Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15361 – Liquiditätsprobleme am Bankenmarkt V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Banken und andere Finanzdienstleister können sich am sogenannten Repo- Markt (von englisch repurchase operation) via Rückkaufvereinbarungen Liquidität verschaffen. In den letzten Monaten kam es am US-Repo-Markt zu unerwarteten Zinssprüngen. Als Folge hat die US-amerikanische Zentralbank (Fed) Staatsanleihen in Milliardenhöhe gekauft, um den Repo-Zins zu normalisieren (www.bbc.com/news/business-49760502). 1. Welches Handelsvolumen hat der Repo-Markt nach Kenntnissen der Bundesregierung weltweit? Wie hat sich das Volumen in den letzten zehn Jahren entwickelt? a) Welcher Anteil entfällt auf die USA? b) Welcher Anteil entfällt auf die Europäische Union? c) Welcher Anteil entfällt auf Deutschland? d) Welcher Anteil entfällt auf China? Die Fragen 1 bis 1d werden zusammen beantwortet. Ein weltweiter Repomarkt mit gleichartigen Papieren, die in allen Regionen gehandelt werden können, existiert nach Kenntnis der Bundesregierung nicht. Zu den größten Repomärkten zählen der US-amerikanische und der europäische Markt, wobei ein speziell deutscher innerhalb des europäischen Marktes nicht abtrennbar ist. In China existiert kein dem europäischen oder dem USamerikanischen Markt vergleichbarer Repomarkt. Für Europa wird das Handelsvolumen im Repomarkt vom European Repo and Collateral Council (ERCC) der International Capital Market Association (IC- MA) erfasst. Die nachfolgende Tabelle enthält die Entwicklung der Handelsvolumina am europäischen Repomarkt seit dem Jahr 2009. Es handelt sich um eine repräsentative Datenerhebung. Die Daten geben die ausstehenden Repo- Geschäfte zu jeweils einem Stichtag im Juni und Dezember eines Jahres an. Deutscher Bundestag Drucksache 19/15723 19. Wahlperiode 09.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 5. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Stichtag Ausstehende Repo-Geschäfte (in Mrd. Euro) Jun. 2009 5.582 Dez. 2009 6.979 Jun. 2010 5.908 Dez. 2010 6.124 Jun. 2011 6.204 Dez. 2011 5.647 Jun. 2012 5.611 Dez. 2012 6.076 Jun. 2013 5.499 Dez. 2013 5.582 Jun. 2014 5.782 Dez. 2014 5.500 Jun. 2015 5.612 Dez. 2015 5.608 Jun. 2016 5.379 Dez. 2016 5.656 Jun. 2017 6.455 Dez. 2017 7.250 Jun. 2018 7.351 Dez. 2018 7.846 Jun. 2019 7.761 Quelle: ICMA repo survey Juni 2019 Für den US-Repomarkt veröffentlicht die „Securities Industry and Financial Markets Association“ (SIFMA) Daten zu den Handelsaktivitäten auf Jahresbasis . In der nachfolgenden Tabelle sind die im Jahresdurchschnitt pro Tag ausstehenden Geschäfte im bilateralen Repomarkt abgetragen: Jahr Durchschnittlich ausstehende Repo-Geschäfte (in Bio. US-Dollar) 2009 4,4 2010 4,7 2011 4,9 2012 4,9 2013 4,7 2014 4,2 2015 4,0 2016 4,0 2017 4,0 2018 3,9 Quelle: SIFMA 2019 US Repo Market Fact Sheet Drucksache 19/15723 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, welche Wertpapiere als Sicherheit bei Repo-Geschäften primär hinterlegt werden? a) Welche Staatsanleihen kommen primär zum Einsatz? b) Welche sonstigen Wertpapiere kommen zum Einsatz? Die Fragen 2 bis 2b werden zusammen beantwortet. Ende Juni 2019 wies die ICMA den Anteil von Staatanleihen an den insgesamt gestellten Sicherheiten im europäischen Repomarkt in Höhe von 89,9 Prozent aus. Der Rest entfällt auf verzinsliche Emissionen anderer Emittenten am Kapitalmarkt sowie auf Aktien (0,4 Prozent). Die Verteilung der Sicherheiten am europäischen Repomarkt nach wichtigsten Herkunfts-ländern von Emittenten ist wie folgt bekannt: Sicherheiten Juni 2019 Emittenten aus DEU 16,4 % Emittenten aus ITA 14,8 % Emittenten aus FRA 14,0 % Emittenten aus ESP 5,2 % Emittenten aus BEL 3,5 % Emittenten aus anderen MS 5,1 % Emittenten aus GBR 13,2 % Emittenten aus USA 8,5 % Emittenten aus JPN 3,8 % Rest 15,5 % Quelle: ICMA repo survey Juni 2019 3. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die mehrfache Verpfändung von Sicherheiten bei Repo-Geschäften (Multiplikator-Effekt)? Wenn ja, welche? Darüber liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. 4. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die Ursachen der neueren Kurssprünge des Repo-Zinses am US-Markt? a) Handelte es sich nach Einschätzung der Bundesregierung um reine Sonderfaktoren (z. B. Steuerzahlungen der Banken oder das nahende Quartalsende ) oder gibt es Anhaltspunkte für tieferliegende Gefahren für die Finanzmarktstabilität durch mangelnde Liquidität bzw. mangelndes Vertrauen der Marktteilnehmer? Die Fragen 4 und 4 a werden zusammen beantwortet. Nach Einschätzung von Marktteilnehmern können folgende Faktoren zur Erklärung herangezogen werden: • Am 16. September 2019 wurden Unternehmenssteuern in Höhe von 60 Mrd. US-Dollar fällig und das US-Finanzministerium hat neue Anleihen in einem Volumen von 56 Mrd. US-Dollar ausgegeben. Sowohl Steuerzahlungen als auch die Finanzierungen von Staatsanleihen bedeuten, dass Zentralbankgeld aus dem Bankensystem abgezogen wird und dem Konto des US- Finanzministeriums bei der Federal Reserve Bank of New York (Fed NY) zufließt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15723 • Die vorhandenen Überschussreserven konzentrieren sich auf wenige Banken : 86 Prozent der Überschussliquidität wird von 1 Prozent der Banken gehalten . Aufgrund dieser Ungleichverteilung kann es dazu kommen, dass Reserven bei Bedarf nicht über den Geldmarkt an die Banken weitergereicht werden, die die Liquidität benötigen. • Ein möglicher struktureller Grund dafür ist, dass Überschussreserven auf den Konten der Fed verzinst werden. Dies dürfte den Anreiz verringern, Interbankengeschäfte zu tätigen. b) Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob deutsche Banken, Versicherungen oder andere Finanzgesellschaften von (etwaigen) Liquiditätsprobleme am US-Interbankenmarkt betroffen sind? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Darüber liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. c) Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um (etwaigen) Liquiditätsproblemen entgegenzuwirken? Wenn ja, welche? Für Maßnahmen, die Liquiditätsproblemen auf den Geldmärkten entgegenwirken sollen, ist grundsätzlich die Bundesbank bzw. das Eurosystem zuständig. Zur kurzfristigen Versorgung mit Liquidität stehen u.a. Feinsteuerungsoperationen zur Verfügung. Zudem können Banken jederzeit Liquidität über die Spitzenrefinanzierungsfazilität abrufen, sofern sie über ausreichend Sicherheiten verfügen. Weiterhin stellt das Eurosystem auf Grundlage eines Abkommens mit der Fed dem europäischen Bankensystem auch US-Dollar zur Verfügung. 5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Liquiditätsmaßnahmen der Fed am US-RepoMarkt mit Blick auf deren Effektivität? Die Bundesregierung äußert sich nicht zu Maßnahmen unabhängiger Zentralbanken . a) Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die Höhe der Liquiditätshilfen seitens der Fed? Nach Informationen der Bundesregierung bietet die Fed seit dem 17. September 2019 täglich Repogeschäfte an. Aktuell werden täglich bis zu 120 Mrd. US- Dollar (Übernachtkredite) und zwei Mal wöchentlich bis zu 35 Mrd. US-Dollar (Kredite mit einer Laufzeit von 2 Wochen) durch die Fed NY in Form von Repogeschäften in den Markt gegeben. Zusätzlich kauft die Fed NY monatlich Staatsanleihen mit Laufzeiten von unter einem Jahr in einem Umfang von aktuell 60 