Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15010 – Digitalisierter Austausch von Willenserklärungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Recht unterliegt wie jeder Lebensbereich den Veränderungen durch die Digitalisierung und damit dem digitalen Wandel. Diese Entwicklung erlangt insbesondere vor dem Hintergrund eines zunehmenden Internethandels Bedeutung , durch den eine Vielzahl von Rechtsgeschäften online bzw. über das Internet durchgeführt werden. Wurden Dokumente früher noch ausgedruckt und per Post versendet, haben sich heute elektronische Übertragungsmöglichkeiten , wie es beispielsweise bei E-Mails der Fall ist, etabliert. Die Bundesregierung hat dieser Entwicklung im Jahr 2001 durch die Einführung des § 126a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) (BGBl. I S. 1542) Rechnung getragen und zuletzt 2017 eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht (BGBl. I S. 2745). Fraglich ist in diesem Zusammenhang jedoch nach Ansicht der Fragesteller, wie sich die Digitalisierung auf den Rechtsstatus versendeter Willenserklärungen und Urkunden auswirkt. Fraglich ist, ob die gesetzlich geregelten Wege, eine Willenserklärung i.S.v. § 126a BGB elektronisch und rechtlich verbindlich abzugeben, für Bürgerinnen und Bürgern beim alltäglichen Gebrauch praktikabel sind. Zudem gibt es nach wie vor Ausnahmebereiche , die nicht von der elektronischen Möglichkeit erfasst sind. Ob somit dem Bürger der Rechtsverkehr tatsächlich erleichtert wird, ist nach Auffassung der Fragesteller weiterhin fraglich. 1. Inwiefern hat die Bundesregierung die Wirkung und den Nutzen des § 126a BGB hinsichtlich der praktischen Anwendung und Bedeutung evaluiert ? Die Bundesregierung sah bisher keine Veranlassung für eine derartige Evaluierung . a) Wie beurteilt die Bundesregierung die qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des § 126a Absatz 1 BGB auf ihren Nutzen? Die qualifizierte elektronische Signatur hat im Rahmen des § 126a BGB dieselbe Funktion wie in anderen Vorschriften. Wurde ein Dokument mit einer quali- Deutscher Bundestag Drucksache 19/15559 19. Wahlperiode 27.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 25. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. fizierten elektronischen Signatur versehen, kann die Identität des Ausstellers des Dokuments und die Authentizität des Dokuments festgestellt werden. b) Hat diese aus Sicht der Bundesregierung eine praktische Bedeutung erlangt ? Ja. c) Wie verbreitet ist die elektronische Signatur im Rechtsverkehr nach Kenntnis der Bundesregierung? Die Bundesregierung hat keinen Überblick darüber, wie häufig qualifizierte elektronische Signaturen im Privatrechtsverkehr genutzt werden, insbesondere auch zur Erfüllung der elektronischen Form nach § 126a BGB. d) Besteht aus Sicht der Bundesregierung eine Diskrepanz im Verhältnis von praktischer Anwendbarkeit der elektronischen Signatur und den damit möglichen Rechtsgeschäften? Nein. e) Inwiefern hat sich die Einführung der elektronischen Form von Willenserklärungen aus Sicht der Bundesregierung auf den Rechtsverkehr ausgewirkt, und welche praktischen Veränderungen sind dadurch eingetreten ? Die Einführung der elektronischen Form nach § 126a BGB ermöglicht, dass Rechtsgeschäfte, für die durch Gesetz Schriftform vorgesehen ist, regelmäßig auch im elektronischen Rechtsverkehr getätigt werden können. 2. Stehen nach Ansicht der Bundesregierung dabei die Sicherheitsanforderungen und der Kostenaufwand mit der tatsächlichen Nutzbarkeit im Verhältnis ? Ja. 3. Welches Verbesserungspotential sieht die Bundesregierung bei der bereits gesetzlich verankerten, qualifizierten elektronischen Signatur? Die Anforderungen an qualifizierte elektronische Signaturen sind in der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG innerhalb der Europäischen Union erst vor fünf Jahren einheitlich geregelt worden. In Artikel 49 der Verordnung ist vorgesehen, dass diese durch die Kommission bis spätestens 1. Juli 