Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Sichert, Jörg Schneider, René Springer und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/14947 – Bildungsmaßnahmen der Jobcenter V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die ZDF-Sendung „Zoom“ berichtete am 25. September 2019 über Bildungsmaßnahmen der Jobcenter (www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoomweiterbildung -ohne-sinn-100.html). Der Beitrag befasste sich mit den sogenannten Weiterbildungsmaßnahmen für Hartz-IV-Empfänger. Darin wurde anhand von Beispielen anschaulich gemacht, wie „sinnlos“ (siehe Dokumentation Minute 00:18) manche Maßnahmen seien und wie diese bei den Teilnehmern auf Unverständnis stoßen. Beispielsweise müsse man Kinderfiguren ausschneiden , Bilder bemalen, Basteln, Matheaufgaben für Erstklässler lösen usw. Neben diesem zentralen Vorwurf – der Sinnlosigkeit der Maßnahme – wurde auch auf folgende Problempunkte hingewiesen: So fehle es an (Qualitäts-)Kontrollen bei den Trägern der Bildungsmaßnahmen – Ein verdi-Vertreter bezeichnete in dem Beitrag den Bildungsmarkt als „wilden Westen“ (siehe Dokumentation ab Minute 14:01). Bei verdeckten Aufnahmen bei einem großen Anbieter bzw. Träger äußerte die Angestellte bzw. Vorgesetzte, dass „niemand […] das komplette Personal vor Ort [hat], sonst wäre es ein Minusgeschäft. […] Wir haben das große Glück, die gucken [gemeint sind die Überprüfer vom Jobcenter, Anm. d. V.] gar nicht in die Räume nach dem Personal, das machen die nicht. Die kommen nur, wollen die Akten haben, lesen die Dokumentation durch, mehr wollen die gar nicht“ (siehe Dokumentation ab Minute 11:37). Ein weiterer Problempunkt sei, dass die Maßnahmen kaum bzw. nur minimale Effekte zeitigten. Die Forschungsergebnisse des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB) zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen nach einem Jahr der Bildungsmaßnahmen weiterhin Hartz IV beziehen, sich bei den Westdeutschen lediglich um 0,5 Prozent verringert und bei den Ostdeutschen nach dem Besuch dieser Maßnahmen so gut wie niemand eine neue Anstellung gefunden habe (siehe Dokumentation ab Minute 23:33). Auch der Bundesrechnungshof kam in seiner Abschließenden Mitteilung vom 22. August 2017 zu dem Ergebnis, dass „die Jobcenter in einem erheblichen Teil der geprüften Fälle deren [gemeint sind die Teilnehmer, Anm. d. V.] unverzügliche Eingliederung nicht gefördert, sondern sogar gefährdet [haben]“ (www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/pruefungsmit Deutscher Bundestag Drucksache 19/15448 19. Wahlperiode 26.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 22. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. teilungen/langfassungen/2017/2017-pm-zuweisung-und-durchfuehrung-vonpraesenzmassnahmen -im-rechtskreis-des-sgb-ii-pdf). Als drittes Problemfeld wird genannt, dass es einen internen Druck innerhalb der Jobcenter gebe. Der Beitrag zeigt mit Verweis auf interne Dokumente aus Jobcentern (siehe Dokumentation ab Minute 15:23), dass Jobcenter- Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden und mit konkreten Vorgaben angehalten werden, Menschen in Maßnahmen zu schicken. Die Geschäftsführerin des Jobcenters Bremen bestätigte diese Praxis indirekt (siehe Dokumentation ab Minute 19:41) und verwies dabei auf den Etat, die Gebundenheit durch die Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) und letztendlich auf die Gebundenheit der Bundeshaushaltsordnung. In dem Beitrag kam auch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Leonie Gebers (SPD) zu Wort. Konfrontiert mit den Vorwürfen der „sinnlosen“ Maßnahmen antwortete die Staatssekretärin, dass demnächst die Maßnahmen „zertifiziert“ würden. „Wir zertifizieren auch die Träger, die die Maßnahmen durchführen, und arbeiten so ständig daran, dass die Maßnahmen auch ihr Ziel erfüllen“ so die Staatssekretärin (siehe Dokumentation ab Minute 24:58). An der bestehenden Ausschreibungspraxis wolle sie nichts ändern und verweist auf den Maßstab der Wirtschaftlichkeit. