Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten René Springer, Martin Hess, Dr. Christian Wirth und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/15338 – Zahl von Kinder- und Mehrehen in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Aufgrund der Zunahme im Ausland geschlossener Ehen von Minderjährigen (https://bit.ly/36AN7nM) hat der Deutsche Bundestag am 17. Juli 2017 das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen beschlossen (https://bit.ly/36z8TYG) und somit Rechtsklarheit geschaffen (mit Inkrafttreten des Gesetzes am 22. Juli 2017). Nach Einschätzung der Nichtregierungsorganisation Terre des Femmes greift der Schutz Minderjähriger vor einer Zwangsverheiratung allerdings bislang nur begrenzt (vgl. https://bit.ly/2o2zf3Z). Gemäß der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/9746 betrug die Zahl der in Deutschland lebenden minderjährigen ausländischen Personen mit dem Familienstand „verheiratet“ zum 31. März 2019 179 Personen. Zudem muss aufgrund von Schwierigkeiten bei der statistischen Erfassung gegenwärtig von einer hohen Dunkelziffer im Bereich der Kinderehen in Deutschland ausgegangen werden (vgl. ebd.). Kinderbzw . Mehrehen haben nach Ansicht der Fragesteller einige sozialrechtliche Implikationen, sodass eine nähere Betrachtung von Fallzahlen angezeigt erscheint . 1. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung zulässig bzw. vorgesehen, nach § 3 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister (AZR-Gesetz) für einen minderjährigen Ausländer das Merkmal (Familienstand) „verheiratet“ zu erfassen, und wenn ja, a) aus welchen Erwägungen und b) wie ist in diesem Fall der Rückgang der Zahl der erfassten verheirateten Minderjährigen zu erklären (auf Bundestagsdrucksache 18/9595, Antwort zu Frage 29 und Bundestagsdrucksache 19/9746, Antwort zu Frage 1 wird hingewiesen)? Systemseitig ist es im Ausländerzentralregister (AZR) möglich, den Familienstand „verheiratet“ zu Personen ab 16 Jahren zu erfassen. Bei jüngeren Personen wird die Meldung vom System abgewiesen. Damit wird dem gesetzgeberischen Willen Rechnung getragen, dass die Ehefähigkeit grundsätzlich erst ab Deutscher Bundestag Drucksache 19/15704 19. Wahlperiode 05.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 3. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. dem 18. Lebensjahr besteht. Aufgrund der Bewertung der Gesamtumstände kann bei Personen im Alter von 16 bis unter 18 Jahren von einer Aufhebung der nach ausländischem Recht geschlossenen Ehe abgesehen werden, wenn die Aufhebung für den minderjährigen Ehegatten eine schwere Härte darstellen würde und außergewöhnliche Umstände vorliegen, die dagegensprechen. In diesen Fällen erfolgt eine Eintragung des Familienstandes „verheiratet“ im AZR auch für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Rückgang der Zahlen von im AZR erfassten verheirateten Minderjährigen ist nach Einschätzung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurückzuführen. Im ersten Quartal 2018 fand eine Bereinigungsaktion statt, bei der Ausländerbehörden aufgefordert wurden, den Familienstand der betroffenen Personen zu prüfen und im Falle von Fehlerfassungen zu berichtigen. Ein weiterer Faktor, der zum Rückgang der Zahlen führt, ist das Erreichen der Volljährigkeit der in der Vergangenheit erfassten Personen, die in den Datenauswertungen nicht mehr berücksichtigt werden, und der Umstand, dass weniger minderjährige verheiratete ausländische Staatsangehörige im AZR neu erfasst worden sind. 2. Wie viele minderjährige Personen werden aktuell (Stichtag: 31. Oktober 2019) im Ausländerzentralregister (AZR) mit dem Merkmal „verheiratet“ geführt (bitte nach Staatsangehörigkeiten aufteilen)? Zum Stichtag 31. Oktober 2019 waren im AZR 162 aufhältige minderjährige Personen mit dem Familienstand „verheiratet“ gespeichert (davon 30 Personen im Alter von 16 bis unter 17 Jahren sowie 132 Personen im Alter von 17 bis unter 18 Jahren). Die Differenzierung nach Staatsangehörigkeiten kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Staatsangehörigkeit Summe Gesamt 162 davon: Bulgarien 70 Syrien 25 Rumänien 15 Griechenland 11 Weitere 23 Staaten mit weniger als 6 Personen 41 3. Ist das Merkmal nach § 3 Absatz 2 Nummer 4 AZR-Gesetz („Ehegatten und Lebenspartner jeweils mit Familienname und Vornamen“) für Ausländer nach § 2 Absatz 1a und 2 Nummer 1 AZR-Gesetz verpflichtend zu erfassen, und wenn ja, wen trifft diese Verpflichtung? § 6 Ausländerzentralregistergesetz (AZRG) verpflichtet in den jeweils genannten Fällen die jeweilige Behörde zur unverzüglichen Datenübermittlung an die Registerbehörde. Dies schließt unter anderem das Merkmal nach § 3 Absatz 2 Nummer 4 AZRG in den Fällen des § 2 Absatz 1a und 2 Nummer 1 AZRG mit ein. Von dieser Verpflichtung sind insofern folgende Behörden umfasst: Ausländerbehörden , die mit der Durchführung ausländerrechtlicher Vorschriften betrauten öffentlichen Stellen, Aufnahmeeinrichtungen, die Bundespolizei und andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und Polizeivollzugsbehörden der Länder. Drucksache 19/15704 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wie wird nach dem AZR-Gesetz und der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Ausländerzentralregister (AZRG-DV) im Falle des Vortrags (einer nach ausländischem Recht zulässig geschlossenen) Mehrehe verfahren, a) erfolgt in diesem Fall die Erfassung sämtlicher Ehepartner oder b) entsprechend § 1306 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nur eines Ehepartners, und c) wen trifft ggf. die Verpflichtung zur Erfassung? Die Erfassung von Ehepartnern im AZR erfolgt entsprechend § 1306 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Es kann nur ein Ehepartner erfasst werden. Die Verpflichtung zur Erfassung obliegt den in der Antwort zu Frage 3 genannten Behörden. 5. Welche Datenbasis nutzt die Bundesregierung, um sich über die Entwicklung bzw. Zahl von Kinderehen bzw. Mehrehen in Deutschland zu informieren , welche Zahlen liegen ihr aktuell zu diesem Thema vor, und welche Rolle spielt dabei ggf. das Ausländerzentralregister (AZR)? Die Bundesministerien der Justiz und für Verbraucherschutz, des Innern, für Bau und Heimat und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben nach Artikel 10 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetz zu evaluieren. Das Gesetz ist am 22. Juli 2017 in Kraft getreten. Die Evaluierung des Gesetzes wird daher bis zum 22. Juli 2020 durchgeführt werden. Daten des AZR können ggf. zur Information über Kinderehen herangezogen werden. Zur Bewertung von Mehrehen kann es nicht verwendet werden, da im AZR nur Angaben zu einem Ehepartner erfasst werden können (siehe Antwort zu Frage 4). Bezogen auf aktuell vorliegende AZR-Daten wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 6. Wie viele minderjährige Personen enthalten nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell zum Stichtag 31. Oktober 2019 die nach § 15 des Personenstandsgesetzes (PStG) zu führenden Eheregister (bitte ggf. im Rahmen einer Länderabfrage ermitteln)? Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen wurden in Deutschland keine Ehen unter Beteiligung Minderjähriger geschlossen. Zuvor war eine Eheschließung nach Vollendung des 16. Lebensjahrs möglich, wenn das Familiengericht dies genehmigt hatte (§ 1303 BGB a. F.). Da seit Inkrafttreten mehr als zwei Jahre vergangen sind, dürften auch diese Eheleute inzwischen volljährig geworden sein. Genaue Erkenntnisse hierzu liegen der Bundesregierung nicht vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15704 7. Wie viele der behördlich registrierten Kinderehen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren einer gerichtlichen Einzelfallprüfung unterzogen (bitte für die Jahre 2010 bis 2019 differenziert nach Bund und nach Ländern angeben sowie differenziert nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltstitel der „Eheleute“ ausweisen)? 8. Wie viele der in Deutschland registrierten Kinderehen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung gerichtlich aufgehoben (bitte für die Jahre 2010 bis 2019 sowie differenziert nach Bund und nach Ländern angeben sowie nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltstitel der „Eheleute“ aufschlüsseln)? Die Fragen 7 und 8 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung hat mit Ausnahme der in den Fachzeitschriften veröffentlichten Einzelfallentscheidungen keine Kenntnis über die Anzahl der behördlich registrierten Kinderehen, die in den letzten zehn Jahren einer gerichtlichen Einzelfallprüfung unterzogen und ggf. aufgehoben wurden. Drucksache 19/15704 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333