschäft (in Teilen) einstellen müssen? Dass Institute aufgrund der erhöhten regulatorischen Anforderungen durch MiFID II das Wertpapierdienstleistungsgeschäft einschränken bzw. nicht mehr anbieten, ist nach derzeitigem Kenntnisstand nur vereinzelt der Fall und betrifft nur Institute, die das Wertpapierdienstleistungsgeschäft bisher nur in geringem Umfang angeboten haben, auf die Antwort zu den Fragen 4 und Frage 6 wird hingewiesen. 10. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass die von den Finanzinstituten angebotene Telefonberatung im Zusammenhang mit Anlagegeschäften (bspw. Wertpapiergeschäften) gegenüber Kleinanlegern oder anderen Anlegern im Zuge der erhöhten Informations- sowie Dokumentationspflichten zurückgegangen ist oder zumindest dadurch auch zum Nachteil von Verbrauchern erschwert wird? Es liegen bislang keine quantifizierbaren Erkenntnisse dazu vor, ob es im Zusammenhang mit der Umsetzung neuer Informations- und Dokumentationspflichten zu einem Rückgang der telefonischen Beratung zu Anlagegeschäften bzw. Wertpapiergeschäften gekommen ist. Die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1543 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode müssen ihren Kunden rechtzeitig und verständlich Informationen über alle Kosten und Nebenkosten zur Verfügung stellen. Diese Informationspflichten bestehen im Grundsatz unabhängig vom gewählten Kommunikationskanal, müssen jedoch je nach Kommunikationskanal gegebenenfalls auf unterschiedliche Weise erfüllt werden. Im Fall von Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation besteht zudem seit der Umsetzung der MiFID II eine Aufzeichnungspflicht (sogenanntes „Taping“). Die Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind verpflichtet, alle Telefongespräche aufzuzeichnen, die einen Bezug zu einem Wertpapierauftrag haben . Dasselbe gilt für sonstige elektronische Kommunikation. Institute berichten nach Angaben der BaFin vereinzelt über Schwierigkeiten in der Umsetzungsphase . 11. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass Finanzdienstleister im Zuge der MiFID-II-Regulierung die Anzahl ihrer Analysten reduziert haben? Für Finanzdienstleister besteht der BaFin gegenüber keine Mitteilungspflicht über die Zahl der in den jeweiligen Häusern beschäftigten Analysten sowie zu etwaigen Veränderungen. Vor diesem Hintergrund liegen Zahlen zu den bei Finanzdienstleistungsinstituten tätigen Analysten nicht vor. 12. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob die Kosten für Studien und Aktienanalysen von den Finanzdienstleistern selbst getragen oder an ihre Kunden weitergegeben werden? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 13. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass sich die Informationsversorgung von Privatanlegern über Einzelaktien und andere Finanzprodukte im Zuge von MiFID II verschlechtert? Die MiFID II enthält zahlreiche Regeln, die die Qualität der Beratung von Privatanlegern verbessern. Aus diesem Grund ist nicht davon auszugehen, dass es zu einer Verschlechterung der Informationsversorgung in Bezug auf Einzelaktien und andere Finanzprodukte kommen wird. 14. Teilt die Bundesregierung die Bedenken, dass vor allem kleinere und mittlere Unternehmen im Zuge der neuen Regeln zu Research schwieriger Kapital aufnehmen können, da Anleger weniger auf ihre Aktien aufmerksam werden ? Die Deutsche Börse AG hat im vergangenen Jahr ein neues Marktsegment (Scale) für kleine und mittlere Unternehmen eingeführt. Um in dieses Marktsegment einbezogen werden zu können, müssen die betroffenen Unternehmen eine Vielzahl von Voraussetzungen erfüllen, so müssen z. B. zwei Anlageempfehlungen i. S. d. Marktmissbrauchsverordnung (Finanzanalysen) vorliegen. In dem Marktsegment Scale sind z. Zt. 50 Emittenten gelistet. Auch an einigen Regionalbörsen wurden spezielle Marktsegmente für kleine und mittlere Unternehmen eingerichtet. Vor diesem Hintergrund werden die Bedenken, kleine und mittlere Unternehmen könnten im Zuge der neuen Regeln zu Research schwieriger Kapital aufnehmen, nicht geteilt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/1543 15. Wie bewertet die Bundesregierung mögliche Veränderungen im Anlegerverhalten durch gesteigerten Aufwand bei der Beratung zu Finanzprodukten? Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, dass Kunden infolge der neuen Vorschriften ihr Verhalten geändert haben. 16. Inwieweit sieht die Bundesregierung Nachbesserungsbedarf bei MiFID II auf nationaler oder europäischer Ebene? Da das neue Aufsichtsregime erst knapp drei Monate gilt und daher noch keine umfassenden Erfahrungen aus der aufsichtsrechtlichen Praxis vorliegen, ist eine abschließende Einschätzung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. 17. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umsetzungsprozess von MiFID II in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union? Die Bundesregierung begrüßt die fristgerechte Umsetzung der MiFID II in zahlreichen Mitgliedstaaten. Der Umsetzungsprozess in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist entweder abgeschlossen oder steht vor dem Abschluss. Vergleiche hierzu die von der Europäischen Kommission veröffentlichten Angaben (https://ec.europa.eu/info/publications/mifid-ii-directivetransposition -status_en). 18. Inwieweit wurde die Umsetzung der MiFID-II-Regeln bisher durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geprüft? Die MiFID II-Regelungen werden seit Inkrafttreten des 2. FinMaNoG durch die BaFin im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben nach § 1 und § 6 des Wertpapierhandelsgesetzes laufend überwacht. Überdies führt die BaFin derzeit eine Marktuntersuchung zur Umsetzung der MiFID II im Bereich der Verhaltenspflichten durch. Eine abschließende Beurteilung, inwieweit die überwachten Unternehmen sämtliche MiFID II-Vorgaben erfüllen, ist aufgrund des erst kürzlich erfolgten Inkrafttretens der relevanten Regelungen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich . Weiterreichende Erkenntnisse sind nach Abschluss der jährlichen Prüfungen und Erstellung der Prüfungsberichte zu erwarten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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