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Prof. Dr. Jutta Allmendinger konstatiert im oben verlinkten Video dazu, dass hier „ein allgemeines Versäumnis [besteht] […] dass die ganze Politik […] keine gute Vorbereitung für eine veränderte Arbeitswelt macht […]“ (siehe Dokumentation ab Minute 26:10). Ihr Vorschlag: Die Bildung von Hartz-IV- Empfängern sollte wieder stärker öffentlich organisiert sein durch Schulen, Unis, Berufsschulen. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den in der ZDF-Sendung dargestellten Maßnahmen, um Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III)) handelt und nicht um Bildungsmaßnahmen im Sinne der Förderung der beruflichen Weiterbildung (§§ 81 ff. SGB III). Gleiches gilt für den in der Sendung erwähnten Prüfbericht des Bundesrechnungshofes. Mit den Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung verfolgt der Gesetzgeber für erwerbsfähige Leistungsberechtigte folgende Ziele: • Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, • Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen, • Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung, • Heranführung an eine selbständige Tätigkeit oder • Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme.  1. Wie antwortet die Bundesregierung auf die Vorwürfe der fehlenden Kontrollen von Seiten der Jobcenter bei den Bildungsträgern – insbesondere auf den Vorwurf, dass lediglich eine vorangemeldete Prüfung der Dokumentation stattfindet (siehe Vorbemerkung der Fragesteller, Absatz 2, hier insbesondere die Aussage der Vorgesetzen bzw. Angestellten eines Bildungsträgers im Wortlaut)? Gibt es diesbezüglich konkrete Pläne bzw. Maßnahmen, die von der Bundesregierung geplant sind, um solche Kontrollen zu verschärfen oder wirksamer zu gestalten? Die durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) geförderten Arbeitsmarktdienstleistungen sind ein entscheidendes Instrument bei der beruflichen Integration Drucksache 19/15448 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode von Arbeitsuchenden. Dementsprechend hat auch die Qualitätssicherung dieser Arbeitsmarktdienstleistungen eine hohe Bedeutung. Sie ist eine gesamtorganisatorische Aufgabe, an deren Erfüllung verschiedene Akteure (gemeinsame Einrichtungen, Regionale Einkaufszentren der BA, der Prüfdienst Arbeitsmarktdienstleistungen der BA sowie fachkundige Stellen) zusammenarbeiten. Die Qualitätssicherung von Arbeitsmarktdienstleistungen erfolgt zunächst in den gemeinsamen Einrichtungen (gE) vor Ort. Diese gewährleisten, dass die von ihnen geförderten Maßnahmen den notwendigen Qualitätsstandards entsprechen . Vorliegenden Hinweisen auf etwaig vorhandene Mängel, z. B. aufgrund von Teilnehmerbeschwerden, gehen vorab festgelegte Maßnahmebetreuerinnen und -betreuer umgehend und zielgerichtet nach. Bei auftretenden Mängeln hat die gE unverzüglich mit dem Auftragnehmer schriftlich Kontakt aufzunehmen . Die Regionalen Einkaufszentren der BA unterstützen die gE vor Ort beim Einkauf der Maßnahmen, der vertragsrechtlichen Abwicklung der abgeschlossenen Verträge – inklusive der Bearbeitung wesentlicher Vertragsstörungen und der Mitwirkung bei gerichtlichen Verfahren. Der Prüfdienst Arbeitsmarktdienstleistungen der BA unterstützt und ergänzt die verschiedenen Qualitätssicherungsaktivitäten der gE und der Regionalen Einkaufszentren . Er führt stichprobenartige Vor-Ort-Besuche durch, sogenannte