Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drucksache 19/14390 – Uranabbau und Förderung der Atomkraft in Brasilien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Obwohl sich Deutschland mit der Entscheidung, bis spätestens Ende des Jahres 2022 aus der Nutzung der Atomenergie auszusteigen, eindeutig positioniert und sich national gegen eine weitere Förderung der Atomenergie ausspricht und auch die Beteiligungen staatlicher Fonds an ausländischen Atomkraftwerken (AKWs) beendet hat, laufen weiterhin bilaterale Abkommen, wie beispielsweise das deutsch-brasilianische Atomabkommen aus dem Jahr 1975, unter dessen Geltung sich die Bundesregierung außerhalb der nationalen Grenzen für eine weitere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie ausspricht (Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1976, Teil II: Artikel 1 Absatz 1). Dabei wird nach Ansicht der Fragestellenden verkannt, dass der deutsche Atomausstieg bis zum Jahr 2022 auf nationaler Ebene auch richtungsweisend für alle europäischen und internationalen Aktivitäten der Bundesregierung sein muss. Schon vor seinem Amtsantritt im Januar 2019 geriet der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro regelmäßig in die internationale Kritik für seine offene Missachtung der brasilianischen Umwelt und der Menschenrechte. Bolsonaro möchte beispielsweise die Amazonas-Region zum Wirtschaftsmotor des Landes machen. Brandrodungen und Landraub gelten deshalb als Kavaliersdelikt und bleiben in der Regel straflos. Hinzukommt erschwerend, dass er die verantwortlichen Institutionen politisch und finanziell schwächt und Indigenen immer wieder ihre Rechte abspricht. Angesichts der dramatischen Waldbrände im Amazonas-Gebiet erklärten Irlands Premierminister Leo Varadkar und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, sie könnten das Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur nicht unterzeichnen, solange die brasilianische Regierung nicht aktiv die Waldbrände im Amazonas-Gebiet bekämpfen würde (vgl. www.dw.com/de/eu-mercosur-ringen-um-den-regen wald/a-50303352). Auch die Bundesregierung hat sich im August 2019 dafür entschieden, die finanzielle Förderung von Wald- und Biodiversitätsschutzprojekten in Brasilien zu stoppen (vgl. www.tagesspiegel.de/politik/regenwald-ro dung-bundesregierung-legt-brasilien-projekt-auf-eis/24889568.html). Auch im Amazonas-Regenwald ruhen laut Expertenschätzungen riesige Uranbestände (vgl. www.epe.gov.br/sites-pt/publicacoes-dados-abertos/publicacoes/Publicac oesArquivos/publicacao-165/topico-175/PNE%202030%20-%20Gera%C3% A7%C3%A3o%20Termonuclear.pdf). Deutscher Bundestag Drucksache 19/15615 19. Wahlperiode 29.11.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Auswärtigen Amts vom 27. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Doch auch im Bereich der Uranförderung bleibt die Einhaltung der notwendigen Umweltverträglichkeitsstandards unsicher. Die Rückbauarbeiten in der 1995 geschlossenen Uranmine im Bezirk Poços de Caldas (Bundesstaat Minas Gerais) und in der 2015 geschlossenen Uranmine Cachoeira im Bezirk Caetité (Bundesstaat Bahia) wurden noch nicht durchgeführt und die Zivilgesellschaft fürchtet Umweltverseuchungen aufgrund deren schlechten Zustandes (www.g 1.globo.com/jornal-nacional/noticia/2019/03/18/mais-barragens-de-minas-corr em-alto-risco-de-se-romper.ghtml). Jüngsten Presseberichten zufolge (vgl. www.diariodonordeste.verdesmares.com.br/editorias/negocios/uranio-no-cear a-mina-em-santa-quiteria-e-apontada-como-nova-csp-1.2158054) soll die Uranlagerstätte Itataia bei Santa Quitéria im Bundesstaat Ceará nun doch in Betrieb genommen werden, die entsprechenden Bauarbeiten sollen 2025 starten . Dies, obwohl die Umweltbehörde Ibama die Pläne für den Uranbergbau an dieser Lagerstätte wegen Unvereinbarkeit mit den bestehenden Umweltgesetzen ad acta gelegt hatte (vgl. www.petronoticias.com.br/archives/124850). Bei der Lagerstätte Iatatia bei Santa Quitéria handelt es sich um eine gemischte Uran- und Phosphatlagerstätte (vgl. www.kooperation-brasilien.org/de/them en/politik-wirtschaft/grossprojekte/widerstand-gegen-uranabbau-in-nordostbra silien). Das Privatunternehmen G. M. plant, die geschätzten nahezu 9 Millionen Tonnen Phosphat bei einem anfänglichen Produktionsvolumen von jährlich 900.000 Tonnen abzubauen (vgl. www.diariodonordeste.verdesmares.com .br/editorias/negocios/uranio-no-ceara-mina-em-santa-quiteria-e-apontada-co mo-nova-csp-1.2158054), um den boomenden Agrarsektor Brasiliens mit einheimischen Rohstoffen für die Düngemittelproduktion zu bedienen. Zurzeit importiert Brasilien noch immer rund 75 Prozent seines jährlichen Düngemittelbedarfs aus dem Ausland. Gleichzeitig soll die staatliche Atomfirma Indústrias Nucleares do Brasil (INB) in der künftigen Uranmine Itataia bei Santa Quitéria jährlich zunächst 1.600 Tonnen Uranoxid abbauen. Die Anwohner von Santa Quitéria protestieren dagegen seit 2012 (vgl. www.kooperation-bras ilien.org/de/themen/politik-wirtschaft/grossprojekte/widerstand-gegen-uranab bau-in-nordostbrasilien). Eine Studie der französischen Kommission für unabhängige Forschung und Information über Radioaktivität (CRIIRAD) aus dem Jahre 2015 belegt außerdem , dass sowohl die Mitarbeiter als auch die Bevölkerung rund um Uranminen Strahlungen ausgesetzt werden (vgl. www.criirad.org/mines-uranium/bres il/CRIIRAD-report%2014-45caetite.pdf). Außerdem