Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Christian Wirth, Dr. Bernd Baumann, Beatrix von Storch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/14907 – Maßnahmen gegen die Einwanderung von in Nordsyrien internierten IS-Kämpfern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die militärische Offensive der Türkei auf dem Boden der Syrischen Arabischen Republik zielt ausdrücklich auf die Kontrolle über einen rund 30 km breiten Grenzstreifen Nordsyriens ab, in dem in verschiedenen Internierungslagern etwa 10.000 IS-Kämpfer (IS = sog. Islamischer Staat) und 70.000 IS- Familienmitglieder, davon 800 mit EU-Staatsbürgerschaften, gefangen gehalten werden (www.morgenpost.de/politik/article227365913/Tuerkische-Offensi ve-in-Syrien-Erdogans-schmutzige-Krieger.html). Bereits am 12. Oktober 2019 konnten 800 Personen aus dem Lager Ain Issa entkommen (ebd.). Darüber hinaus berichteten mehrere Medien zunächst von einer Summe von 20 Mrd. Euro, die an den Irak fließen soll, damit IS-Kämpfer mit deutscher Staatsbürgerschaft in dortigen Verfahren nicht die Todesstrafe erhalten. Tatsächlich wird inzwischen von einer Summe von 90 Mio. Euro einmalig sowie 9 Mio. Euro einmalig und 1,8 Mio. Euro jährlich pro IS-Kämpfer mit deutscher Staatsbürgerschaft (www.tagesschau.de/faktenfinder/ausland/is-kaemp fer-irak-103.html) ausgegangen.  1. Wie viele IS-Kämpfer und Angehörige von IS-Kämpfern sind seit 2013 nach Kenntnis der Bundesregierung in die Bundesrepublik Deutschland eingereist (bitte nach Jahren und ggf. weiterer Staatsbürgerschaft auflisten sowie nach Kämpfern und Angehörigen unterscheiden)? Ausreisesachverhalte in Richtung Syrien und Irak sind den deutschen Sicherheitsbehörden in einigen Fällen erst nachträglich bekannt geworden. Auch ein Bezug zum sog. Islamischen Staat (IS) ergab sich teilweise erst nach bereits erfolgter Rückkehr der Personen nach Deutschland. Mit Stand 15. November 2019 liegen der Bundesregierung zu 122 der zurückgekehrten Personen Erkenntnisse vor, dass sie sich mindestens zeitweise dem sog. IS angeschlossen haben. Deutscher Bundestag Drucksache 19/15446 19. Wahlperiode 26.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 22. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Von den zurückgekehrten Personen mit IS-Bezügen besitzen 81 die deutsche Staatsangehörigkeit, wobei 24 Personen eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen . Bei der weiteren Beantwortung der Frage könnte es zu einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen durch eine offene Beantwortung kommen. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 4 der Verschlusssachenanweisung (VSA) mit dem VS-Grad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und werden gesondert beantwortet.* Insbesondere in den Jahren 2013 bis 2015 wurde in einigen Fällen erst nach entsprechender Rückkehr nach Deutschland der Aufenthalt der gereisten Personen in einem Kampfgebiet oder beim sog. IS festgestellt, so dass Maßnahmen zur Verhinderung der Wiedereinreise bei nicht deutschen Staatsangehörigen nicht greifen konnten. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind bestrebt, Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die in Richtung Syrien/Irak ausreisen und zu denen Bezüge zum sog. IS bekannt werden, an der Wiedereinreise nach Deutschland zu hindern. Die entsprechenden Maßnahmen der zuständigen Behörden beim Bund und in den Ländern richten sich dabei jeweils im Einzelfall nach den rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten. Zu 67 der nach Deutschland zurückgekehrten Personen mit IS-Bezug liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben.  2. Wie viele IS-Kämpfer und wie viele Angehörige von IS-Kämpfern werden bzw. wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vor der türkischen Offensive von Kurdenmilizen gehaltenen Gebieten in Nordsyrien und im Irak gefangen gehalten? Der Bundesregierung liegen hierzu keine belastbaren Zahlen vor. a) Wie viele dieser Personen haben die deutsche Staatsbürgerschaft? Mit Stand vom 8. November 2019 geht die Bundesregierung von 81 deutschen Staatsangehörigen in kurdischen Haft- bzw. Gewahrsamseinrichtungen in Syrien aus. b) Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Staatsbürgerschaft anderer EU-Mitgliedstaaten? Der Bundesregierung liegen hierzu keine belastbaren Zahlen vor.  3. Plant die Bundesregierung, IS-Kämpfer oder deren Angehörige mit deutscher Staatsbürgerschaft aktiv nach Deutschland zu holen, um eine verdeckte Einwanderung nach Deutschland zu vermeiden? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/13991 wird verwiesen. * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft . Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 19/15446 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  4. Wie viele IS-Kämpfer und wie viele Angehörige von IS-Kämpfern sind nach Kenntnis der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage in den Gebieten, entsprechend Frage 2, noch gefangen gehalten ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine belastbaren Zahlen vor.  5. Welche Milizen unterstützen nach Kenntnis der Bundesregierung die türkische Offensive in Nordsyrien, und wie viele davon werden von der Bundesregierung als islamistisch eingeschätzt? Die Beantwortung der Frage kann aus Gründen des Staatswohls nicht offen erfolgen . Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes sowie Einzelheiten zur nachrichtendienstlichen Erkenntnislage sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags aus § 1 Absatz 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND) besonders schutzwürdig . Eine Veröffentlichung von Einzelheiten solcher Erkenntnisse betreffend würde zu einer Schwächung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen und ließe Rückschlüsse auf Aufklärungsschwerpunkte zu. Insofern könnte die Offenlegung entsprechender Informationen für die Sicherheit und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der Verschlusssachenanweisung (VSA) mit dem VS-Grad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und werden gesondert beantwortet.*  6. Hat die Bundesregierung Kenntnis über eine Zusammenarbeit der Türkei mit Kräften und Vertretern des IS (www.tagesschau.de/ausland/tuerkeisyrien -is-107.htm)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.  7. Setzt sich die Bundesregierung angesichts des zu erwartenden, zusätzlichen Flüchtlingsstroms und der Gefahr der verdeckten Einwanderung von IS-Kämpfern für zusätzliche Maßnahmen an der EU-Außengrenze ein, und wenn ja, welche sind dies (www.deutschlandfunk.de/konflikt-innordsyr ien-kurd ische-gemeinde- rechne t -mi t .1939 .de .h tml? drn:news_id=1061819)? Die Verantwortung für den Schutz der EU-Außengrenzen obliegt den jeweiligen Mitgliedstaaten mit Außengrenze. Die Europäische Grenz- und Küstenwache Frontex unterstützt die Mitgliedstaaten hierbei personell und/oder mit technischen Einsatzmitteln. Die Bundesregierung beteiligt sich regelmäßig an den Einsätzen von Frontex und wird dies auch weiterhin tun. Mit der neuen Verordnung über die europäische Grenz- und Küstenwache Frontex und dem damit verbundenen personellen Aufwuchs wird die Agentur weiter gestärkt und kann den betroffenen Mitgliedstaaten eine verbesserte Unterstützung beim Schutz der Außengrenzen und bei der Rückführung bieten. * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft . Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15446  8. Plant die Bundesregierung, sich für eine Anpassung des EU-Türkeiabkommens oder anderer europäischer oder nationaler diplomatischer Maßnahmen gegenüber der Türkei einzusetzen, um der Gefahr des zu erwartenden zusätzlichen Flüchtlingsstroms und der Gefahr der verdeckten Einwanderung von IS-Kämpfern Maßnahmen an der deutschen Grenze zu begegnen (www.deutschlandfunk.de/konflikt-in-nordsyrien-kurdischegemeinde -rechnet-mit.1939.de.html?drn:news_id=1061819)? Die Bundesregierung steht unverändert zur EU-Türkei-Erklärung vom 18. März 2016 in ihrer