Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15304 – Legal Tech in der Inkassoreform V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die damalige Evaluierung der inkassorechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 1. Oktober 2013 hatte aus Sicht des Gutachters zwar die Transparenz für Schuldner im Inkassofall erhöht, die Kostenfrage hatte sich aus seiner Sicht jedoch als unbefriedigend dargestellt (www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Fachpublikationen/Gutac hten_Inkasso_Vorschriften.pdf?__blob=publicationFile&v=1). Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat aus diesem Grund einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht erarbeitet. Problematisch ist nach Auffassung der Fragesteller jedoch die Tatsache, dass viele Legal Tech-Unternehmen als Inkassounternehmen zugelassen sind und daher von den Regelungen im Referentenentwurf unmittelbar oder mittelbar betroffen sind, wodurch die Gefahr besteht, dass diese im Rahmen ihrer Arbeit unnötigerweise belastet oder eingeschränkt werden. Fraglich erscheint dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung in einer Fragestunde des Deutschen Bundestages angab, keine Gesetzesänderung für Legal Tech-Anbieter zu planen (www.bun d e s t a g . d e / m e d i a t h e k ? v i d e o i d = 7 3 9 0 5 4 2 # u r l = L 2 1 lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03MzkwNTQyJnZpZGVvaWQ9Nz M5MDU0MiZ2aWRlb2lkPTczOTA1NDI=&mod=mediathek), diese aber nun explizit als Grund einer Regelung nennt. So wird unter anderem im Besonderen Teil des Referentenentwurfs des BMJV erwähnt, dass durch die Änderungen ein sogenanntes „forum-shopping“ verhindert werden soll, durch welches sich beispielsweise Legal Tech-Unternehmen einen besonders günstigen Sitz verschaffen würden, um eine Zusage als Inkassodienstleister zu erhalten www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Verbra ucherschutz_Inkassorecht.pdf?__blob=publicationFile&v=2, S. 38f). In der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 56 auf Bundestagsdrucksache 19/14492 ergänzt die Bundesregierung, dass die zuständigen Behörden der Länder die Problematik des „forum-shoppings“ auf einem Erfahrungsaustausch am 24. September 2018 erörtert hätten. Konkrete Fallzahlen hätten sie jedoch nicht genannt. Deutscher Bundestag Drucksache 19/15671 19. Wahlperiode 04.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 3. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Wie viele und welche Länder haben im Rahmen des Erfahrungsaustausches der für die Aufsicht nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz zuständigen Behörden der Länder am 24. September 2018 der Bundesregierung Problematiken bezüglich des „forum-shoppings“ geschildert? a) Hat die Bundesregierung die Schilderungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüft? b) Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, inwiefern gesichert ist, dass die von den Ländern geschilderten Fälle der Unternehmenssitzverlegung tatsächlich dem „forum-shopping“ und nicht anderen unternehmensrelevanten Gründen geschuldet ist? 2. Woran wird nach Kenntnis der Bundesregierung festgemacht, ob eine Unternehmenssitzverlegung dem „forum-shopping“ und keinem anderen Grund geschuldet ist? 3. Inwiefern sieht die Bundesregierung ein Problem darin, dass Unternehmen ihren Firmensitz verlegen, um von abweichenden Rechtsauffassungen anderer Aufsichtsbehörden zu profitieren? 4. Inwiefern hält die Bundesregierung es für ein Problem, dass unterschiedliche Aufsichtsbehörden unterschiedliche Rechtsauffassungen hinsichtlich desselben Sachverhalts und desselben Bundesrechtes haben? 5. Glaubt die Bundesregierung, dass die Zulassung eines Geschäftsmodells nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vom Ort der Antragstellung abhängig sein sollte? 