hat der brasilianische Minister für Minen und Energie Bento Albuquerque im März 2019 bekannt gegeben, dass er indigene Gebiete, die per Verfassung besonderen Schutz genießen , für den Bergbau zugänglich machen will (vgl. www.reuters.com/arti cle/us-brazil-mining-indigenous/brazil-aims-to-open-indigenous-reserves-tomining -minister-idUSKCN1QP1QP). Derzeit wird ein konkreter Gesetzentwurf für eine Verfassungsänderung ausgearbeitet, um indigene Gebiete für den Bergbau und die industrielle Landwirtschaft zu öffnen (www.g1.globo.com/po litica/blog/matheus-leitao/noticia/2019/08/28/governo-prepara-projeto-para-re gulamentar-lavra-das-riquezas-minerais-em-terras-indigenas.ghtml). Die brasilianische Regierung plant einen massiven Ausbau der Atomkraft in den kommenden Jahrzehnten (vgl. www.amerika21.de/analyse/25794/brasili en-atomkraft-ausbau ). Im Rahmen ihres nationalen Energieplans 2050 (Plano Nacional de Energia 2050 – PNE 2050) sollen laut einer Pressemitteilung des brasilianischen Ministeriums für Minen und Energie vier bis acht neue Atomkraftwerke gebaut werden (vgl. www.mme.gov.br/web/guest/pagina-inicial/ou tras-noticas/-/asset_publisher/32hLrOzMKwWb/content/nota-de-esclarecimen to-sobre-angra-3). Das geht weit über den aktuellen Atomkraftwerk-Standort Angra hinaus, der nach Ansicht der Fragesteller inakzeptable Sicherheitsdefizite aufweist. Das geplante Zwischenlager in Angra soll z. B. ab 2021 der Lagerung abgebrannter Brennstoffe unter freiem Himmel, und somit ohne den notwendigen Schutz etwa gegen einem Flugzeugabsturz, dienen (vgl. www.el etronuclear.gov.br/Imprensa-e-Midias/Paginas/Eletronuclear-implantar%C3% A1-dep%C3%B3sito-para-armazenar-combust%C3%ADvel-usado-de-Angra- 1-e-2-.aspx). Vor allem wird in Angra aber seit 1975 ein dritter Reaktor anhand einer überalterten deutschen Technologie gebaut (vgl. www.tagesspie Drucksache 19/15615 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode gel.de/wirtschaft/atomkraft-brasilien-baut-reaktor-mit-deutscher-uralt-technik/ 8133054.html), ohne dass die Öffentlichkeit über die vorgenommenen sicherheitstechnischen Anpassungen informiert wird (vgl. www.cartacapital.com.br/ opiniao/oito-anos-depois-as-licoes-de-fukushima-que-nao-queremos-apren der/; www1.folha.uol.com.br/opiniao/2019/03/brumadinho-flamengo-angra-eo -bom-senso.shtml). Erschwerend kommt aus Sicht der Fragesteller hinzu, dass Brasilien sich weigert , das Zusatzprotokoll der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) über umfassendere Sicherungsmaßnahmen zum Verifikationsabkommen zu unterzeichnen bzw. in Kraft zu setzen. Die Regierung plant darüber hinaus , ihr militärisches Atomprogramm aufzustocken, indem u. a. neue atombetriebene U-Boote gebaut werden (vgl. www.thebulletin.org/2019/04/brazili an-nuclear-policy-under-bolsonaro/). Mit Blick auf die verschiedenen Verstöße Jair Bolsonaros und seiner Regierung gegen die Umwelt- und Menschenrechte , aber auch mit Blick auf die Gefahr, die sowohl die Uranförderung als auch der Betrieb von Atomkraftwerken für die brasilianische Bevölkerung darstellt, besteht aus Sicht der Fragestellenden die Notwendigkeit, diesen Vertrag schnellstmöglich zu kündigen. Die Bundesregierung kann das Abkommen von 1975 noch bis zum 17. November 2019 per diplomatischer Note kündigen (vgl. Antwort zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 19/6340). Bislang lehnte sie eine Kündigung jedoch ab, da ihr das Abkommen nach eigenem Bekunden eine Einflussnahme für mehr Nuklearsicherheit in Brasilien ermögliche (vgl. Antwort zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 19/6340). Ungeachtet dessen, dass die Fragestellenden eine andere Auffassung hinsichtlich der Kündigung des Abkommen vertreten: Aus diesem Anspruch der Bundesregierung, ihrer damit verbundenen bilateralen Kooperation mit Brasilien sowie der „deutschbrasilianischen Vereinbarung über den Austausch technischer Informationen und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen vom 14. Juni 1978“ ergibt sich ein Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung , an den die nachfolgenden Fragen anknüpfen. Uranabbau und seine Konsequenzen  1. Ist der Bundesregierung bekannt, dass ein Urantransport am 19. März 2019 nahe den Atomkraftwerken Angra 1 und 2 unter Beschuss einer Drogenbande geraten ist (vgl. www.theguardian.com/world/2019/mar/20 /brazilian-drug-gang-opens-fire-on-convoy-of-trucks-carrying-nuclearfuel ; ggf. bitte möglichst mit näheren Angaben zur Uranfracht)? Über die Medienberichterstattung hinausgehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor.  2. Wann sollten nach Kenntnis der Bundesregierung – beispielweise durch Informationen der deutschen Auslandsvertretung in Brasilien, der durch das Abkommen vom 9. Juni 1969 über Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung und technologischen Entwicklung eingesetzten Gemischten Kommission oder der mit der brasilianischen Atomaufsichtsbehörde zusammenarbeitenden Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit , die die Hauptsachverständigenorganisation der Bundesatomaufsicht ist (vgl. Antworten der Bundesregierung zu den Fragen 6, 9 und 10 auf Bundestagsdrucksache 17/9467) – die Rückbauarbeiten in der 1995 geschlossenen Uranmine im Bezirk Poços de Caldas (Bundesstaat Minas Gerais) und in der 2015 geschlossenen Uranmine Cachoeira im Bezirk Caetité (Bundesstaat Bahia) jeweils eingeleitet werden? Laut Angaben des staatlichen Unternehmens „Indústrias Nucleares do Brasil“ wurde das kanadische Unternehmen „Golder Associates“ im Jahr 2011 mit den Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15615 Rückbauarbeiten in der Uranmine in Poços de Caldas beauftragt. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über den Zeitpunkt der Einleitung der Rückbauarbeiten in den genannten Uranminen vor.  3. In welchem Zustand sind diese Minen nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell, insbesondere die Rückfangbecken mit Abfällen aus der Uranproduktion (vgl. aktuelle Berichterstattung in Brasilien, z. B.: www. g1.globo.com/jornal-nacional/noticia/2019/03/18/mais-barragens-de-min as-correm-alto-risco-de-se-romper.ghtml)? Über die Medienberichterstattung hinausgehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor.  4. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die staatliche Firma Indústrias Nucleares do Brasil (INB) ihr Versprechen gehalten, Kontrollen durchzuführen , um in unmittelbarer Nähe der Uranmine Cachoeira im Bezirk Caetité (Bundesstaat Bahia) die Qualität des Brunnenwassers zu überwachen , um Vergiftungen der Bevölkerung zu verhindern (vgl. Bericht von Greenpeace Brasilien aus 2008, S. 23: www.greenpeace.org/archive-bras il/Global/brasil/report/2008/10/ciclo-do-perigo.pdf), und wie sind die Ergebnisse der Kontrollen? Nach Angaben des Unternehmens „Indústrias Nucleares do Brasil“ (vgl. www.i nb.%20gov.br/Contato/Perguntas-Frequentes/Pergunta/Conteudo/quais-sao-osresultados -das-ultimas-analises2?Origem=1147) werden regelmäßige Kontrollen zusammen mit der „Comissão Nacional de Energia Nuclear“ und der Umweltbehörde „Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renováveis“ zur Qualität des Brunnenwassers durchgeführt. Den veröffentlichten Ergebnissen zufolge soll die Urankonzentration im Wasser unter dem vom brasilianischen Umweltrat „Conselho Nacional de Meio Ambiente“ etablierten Maximalwert liegen.  5. Kann nach Kenntnis der Bundesregierung, z. B. dank den Ergebnissen dieser Messungen, praktisch ausgeschlossen werden, dass die auf Rückbau wartende Uranmine Cachoeira gesundheitsschädliche Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung hat (bitte mit Begründung)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor.  6. Ist die Studie der französischen Kommission für unabhängige Forschung und Information über Radioaktivität (CRIIRAD) aus dem Jahre 2015 der Bundesregierung bekannt, und/oder kann sie anhand eigener Informationen bestätigen, dass sowohl die Mitarbeiter als auch die Bevölkerung rund um Uranminen im Bezirk Caetité (Bundesstaat Bahia) mittlerweile besser vor Strahlungen geschützt werden (vgl. www.criirad.org/mines-ur anium/bresil/CRIIRAD-report%2014-45caetite.pdf)? Der Bundesregierung ist die in der Frage genannte Studie nicht bekannt. Drucksache 19/15615 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  7. Wie wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Konflikte um die Inbetriebnahme der Uranmine Engenho im Bezirk Caetité, Bundesstaat Bahia – zum einen die Forderung der lokalen Bevölkerung auf Entschädigung für Landverlust (vgl. www.cptba.org.br/comunidade-de-engenhofaz -manifestacao-contra-a-inb-e-pede-intervencao-do-ministerio-publ ico/) und zum anderen das eingeforderte Recht auf Konsultation der 14 Quilombola-Gemeinschaften – gelöst? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.  8. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuelle Stand der Pläne der brasilianischen Regierung, den Uranabbau gesetzlich zu flexibilisieren , damit auch private Akteure aus dem In- und Ausland sich an der bisher ausschließlich staatlichen Förderung beteiligen können (vgl. aktuelle Berichterstattung in Brasilien, z. B.: www1.folha.uol.com.br/mercado/20 19/03/brasil-quer-permitir-estrangeiros-na-mineracao-de-uranio-diz-mini stro.shtml)? Im März 2019 äußerte der brasilianische Minister für Bergbau und Energie, Bento Albuquerque, dass der bisher ausschließlich staatlich betriebene Uranabbau für private Interessenten geöffnet werden soll. Die Gesetzeslage wurde allerdings bisher noch nicht entsprechend angepasst.  9. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuelle Stand der Pläne der brasilianischen Regierung, indigene Gebiete (terras indígenas), die per Verfassung besonderen Schutz genießen, für den Bergbau zugänglich zu machen (vgl. aktuelle Berichterstattung www.reuters.com/article/us-b razil-mining-indigenous/brazil-aims-to-open-indigenous-reserves-to-min ing-minister-idUSKCN1QP1QP)? Im März 2019 erklärte der brasilianische Minister für Bergbau und Energie, Bento Albuquerque, dass Bergbau in indigenen Gebieten möglich gemacht werden solle. Im Juni 2019 erklärte der brasilianische Umweltminister, Ricardo Salles, ebenfalls, dass im Amazonas mehr wirtschaftliche Betätigung ermöglicht werden müsse. Die Gesetzeslage wurde bisher nicht entsprechend verändert . Nach einer Ankündigung von Minister Bento Albuquerque soll noch im November dem Kongress ein Gesetzentwurf der Regierung zugehen. 