Mrd. US-Dollar an, um ausreichend Liquidität bereit zu stellen und so einen geldpolitisch unerwünschten Anstieg der Zinssätze am Repomarkt zu verhindern . Die Ankäufe sollen nach Angaben der Fed bis mindestens zum Ende des zweiten Quartals 2020 durchgeführt werden und die Überschussreserven auf dem Niveau von „Anfang September oder darüber“ stabilisieren. Anfang September lagen die Überschussreserven bei knapp 1,5 Billionen US-Dollar. b) Welche Zentralbanken haben ähnliche Maßnahmen beschlossen? Darüber liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. Drucksache 19/15723 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage der Bundesbank, dass Bundesanleihen „bereits heute sehr knapp“ seien und „eine Knappheit von hohen und wahrscheinlich deutlich volatileren Preisen begleitet“ wäre, „was Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben, aber auch zu isolierten Marktstörungen führen könnte“ (www.bundes bank.de/resource/blob/770736/56d73affa5a3a4b807cbf234df1ddc6b/mL/ analyse-geschaeftspartnerumfrage-dezember-2018-data.pdf)? Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass eine Knappheit von anderen Staatsanleihen (z. B. US-Staatsanleihen) zu Liquiditätsproblemen führen könnte? Das angegebene Zitat ist keine Aussage der Deutschen Bundesbank, sie gibt in dem Bericht vielmehr Aussagen ihrer Interviewpartner wieder. Aus Sicht der Bundesregierung ist eine von Marktteilnehmern befürchtete Knappheit von Bundeswertpapieren im Hinblick auf ihre Handelbarkeit nicht erkennbar. Die Handelsvolumina der Bundeswertpapiere haben sich in den letzten Jahren nur unwesentlich verändert. Für Marktteilnehmer besteht weiterhin jederzeit die Möglichkeit, Bundeswertpapiere auch in größerem Volumen zu einem fairen Marktpreis an- und verkaufen zu können. Die Bundesregierung hat keine konkreten Kenntnisse darüber, ob eine Knappheit von Staatsanleihen außerhalb des Euroraums zu Liquiditätsproblemen geführt hat bzw. führen könnte . 7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage der Bundesbank, dass „die geplante Finanztransaktionssteuer den Repomarkt nachhaltig beeinträchtigen und den Liquiditätsausgleich zwischen den Banken gefährden“ würde (www.bundesbank .de / r e sou rce /b lob / 663746/0385202e34b61bbd2c3a4d0248d59f7f/mL/2013-12-monatsbe richt-data.pdf)? a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage der Bundesbank, dass die voraussehbare Folge einer Finanztransaktionssteuer wäre, dass eine stärkere Refinanzierung der Banken über das Eurosystem erfolgen würde? b) Welche Kenntnisse hat Bundesregierung darüber, wie sich eine Finanztransaktionssteuer auf den RepoMarkt (und damit die Liquidität am Finanzmarkt ) auswirken würde? c) Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die (geschätzten) Steuereinnahmen aus Repo-Geschäften durch die geplante Finanztransaktionssteuer ? Die Fragen 7 bis 7c werden zusammen beantwortet. Die zitierte Aussage der Bundesbank stammt aus dem Monatsbericht Dezember 2013. Am 14. Februar 2013 wurde der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer veröffentlicht. Der Anwendungsbereich dieses Vorschlages unterscheidet sich vom aktuell diskutierten Anwendungsbereich. Die Verhandlungen zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene orientieren sich nach einem gemeinsamen Positionspapier von Deutschland und Frankreich von Januar 2019 am Vorbild der bereits in Frankreich eingeführten und etablierten Finanztransaktionssteuer. Die Finanztransaktionssteuer soll dabei so ausgestaltet werden, dass nachteilige Auswirkungen für den Repomarkt möglichst vermieden werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15723 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333