Regelprüfungen. Des Weiteren werden aufgrund von vorliegenden Beschwerden oder zum Beispiel aufgrund von Prüfaufträgen der Zentrale oder der Regionaldirektionen der BA anlassbezogene Prüfungen durchgeführt. Die gE sind an den Prüfeinsätzen beteiligt, um ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit und ihre regionalen Kenntnisse einzubringen, die Kommunikationswege zu verkürzen und die Nachhaltung der Prüfergebnisse zu gewährleisten. Träger, die Maßnahmen der Arbeitsförderung durchführen, bedürfen der Zulassung durch eine fachkundige Stelle. Ebenso müssen Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 Absatz 4 Satz 3 Nummer 1 SGB III und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach §§ 81 und 82 SGB III durch eine fachkundige Stelle zugelassen werden. Ziel des Zulassungsverfahrens ist es, die Qualität von arbeitsmarktlichen Dienstleistungen sicherzustellen . Die Zulassung wird für höchstens fünf Jahre erteilt. Die fachkundigen Stellen prüfen in jährlichen Abständen die wirksame Anwendung eines Systems zur Qualitätssicherung durch Träger. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 6 verwiesen.  2. Wie antwortet die Bundesregierung auf den Vorwurf, dass es nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters eines Bildungsträgers auf dem Bildungsmarkt wie im „wilden Westen“ zugehe (Zitat siehe Vorbemerkung der Fragesteller)? Die Förderung von erwerbsfähigen leistungsberechtigten Personen in Maßnahmen der Aktivierung und beruflichen Eingliederungen bzw. beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen erfolgt in Form von Vergabemaßnahmen oder durch die Ausgabe von Bildungs- bzw. Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheinen. Sowohl Vergabe- als auch Gutscheinmaßnahmen dürfen ausschließlich von Bildungsträgern durchgeführt werden, die über eine Zertifizierung und entsprechende Zulassung gemäß den §§ 176 ff. SGB III i. V. m. mit der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung – Arbeitsförderung (AZAV) verfügen . Zur Qualitätssicherung und zur Prüfung von Maßnahmen und Bildungsträgern wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15448  3. Welche Konsequenzen für ihr eigenes (zukünftiges) Handeln zieht die Bundesregierung aus den direkten und indirekten Vorwürfen, die in dem Beitrag genannt werden, wonach die Qualität unter dem Druck des niedrigsten Preises leidet (siehe beispielsweise die Dokumentation Minute 08:03; wortwörtlich: „[…] währenddessen die [gemeint sind die Träger der Bildungsmaßnahmen, Anm. d. V.] die Dumpingstrategien fahren, die haben gewonnen“)? Gibt es diesbezüglich Pläne, an der Ausschreibungspraxis, trotz der Ausführung der Leonie Gebers (siehe Dokumentation Minute 25:27; wortwörtlich : „[…] Wir sind natürlich an dem Maßstab der Wirtschaftlichkeit gebunden“), Veränderungen vorzunehmen? a) Wenn ja, welche? b) Wenn nein, wieso nicht? Die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes erfolgt auf Basis des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Damit wird der Zuschlag eben nicht auf das niedrigste Preisangebot erteilt. Vielmehr wird die fachliche Qualität der Angebote für Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung im Rahmen der Konzeptbewertung durch die gE bewertet. Die Vergabe von Maßnahmen hat an Anbieter zu erfolgen, dessen Angebot qualitativ überzeugt und zu einem wirtschaftlichen Preis angeboten wird. Bei höherer Konzeptbewertung kann der Zuschlag daher auch bei einem höheren Preis erteilt werden. Wer sich auf geringem Qualitätsniveau bewegt, wem es im Angebotsvergleich also nicht gelingt, sich qualitativ abzusetzen, erhält in der Konsequenz auch nicht den Zuschlag. Im Jahr 2016 ist die Vergaberechtsreform in Kraft