Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Hessel, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15261 – Einfuhrumsatzsteuer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Beim Import von Gütern aus Drittstaaten verursacht das in Deutschland angewandte Einfuhrumsatzsteuermodell nach Ansicht der Fragesteller eine unnötige Bindung von Liquidität und erhöht die administrativen Kosten für Unternehmen . In zahlreichen anderen Mitgliedstaaten der EU wird hingegen das Verrechnungsmodell angewandt. Dabei wird die Einfuhrumsatzsteuer nicht schon im Zeitpunkt der Einfuhr der Güter entrichtet, sondern im Zuge der Umsatzsteuervoranmeldung verrechnet. Diese unterschiedlichen Praktiken führen aus Sicht der Fragesteller zu einem signifikanten Wettbewerbsnachteil in Deutschland.  1. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen des aktuellen Einfuhrumsatzsteuersystems auf den Wirtschaftsstandort Deutschland – insbesondere im Hinblick auf Nachbarländer, in denen die Verrechnungslösung Anwendung findet? a) Welche Effekte sieht die Bundesregierung auf deutsche Industrieund Handelsunternehmen? Die Fragen 1 und 1a werden zusammen beantwortet. Die Verwaltungskompetenz für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) liegt beim Bund (Artikel 108 Absatz 1 GG), für die Umsatzsteuer und damit auch für die Geltendmachung eines Vorsteuerbetrages liegt diese hingegen bei den Bundesländern (Artikel 108 Absatz 2 GG). Danach wird bei der Einfuhr von Drittlandswaren in Deutschland die EUSt in einem Arbeitsgang mit der Einfuhrabfertigung durch die Zollverwaltung (Bund) festgesetzt und spätestens zum 16. Tag des auf die Einfuhr folgenden Monats erhoben. Unternehmer, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, können die entstandene EUSt im Rahmen ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldungen (USt-VA) bei der Steuerverwaltung (Länder) als Vorsteuer geltend machen. Eventuelle Vorsteuerguthaben können dabei regelmäßig nicht so rechtzeitig ausgezahlt werden, dass sie für die Begleichung der EUSt zur Verfügung stehen. Dies belastet ggf. die Li- Deutscher Bundestag Drucksache 19/15669 19. Wahlperiode 04.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. quidität der Unternehmer in allen Bundesländern und führt zu administrativem Aufwand. b) Welche Effekte sieht die Bundesregierung auf deutsche See- und Flughäfen ? Insbesondere von der deutschen Import- und Logistikwirtschaft wird aufgrund des in Deutschland bestehenden Verfahrens ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Mitgliedstaaten geltend gemacht. In diesen bestehen – nach EU-Recht zulässige – Erhebungsmodelle, die es zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmern ermöglichen, die EUSt in der USt-VA zu erklären und zugleich als Vorsteuer abzuziehen. Ein Vorfinanzierungsbedarf entfällt ebenso wie entsprechende Zahlungsflüsse für die Begleichung der EUSt an den Zoll und die Erstattung durch die Steuerverwaltung. Mit dieser einfacheren Eingangsabwicklung werben im Unionsgebiet ansässige Konkurrenzunternehmen in der Logistikbranche (z. B. See- und Flughäfen) teilweise aggressiv um Kunden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass unternehmerische Entscheidungen über die logistische Abwicklung des Warenverkehrs mit Drittländern nicht allein von steuerlichen Rahmenbedingungen, sondern von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden (z. B. Verkehrsanbindung, Vorhandensein, Qualität und Preis entsprechender Dienstleister, bestehende Geschäftsverbindungen etc.). Gleichwohl hält die Bundesregierung es für plausibel, dass auch das Erhebungsverfahren der EUSt und die Gewährung des damit zusammenhängenden Vorsteuerabzugs hierbei eine Rolle spielt und sich zum Nachteil deutscher Binnen-, See- und Flughäfen auswirkt.  2. Welche Ergebnisse hat die Prüfung der Verrechnungslösung gebracht, mit der das Bundesministerium der Finanzen Ende 2018 durch die Finanzministerkonferenz beauftragt wurde? Wie beurteilt die Bundesregierung diese Ergebnisse?  3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge der interdisziplinären Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Optimierung des Erhebungsverfahrens Einfuhrumsatzsteuer“?  4. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den Wettbewerbsnachteil deutscher Unternehmen (vgl. Handelsblatt vom 19. November 2018, online abrufbar unter: www.handelsblatt.com/unternehmen/han del-konsumgueter/umsatzsteuer-regierung-will-haefen-und-airports-in-m illiardenhoehe-entlasten/23653188.html?ticket=ST-5754466-ecaxQVqP ZPbq5LxE1K2j-ap6, letzter Abruf: 15. November 2019), die aus Drittstaaten in das Gemeinschaftsgebiet importieren, zu verringern?  