Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marc Jongen, Dr. Götz Frömming, Nicole Höchst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/15094 – Mögliche Gefährdung des Prinzips der Bestenauslese durch das Professorinnenprogramm V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Professorinnenprogramm (www.bmbf.de/de/das-professorinnenpro gramm-236.html) intendiert die Herstellung von Chancengerechtigkeit für Frauen und Männer im Hochschulsystem. Im Rahmen des Programms können Hochschulen Gleichstellungskonzepte einreichen und erhalten bei positiver Bewertung eine Anschubfinanzierung für bis zu vier neu zu besetzende Professorinnenstellen (ebd., unter „Neue Schwerpunktsetzung“). Die Berufung für eine Professur muss nach dem Prinzip der Bestenauslese erfolgen , wie es in Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) festgeschrieben ist. Eine potenzielle Förderung von insgesamt 825.000 Euro, die nur zur Verfügung steht, wenn sich bei der Berufung für eine Frau entschieden wurde, könnte aus Sicht der Fragesteller jedoch einen Anreiz darstellen, von diesem Prinzip abzuweichen. Bereits heute stellen Frauen 27 Prozent der Bewerber auf eine vakante Professur , demgegenüber werden aber mit 33,8 Prozent überproportional viele Frauen berufen (www.gwk-bonn.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Papers/GW K-Heft-55-Chancengleichheit.pdf, S. 12). Dass Frauen bei gleicher Leistung nicht nur die gleichen, sondern bis zu doppelt so hohe Chancen haben, auf einen Lehrstuhl als Professor berufen zu werden wie Männer, ist empirisch bereits nachgewiesen (www.pnas.org/content/pnas/early/2015/04/08/141887811 2.full.pdf). Die Fragesteller befürchten vor diesem Hintergrund, dass das Professorinnenprogramm die Gleichberechtigung von Frauen und Männern nicht unterstützt, sondern durch die Schaffung neuer Diskriminierungen, die diesmal Männer betreffen, behindert. Deutscher Bundestag Drucksache 19/15604 19. Wahlperiode 29.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 27. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Hat die Bundesregierung prüfen lassen, ob das Professorinnenprogramm verfassungsrechtlich zulässig ist? a) Wenn die Bundesregierung die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Professorinnenprogramms prüfen ließ, welche Ergebnisse hat diese Prüfung erbracht? b) Wenn die Bundesregierung die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Professorinnenprogramms nicht prüfen ließ, warum wurde vor dem Hintergrund einer möglichen Diskriminierung von Männern durch das Professorinnenprogramm keine umfassende verfassungsrechtliche Prüfung veranlasst? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat 2009 das Gutachten „Rechtliche Grundlagen für Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit in der Wissenschaft“ (vgl. Baer 2010) in Auftrag gegeben. Vor dem Hintergrund der damaligen verfassungsrechtlichen Regelung kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Bund „auf der Basis des (damaligen) Artikel 91b des Grundgesetzes (GG) regelmäßig, allein oder mit den Ländern auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen und auf Basis des Artikels 104b GG ausnahmsweise finanziell im Bereich Wissenschaft fördern“ kann. „Dabei geht es um Zuwendungen für Wissenschaft und Forschung, die an Kriterien gebunden , an Bedingungen geknüpft oder mit Zielvereinbarungen versehen werden können. (…) Finanziert der Bund nach Artikel 91b Absatz 3 GG (damalige Fassung) und entsprechenden Vereinbarungen also allein gemeinsame Forschungsvorhaben von Bund und Ländern, ist folglich auch die Möglichkeit für eindeutige Gleichstellungsvorgaben gegeben“ (Baer 2010, 41). Die Förderung von Personen, wie im Professorinnenprogramm angelegt, ist an die Vorgabe struktureller Veränderungen gebunden. Dementsprechend bestehen keine rechtlichen Bedenken gegenüber einer Finanzierung von Stellen, Stipendien oder anderen Maßnahmen ausschließlich für Frauen, da es Bereiche betrifft , in denen Frauen unterrepräsentiert sind (vgl. Baer 2010, 42). 2. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welche Universitäten bisher Professuren mit Mitteln des Professorinnenprogramms gefördert haben? a) Wenn ja, welche Universitäten waren das? b) Wenn nein, warum nicht? In den ersten beiden Programmphasen haben 75 Universitäten Förderungen erhalten . In der dritten Programmphase wurden bislang 23 Förderanträge von Universitäten bewilligt. Die positiv begutachteten Hochschulen aller Programmphasen sind über Pressemitteilungen auf der Homepage der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) öffentlich zugänglich. 3. Handelt es sich bei den einzelnen geförderten Professuren nach Kenntnis der Bundesregierung um Regel- oder Vorgriffsberufungen? Bei den geförderten Professuren handelt es sich bisher bei rund 65 Prozent um Regelprofessuren und bei rund 35 Prozent um Vorgriffsprofessuren. 4. Über welchen Zeitraum hinweg erstreckten sich nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Fördermaßnahmen? Die Förderhöchstdauer im Professorinnenprogramm beträgt nach den Programmbestimmungen fünf Jahre. Drucksache 19/15604 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Für welche der geförderten Stellen (inkl. Regel- oder Vorgriffsberufungen ) gab es eine offizielle Ausschreibung (vgl. www.viewer.con tent-sel-ect.com/pdf/viewer?id=4921&id_type=doi&identifiers=10.1628% 2Fwissr-2018-0003&signature=4bdf4200910ddd6d5930a2329cc73953cd5 25625&frontend=1&language=deu&session=mXAwPU1R3wbErRtWnKs k7DsCmY37x8xCa5nfqYX2rySL2HnVzyvnEeWf2wvKjYLs, S. 72 ff.)? Die in die Förderung eingebrachten Professuren müssen nach den Programmbestimmungen an den Hochschulen ausgeschrieben werden. 6. Welche Maßnahmen stellen aus Sicht der Bundesregierung sicher, dass Berufungsverfahren im Rahmen des Professorinnenprogramms weiterhin dem Prinzip der Bestenauslese genügen? a) Wenn es hier spezifische Maßnahmen gibt, welche sind das im Einzelnen ? b) Wenn es hier keine spezifischen Maßnahmen gibt, stimmt die Bundesregierung in diesem Fall der Auffassung der Fragesteller zu, dass Berufungsverfahren im Rahmen des Professorinnenprogramms nicht mehr nach dem Prinzip der Bestenauslese erfolgen? Die Bundesregierung geht davon aus, dass Berufungsverfahren, in deren Folge Förderanträge gestellt wurden und werden, den üblichen Verfahrensregeln der wettbewerblichen Bestenauslese und Diskriminierungsfreiheit an den Hochschulen folgen. Dies wird im Sinne einer spezifischen Maßnahme durch die Fördervoraussetzung der unbefristeten Weiterfinanzierung der weiblich besetzen Professuren nach dem Auslaufen der Anschubfinanzierung durch die Hochschulen selbst sichergestellt. Der Stellenmechanismus der unbefristeten Weiterführung nach der Anschubfinanzierung ist ein effektiver Hebel, den die Bundesseite verhandelt hat, um qualitativ hochrangige Berufungen (Anteil der W3- Berufungen im Professorinnenprogramm I und II: 32 Prozent) zu erreichen. 7. Hat die Bundesregierung Kenntnis, inwieweit das Profil der berufenen Professorinnen mit dem ausgeschriebenen Anforderungsprofil übereingestimmt hat? Wenn die Bundesregierung hierüber Kenntnisse hat, sind ihr Fälle bekannt , in denen es zu signifikanten Abweichungen vom geforderten Anforderungsprofil kam? Die Ausschreibungs- und Berufungsverfahren an den Hochschulen unterliegen nach länderspezifischen Regelungen der Autonomie der Hochschulen. Die Berichte , die von Hochschulen und Ländern im Rahmen der Evaluationen zum Professorinnenprogramm eingeholt wurden, enthalten keine Hinweise darauf, dass es zu signifikanten Abweichungen zwischen dem Profil der berufenen Professorinnen mit dem ausgeschriebenen Anforderungsprofil gekommen ist. 8. Wie wurde im Rahmen des Professorinnenprogramms sichergestellt, dass die jährliche Anschubfinanzierung von bis zu 165.000 Euro pro Professur nicht zu einem entscheidenden Auswahlkriterium wird, das männliche Bewerber diskriminiert? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15604 9. Gibt es Evaluationen darüber, ob Frauen bei Berufung auf eine Professur im Rahmen des Professorinnenprogramms aufgrund ihres Geschlechts und somit der Möglichkeit einer Förderung bevorzugt wurden? a) Wenn eine Evaluation vorgenommen wurde, was waren die Ergebnisse dieser Evaluation? b) Wenn keine Evaluation vorgenommen wurde, warum wurde vor dem Hintergrund einer möglichen Diskriminierung von Männern durch das Professorinnenprogramm keine Evaluation durchgeführt? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 10. Wie wird verhindert, dass an Hochschulen auch Studiengänge durch das Professorinnenprogramm erfasst werden, in denen bereits ein überproportional hoher Anteil an weiblichen Professoren zu verzeichnen ist (z. B. Gender Studies)? a) Wenn es hier Einschränkungen gibt, welcher Art sind diese Einschränkungen ? Kann die Bundesregierung ggf. eine Genderprofessur nennen, auf die aufgrund des hohen Frauenanteils ein Mann berufen wurde? b) Wenn es hier keine Einschränkungen gibt, ist die Bundesregierung in diesem Fall der Auffassung, dass z. B. Genderprofessuren ausschließlich Frauen vorbehalten sein sollten? Mit dem Professorinnenprogramm zielen Bund und Länder darauf ab, die Anzahl von Professorinnen an Hochschulen insgesamt weiter zu erhöhen. Eine Einschränkung hinsichtlich der Fächergruppen wird daher in der Bund-Länder- Vereinbarung nicht vorgenommen. 11. Wann ist aus Sicht der Bundesregierung eine faktische Gleichstellung von Frauen und Männern im Hinblick auf die Besetzung von Professuren an Hochschulen erreicht? An welchen Parametern kann dies abgelesen werden? Die faktische Gleichstellung von Frauen und Männern im Hinblick auf die Besetzung von Professuren ist nach Ansicht der Bundesregierung erreicht, wenn ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis erreicht ist. Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gilt ab einem Anteil von 40 bis 60 Prozent des jeweiligen Geschlechts. Der Maßstab, mit dem die Zielerreichung überprüft werden kann, ist die Anzahl der Professorinnen und Professoren. 12. Wie erklärt die Bundesregierung die geringere Berufungsquote von männlichen Bewerbern, wenn es weibliche Mitbewerber gibt (www.pnas .org/content/pnas/early/2015/04/08/1418878112.full.pdf)? a) Was unternimmt die Bundesregierung, um die geringere Berufungsquote von männlichen Bewerbern in den oben genannten Fällen zu erhöhen? b) Plant die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Einführung eines Professorenprogramms? Wenn nein, warum nicht? Bei der von den Fragestellern genannten Studie (Williams, Wendy M. & Ceci, Stephen J. „National hiring experiments reveal 2:1 faculty preference for wo- Drucksache 19/15604 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode men on STEM tenure track“ Proceedings of the National Academy of Sciences oft he United States of America PNAS April 28, 2015, 112 (17), S. 5360-5365) handelt es sich um eine sozialpsychologische experimentelle Untersuchung von Fakultätsmitgliedern US-amerikanischer Universitäten und Colleges hinsichtlich der Auswahl von (fiktiven) Kandidatinnen und Kandidaten für eine Tenure-Track-Assistenzprofessur in vier Fachgebieten. Eine direkte Übertragbarkeit der Ergebnisse auf reale Berufungsverfahren für unbefristete W2- oder W3-Professuren in Deutschland für alle Fächer ist aus Sicht der Bundesregierung nicht gegeben. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15604 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333