Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Müller-Rosentritt, Alexander Graf Lambsdorff, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/14941 – Haltung und Maßnahmen der Bundesregierung gegenüber der BDS-Bewegung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit ihrer Gründung 2005 ruft die BDS-Bewegung (BDS = Boycott, Divestment and Sanctions) zur Isolation und zum wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Boykott des Staates Israel auf. Die BDS-Bewegung ist in ihren Methoden und Zielen nicht nur antiisraelisch, sondern größtenteils klar antisemitisch . Der Beauftragte der Bundesregierung für Antisemitismus, Dr. Felix Klein, führt dazu aus: „Die BDS-Bewegung ist in ihren Handlungen und Zielen antisemitisch. Die Aktivisten versuchen, Israel zu isolieren und als angeblichen Apartheidstaat zu diffamieren. Der jüdische Staat soll dadurch Schritt für Schritt delegitimiert werden. BDS nimmt zudem israelische Staatsbürger in Geiselhaft und macht sie pauschal für das Handeln der israelischen Regierung verantwortlich.“ (www.juedische-allgemeine.de/kultur/bds-ist-im-kernantisemitisch /). Die BDS stellt die Existenzberechtigung Israels in Frage und dämonisiert dessen Bevölkerung in verschwörungstheoretischer Art und Weise. Vertreter dieser Gruppierung erklären regelmäßig, dass es keinen jüdischen Staat in Nahen Osten geben darf. Gleichzeitig werden Terrororganisationen wie die Hamas relativiert, verharmlost und als legitimes Mittel für politischen Protest angesehen (www.tagesspiegel.de/themen/reportage/anti-israel-kampagne-wie-bdsgegen -israel-hetzt/20573168.html). Neben den inakzeptablen Forderungen werden auch öffentliche Veranstaltungen durchgeführt, die unserer freiheitlichen Werteordnung widersprechen. So wurde kürzlich versucht, eine öffentliche Veranstaltung mit einer verurteilten Terroristin zu unternehmen (www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/03/rasmea-odeh-auftritt-berlin-abgesagtinnenverwaltung .html). Das Anbringen von „DON’T BUY“-Schildern an Stätten, an denen israelische Produkte verkauft werden, erinnert an Zeiten in unserem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte, an die damals überall zu findenden Schilder: Kauft nicht beim Juden. In diesem Zusammenhang ist aus Sicht der Fragesteller besonders verstörend, wenn die BDS-Anhänger heute ein Podiumsgespräch mit einer Holocaust-Überlebenden und einer Knesset- Abgeordneten aus antiisraelischer Motivation niederbrüllen, wie an der Berliner Humboldt-Universität im Juni 2017 geschehen (www.tagesspiegel.de/ber Deutscher Bundestag Drucksache 19/15652 19. Wahlperiode 03.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 29. November 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. lin/vorfall-an-berliner-humboldt-uni-holocaust-ueberlebende-war-geschocktvon -stoerern/19988488.html). In dem von einer großen Mehrheit gefassten Beschluss des Deutschen Bundestages „Antisemitismus entschlossen bekämpfen“ vom 17. Januar 2018 heißt es zu der BDS-Bewegung: „Der Deutsche Bundestag verurteilt jede Form von Judenfeindlichkeit. Das umfasst auch alle antisemitischen Äußerungen und Übergriffe, die als vermeintliche Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert werden, tatsächlich aber einzig und allein Ausdruck des Hasses auf jüdische Menschen und ihre Religion sind. Boykottaufrufe und Beleidigungen gegen Israel und Juden gibt es bereits seit Jahren in Deutschland, zuletzt bei den antiisraelischen Kundgebungen im Dezember 2017 vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Diese sind inakzeptabel.“ Der Deutsche Bundestag hat in dem Antrag „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „alle antisemitischen Äußerungen und Übergriffe , die als vermeintliche Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert werden“, verurteilt. In diesem Antrag, der mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen worden ist, heißt es: „Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS- Bewegung sind antisemitisch.“ Aus diesen Gründen hat der Deutsche Bundestag beschlossen, „Räumlichkeiten und Einrichtungen, die unter der Bundestagsverwaltung stehen, keinen Organisationen, die sich antisemitisch äußern oder das Existenzrecht Israels in Frage stellen, zur Verfügung zu stellen.