getreten. Mit ihr wurde die EU-Vergaberichtlinie (Richtlinie 2014/24/EU) in deutsches Recht (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und Vergabeverordnung (VgV)) umgesetzt . Mit der Regelung des § 65 Absatz 5 VgV wurde es den Jobcentern ermöglicht , den Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen der Anbieter stärker zu berücksichtigen. Die Einführung des Mindestlohns in der Branche der Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und SGB III im Jahr 2012 und die sukzessiven Erhöhungen in den letzten Jahren haben dazu beigetragen, das sich der Preisdruck bei Vergabemaßahmen entspannt hat. Der Mindestlohn beträgt seit April 2019 brutto 15,72 Euro bzw. 15,79 Euro je Zeitstunde. Bis zum Jahr 2022 steigt der Mindestlohn auf brutto 17,18 Euro bzw. 17,70 Euro je Zeitstunde. Ob für eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer im pädagogischen Bereich das niedrigere oder das höhere Mindestlohnniveau gilt, hängt von deren Qualifikation ab. Seit der Einführung des vergabespezifischen Mindestentgelts im Juli 2017 ist zudem sichergestellt, dass alle Beschäftigten in dieser Branche – unabhängig davon, ob sie dem Mindestlohntarifvertrag unterfallen oder nicht – mindestens diesen Lohn bzw. dieses Entgelt erhalten.  4. Hat die zuständige BA nach Kenntnis der Bundesregierung die Jobcenter in den letzten zehn Jahren angewiesen, schärfer bei den Trägern der Bildungsmaßnahmen für sogenannte Hartz-IV-Empfänger zu kontrollieren? a) Wenn ja, was war das Ergebnis? b) Wenn nein, wieso war keine strengere Kontrolle angewiesen? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Drucksache 19/15448 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  5. Verfügt die Bundesregierung über Prüfberichte der Jobcenter zu den Kontrollen bei Trägern der Bildungsmaßnahmen für sogenannte Hartz-IV- Empfänger? Wenn ja, welche sind dies (bitte als Anhang der Antwort beilegen)? Die unter Antwort zu Frage 1 genannten Qualitätssicherungsmaßnahmen werden in Verlauf und Ergebnis jeweils dokumentiert. Die Dokumentationen unterliegen datenschutzrechtlichen Bestimmungen.  6. Wer ist für die Zertifizierung der Bildungsträger, wie die Staatssekretärin Leonie Gebers im Interview ausführte (siehe Vorbemerkung der Fragesteller , letzter Absatz), zuständig, bzw. in welche Zuständigkeit (welche konkrete Behörde) wird diese Zertifizierung fallen, und nach welchen Kriterien werden diese Zertifizierungen aufgesetzt (bitte mit konkreten Angaben)? Alle Träger, die Maßnahmen der Arbeitsförderung durchführen, benötigen eine Zulassung durch eine unabhängige fachkundige Stelle. Dies gilt unabhängig davon, ob die Träger an Ausschreibungen teilnehmen oder Gutscheinmaßnahmen anbieten wollen. Vorausgesetzt werden Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit , personelle und fachliche Eignung der Leitungs-, Lehr- und Fachkräfte, ein Qualitätssicherungssystem sowie angemessene Vertragsbedingungen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, vgl. § 178 SGB III sowie die ergänzenden Regelungen der AZAV. Zusätzlich muss die konkrete Maßnahme zugelassen sein, wenn sie mit einem Gutschein nach § 45 Absatz 4 Satz 3 Nummer 1 SGB gefördert werden soll oder es sich um Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach den §§ 81 und 82 SGB III handelt, vgl. § 176 Absatz 2 SGB III. Hierbei wird geprüft, ob das Maßnahmekonzept eine erfolgreiche Teilnahme erwarten lässt, nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig sowie wirtschaftlich ist und angemessene Teilnahmebedingungen bietet; im Einzelnen vgl. die §§ 179 ff. SGB III sowie die ergänzenden Regelungen der AZAV. Die fachkundigen Stellen müssen ihrerseits von der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) akkreditiert werden. Die BA führt auf ihrer Homepage www.kursnet-finden.arbeitsagentur.de ein Verzeichnis über alle von der DAkkS zugelassenen fachkundigen Stellen.  