10. Inwiefern hat die Bundesregierung Probleme im Zusammenhang mit Uranabbau in Brasilien im Rahmen der bilateralen Kooperation mit Brasilien auf dem „Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie“ in dieser Wahlperiode konkret, kritisch, und jeweils in welcher Form, und wann genau adressiert (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 19/6340 in Verbindung mit dem deutschbrasilianischen Abkommen „über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie vom 18. November 1975“)? Insbesondere, welche der in den in vorstehenden Fragen 3 bis 9 thematisierten Probleme bzw. Aspekte hat sie a) jeweils zu welcher Gelegenheit konkret adressiert, und b) mit jeweils welchem konkreten Erfolg? Die Fragen 10 bis 10b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Aktivitäten des Brennstoffkreislaufs und damit Uranexploration werden im Rahmen des bilateralen Abkommens von 1975 nicht wahrgenommen. In der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15615 laufenden Legislaturperiode hat es auch keine bilateralen Konsultationen der Bundesregierung mit Brasilien auf Grundlage dieses Abkommens gegeben. Solche sind derzeit auch nicht vorgesehen. 11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass sie sich unter den vorstehend thematisierten Umständen durch ein weiteres Festhalten am deutsch-brasilianischen Abkommen „über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie vom 18. November 1975“ mitverantwortlich machen würde für den aus Sicht der Fragestellenden problematischen Uranabbau in Brasilien, da das Abkommen explizit auch die Förderung einer bilateralen Kooperation zwischen Einrichtungen und Unternehmen, die auf dem Gebiet der „Prospektion , Gewinnung und Aufbereitung von Uranerzen“ tätig sind, bezweckt (bitte begründen)? Die staatseigene Firma „Indústrias Nucleares do Brasil“ ist zu 100 Prozent als Staatsmonopol für sämtliche Aktivitäten des Kernenergiekreislaufes in Brasilien zuständig. Eine Beteiligung von deutschen Einrichtungen und Unternehmen auf dem Gebiet der Prospektion, Gewinnung und Aufbereitung von Uranerzen ist der Bundesregierung aktuell nicht bekannt. 12. An welchen Orten im brasilianischen Norden – hier vor allem Amazonas-Regenwald – sowie im Nordosten befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung Uranreserven bzw. Uranressourcen, und um welche Mengen handelt es sich jeweils (vgl. Präsentation des nationalen Energieplans 2030, S. 23: www.epe.gov.br/sites-pt/publicacoes-dados-ab ertos/publicacoes/PublicacoesArquivos/publicacao-165/topico-175/PNE %202030%20-%20Gera%C3%A7%C3%A3o%20Termonuclear.pdf und Studie von 2018 im Auftrag des brasilianischen Ministeriums für Minen und Energie: www.epe.gov.br/sites-pt/publicacoes-dados-abertos/publica coes/PublicacoesArquivos/publicacao-227/topico-416/03.%20Potenci al%20de%20Recursos%20Energ%C3%A9ticos%20no%20Horizonte%2 02050%20(NT%20PR%2004-18).pdf)? Uranvorkommen sind in Brasilien weit verbreitet. Hauptvorkommen befinden sich im Bundesstaat Bahia (Lagoa Real, Caetite, Projekte: Cachoeira, Engenho) in Zentral- und Ost-Brasilien, sowie im Bundesstaat Ceará (Itatira) im Nordosten Brasiliens. Im dortigen Projekt Santa Quiteria plant Brasilien in der Phosphat-Uranlagerstätte Itataia ab 2021 den Abbau von Phosphat und Uran als Beiprodukt. Die Ressourcen der Lagerstätte Itataia werden auf rund 70.000 Tonnen Uran und 13 Mio. Tonnen Phosphat beziffert. Weitere Einzelheiten zu Uranvererzungen im Norden bzw. Nordosten Brasiliens sind der Bundesregierung nicht bekannt. Brasilien weist offiziell 156.000 Tonnen Uran (als Reserven) bzw. 421.000 Tonnen Uran (als Ressourcen) für Gesamtbrasilien mit Stand 2018 aus. Auf die Website von „Empresa de Pesquisa Energética“: www.epe.gov.br/pt/pagina-nao-encontrada?requestUrl=www.epe.gov.br/sites-p t/publicacoes-dados-abertos/publicacoes/PublicacoesArquivos/%20publicacao- 227/topico-416/03.%20Potencial%20de%20Recursos%20Energ%C3%A9ticos %20no%20%20Horizonte%202050%20(NT%20PR%2004-18).pdf wird verwiesen . Drucksache 19/15615 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Welche Erkenntnisse hat insbesondere die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zu diesen Uranreserven bzw. Uranressourcen , und ggf. welche eigenen Arbeiten der BGR hierzu gibt es (ggf. bitte mit Angabe von Eckdaten wie Autorinnen und Autoren, Titel und Jahr)? Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe war in den Jahren 1971 bis 1990 im Zuge des „Förderprogramms der Bundesregierung zur Gewährung von Zuwendungen zur Verbesserung der Versorgung der Bundesrepublik Deutschland mit mineralischen Rohstoffen“, auch in Brasilien – ab 1975 an Uran-Explorationsprojekten – beteiligt. Explorationsberichte sind im Archiv der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe verwahrt. Diese führt keine eigenen Arbeiten zur Exploration von Uranreserven und Uranressourcen durch. 14. Inwieweit kann die Bundesregierung Aufklärung darüber geben, ob und ggf. inwiefern der Uranbergbau künftig auch in indigenen Territorien seitens der brasilianischen Regierung vorangetrieben wird, namentlich im Yanomami-Gebiet? Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse über künftigen Uranbergbau im Yanomami-Gebiet oder anderen Indigenengebieten. Für den Bergbau in Indigenengebieten fehlt derzeit die gesetzliche Grundlage, vgl. Antwort zu Frage 9. Weiterentwicklung der Atomkraft in Brasilien 15. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die brasilianische Regierung angekündigt hat, sie wolle im Rahmen ihres nationalen Energieplans 2050 (Plano Nacional de Energia 2050 – PNE 2050) am Bau von vier bis acht neuen Atomkraftwerken festhalten (vgl. Pressemitteilung des brasilianischen Ministeriums für Minen und Energie: www.mme.gov.br/web/guest /pagina-inicial/outras-noticas/-/asset_publisher/32hLrOzMKwWb/conten t/nota-de-esclarecimento-sobre-angra-3)? Der Bundesregierung ist diese Ankündigung bekannt. 