5. Plant die Bundesregierung, von der Möglichkeit des Artikel 211 der EU- Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (2006/112/EG) Gebrauch zu machen? a) Plant die Bundesregierung, eine Verrechnungslösung im Zuge der Umsatzsteuer-Voranmeldung einzuführen? b) Wenn ja, welche nächsten Schritte für die Einführung einer Verrechnungslösung sind geplant? Welche Etappenziele gibt es bei dieser Einführung? Die Fragen 2 bis 5 werden im Zusammenhang beantwortet. Drucksache 19/15669 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die vom Bundesfinanzministerium eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Optimierung des Erhebungsverfahrens der EUSt und der Gewährung des damit zusammenhängenden Vorsteuerabzugs hat verschiedene Lösungsansätze, insbesondere Möglichkeiten einer Fristenlösung (sog. Beschleunigungsmodell) als auch eines Verrechnungsmodells intensiv erörtert und näher beschrieben. Aufgrund der fachlichen und technischen Komplexität der Materie konnten noch nicht alle Fragen geklärt werden, zumal mit Blick auf ein mögliches Verrechnungsmodell die Erhebungsmodelle anderer Mitgliedstaaten wegen der nach der Finanzverfassung vorgegebenen abweichenden Zuweisung der Verwaltungskompetenzen für EUSt und für die USt nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen werden können. Die verschiedenen Optionen werden derzeit geprüft. Ziel der Bundesregierung ist es, dem Gesetzgeber einen Vorschlag zur Optimierung der Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer zu unterbreiten, der den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht und von den Ländern mitgetragen wird. Soweit es dazu erforderlich sein sollte, von der fakultativen Regelung des Artikel 211 der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie Gebrauch zu machen, wird die Bundesregierung dies prüfen.  6. Hat die Bundesregierung Schätzungen über die Anzahl der eingeschalteten Fiskalvertreter? a) Wie viele deutsche Importeure und Spediteure bedienen sich eines ausländischen Fiskalvertreters? Die Fragen 6 und 6a werden zusammen beantwortet. Informationen, in welchem Umfang Einfuhren für in Deutschland ansässige Unternehmen über andere EU-Mitgliedstaaten erfolgen, für die eventuell ein Fiskalvertreter einzuschalten ist, können ggf. den öffentlich zugänglichen Statistiken (z. B. Außenhandelsstatistik etc.) entnommen werden. Weitere Informationen liegen der Bundesregierung nicht vor. b) Wie viele deutsche Importeure und Spediteure verzichten auf einen Fiskalvertreter und nehmen Liquiditätsengpässe (vgl. Salder, ifst- Schrift 529 (2019), S. 9 ff.) und Bürokratie (vgl. Handelsblatt vom 19. November 2018, online abrufbar unter: www.handelsblatt.com/unt ernehmen/handel-konsumgueter/umsatzsteuer-regierung-will-haefen-u nd-airports-in-milliardenhoehe-entlasten/23653188.html?ticket=ST-57 54466-ecaxQVqPZPbq5LxE1K2j-ap6, letzter Abruf: 15. November 2019) in Kauf? Eine frühere Bund-Länder AG ist für das Jahr 2013 von rd. 25.000 Unternehmern ausgegangen, die einen Betrag von rd. 19 Mrd. Euro an EUSt zumindest zeitweise vorzufinanzieren hatten. Hierbei handelte es sich indes um eine Schätzung bzw. Arbeitshypothese unter Zugrundelegung verschiedener Annahmen und Bagatellschwellen ohne detaillierte empirische Erhebungen.  7. Hat die Bundesregierung Schätzungen über die Höhe der dem Fiskus entgangenen Zollabgaben und sonstigen Steuern (Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer, u. a.) aufgrund der Einschaltung ausländischer Fiskalvertreter? Zollabgaben können dem deutschen Fiskus nicht entgehen, weil es sich dabei um traditionelle Eigenmittel der Europäischen Union handelt, die abzüglich einer Erhebungskostenpauschale an diese abzuführen sind. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15669 Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1b verwiesen. Eigene Schätzungen der Bundesregierung zu entgangenen Steuern liegen nicht vor.  8. Hat die Bundesregierung Schätzungen über die Höhe der Aufwendungen , die Unternehmen aufbringen müssen, um die Einfuhrumsatzsteuer zwischenfinanzieren zu können?  9. Hat die Bundesregierung Schätzungen über den administrativen Mehraufwand für deutsche Unternehmen, die keinen Fiskalvertreter einschalten , sondern die Einfuhrumsatzsteuer zwischenfinanzieren? Die Fragen 8 und 9 werden im Zusammenhang beantwortet. Der Bundesregierung liegen dazu keine Schätzungen vor. 10. Hat die Bundesregierung Schätzungen über die Höhe der Arbeitsplätze, die aufgrund des jetzigen Einfuhrumsatzsteuer-Modells in die Nachbarstaaten verlagert werden? Eigene Schätzungen der Bundesregierung liegen nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1b verwiesen. 11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um verkehrsineffiziente Güterströme, die allein auf steueroptimierten Gesichtspunkten beruhen, zu verhindern? Die Bundesregierung strebt an, das Verfahren zur Erhebung der EUSt und der Gewährung des damit zusammenhängenden Vorsteuerabzugs gemeinsam mit den Ländern zu optimieren und dadurch verkehrsineffiziente Güterströme, die [allein] durch die Nutzung von Verrechnungsmodellen in anderen EU-Mitgliedstaaten motiviert sind, künftig zu verhindern. 12. Hat die Bundesregierung Schätzungen, wie hoch die CO2-Emissionen sind, die aufgrund der Verbringung der Güter von Fiskalvertretern in Nachbarstaaten nach Deutschland entstehen, und die im Falle eines direkten Imports nach Deutschland entfielen? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Drucksache 19/15669 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333