7. Kann die Bundesregierung die im Beitrag getätigte Feststellung und den Verweis auf die Ergebnisse der Studie des IAB, wonach die Bildungsmaßnahmen bei Westdeutschen kaum (wortwörtlich: „Bei westdeutschen Arbeitslosen hatte die Maßnahme kaum Wirkung. Die Wahrscheinlichkeit ein Jahr nach der Teilnahme weiterhin Hartz-IV zu beziehen war nur um 0,5 Prozent verringert“) und bei den Ostdeutschen gar keine Wirkung haben (wortwörtlich: „Für ostdeutsche Arbeitslose fällt die Bilanz noch schlechter aus. Nach dem Besuch einer Bildungsmaßnahme habe so gut wie niemand eine neue Anstellung gefunden“) aus eigenen Erkenntnissen bestätigen (siehe Vorbemerkung der Fragesteller, Absatz 3 bzw. die Dokumentation ab Minute 23:33)? Wenn ja, mit welchen Argumenten rechtfertigt die Bundesregierung angesichts dieser Feststellung die Bildungsmaßnahmen dennoch weiterhin (bitte konkretisieren)? Der Bundesregierung liegen die Ergebnisse der Studie des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vor. Die im ZDF-Zoom-Beitrag vom 25. September 2019 zitierte Studie des IAB – auf die sich die Fragesteller be- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15448 ziehen – untersuchte Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung auf ihre Eingliederungswirkungen für arbeitslose Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II). Bildungsmaßnahmen im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung standen nicht im Fokus dieser Studie. Die Bundesregierung bewertet die Ergebnisse der Studie differenzierter als die ZDF-Sendung „Zoom“. Bei näherer, gründlicher und umfassender Betrachtung und Würdigung zeigen die Ergebnisse dieser Untersuchung des IAB, dass die Teilnahme an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung die Integrationschancen und Erwerbseinkommen der geförderten ALG-II- Beziehenden begünstigen. Dabei profitiert insbesondere die Gruppe der arbeitsmarktfernen Personen von einer Teilnahme. Für die Einordnung der vorliegenden Erkenntnisse zu den Wirkungen auf die Überwindung des Leistungsbezugs ist zu berücksichtigen, dass zum untersuchten Personenkreis der arbeitslosen ALG-II-Beziehenden oft Langzeitarbeitslose und Personen mit schwerwiegenden , multiplen Vermittlungshemmnissen zählen. Die Rückkehr in den allgemeinen Arbeitsmarkt vollzieht sich daher oft nur schrittweise und über einen längeren Zeitraum. Insgesamt sprechen die wissenschaftlichen Befunde dafür, dass die untersuchten Maßnahmen geeignet sind, arbeitslose ALG-II-Beziehende (wieder) an den Arbeitsmarkt heranzuführen.  8. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die internen Dokumente aus Jobcentern, die einen Druck auf die Mitarbeiter belegen, wonach sogenannte Hartz-IV-Empfänger in Maßnahmen untergebracht werden sollen und die Mitarbeiter in den Jobcentern angehalten werden, eine bestimmte Quote dazu zu erfüllen (siehe Vorbemerkung, Absatz 5)? Falls die Vorwürfe bekannt sind, was wurde von Seiten der Bundesregierung konkret gegen diese Praxis unternommen (z. B. Weisungen, Erlass von Leitlinien usw.)