16. Welche Standorte bzw. Leistungen (in Megawatt) werden nach Kenntnis der Bundesregierung für die vorgesehenen neuen Atomkraftwerke aktuell von der brasilianischen Regierung in Betracht gezogen? Nach Angaben der brasilianischen Regierung könnten sechs neue Kernkraftwerke mit einer Leistung von etwa sechs Giga-Watt installiert werden. Die möglichen Standorte sollen Ende des Jahres 2020 konkretisiert werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/15615 a) Inwiefern kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis insbesondere bestätigen, dass vor allem einer der geplanten neuen Standorte, Itacuruba am Rio São Francisco im nordöstlichen Bundesstaat Pernambuco immer stärker in die Kritik gerät, da dort drei indigene Gemeinschaften und drei Quilombola-Gemeinschaften direkt durch den Bau der dortigen Atomanlage betroffen wären, deren per ILO-Konvention 169 (ILO = International Labour Organization) und brasilianischer Verfassung garantiertes Recht auf freie, vorherige und informierte Konsultation – auch vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen mit anderen Großprojekten in Brasilien wie Belo Monte z. B. – verletzt werden könnte (vgl. www.cppnacional.org.br/noticia/mais-de-100-organiza% C3%A7%C3%B5es-assinam-carta-contra-implanta%C3%A7%C3%A 3o-de-usina-nuclear-em-itacuruba-pe)? Nach Presseberichten gab es im April 2019 Interesse ausländischer Investoren am Bau des Atomkraftwerks Itacuruba. Die Landesregierung von Pernambuco hat – auch vor dem Hintergrund der Potentiale an erneuerbarer Energie – kein Interesse am Bau eines Atomkraftwerks gezeigt. Auch das Erzbistum Olinda/ Recife wandte sich wiederholt öffentlich gegen diese Pläne und unterstützte die Bevölkerung von Itacuruba, die das Projekt überwiegend ablehnt. Soziologen und Anthropologen der Bundesuniversität von Pernambuco fordern die Anhörung der Bevölkerung vor Ort unter Anwesenheit von Regierung, Parlamentariern und Wissenschaftlern. Ferner wird die Miteinbeziehung der Bundesstaaten Sergipe, Alagoas und Bahia gefordert. b) Inwiefern gelten nach Kenntnis der Bundesregierung für den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken in Brasilien vergleichbare Umwelt- und Sicherheitsauflagen wie in Deutschland, z. B. Begrenzungen bei der erlaubten Wassertemperatur des abgelassenen Kühlwassers bzw. Abschalten oder Drosselung des Atomkraftwerkes bei zu hohen Temperaturen des zur Kühlwasserentnahme verwendeten Flusswassers, um ökologische Schäden durch eine erhöhte Flusstemperatur an einem möglichen Standort am Rio São Francisco zu verhindern? Informationen zu den Standards brasilianischer Umwelt- und Sicherheitsauflagen sind unter folgendem Link zugänglich: www.cnen.gov.br/normas-tecnicas. 17. Hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer bilateralen Kontakte mit der brasilianischen Regierung adressiert, dass das Staatsunternehmen Eletrobras Eletronuclear, als einziger Atomkraftwerksbetreiber in Brasilien, nachgewiesen in Korruptionsfälle involviert gewesen ist (vgl. z. B. die Verurteilung des Ex-Vorstandsvorsitzenden von Eletronuclear, O. L. P. S., im Jahr 2016 zu 43 Jahren Haft wegen Korruption; www.reuters.com/ article/brazil-corruption-eletrobras/brazil-%09eletronuclear-ceo-gets-43- year-sentence-for-corruption-paper-idUSL1N1AL16E)? Die Bundesregierung hat dies bei verschiedenen Gelegenheiten im Gespräch mit Vertretern des brasi-lianischen Energieministeriums angesprochen. Bezüglich vorhandener Korruptionsvorwürfe wurde auf die laufenden Ermittlungsverfahren verwiesen. Drucksache 19/15615 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 18. Inwiefern hat die Bundesregierung einen geplanten Ausbau der Atomkraftnutzung in Brasilien im Rahmen ihrer bilateralen Kooperation mit Brasilien „auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie“ in dieser Wahlperiode konkret, kritisch und jeweils in welcher Form und wann genau adressiert (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 19/6340)? Insbesondere, welche der in den in vorstehenden Fragen 15 bis 17 thematisierten Probleme bzw. Aspekte hat sie a) jeweils zu welcher Gelegenheit konkret adressiert, und b) mit jeweils welchem konkreten Erfolg? Die Fragen 18, 18a und 18b werden zusammengefasst beantwortet. Zwischen der Bundesregierung und der brasilianischen Regierung fanden im Rahmen der bilateralen Kooperation mit Brasilien auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie in dieser Wahlperiode über die in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genannten Kontakte zur Sicherheitsverbesserung brasilianischer Atomanlagen (Bundestagsdrucksache 19/6340) hinaus keine Gespräche statt. Wissensstand der Bundesregierung zum Atomkraftwerk Angra 19. Welche Ausfuhrgenehmigungen nach Brasilien (bitte unter Angabe des Datums und der in Verordnung (EG) Nr. 428/2009 klassifizierten Gattungen ) wurden dem Framatome-Werk in Erlangen seit Inkrafttreten dieser Verordnung im Jahr 2009 vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bzw. von der davor dafür zuständigen Behörde bewilligt (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 19/ 4665)? Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle erteilt Ausfuhrgenehmigungen stets unternehmensbezogen. Werksbezogene Ausfuhrgenehmigungen liegen aus diesem Grund nicht vor. 20. Ist der Bundesregierung bekannt, dass auf dem Gelände des Atomkraftwerkes Angra bzw. an dessen Rande eine Anlage zur Trockenlagerung abgebrannter Brennelemente in Form von Transport- und Zwischenlagerbehältern mit einer individuellen Betonschale unter freiem Himmel entstehen soll (vgl. www.eletronuclear.gov.br/Imprensa-e-Midias/Paginas/E letronuclear-implantar%C3%A1-dep%C3%B3sito-para-armazenar-comb ust%C3%ADvel-usado-de-Angra-1-e-2-.aspx)? Die brasilianische Regierung hat im Rahmen der sechsten Überprüfungskonferenz des Gemeinsamen Übereinkommens über die Sicherheit der Behandlung von bestrahlten Brennelementen und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle im Mai 2018 berichtet. Es wird auf den entsprechenden Länderbericht zu Brasilien auf den Internetseiten zum Gemeinsamen Übereinkommen der Internationalen Atomenergieorganisation unter www.iaea.org verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/15615 21. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die hiesigen Standort- Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente als Lagerhallen aus Stahlbeton mit einer Wandstärke von mindestens 0,85 m (am Standort Neckarwestheim in Form von Lagertunneln) errichtet wurden (vgl. www.bfe.bu nd.de/DE/ne/zwischenlager/dezentral/bauweise/bauweise_node.html)? Bestrahlte Brennelemente werden in den Standortzwischenlagern in Deutschland in dickwandigen Transport- und Lagerbehältern aufbewahrt, die den sicheren Einschluss der radioaktiven Stoffe, die erforderliche Abschirmung der Strahlung, die Unterkritikalität des Kernbrennstoffs sowie den Wärmeabfluss gewährleisten. Die Wandstärke der Transportbehälterhalle ist für die Gewährleistung dieser Schutzziele von nachrangiger Bedeutung. 22. Teilt die Bundesregierung nach ihren Kenntnissen die Auffassung der Fragestellenden, dass die brasilianische Regierung bislang kein belastbares Lager- bzw. Entsorgungskonzept für den angefallenen bzw. anfallenden hochradioaktiven Atommüll aus Angra 1 bis 3 hat (www.memoria.c nen.gov.br/Doc/pdf/cronologia/RIMA_2006_angraIII.pdf)? Die brasilianische Regierung hat im Rahmen der in der Antwort zu Frage 20 erwähnten Überprüfungskonferenz im Mai 2018 berichtet, dass sie für die bestrahlten Brennelemente eine längerfristige Zwischenlagerung anstrebt. Über die Wiederaufarbeitung dieser bestrahlten Brennelemente oder deren direkte Endlagerung sei noch nicht entschieden. 23. Hat die Bundesregierung im Rahmen des Abkommens von 1975 Informationen zu sicherheitstechnischen Anpassungen der in den 1970er- Jahren geplanten Anlage Angra 3 bekommen bzw. angefordert, z. B. im Rahmen der Kooperation zwischen der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und der brasilianischen Atomaufsicht Comissão Nacional de Energia Nuclear (CNEN) (vgl. Antwort zu Frage 7 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/6340)? a) Wenn ja, werden die 1985 von Siemens/KWU nach Brasilien gelieferten Bestandteile für den Reaktor von Angra 3 verwendet bzw. teilweise verwendet? b) Wenn ja, kann die Bundesregierung bestätigen, dass in den Plänen der Anlagentechnik von AREVA für Angra 3 ein Core-Catcher- System oder eine vergleichbare Sicherheitstechnologie sowie ein ohne Elektrizität funktionierendes Kühlsystem existieren? c) Wenn nein, ist die Bundesregierung trotzdem der Auffassung, dass sie im Falle von Angra 3, dem aktuell größten Projekt im Bereich der zivilen Nutzung der Atomkraft in Brasilien, die Möglichkeiten des Vertrages von 1975 ausschöpft und ihrem Ansatz „auf die Verbesserung der Sicherheit von kerntechnischen Anlagen in Brasilien Einfluss zu nehmen“ gerecht wird (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 19/6340)? Die Fragen 23 bis 23c werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung verfolgt die sicherheitstechnische Situation kerntechnischer Anlagen im Ausland aufmerksam und nimmt über verschiedene Wege Einfluss auf Sicherheitsverbesserungen. Brasilien berichtete im 8. Nationalen Bericht im Rahmen des Übereinkommens zur Nuklearen Sicherheit über die sicherheitstechnischen Verbesserungen des Kernkraftwerks Angra 3. Hierzu zählen passive autokatalytische Rekombinatoren zur Reduzierung der Wasserstoff- Drucksache 19/15615 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode konzentration im Sicherheitsbehälter, die gefilterte Druckentlastung des Sicherheitsbehälters , ein System zur Probenentnahme aus dem Sicherheitsbehältersumpf und der Sicherheitsbehälteratmosphäre sowie Vorkehrungen zum primärseitigen und sekundärseitigen „Bleed & Feed“ als Notfallmaßnahme zur Kernnotkühlung . Darüber hinaus beteiligt sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am Informationsaustausch von Aufsichtsbehörden, in deren Verantwortung die Aufsicht von Atomkraftwerken liegt, welche auf die ehemalige Kraftwerk Union AG (KWU) zurückgehen. Dazu gehört auch die brasilianische atomrechtliche Aufsichtsbehörde „Comissão Nacional de Energia Nuclear“. Ziel ist der Erfahrungsaustausch zum sicheren Betrieb von KWU- Anlagen und zu den dafür notwendigen Voraussetzungen. Aus diesen internationalen Kooperationen ist der Bundesregierung bekannt, dass bisher keine der von Siemens/KWU gelieferten Komponenten verbaut worden sind. Weitere Informationen darüber, welche der von Siemens/KWU geliefert Komponenten möglicherweise installiert