6. Hält die Bundesregierung die Möglichkeit, bei verschiedenen Aufsichtsbehörden verschiedene Ergebnisse im Zulassungsverfahren zu erhalten für eine Benachteiligung der Betroffenen? Die Fragen 1 bis 6 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Bei dem bezeichneten Erfahrungsaustausch handelte es sich um eine nicht öffentliche Veranstaltung der Länder. Deshalb kann die Bundesregierung leider keine konkreten Angaben zu den dortigen Erörterungen machen. Die Frage, in wie vielen Fällen es in der Vergangenheit zu Rücknahmen von Anträgen auf eine Registrierung nach den §§ 10 ff. des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) gekommen ist, bezieht sich auf die bisherige Rechtslage. Ihr kommt aus Sicht der Bunderegierung wegen der beabsichtigten Neuregelung in § 13 Absatz 1 Satz 4 Nummer 4 Buchstabe c des Rechtsdienstleistungsgesetzes in der Fassung des vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vorgelegten Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht (RDG-E) künftig keine wesentliche Bedeutung mehr zu. Denn schon nach geltender Rechtslage verfolgt das RDG das Ziel, ein „forum-shopping“ zu verhindern. Dies folgt aus § 13 Absatz 1 Satz 4 Nummer 4 RDG, nach dem bei einem Antrag auf Registrierung nach dem RDG angegeben werden muss, ob in den vergangenen drei Jahren eine Registrierung durch eine andere Aufsichtsbehörde versagt wurde. Diese Regelung gewährleistet , dass eine Aufsichtsbehörde vor der Entscheidung über eine Registrierung Kenntnis von bereits erfolgten tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Prüfungen einer anderen Aufsichtsbehörde erhält. Darauf, ob ein besonderer Bezug zu Anbietern von „Legal Tech“-Rechtsdienstleistungen besteht, kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Aufsichtsbehörde Informationen erhält, die – ebenso wie beispielsweise Feststellungen zu ungeordneten Vermögensverhältnissen von Antragstellern – nach § 12 RDG einen Versagungsgrund für die Registrierung darstellen können. Mit der beabsichtigten Drucksache 19/15671 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Neuregelung in § 13 Absatz 1 Satz 4 Nummer 4 Buchstabe c RDG-E soll die bestehende Regelung geringfügig erweitert werden. Künftig wird nicht nur die Versagung der Registrierung (§ 13 Absatz 1 Satz 4 Nummer 4 Buchstabe a RDG-E), sondern auch die Rücknahme eines Antrags auf Registrierung mitzuteilen sein. Denn der Grund einer Rücknahme kann in einer drohenden Versagung liegen. Die Änderung soll verhindern, dass der Schutzzweck des § 13 Absatz 1 Satz 4 Nummer 4 RDG umgangen wird. Die Bundesregierung strebt schon aus Gründen der Gleichbehandlung eine bundesweit möglichst einheitliche Rechtsanwendung durch die Aufsichtsbehörden an. 7. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, auf Grund unterschiedlicher Rechtsauffassungen der Verwaltungsbehörden eine Gesetzesänderung anzustoßen, die die Frage der Zulässigkeit von Legal Tech löst? 8. Hält die Bundesregierung an der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs auf die Mündliche Frage 4 des Abgeordneten Roman Müller-Böhm in der Fragestunde vom 25. September 2019 (Plenarprotokoll 19/114) fest, keine Gesetzesänderung für Legal Tech zu planen? Die Fragen 7 und 8 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung wird, wie schon bisher, die im Kontext von „Legal Tech“- Angeboten ergehenden gerichtlichen Entscheidungen sowie die Praxis der Verwaltungsbehörden bei den Zulassungen von „Legal Tech“-Anbietern beobachten und insbesondere im Hinblick darauf bewerten, ob sich aus ihnen die Erforderlichkeit von Rechtsänderungen ergibt. 9. Hat die Bundesregierung im Rahmen von oder vor der Erstellung des Referentenentwurfs externe Berater hinzugezogen, Gespräche mit externen Sachverständigen geführt, oder sind ihr Stellungnahmen von externen Personen oder Verbänden zugeleitet worden? Falls ja, wer waren die externen Berater, die externen Sachverständigen sowie die externen Personen bzw. Verbände (bitte nach Name, Datum und Inhalt der Konsultation aufschlüsseln)? Das BMJV hat zur Evaluierung der inkassorechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken ein Gutachten des instituts für finanzdienstleistungen e. V. (iff) eingeholt, das am 5. Januar 2018 vorgelegt wurde. Das BMJV hat das Gutachten im Folgenden ausgewertet und Gespräche mit verschiedenen Beteiligten geführt. Zudem haben Beteiligte dem BMJV schriftliche Stellungnahmen zukommen lassen. Im Einzelnen handelte es sich dabei um folgende Schreiben und Gespräche: Datum Name Gegenstand 10.02.2018 BFIF Schreiben zu Änderungsbedarf im Inkassorecht 23.04.2018 Universität Köln Hinweis zu § 18 RDG, § 37 EuRAG und § 24 EuPAG 20.08.2018 Arbeitskreis Inkassowatch Schreiben mit Praxisbeispielen zu Inkassoaufsicht 30.08.2018 vzbv Gespräch zu Änderungsbedarf im Inkassorecht nebst Übergabe der Stellungnahme zum Evaluationsbericht 04.09.2018 BDIU Stellungnahme zum Evaluationsbericht 11.09.2018 BDIU Gespräch zum Evaluationsbericht Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15671 Datum Name Gegenstand 17.09.2018 Arvato Gespräch zum