Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hagen Reinhold, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15179 – Übernahme polizeilicher Aufgaben durch das Ordnungsamt V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In Nordrhein-Westfalen werden die lokalen Streifenkräfte einiger kommunaler Ordnungsämter zunehmend mit sogenannten Einsatz-Mehrzweckstöcken (EMZ) ausgerüstet. Die Gewerkschaft der Polizei äußert an dieser Ausrüstung Kritik und verweist auf die Gefährlichkeit des EMZ. Laut des Berichts des „WDR“ ist nach Aussage der Gewerkschaft der Polizei der EMZ eine Waffe, für den eine langwierige Ausbildung und fortlaufendes Training notwendig ist. Eine einmalige Schulung reiche hier nicht aus, außerdem wird darauf verwiesen , dass das Gewaltmonopol beim Staat, im Falle der Polizei also bei den Ländern und nicht bei den kommunalen Verwaltungen liege (www1.wdr.de/ mediathek/video/sendungen/aktuelle-stunde/video-schlagstoecke-fuerdortmunder -ordnungsdienst-100.html). Die rechtliche Grundlage für die Ordnungsbehörden ist keine einheitliche Bundesgesetzgebung, sondern fällt unter die Gesetzgebung der Länder. Dort wird es teilweise durch das landeseigene Polizeigesetz (www.revosax.sach sen.de/vorschrift/3189-SaechsPolG#p64) oder ein eigenes Gesetz geregelt, beispielsweise das Ordnungsbehördengesetz in Nordrhein-Westfalen ( w w w . r e c h t . n r w . d e / l m i / o w a / b r _ b e s _ t e x t ? a n w _ n r = 2 & g l d _ nr=2&ugl_nr=2060&bes_id=4245&menu=1&sg=0&aufgehoben=N&key word=OBG#det0). Mitarbeiter der Ordnungsbehörden sind durch geltendes Recht zu vielen Maßnahmen ermächtigt, die in der allgemeinen Wahrnehmung vor allem durch die Polizei durchgeführt werden dürfen. Dazu gehören Personenkontrollen „zur Abwehr von Gefahren und wenn der Verdacht einer Straftat besteht“. Das beinhaltet auch die Aufnahme von Personalien und die Durchsuchung und Festsetzung verdächtiger Personen. Das Tragen von Waffen wird ebenso zunehmend erlaubt, wie weitere eigentlich typische polizeiliche Aufgaben und Merkmale. Teilweise ging dies soweit, dass das Oberverwaltungsgericht Münster einigen Kommunen untersagte, die Mitarbeiter ihrer Ordnungsbehörden mit Blaulicht durch die Stadt fahren zu lassen, um eine Unterscheidung zu richtigen Polizei zu gewährleisten (www.dejure.org/dienste/vernetzung/recht s p r e c h u n g ? G e r i c h t = O V G % 2 0 N o r d r h e i n - W e s t f a l e n & D a tum=29.09.2009&Aktenzeichen=8%20A%201531%2F09). Deutscher Bundestag Drucksache 19/15648 19. Wahlperiode 02.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 28. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Ebenso rüsten inzwischen viele Städte die Mitarbeiter ihrer Ordnungsbehörden mit Schlagstöcken und Schutzwesten aus. Verschiedene Studien zeigen, dass zumindest im privaten Bereich mit dem Besitz und dem Führen von Waffen eine Steigerung der Gewaltbereitschaft und die eine häufigere Verwicklung in schwere Konflikte zusammenhängt (www.pediatrics.aappublicati ons.org/content/132/2/213; www.apps.derstandard.de/privacywall/story/ 2000106549708/waffenbesitz-erhoeht-risiko-fuer-toetungsdelikte-im-haus halt-deutlich). Ebenso unterscheiden sich die Ausbildungen von Polizisten und Mitarbeitern der Ordnungsämter erheblich. Die Ausbildung zum Polizeibeamten schult die Anwärter auf Deeskalation, emotionale Selbstkontrolle und Analyse der Situation sowie auf die Selbstverteidigung für den Notfall, was sich trotz zunehmender Aggressivität gegen Polizeitbeamte in weniger Waffennutzung durch der Polizei im Jahr 2018 auszeichnete (www.polizei.bay ern.de/bepo/news/presse/aktuell/index.html/286540; www.faz.net/aktuell/ gesellschaft/kriminalitaet/laut-statistik-schossen-polizisten-in-deutsch land-2018-seltener-16300190.html; www.polizei.brandenburg.de/seite/inhalteder -ausbildung-im-mittleren-poli/60215). Die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland jedoch. Während beispielsweise in Berlin die gleiche Ausbildung sowohl für die Arbeit in der Behörde wie auch für die Streifenkräfte angewendet wird, bietet Düsseldorf eine spezialisierter dreijährige duale Ausbildung zu Verwaltungsfachangestellten im Ermittlungs- und Vollzugsaußendienst an (www.ber lin.de/ba-reinickendorf/aktuelles/karriere/ausbildung/; www.duesseldorf.de/ ordnungsamt/osd/ausbildung.html). Wenn die Ordnungsbehörden der Kommunen zunehmend mit Waffen ausgerüstet werden, darf der Bürger nach Ansicht der Fragesteller erwarten, dass die Träger dieser Waffen eine ebenso fundierte Ausbildung auf Deeskalation und „sicherer“ Anwendung der Waffen erhalten und ebenso die psychische und physische Stärke und Stabilität beweisen müssen, wie Polizeibeamte. 