werden, liegen der Bundesregierung bisher nicht vor. Bei dem Atomkraftwerk Angra 3 handelt es sich um ein Kernkraftwerk vergleichbar der Vor-Konvoi-Atomkraftwerke in Deutschland. Aufgrund des fortgeschrittenen Baustadiums von Angra 3 ist eine Nachrüstung mit einem Core- Catcher aus technischer Sicht nicht möglich. Für die Kernnotkühlung sind aktive redundante Sicherheitssysteme sowie weitere Notfallmaßnahmen vorgesehen . Nach Kenntnis der Bundesregierung werden für den Betrieb von Angra 3 vier redundante Notstromdiesel und vier weitere Notspeisediesel zur Verfügung stehen. Bei Ausfall der acht fest installierten Notstromdiesel sollen vorgehaltene mobile Dieselgeneratoren angeschlossen werden. Nach Kenntnissen der Bundesregierung ist kein passives Sicherheitssystem, das ohne Elektrizität funktioniert, zur Kernkühlung vorgesehen. 24. Inwiefern hat die Bundesregierung Sicherheitsdefizite am AKW-Standort Angra im Rahmen der bilateralen Kooperation mit Brasilien auf dem „Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie“ in dieser Wahlperiode konkret, kritisch und jeweils in welcher Form und wann genau adressiert (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 19/6340)? Insbesondere, welche der in den in vorstehenden Fragen 20 und 23 thematisierten Probleme bzw. Aspekte hat sie a) jeweils konkret adressiert, und b) mit jeweils welchem konkreten Erfolg? Die Fragen 24 bis 24b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. Unabhängig davon setzt sich die Bundesregierung in geeigneten Nukleargremien für höchstmögliche Sicherheitsstandards von Nuklearanlagen weltweit ein, darunter auch in Gremien der Internationalen Atomenergie-Organisation und der „Nuclear Energy Agency“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/15615 Vertragliche Beziehungen zu Brasilien im Bereich der Atomkraft 25. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das Abkommen von 1975 die gegenseitige Lieferung von hochangereichertem Uran und von Einrichtungen bzw. Ausrüstung zur Urananreicherung und zur Herstellung und Wiederaufbereitung von Brennelementen regelt, mithin grundsätzlich erlaubt ? 26. Darf die brasilianische Regierung im Rahmen dieses Abkommens spaltbares Material aus Deutschland für sein militärisches Atomprogramm nutzen? Die Fragen 25 und 26 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das im Raum stehende Abkommen von 1975 war breit angelegt und umfasste auch den Brennstoffkreislauf. Die Regelungsmaterie hat sich im Abkommen allerdings auf die Kernkraftwerksprojekte Angra 2 und Angra 3 konzentriert. Damit wurden die Projekte des Abkommens abgeschlossen. Das Abkommen erfüllt jetzt den Zweck eines bilateralen Rahmens bei den fachlichen und dynamischen Fragen der nuklearen Sicherheit und Sicherung, dem Strahlenschutz, der medizinischen Isotopenherstellung und der Materialforschung. Das Abkommen dient dabei ausschließlich der friedlichen Nutzung. Militärische Endverwendungen sind ausgeschlossen. 27. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass Brasilien bis dato das Zusatzprotokoll der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) über umfassendere Sicherungsmaßnahmen zum Verifikationsabkommen nicht unterzeichnet bzw. in Kraft gesetzt hat (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 19/6340)? a) Sind der Bundesregierung genaue Gründe für diese Nichtbereitschaft , das Zusatzprotokoll zu unterzeichnen bzw. in Kraft zu setzen bekannt? b) Hat die Bundesregierung seit ihrer Antwort zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 19/6340 ihre Aufforderung, einen Zusatzprotokoll abzuschließen wiederholt (bitte vollständig mit jeweiligem Ansprechpartner und Daten auflisten)? Die Fragen 27 bis 27b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Brasilien hat das Zusatzprotokoll (IAEO-INFCIRC 540) bisher nicht gezeichnet . Unabhängig davon macht die Bundesregierung deutlich, dass es sich beim IAEO-Zusatzprotokoll um den weltweiten Verifikationsstandard handelt. Sie fordert alle Staaten auf, dieses – soweit noch nicht geschehen – zu zeichnen und zu implementieren. Dies geschah zuletzt prominent anlässlich der Vorbereitungskonferenzen zur Überprüfung des Nichtverbreitungsvertrags sowie bei der letzten IAEO-Generalkonferenz. An Spekulationen über die ausstehende Unterzeichnung beteiligt sich die Bundesregierung nicht. Drucksache 19/15615 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 28. Kann die Bundesregierung das Abkommen von 1975 kündigen, ohne zugleich die Vereinbarung zwischen dem Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium für Bergbau und Energie der Föderativen Republik Brasilien über den Austausch technischer Informationen und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen vom 10. März 1978 zu kündigen? Das Abkommen vom 27. Juni 1975 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie enthält in seinem Artikel 3 Absatz 2 die für das Völkerrecht der nuklearen Nichtverbreitung zentrale, aus Artikel III des Vertrags vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen abgeleitete Verpflichtung, dass die Vertragsparteien jeweils Abkommen über Sicherungsmaßnahmen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation geschlossen haben. Die Vereinbarung vom 10. März 1978 zwischen dem Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium für Bergbau und Energie der Föderativen Republik Brasilien über den Austausch technischer Informationen und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen unterliegt dieser Verpflichtung aufgrund der Bezugnahme auf das Abkommen von 1975, enthält aber selbst keine ausdrückliche Regelung, die beide Seiten verpflichtete , Abkommen über Sicherungsmaßnahmen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation abzuschließen. Eine Kündigung des Abkommens von 1975 ohne gleichzeitige Änderung der Vereinbarung von 1978 hätte zur Folge, dass im zweiseitigen Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien eine für die nukleare Nichtverbreitung wesentliche Voraussetzung wegfiele und die völkerrechtskonforme Anwendung des Vertrags vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen beeinträchtigt würde. 