Evaluationsbericht 09.10.2018 Arbeitskreis Inkassowatch Schreiben mit Praxisbeispiel zu Inkassoaufsicht 11.10.2018 Arbeitskreis Inkassowatch Stellungnahme zum Evaluationsbericht und Praxisbeispiel zu Inkassokosten 11.10.2018 Arvato Stellungnahme zum Evaluationsbericht 16.10.2018 BDIU Schreiben zu Inkassokosten 17.10.2018 BDIU Ergänzende Stellungnahme zum Evaluationsbericht (Angemessenheit der Inkassokosten) nebst Gutachten Professor Krämer 17.10.2018 Real Solutions Gespräch zu Inkassokosten 19.10.2018 Arvato Schreiben zu Inkassokosten nebst Gutachten Professor Kauermann 24.10.2018 29.10.2018 Arbeitskreis Inkassowatch Schreiben mit Praxisbeispiel zu Inkassokosten 06.11.2018 Lowell Schreiben zu Inkassokosten 17.12.2018 BRAK Stellungnahme zu Evaluationsbericht 19.12.2018 Verbraucherzentrale NW Schreiben mit Praxisbeispielen 04.01.2019 Verbraucherzentrale NW Schreiben zu Inkassokosten 17.01.2019 BDIU Präsentation Branchenstudie 2019 01.02.2019 BDIU Gespräch zu Inkassothemen 06.02.2019 BGA Gespräch zu Inkassokosten 03.04.2019 04.04.2019 Arbeitskreis Inkassowatch Schreiben mit Praxisbeispiel zu Inkassokosten und Inkassoaufsicht 18.04.2019 DIHK Stellungnahme zum Eckpunktepapier des BMJV „Schutz vor Kostenfallen“ 15.05.2019 BDIU Gespräch zu Inkassothemen 28.05.2019 Arbeitskreis Inkassowatch Schreiben mit Praxisbeispiel zu Inkassoaufsicht 05.06.2019 VDV Schreiben zum Eckpunktepapier des BMJV „Schutz vor Kostenfallen“ 07.06.2019 Creditreform Schreiben zu Inkassokosten 13.06.2019 HDE Positionspapier zum Eckpunktepapier des BMJV „Schutz vor Kostenfallen“ 19.07.2019 BDIU Schreiben zu Inkassokosten u. a. 30.07.2019 Arvato Schreiben zu Inkassokosten nebst Gutachten Gleiss Lutz 31.07.2019 Arbeitskreis Inkassowatch Schreiben mit Praxisbeispiel zu Inkassokosten 15.08.2019 DLA Piper Schreiben zu Inkassokosten u. a. 20.08.2019 KSP Rechtsanwälte Schreiben zu Inkassokosten u. a. 26.08.2019 BAG Schuldnerberatung Gespräch zu Inkassokosten, Inkassoaufsicht u. a. Drucksache 19/15671 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Beruhen weitere Teile des Entwurfs als nur die Regelungen zum „forumshopping “ auf dem Feedback von Ländern oder anderen Akteuren, Unternehmen oder Sachverständigen? Wenn ja, welche Teile, und von wem kam das Feedback? Nahezu sämtliche Teile des Referentenentwurfs beruhen im Ausgangspunkt auf Anregungen, die dem BMJV durch das Gutachten des iff und die in der Antwort zu Frage 9 aufgeführten Schreiben und Gespräche übermittelt wurden. Die Anregungen wurden bewertet, insbesondere auch gegen andere Belange abgewogen . Es gingen zahlreiche Anregungen ein, die jeweils bewertet wurden. Infolge dessen ist die konkrete Zuordnung von einzelnen Anregungen zu den Regelungsvorschlägen nicht möglich. 11. Ergibt sich aus Sicht der Bundesregierung aus dem § 13e Absatz 2 RDG- E eine Änderung an der Befugnis der Aufsichtsbehörden? a) Wenn ja, welche? b) Wenn nein, wieso hält die Bundesregierung eine Änderung des § 13e Absatz 2 RDG-E für notwendig? Die Fragen 11 bis 11b werden gemeinsam beantwortet. Wie im Einzelnen in der Begründung zum Referentenentwurf (dort S. 45 ff.) dargelegt, stellt die beabsichtigte Neuregelung in § 13e Absatz 2 Satz 2 RDG-E klar, dass Aufsichtsbehörden auch Untersagungsverfügungen erlassen dürfen. Dies ist derzeit nicht hinreichend deutlich, weil das Gesetz in § 13a Absatz 2 Satz 2 RDG als mögliche Maßnahmen nur Auflagen hervorhebt. Zudem wird neu geregelt, dass Verstöße gegen Untersagungsverfügungen mit einem Bußgeld geahndet werden können (§ 20 Absatz 1 Nummer 1 RDG-E). 12. Inwiefern weicht die Möglichkeit aus dem § 13e Absatz 2 RDG-E, anzuordnen , dass ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen ist, nach Ansicht der Bundesregierung die Voraussetzungen des § 13a Absatz 3 RDG für eine ganz oder teilweise Untersagung des Betriebs auf? Die in § 13e Absatz 2 RDG-E beabsichtigten Änderungen lassen die Voraussetzungen des § 13a Absatz 3 RDG (zukünftig § 13e Absatz 3 RDG-E) unberührt. 13. Aus welchem Grund beschränkt die Bundesregierung die Regelungen des § 13c RDG-E nur auf Geldforderungen? Die Formulierung erfolgte vor dem Hintergrund der typischen Inkassotätigkeit. Ob sie im Gesamtkontext des RDG passend ist, wird im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens noch einmal geprüft werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15671 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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