2020 überprüft werden soll. Drucksache 19/15559 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 4. Wie viele gültige Personalausweise befinden sich aktuell im Besitz von Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern? Personalausweise werden in der Regel für Deutsche ab dem vollendeten 16. Lebensjahr ausgestellt. Allerdings besteht keine Ausweispflicht mit dem Personalausweis , solange man sich mit einem Reisepass ausweisen kann. Derzeit gibt es in Deutschaland einen geschätzten Bestand von etwa 61 Millionen Personalausweisen . a) Wie viele davon sind für elektronische Zwecke, beispielsweise die elektronische Verifizierung, nutzbar? 90 % des Ausweisbestandes, also ca. 55 Millionen Personalausweise, verfügen bereits technisch über die Online-Ausweisfunktion. Alle seit dem 1. November 2010 ausgegebenen Personalausweise verfügen über einen Chip für die Online- Ausweisfunktion. b) Wie viele Bundesbürgerinnen und Bundesbürger nutzen nach Kenntnis der Bundesregierung die elektronische Verifizierungsfunktion des Personalausweises ? Aufgrund des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises werden seit Juli 2017 grundsätzlich alle Personalausweise nur noch mit eingeschaltetem Chip-Ausweis ausgegeben. Bisher ist bei 32 Millionen Ausweisen die Online-Funktion aktiv (Schätzwert, da eine zentrale Erfassung der freigeschalteten Online-Ausweise nicht erfolgt). 5. Wie plant die Bundesregierung, die Chancen der Digitalisierung im Bereich des Austausches von Willenserklärungen im Rechtsverkehr konkret zu nutzen? a) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung diesbezüglich? b) Welche Maßnahmen wurden von der Bundesregelung diesbezüglich bereits umgesetzt? c) Welche Maßnahmen der Bundesregierung befinden sich derzeit in der Umsetzung? Es ist Sache der Teilnehmer am Privatrechtsverkehr, die Chancen der Digitalisierung für den Austausch ihrer Willenserklärungen zu nutzen. Der im Privatrecht geltende Grundsatz der Formfreiheit ermöglicht dies auch in sehr weitem Umfang. Soweit gesetzliche Formvorschriften bestehen, können diese überwiegend auch im elektronischen Rechtsverkehr erfüllt werden. 6. Gibt es seitens der Bundesregierung Bedenken, eine weitere Digitalisierung des Austausches von Willenserklärungen durch gesetzgeberische Maßnahmen voranzutreiben? a) Wenn ja, welche Bedenken bestehen seitens der Bundesregierung? b) Wenn nein, plant die Bundesregierung gesetzgeberische Maßnahmen, um einen digitalen Austauschen von Willenserklärungen im Rechtsverkehr weiter auszugestalten? Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Änderungsbedarf bei den Regelungen über den Austausch von Willenserklärungen, da die Regelungen über die Abgabe und den Zugang von Willenserklärungen technikneutral gestaltet sind und den Einsatz neuer Übermittlungstechniken nicht hindern. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15559 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 7. Plant die Bundesregierung Maßnahmen zur gesetzlichen Implementierung von Alternativen zur qualifizierten elektronischen Signatur? a) Wenn ja, wie sollte diese ausgestaltet sein? b) Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung beobachtet die neuen technischen Entwicklungen sorgfältig auch mit Blick darauf, inwieweit bei der elektronischen Form nach § 126a BGB an die Stelle der qualifizierten elektronischen Signatur ein anderes Verfahren treten könnte. Ebenso wie die qualifizierte elektronische Signatur, muss auch ein alternatives Verfahren für alle Teilnehmer am Privatrechtsverkehr zugänglich sein und im Wesentlichen die gleichen Formfunktionen wie bei der gesetzlichen Schriftform gewährleisten, deren Äquivalent die elektronische Form im elektronischen Rechtsverkehr ist. Ein solches Verfahren, das sich als Alternative zur qualifizierten elektronischen Signatur im Privatrechtsverkehr eignen würde, ist der Bundesregierung derzeit nicht bekannt. Drucksache 19/15559 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.