29. Ist die Bundesregierung trotz des Verhaltens des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro insbesondere in Sachen Umweltschutz und Menschenrechte seit seinem Amtsantritt weiterhin der Meinung, es bestehe „weder aus außenpolitischer noch aus energiepolitischer Sicht eine Notwendigkeit , das deutsch-brasilianische Atomabkommen von 1975 zu kündigen oder zu novellieren“ (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 19/6340)? 30. Falls ja, warum will die Bundesregierung, anders als im Falle der Regenwaldrodung – einer nach Auffassung der Fragesteller anderen umweltschädlichen Politik Brasiliens –, im Kontext der anvisierten Steigerung des Uranabbaus sowie dem Bau neuer Atomkraftwerke mit allen sozialen und ökologischen Konsequenzen diesmal nicht konkret reagieren (vgl. www.tagesspiegel.de/politik/regenwald-rodung-bundesregierung-legt-br asilien-projekt-auf-eis/24889568.html)? Die Fragen 29 und 30 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Auf die Antwort zu den Fragen 25 und 26 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/15615 31. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragestellenden, dass die Ernennung des früheren Generaldirektors für nukleare und technologische Entwicklung der Marine, Admiral Bento Albuquerque, zum Minister für Bergbau und Energie Brasiliens, genauso wie die Forcierung des Bau eines atombetriebenen U-Boots auf eine Militarisierung des brasilianischen Atomsektors hinweist? Nach Einschätzung der Bundesregierung weisen die Entwicklungen im Sinne der Fragestellung nicht auf eine Militarisierung des brasilianischen Atomsektors hin. Es gibt keine Hinweise auf eine geplante Nutzung dieser Boote als Träger atomarer Waffen. a) Sind der Bundesregierung entsprechende Bedenken, z. B. der Regierung Argentiniens, bekannt (www.gazetadopovo.com.br/wiseup-news/ militarization-of-nuclear-energy-under-bolsonaro-worries-argentina/), und wenn ja, teilt die Bundesregierung diese? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. b) Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang aus der Tatsache, dass alle anderen Staaten, die im Besitz von atombetriebenen U-Booten sind (USA, Russland, China, Indien, Frankreich und Großbritannien) gleichzeitig Atommächte, also im Besitz von Atomwaffen sind? Brasilien ist seit 1998 Mitglied des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages und seit 1994 Mitglied des Vertrages von Tlatelolco. Letzterer garantiert eine kernwaffenfreie Zone in Lateinamerika und der Karibik. Der Besitz nukleargetriebener U-Boote ist mit beiden Vertragswerken vereinbar. c) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung sowohl im Hinblick auf das Atomabkommen als auch auf die internationale Außenund Sicherheitspolitik aus den Äußerungen des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses der Abgeordnetenkammer des brasilianischen Nationalkongresses, Eduardo Bolsonaro, der sich u. a. am 15. Mai 2019 gegenüber der Nachrichtenagentur ANSA für Atombomben für Brasilien aussprach („Die Atombomben garantieren den Frieden. Ich bin für diesen Ansatz.“; www.ansalatina.com/americalatina/noticia/bra sil/2019/05/15/hijo-de-bolsonaro-respalda-desarrollo-bomba-atomica_ 6acb76ca-bac6-4781-98a7-e4d33432608b.html)? Die Bundesregierung hat die Aussagen des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses der Abgeordnetenkammer des brasilianischen Nationalkongresses, Eduardo Bolsonaro, zur möglichen Entwicklung eines brasilianischen Atomwaffenarsenals in brasilianischen Medien zur Kenntnis genommen. Wie in der Antwort zu Frage 31b dargestellt, ist Brasilien seit 1998 Mitglied des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages und seit 1994 Mitglied des Vertrages von Tlatelolco . Wie alle Vertragsstaaten außer den im Nichtverbreitungsvertrag anerkannten fünf Nuklearwaffenstaaten ist Brasilien dazu verpflichtet, auf Nuklearwaffen zur verzichten und seine kerntechnischen Anlagen sowie jegliches Nuklearmaterial unter internationale Kontrolle der Safeguards der Internationalen Atomenergie-Organisation zu stellen. Nach Einschätzung der Bundesregierung gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass Brasilien beabsichtigt, aus dem Nichtverbreitungsvertrag auszusteigen. Auch im Nationalkongress oder der brasilianischen Öffentlichkeit fanden die Äußerungen Eduardo Bolsonaros kaum Unterstützung. Die brasilianische Verfassung erlaubt in Artikel 21 XXXIII a nukleare Aktivitäten ausschließlich für friedliche Zwecke und mit Billigung des Nationalkongresses. Drucksache 19/15615 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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