gegenwärtigen Form, die wesentlich dazu beiträgt, dass sich die Ankünfte auf den griechischen Inseln im Vergleich zum Zeitraum vor März 2016 deutlich reduziert haben. Die Ankunftszahlen auf den griechischen Inseln liegen erheblich unterhalb der Ankunftszahlen vor Inkrafttreten der EU- Türkei-Erklärung. Auch die Türkei setzt die EU-Türkei-Erklärung weiterhin um. Nach Kenntnis der Bundesregierung kontrolliert die Türkei die Seegrenzen nach wie vor mit hoher Intensität und hat im Oktober nach eigenen Angaben 11.866 irreguläre Grenzübertritte auf dem Seeweg verhindert. Durch die EU- Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei wird die Türkei dabei unterstützt, Flüchtlinge in der Türkei zu versorgen und ihnen dort Teilhabe zu ermöglichen.  9. Plant die Bundesregierung, zusätzliche Maßnahmen an der deutschen Grenze zu ergreifen, um dem zu erwartenden, zusätzlichen Flüchtlingsstrom und der Gefahr der verdeckten Einwanderung von IS-Kämpfern zu begegnen (www.deutschlandfunk.de/konflikt-in-nordsyrien-kurdischegemeinde -rechnet-mit.1939.de.html?drn:news_id=1061819)? Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat mit Wirkung vom 12. November 2019 die vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Landgrenze für einen Zeitraum von sechs Monaten aus migrations- und sicherheitspolitischen Gründen nach Artikel 25 bis 27 der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) neu angeordnet . Zudem ist die Bundespolizei angewiesen worden, ihre grenzpolizeilichen Maßnahmen – unterhalb der Schwelle der vorübergehenden Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen – an allen deutschen Binnengrenzen weiter zu intensivieren. 10. Welche zusätzlichen Maßnahmen plant die Bundesregierung, um IS- Kämpfer und ihre Angehörigen nach erfolgreicher Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu identifizieren, zu überwachen und ggf. wieder abzuschieben? Es werden einzelfallbezogen umfassende Maßnahmen im Rahmen der jeweiligen Polizeigesetze der Länder und des Bundes sowie nach den gesetzlichen Voraussetzungen der Verfassungsschutzgesetze der Länder und des Bundes geprüft . Darüber hinaus erfolgt ein Informationsaustausch auf nationaler Ebene sowie mit ausländischen Partnerbehörden, um maßnahmenunterstützende Erkenntnisse zu generieren. Gemäß dem nach der Strafprozessordnung (StPO) geltenden Legalitätsprinzip wird sodann gegen jede IS-Rückkehrerin und gegen jeden IS-Rückkehrer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen (§ 152 Absatz 2 StPO). Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 112 StPO kann die Anordnung von Untersuchungshaft beantragt werden. Drucksache 19/15446 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Rückführungen liegen im Zuständigkeitsbereich der jeweils mit den ausländerrechtlichen Angelegenheiten betrauten Landes- und Kommunalbehörden, auf die der Bund nur bedingt Einfluss nehmen kann. Dennoch erfolgt zwischen Bundes- und Landesbehörden zu Gefährdern und sonstigen Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft aus dem islamistischen Spektrum eine enge und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Ziel, diese in ihre jeweiligen Herkunftsländer zurückzuführen. Für die Rückführung von Gefährdern kann zudem bei Vorliegen eines besonderen Interesses gemäß § 58a Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes die Übernahme der Zuständigkeit durch den Bund erklärt werden. 11. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass zur Verhinderung von Todesurteilen bei Verfahren gegen IS-Kämpfer mit deutscher Staatsbürgerschaft im Irak finanzielle Gegenleistungen Deutschlands an den Irak erfolgen werden? Wenn nein, bis zu welcher Summe pro Fall ist die Bundesregierung bereit , hier zu zahlen? Zu hypothetischen Fragen äußert sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht. Eine Leistung im Sinne der Fragestellung ist nicht vorgesehen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15446 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333