? Der Bunderegierung liegen keine Erkenntnisse über derartige Dokumente vor.  9. Welche Schlussfolgerungen für ihr eigenes (zukünftiges) Handeln zieht die Bundesregierung aus der in der Vorbemerkung beschriebenen Idee der Präsidentin des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, die Bildung von Hartz-IV-Empfängern solle wieder stärker öffentlich organisiert sein durch Schulen, Universitäten, Berufsschulen (vgl. Zitat und Quellenangabe Vorbemerkung der Fragesteller, Absatz 6)? Welche konkreten Argumente sprechen nach Einschätzung der Bundesregierung für diesen Ansatz, und welche dagegen, bzw. gedenkt die Bundesregierung, ihre Praxis diesbezüglich zu ändern? Berufliche Weiterbildungen, die von staatlichen Bildungsanbietern, wie z. B. staatliche berufsbildende Schulen, staatliche Berufsfachschulen oder auch Hochschulen angeboten werden, können unter denselben Voraussetzungen gefördert werden, wie sie auch für alle anderen Bildungsanbieter gelten. Voraussetzung für die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme ist, dass der Träger und seine Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. Die vom Jobcenter oder der BA zu fördernden Bildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme erhalten einen Bildungsgutschein, den sie nach freier Auswahl bei einem entsprechend zugelassenen Bildungsanbieter einlösen können, unabhängig davon, ob es sich um einen privaten oder staatlichen Bildungsanbieter handelt. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit für Bildungseinrichtungen , wie Schulen, Berufsschulen und Hochschulen, nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes bei den Ländern liegt. Das Bildungsangebot Drucksache 19/15448 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode der staatlichen Schulen und Hochschulen sowie des dualen Ausbildungssystems wird in aller Regel kostenfrei zur Verfügung gestellt. Insoweit steht es grundsätzlich auch erwerbsfähigen leistungsberechtigten Personen offen und kann bei Vorliegen der individuellen Fördervoraussetzungen im Rahmen der beruflichen Weiterbildungsförderung nach dem SGB II und SGB III oder ggf. nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) gefördert werden. 10. Wie tragen nach Auffassung der Bundesregierung die einzelnen Maßnahmen , wie zum Beispiel die im Beitrag gezeigten Beispiele von Kinderfiguren ausschneiden, Bilder bemalen, Basteln, Matheaufgaben für Erstklässler lösen usw., zu einer besseren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bei? Wie bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, ist davon auszugehen, dass es sich bei den dargestellten Fällen um Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei einem Träger nach § 16 Absatz 1 SGB II i. V. m. § 45 SGB III handelt. Diese Maßnahmen werden von den Jobcentern auch genutzt, um sehr niedrigschwellige Ansätze zur Aktivierung umzusetzen. Gerade im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende gibt es Personengruppen , die noch nicht direkt in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vermittelt werden können. Häufiger sind zunächst niedrigschwellige Maßnahmen erforderlich, um z. B. eine Tagesstruktur herzustellen und die Grundvoraussetzungen für eine Integration in den Arbeitsmarkt zu schaffen. Zu den wissenschaftlichen Befunden zur Zielgruppe und Wirkung solcher Maßnahmen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Bei diesen Maßnahmen greift eine Beurteilung des Maßnahmeerfolgs anhand von Integrationsquoten zu kurz. Qualitäts- und Erfolgskriterien niedrigschwelliger Integration sind zum Beispiel: • die Schaffung von Tagesstruktur, • der Aufbau von Selbstwertgefühl durch Erfolgserlebnisse, • eine eigenständige Bewältigung von unerwarteten Problemstellungen, • die Integration in ein erweitertes soziales Umfeld mit der Möglichkeit, sich auszutauschen und von Erfahrungen anderer zu profitieren. 11. Welche Schlussfolgerungen für ihr eigenes Handeln zieht die Bundesregierung aus dem Vorwurf des Bundesrechnungshofs, dass „die Jobcenter in einem erheblichen Teil der geprüften Fälle deren [gemeint sind die Teilnehmer, Anm. d. V.] unverzügliche Eingliederung nicht gefördert, sondern sogar gefährdet [haben]“, und welche konkreten Vorkehrungen wurden seither unternommen, um dies zu verhindern (vgl. Abschließende Mitteilung an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales über die Prüfung der Zuweisung und Durchführung von Präsenzmaßnahmen im Rechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch SGB II, Seite 4)? 