1. Wie viele Waffen, Instrumente zum Stoppen oder Kontrollieren von Personen und/oder Tieren (Einsatz-Mehrzweckstöcke, Geräte zum Reizgaseinsatz , Schusswaffen, Schreckschusswaffen, Handschellen etc.) sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit im Besitz der Ordnungsämter in Deutschland (bitte nach Bundesland und Art der Waffe auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine zusammenfassenden Erkenntnisse darüber vor, in welchem Umfang Ordnungsämter in Deutschland zum Stoppen oder Kontrollieren von Personen und/oder Tieren im Besitz von Waffen oder Instrumenten , wie z. B. von Einsatz-Mehrzweckstöcke, Geräten zum Reizgaseinsatz, Schusswaffen, Schreckschusswaffen, Handschellen etc. sind. Soweit das Bundeskriminalamt in seiner Funktion als Waffenbehörde des Bundes einzelnen Ordnungsbehörden Ausnahmegenehmigungen zum Umgang mit verbotenen Waffen gemäß der Anlage 2 (zu § 2 Absatz 2 bis 4 des Waffengesetzes ) Waffenliste – Abschnitt 1 erteilt hat, so betrifft dies ausschließlich Reizstoffsprühgeräte einschließlich Wechselkartuschen, welche aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit, aber auch wegen der verwendeten Reizstoffe nur für den behördlichen Einsatz gegen Menschen bestimmt sind. Sie unterliegen ausschließlich deshalb dem waffenrechtlichen Verbot. An Ordnungsbehörden der nachfolgend aufgeführten Länder wurden erteilt: Bundesland Verbotene Waffen Anzahl Niedersachsen Reizstoffsprühgeräte 4 Rheinland-Pfalz Reizstoffsprühgeräte 20 Wechselkartuschen 20 Schleswig- Holstein Reizstoffsprühgeräte 4 Wechselkartuschen 4 Drucksache 19/15648 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Sind die Waffen im Besitz des Ordnungsamtes im Nationalen Waffenregister oder in einer anderen ähnlichen Datenbank erfasst? Wenn nein, warum nicht? Das Nationale Waffenregister (NWR) bildet den legalen privaten Besitz von (Schuss-) Waffen sowie den Umgang mit diesen in Deutschland ab. Das NWR ermöglicht die Zuordnung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen bzw. Schusswaffenteilen , Anträgen auf Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse, Versagungen waffenrechtlicher Erlaubnisse, Erteilungen waffenrechtlicher Erlaubnisse, Ausnahmen, Anordnungen, Sicherstellungen oder Verboten zu Personen. Behördliche Schusswaffen (der Bundeswehr, Polizei, Zoll usw.) werden nicht im NWR gespeichert. Auch die Erfassung von Waffen, wie z. B. Einsatz- Mehrzweckstöcke, Geräte zum Reizgaseinsatz, Schreckschusswaffen oder Handschellen ist im NWR nicht vorgesehen. 3. Sind der Bundesregierung außer dem oben genannten Fall vor dem Oberverwaltungsgericht Münster weitere Fälle bekannt, in denen Mitarbeiter von Ordnungsbehörden ihre Rechte unverhältnismäßig ausgelegt haben? Der Bundesregierung ist weder der oben genannte Fall noch sind weitere Fälle bekannt, in denen Mitarbeiter von Ordnungsbehörden ihre Rechte unverhältnismäßig ausgelegt haben. 4. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Mitarbeiter der Ordnungsbehörden Gewalt im Rahmen ihrer Tätigkeit angewendet haben? 5. Sind der Bundesregierung unverhältnismäßige Gewaltanwendungen durch Mitarbeiter der Ordnungsbehörden bekannt? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Die Länder sind jeweils zuständig für ihre Ordnungsbehörden. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu Angelegenheiten der Länder. 6. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Bedeutungszunahme und Aufgaben- sowie Maßnahmenmenge der Ordnungsbehörden der Bevölkerung bewusst? Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung dahingehend Aufklärung in der Bevölkerung? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 4 und 5 verwiesen. 7. Durch welche Gesetze wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten der Ordnungsbehörden geregelt? Eine spezifische – gesetzlich geregelte – Ausbildung zur/zum Verwaltungsfachangestellten im Ordnungsdienst gibt es nicht. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15648 8. Durch welche Gesetze und/oder Verordnungen wird nach Kenntnis der Bundesregierung das Tragen von Waffen (wie oben aufgezählt) durch Verwaltungsfachangestellte der Ordnungsbehörden geregelt? Die obersten Landesbehörden bestimmen für ihren Zuständigkeitsbereich eigenständig , z. B. in den Polizeigesetzen, Art und Umfang der Maßnahmen mit Eingriffscharakter und ebenso die zulässigen Zwangsmittel, zu denen jeweils die Polizei- und Ordnungsbehörden befugt sind. Die Länder regeln insoweit auch mittels Verordnung nach § 55 Absatz 6 des Waffengesetzes den weiteren waffenrechtlichen Vollzug einschließlich etwaiger Freistellungen. 9. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung dafür Sorge getragen, dass bei unterschiedlichen Auswahlverfahren, unterschiedlichen Voraussetzungen und unterschiedlichen Ausbildungen, Verwaltungsfachangestellte der Ordnungsbehörden eine ähnliche Sensibilisierung, fundierte Ausbildung und physische und psychische Stabilität ausweisen wie Polizeibeamte? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 und im Übrigen auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen. Drucksache 19/15648 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333