“ Und weiter fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, „keine Veranstaltungen der BDS-Bewegung oder von Gruppierungen, die deren Ziele aktiv verfolgen, zu unterstützen“, sowie „keine Projekte finanziell zu fördern, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen“ (Bundestagsdrucksache 19/10191). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g In dem in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnten Beschluss des Deutschen Bundestages vom 17. Januar 2018 (Bundestagsdrucksache 19/444) hat der Deutsche Bundestag sein Bekenntnis und seine Verpflichtung zum Ausdruck gebracht, jeder Form von Antisemitismus schon im Entstehen in aller Konsequenz entschlossen entgegenzutreten. Dabei hat er begrüßt, dass die Bundesregierung am 20. September 2017 die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der Internationalen Allianz für Holocaust- Gedenken (International Holocaust Remembrance Alliance – IHRA) in erweiterter Form politisch indossiert und in Umlauf gebracht hat. Die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der IHRA lautet: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“ Darüber hinaus verweist die Bundesregierung auf die erweiterte Definition aus dem Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus (Bundestagsdrucksache 18/11970), der in seinem Abschlussbericht vom 7. April 2017 zitiert: „(…) Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“ Damit hat die Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, dass unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Israelkritik eine neue Form von Antisemitismus sichtbar werden kann, beispielsweise wenn das konstitutive Motiv in der jüdischen Prägung des Staates gesehen und die Delegitimierung des Staates Israel angestrebt wird. Boykott-Aufrufe, die sich gegen den Staat Israel richten, können in Deutschland nicht losgelöst von der Tatsache bewertet werden, dass der Nationalsozialismus Boykott-Aktionen gegen jüdische Einrichtungen und jüdisches Wirt- Drucksache 19/15652 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode schaftsleben zum Bestandteil und Instrument seiner auf die Vernichtung des europäischen Judentums gerichteten Taten gemacht hat. Daher ist die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes eine gerade gegenüber solchen Initiativen bewusst kritische Verfassungsordnung. Gleichzeitig bleibt es das erklärte Ziel der Bundesregierung im Kontext des Nahost-Konflikts, durch Zusammenarbeit anerkannter deutscher Mittlerorganisationen wie z. B. der politischen Stiftungen oder der kirchlichen Entwicklungswerke mit lokalen Partnerorganisationen Beiträge zur Verwirklichung von Menschenrechten, zur Konfliktlösung und zum Schutz zivilgesellschaftlicher Handlungsräume zu leisten. 1. Stellt die Bundesregierung durch konkrete Maßnahmen sicher, dass Räumlichkeiten und Einrichtungen, die unter der Verwaltung des Bundes stehen, keinen Organisationen, die sich antisemitisch äußern oder das Existenzrecht Israels in Frage stellen, zur Verfügung gestellt werden? a) Wenn ja, um welche Maßnahmen handelt es sich, und innerhalb welchen Zeitraums sollen sie ergriffen werden (bitte für jedes Ressort einzeln aufschlüsseln)? b) Falls aktuell keine konkreten Maßnahmen geplant sind, wie begründet die Bundesregierung dies? Die Fragen 1 bis 1b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es wird auf den in der Vorbemerkung erläuterten Kabinettbeschluss der Bundesregierung vom 20. September 2017 verwiesen. Damit bringt die Bundesregierung zum Ausdruck, dass es in ihrem Verantwortungsbereich keine Unterstützung der Aktivitäten von Organisationen geben wird, die im Sinne der Fragestellung tätig sind. Die Bundesregierung hat solchen Organisationen auch vor dem Bundestagsbeschluss keine Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Die Beschäftigten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) achten zudem darauf, dass im Rahmen der Liegenschaftsverwaltung keine Vertragsabschlüsse mit natürlichen oder juristischen Personen sowie privaten Organisationen oder Gruppen erfolgen, für deren Anhängerschaft Anhaltspunkte zu extremistischen oder terroristischen Vereinigungen oder antisemitischen Organisationen vorliegen. In Zweifelsfällen ist es der BImA möglich, entsprechende Informationen zu verfassungsschutzrelevanten Erkenntnissen über Organisationen , Personen oder Veranstaltungen beim Bundesamt für Verfassungsschutz einzuholen. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/3494 verwiesen, die vergleichbar für den Zugang zu Einrichtungen der Bundesverwaltung gelten . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15652 2. Ergreift die Bundesregierung konkrete Maßnahmen der Evaluation, um sicherzustellen , dass Projekte, die zum Boykott Israels aufrufen oder welche die BDS-Bewegung aktiv unterstützen bzw. ihr nahe stehen, nicht durch finanzielle Mittel des Bundes gefördert werden? a) Wenn ja, um welche Maßnahmen handelt es sich, und innerhalb welchen Zeitraums sollen sie ergriffen werden (bitte für jedes Ressort einzeln aufschlüsseln)? b) Falls aktuell keine konkreten Maßnahmen geplant sind, wie begründet die Bundesregierung dies? Die Fragen 2 bis 2b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung unterstützt nach ihrer Kenntnis keine Projekte, die zum Boykott Israels aufrufen oder welche die BDS-Bewegung aktiv unterstützen. Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/3494 wird verwiesen; dies gilt im Übrigen auch mit Blick auf die Bundesprogramme zur Extremismusprävention . Für die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) ist im Rahmen des Qualitätsmanagements der Modellprojekt- und Richtlinienförderung sichergestellt, dass keine Projekte unterstützt werden, die zum Boykott Israels aufrufen oder welche die BDS-Bewegung aktiv unterstützen oder ihr nahestehen. In Folge des Bundestagsbeschlusses vom 15. Mai 2019 (Bundestagsdrucksache 19/10191) hat die BpB Sensibilisierungsmaßnahmen auch bei Projektträgern durchgeführt. Neben bereits vorhandenen Formaten der politischen Bildung in Auseinandersetzung mit der BDS-Bewegung sind weitere Vorhaben in Planung zum Umgang mit deren Argumentationsmustern. Auch im Bereich Projektförderung Integration des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird künftig bei der Überprüfung sowie Betreuung von Trägern im Rahmen der Möglichkeiten kontrolliert, dass keine Träger gefördert werden, die zum Boykott Israels aufrufen oder die BDS-Bewegung aktiv unterstützen bzw. ihr nahestehen . Soweit es um die Förderung einer auf die Zwei-Staaten-Lösung ausgerichteten Zusammenarbeit mit lokalen zivilgesellschaftlichen Partnern in Israel und den Palästinensischen Gebieten auf Projektbasis geht, wird sichergestellt, dass dabei keine Bundesmittel in Projekte, die BDS-Aktivitäten zum Ziel oder zum Projektinhalt haben, oder an Organisationen fließen, die sich nachdrücklich dem Zweck der Unterstützung von BDS widmen. Projektanträge werden im Übrigen jeweils im Rahmen einer Einzelfallprüfung bewertet. Für die Mittelvergabe und Kontakte zu deutschen Mittler- und Durchführungsorganisationen zuständigen Stellen im Auswärtigen Amt wurden über den Bundestagsbeschluss zur BDS-Bewegung informiert. Drucksache 19/15652 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Welche konkreten Maßnahmen der Evaluation ergreift die Bundesregierung , damit Organisationen, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen, keine finanziellen Mittel der Entwicklungshilfe erhalten? 4. Besteht aus Sicht der Bundesregierung ein Risiko, dass finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt, mit denen palästinensische Organisationen unterstützt werden, indirekt Organisationen zugutekommen, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen, und wenn ja, was unternimmt sie dagegen? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in den Palästinensischen Gebieten erfolgt projektbezogen über anerkannte deutsche Mittlerorganisationen . Dabei fließen keine Bundesmittel in Entwicklungsvorhaben oder sonstige Projekte, die BDS-Aktivitäten zum Ziel oder zum Projektinhalt haben oder an Organisationen, die sich nachdrücklich dem Zweck der Unterstützung von BDS widmen. Die Eignung lokaler Partnerorganisationen wird vor der Förderentscheidung unter Einbeziehung des Auswärtigen Amtes und der deutschen Auslandsvertretung im Einzelfall geprüft. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15652 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333