12. Welche Schlussfolgerungen für ihr eigenes Handeln zieht die Bundesregierung aus dem Vorwurf des Bundesrechnungshofs, dass „Die Maßnahme […] bei 182 von 617 Leistungsberechtigten (29 %) nicht Bestandteil einer auf den Einzelfall bezogenen Eingliederungsstrategie [war] […] [und] darüber hinaus […] die Jobcenter in 212 der 617 Fälle (34 %) die Leistungsberechtigten vor Maßnahmenbeginn nicht hinreichend [informiert haben] über den mit der Zuweisung verfolgten Zweck und die Inhalte der Maßnahme“ (Abschließende Mitteilung an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales über die Prüfung der Zuweisung und Durch- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/15448 führung von Präsenzmaßnahmen im Rechtskreis des SGB II, Seite 4), und welche konkreten Vorkehrungen wurden seither unternommen, um diese Praxis zu ändern? Die Fragen 11 und 12 werden gemeinsam beantwortet. Die Individualisierung der Eingliederungsstrategie und eine stetige Qualitätsverbesserung in der Beratung und Förderung von erwerbsfähigen leistungsberechtigten Menschen ist ein Schwerpunkt in der Arbeit der Jobcenter. Der Gesetzgeber hat bereits mit dem zum 1. August 2016 in Kraft getretenen Neunten SGB II – Änderungsgesetz die Potenzialanalyse nach § 15 SGB II überarbeitet und im Beratungsprozess gestärkt. Ausgangspunkt des gesamten Eingliederungsprozesses müssen die individuell festgestellten Kompetenzen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person sein. Hierzu wird im Rahmen der Potenzialanalyse eine individuelle Einschätzung durchgeführt, die die Grundlage der Integrationsprognose für die Vermittlung und Beratung sowie den Einsatz von Eingliederungsleistungen bildet. Die Ergebnisse der Potenzialanalyse fließen in die Eingliederungsvereinbarung ein. Die Eingliederungsvereinbarung schafft für die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und für die Fachkräfte in den Jobcentern Transparenz über die Eingliederungsstrategie und die erforderlichen Eingliederungsleistungen. Nicht passgenaue oder nicht integrationsfördernde Maßnahmen können so vermieden werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat als eine Handlungsempfehlung aus dem Zukunftsdialog mit Bürgerinnen und Bürgern vorgeschlagen, die Eingliederungsvereinbarung weiterzuentwickeln mit dem Ziel, den Integrationsprozess zu verbessern und den kooperativen Ansatz und damit die Vertrauenskultur in den Jobcentern zu stärken. Die BA weist in ihrer Stellungnahme vom 31. Oktober 2016 zur Prüfungsmitteilung des Bundesrechnungshofes darauf hin, dass die Jobcenter mit ihren Maßnahmezuweisungen konkrete individuelle Eingliederungsstrategien verfolgten . Gleichwohl ist die Qualitätssicherung der Eingliederungsarbeit eine ständige Aufgabe in den Jobcentern. Im Zuständigkeitsbereich der BA wurde zuletzt mit der verlaufsbezogenen Kundenbetrachtung ein weiteres Instrument zur Qualitätssicherung eingeführt. Der Prüfung im Rahmen der verlaufsbezogenen Kundenbetrachtung liegt die Leitfrage zugrunde, inwieweit das Handeln der Integrationsfachkräfte im Integrationsprozess zielführend war. Damit wird die Kontinuität im Vermittlungsprozess in den Blick der Fachaufsicht genommen . Aus den Ergebnissen lassen sich Hinweise für das individuelle Handeln der Integrationsfachkräfte oder für die Prozesse innerhalb der gE ableiten. Drucksache 19/15448 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333