Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Hessel, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15262 – Die Belegausgabepflicht im Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetz e_Gesetzesvorha-ben/Abteilungen/Abteilung_IV/18_Legislaturperiode/Gesetz e_Verordnungen/2016-12-28-Kassenmanipulationsschutzgestz/0-Gesetz.html) wurde eine Belegausgabepflicht (§ 146a Absatz 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO)) ab dem 1. Januar 2020 eingeführt. Bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen können die Finanzbehörden nach § 148 AO aus Zumutbarkeitsgründen nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Belegausgabepflicht befreien (§ 146a Absatz 2 Satz 2 AO). Das Gesetz sieht damit „in Fällen greifbarer Unzumutbarkeit selbst mit § 146a II 2 als spezieller Billigkeitsvorschrift einen Pflichtendispens vor(…)“ (so Drüen in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 146a AO Rz. 10). Im Anwendungserlass zu § 146a AO (BStBl I 2019, S. 518 ff., Rz. 6.9, 6.11) führt die Finanzverwaltung zu den Voraussetzungen einer Befreiung von der Belegausgabepflicht wie folgt aus: „Eine Befreiung kommt nur dann in Betracht, wenn nachweislich eine sachliche oder persönliche Härte für den einzelnen Steuerpflichtigen besteht. Die mit der Belegausgabepflicht entstehenden Kosten stellen für sich allein keine sachliche Härte im Sinne des § 148 AO dar. […] Die Befreiung von der Belegausgabepflicht setzt voraus, dass durch die Unterdrückung der Belegausgabe die Funktion der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung nicht eingeschränkt wird.“ Zukünftig müssen die Belege eine Vielzahl neuer Angaben enthalten (vgl. § 6 der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV)). Dies führt dazu, dass der ausgegebene Beleg selbst bei Verkauf von wenigen Waren schnell eine beachtliche Länge erreicht und damit der Verbrauch von (Thermo-)Papier deutlich ansteigt. In der Praxis sieht die weit überwiegende Zahl der Kunden nach Kenntnis der Fragesteller von einer Mitnahme der angebotenen Belege ab, sodass die Belege aufgrund der Belegausgabepflicht zukünftig von den Unternehmen entsorgt werden müssen. Dies beeinflusst wiederum den Bedien- und Betriebsablauf, der auf eine schnelle Abfolge einer Vielzahl von Verkäufen ausgerichtet ist. Deutscher Bundestag Drucksache 19/15672 19. Wahlperiode 04.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Dafür dass sich das Interesse der Kunden an der Belegmitnahme sowie den konkreten Belegangaben zukünftig signifikant ändern wird, gibt es aus Sicht der Fragesteller keine gesicherten Erkenntnisse. Der Umstand, dass eine Belegerteilung nicht erfolgt, lässt nicht den zwangsläufigen Schluss einer Nichterfassung des Geschäftsvorfalls zu. Vielmehr muss der Unternehmer damit rechnen, dass ein Beleg durch den Kunden jederzeit angefordert werden kann. Damit könnte nach Auffassung der Fragesteller einem Entdeckungsrisiko ausreichend Rechnung getragen werden. Anders als z. B. in Österreich ist eine Belegausgabe nicht zwingend erforderlich, um Manipulationen zu verhindern , da eine Sicherung eines Geschäftsvorfalls bzw. eines anderen Vorgangs bereits mit Beginn desselben in der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung erfolgt. Zentrale Ziele der Bundesregierung, die Abfallvermeidung und ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen, stehen einer allgemeinen Belegausgabepflicht aus Sicht der Fragesteller diametral entgegen. 1. Welche Aspekte der sachlichen Härte hat die Bundesregierung in Betracht gezogen, die eine greifbare sachliche Härte begründen und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu einer Gewährung einer Befreiung von der Belegausgabepflicht zu berücksichtigen sind? 2. Welche Gründe für die Versagung eines Befreiungsantrags wegen Beeinträchtigung der Besteuerung sieht die Bundesregierung, wenn die Gewährung einer Befreiung von der Belegausgabepflicht daran gebunden ist, dass eine uneingeschränkte Funktion der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung gewährleistet ist? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Sachliche Härten liegen dann vor, wenn z. B. durch höhere Gewalt eine Belegausgabe nicht möglich (Stromausfall, Wasserschaden, Ausfall der Belegausgabeeinheit usw.) oder wenn die Belegausgabepflicht für den Steuerpflichtigen im konkreten Einzelfall unzumutbar ist. Die zuständige Finanzbehörde prüft und entscheidet nach pflichtgemäßen Ermessen , ob im Einzelfall eine sachliche oder persönliche Härte vorliegt. 3. Wie soll sichergestellt werden, dass die Erwägungen der Bundesregierung zur Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit nicht dadurch faktisch ins Leere laufen, wenn die mit einer Belegausgabepflicht zusammenhängenden Kosten als nicht alleinig ausreichend für eine sachliche Härte einordnet werden? Kosten können im Rahmen einer Darlegung der Härte als ein Teilaspekt berücksichtigt werden. Im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) ist insoweit lediglich geregelt, dass die Kosten für sich allein keine sachliche Härte darstellen. Drucksache 19/15672 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Sind die Ziele „Abfallvermeidung“ und „nachhaltiger Umgang mit Ressourcen “ aus Sicht der Bundesregierung im Rahmen der Ausübung des Ermessens bei Anträgen gemäß § 148 AO auf Befreiung von der Belegausgabepflicht zu berücksichtigen? Die Ziele „Abfallvermeidung“ und „nachhaltiger Umgang mit Ressourcen“ können Teilaspekte bei der Darlegung einer Härte sein. Es ist jedoch immer im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, inwieweit eine Härte für den jeweiligen Steuerpflichtigen vorliegt. 5. Welche Bedeutung bzw. Gewichtung wird diesen (Frage 4) im Verhältnis zu einem möglichen Bestreben der Bundesregierung, eine Transparenz über die Einhaltung der Pflichten nach § 146a AO durch den Unternehmer und damit eine generalpräventive Wirkung zu schaffen, beigemessen? Generell gilt der Grundsatz der Abfallvermeidung, der sich an alle Erzeuger und Besitzer von Abfällen richtet und im Rahmen der Abfallhierarchie die oberste Stufe einnimmt. Das BMF hat im Rahmen der Auslegung der gesetzlichen Vorschrift zu elektronischen Kassen ausdrücklich vorgesehen, dass anstelle eines Papierbelegs ein elektronischer Beleg erstellt werden kann, wenn der Kunde zustimmt. Dadurch sollen unnötige Papierbelege vermieden werden. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, mit Rücksicht auf die Praxis bestimmte Geschäfte von Papierbelegen zu befreien. Es gibt darüber hinaus keine Vorgaben wie ein elektronischer Beleg zur Verfügung gestellt werden muss. Dies kann per E-Mail, über Kundenkonten oder sogenannte „Near Field Communication“ (NFC) direkt auf das Mobiltelefon erfolgen . Gerade im letzten Fall muss der Steuerpflichtige keine persönlichen Daten des Kunden erheben. 6. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie hoch die Bürokratiekosten der Belegausgabepflicht sind (pro Vorgang und insgesamt)? Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse zu den Bürokratiekosten einer Belegausgabepflicht vor. 7. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele Tonnen Papier pro Jahr durch die Belegausgabepflicht insgesamt gebraucht werden? Die Hersteller erwarten einen gleichbleibenden Verbrauch von Thermopapier in den kommenden Jahren. Der Markt für Thermopapier (Kassenzettel, Park- und Verkehrstickets etc.) in der EU betrug 2018 491.000 Tonnen. In Österreich gibt es bereits eine Belegausgabepflicht, nordische Länder hingegen verwenden eher elektronische Lösungen. 8. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele Tonnen Papier pro Jahr durch die Belegausgabepflicht gebraucht werden und direkt in den Geschäften wieder entsorgt werden müssen? Der Bundesregierung liegen dazu keine Statistiken vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15672 9. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie hoch der Anteil an Belegen ist, die auf Thermopapier gedruckt werden? Kassenbons werden überwiegend auf Thermopapier gedruckt. 10. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass Belege auf Thermopapier nicht im Altmüll entsorgt werden dürfen, sondern nur in den Restmüll dürfen (www.umweltbundesamt.de/themen/bons-gehoeren-nic ht-ins-altpapier) vor dem Hintergrund der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung? Hier wird seit mehreren Jahren Aufklärung betrieben. Vor dem Hintergrund der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung ist eine Lösung nach skandinavischem Beispiel anzustreben, wo mehr und mehr auf elektronische Lösungen gesetzt wird. 11. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass auch nach dem Verbot von Biphenol A die Alternativen Biphenol F oder S in der Kritik stehen (z. B. www.aerzteblatt.de/nachrichten/71187/Bisphenol-F-und-S- Auch-die-Ersatzstoffe-fuer-Bisphenol-A-beeinflussen-Spermien)? Andere Stoffe aus der Stoffgruppe der Bisphenole werden derzeit von den Behörden im Hinblick auf ihre Regulierungsbedürftigkeit bewertet. 12. Wie beurteilt die Bundesregierung (auch vor dem Hintergrund der Klimaziele der Bundesregierung) die Befürchtungen des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks bezüglich des Umstandes, dass künftig ca. 500 Millionen Meter Bonpapier und damit mehr als die Entfernung zum Mond für die Belegausgabepflicht gebraucht werden (www.baecker handwerk.de/politik-presse/verbandsarbeit-events/weiterer-buerokratie wahnsinn/)? 13. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand (auch vor dem Hintergrund der Klimaziele der Bundesregierung), dass nach Aussagen des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks kaum ein Kunde einen Bon mitnehmen möchte und der Bon dann direkt nach dem Ausdrucken entsorgt werden muss? Die Fragen 12 und 13 werden zusammen beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. 14. Ist der Erlass eines Anwendungsschreibens zu § 148 AO geplant, um eine einheitliche Anwendung des § 146a Absatz 2 S. 2 AO sicherzustellen ? Derzeit befindet sich kein Anwendungsschreiben zu § 148 AO in der Erarbeitung . Drucksache 19/15672 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Hat die Bundesregierung darüber Kenntnis, wie viele Tierärzte „offline“ im Stall oder der Weide arbeiten und ihre Behandlungen als auch Bezahlungen auf mobilen Rechnern dokumentieren und dabei die Quittungen zeitnah im Rahmen des Datenabgleichs nachsigniert werden? 16. Wie beurteilt die Bundesregierung den Sachverhalt (Frage 15) im Hinblick auf die Zulässigkeit dieses Vorgehens? Die Fragen 15 und 16 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Voraussetzung dafür, dass Tierärzte ihre Umsätze mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung absichern müssen, ist, dass die Tierärzte ein Programm mit Kassenfunktion auf ihrem mobilen Rechner haben. In diesen Fällen ist eine fehlende Internetverbindung nur relevant, wenn das Programm mit Kassenfunktion nicht über eine lokale zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügt, sondern an eine dezentrale Lösung angebunden ist. Für den Fall, dass die Verbindung abbricht, ist im AEAO geregelt, dass das Programm mit Kassenfunktion weiterzuverwenden ist und nur der Ausfall der zertifizierten Sicherheitseinrichtung zu dokumentieren ist (vgl. Nr. 7.3 des AEAO zu § 146a). Die Dokumentation des Ausfalls kann auch automatisiert durch das Programm mit Kassenfunktion erfolgen. Eine Nachsignierung der Vorgänge ist nicht zulässig. Da zurzeit noch nicht feststeht, in welchem Umfang lokale oder dezentrale zertifizierte technische Sicherheitseinrichtungen eingesetzt werden, hat die Bundesregierung auch keine Kenntnis über die Anzahl der Tierärzte, die von einem Ausfall der Internetverbindung bei Einsatz einer dezentralen zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung betroffen sind. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15672 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333