Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15339 – Medienberichte über die Unterstützung des völkerrechtswidrigen türkischen Angriffskrieges gegen Nordsyrien durch türkische Islamverbände in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Anlässlich des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Türkei gegen Nordsyrien rief die türkische Religionsbehörde Diyanet zu Siegesgebeten für die türkischen Truppen in den Moscheen des Landes auf. Die Behörde, deren Religionsbeamte auch als Imame in Moscheen der Islamverbände DITIB, ATIB und Milli Görüs in der Bundesrepublik Deutschland tätig sind, verschickte eine Freitagspredigt, in der es wörtlich hieß: „Helfe unserer heldenhaften Armee , die einen Feldzug gestartet hat für die Sicherheit unseres Landes.“ Laut Medienberichten soll auch in Moscheen türkischer Islamverbände in Deutschland wie DITIB und Milli Görüs für den Sieg der türkischen Armee gebetet worden sein. So verbreitete die Zentrale der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs in einer Freitagspredigt einen Zusatz, der lautete, die Militäroperation möge „Land und Volk Gutes sowie Frieden in der Region bringen“. In einer DITIB-Gemeinde in Herne wurde laut dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein Tondokument veröffentlicht, in dem es heißt: „Allah, führe unsere glorreiche Armee zum Sieg.“ Eine Sprecherin der DITIB-Zentrale erklärte allerdings, solche Gebete würden „von uns weder angewiesen noch geplant“. Der Vize- Vorsitzende des Zentralrates der Muslime (ZMD), Mehmet Alparslan Celebi, der zugleich leitendes Mitglied des aus einer Abspaltung der faschistischen Grauen Wölfe hervorgegangenen Islamverbandes ATIB ist, erklärte über Twitter zu den am Angriffskrieg beteiligten Soldaten: „Möge Allah Sie segnen und Sie mit seiner unsichtbaren Armee unterstützen.“ (Quelle für alles: www.welt.de/politik/deutschland/article201888152/Moscheen-fuer-Tuerkei- Allah-fuehre-unsere-Armee-zum-Sieg.html). Deutscher Bundestag Drucksache 19/15729 19. Wahlperiode 06.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 4. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob die türkische Militäroperation in Nordsyrien durch Moscheevereine der Dachverbände DITIB, ATIB und Milli Görüs oder führende Funktionäre und Repräsentanten dieser Verbände in Form von Gebeten, Predigten, Erklärungen, Postings in sozialen Netzwerken etc. unterstützt wurde? a) Welche diesbezüglichen Vorfälle oder Äußerungen sind der Bundesregierung jeweils bekannt (bitte einzeln unter Nennung des Verbandes aufzählen)? Die Fragen 1 und 1a werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung sind Medienberichte bekannt, wonach sich zu Beginn der Offensive mehrere örtliche DITIB-Moscheegemeinden in den sozialen Medien in entsprechender Weise geäußert haben sollen. Die gegebenenfalls veröffentlichten Beiträge wurden mittlerweile gelöscht. Eine Sprecherin der DITIB- Zentrale erklärte gegenüber der Presse, dass entsprechende Aufrufe der einzelnen Gemeinden nicht im Einklang mit der von der Zentrale vorgegebenen Position stünden und dagegen vorgegangen werde. Die zur „Millî Görüş -Bewegung“ (MGB) gehörende „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V.“ (IGMG) ergänzte den Text der auf ihrer Homepage veröffentlichten, überwiegend rein religiös gehaltenen Freitagspredigt (Hutba) zum 11. Oktober 2019 um einen „Zusatz“ zur türkischen Militäroperation (Quelle: www.igmg.org/hutba-voraussetzung-der-nasiha-aufrichtigkeit/). Die „Saadet Partisi“ (SP) steht nach Kenntnis der Bundesregierung im Wesentlichen hinter dem Militäreinsatz in Nordsyrien. Der deutsche Ableger der Saadet Partisi, die ebenfalls zur „Millî Görüş- Bewegung“ (MGB) gehörende „Saadet Europa e.V.“, übernimmt diese Linie. Der Vorsitzende der SP-Europa, Abdussamet Temel, postete am 9. Oktober 2019 auf Facebook zur türkischen Militäroperation (Quelle: www.facebook.com/abdussamettemel/?hc_ref= ARRs550xCZoO_GVCUkkU5He54PM1Y_3LCGBmccLts fb l tEf He3UICm87p0FwPvnbfw4&fref=nf&__tn__=kC-R). Mehmet Alparslan Celebi, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZMD) und laut Angaben des ZMD bis zum Jahr 2016 Vorstandsmitglied des ZMD-Mitgliedverbandes ATIB, postete am 8. Oktober 2019 auf Twitter zur türkischen Militäroperation (Quelle: https://twitter.com/MehmetCelebi/ status/1181452836737028097). b) Inwieweit wurde eine Unterstützung des türkischen Angriffskrieges durch die Islamverbände nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils zentral durch Vorstände oder Zentralen oder das türkische Religionsamt Diyanet angeordnet oder empfohlen, und wie reagierten die einzelnen Mitgliedsvereine oder Vorstände jeweils auf solche Ansinnen? Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 1a wird verwiesen. Die Bundesregierung stand zudem hierzu mit dem DITIB-Bundesverband und dem Sprecher des Koordinationsrates der Muslime in Kontakt. DITIB teilte mit, dass die zu DITIB gehörenden Landesverbände und Gemeinden sowie die in den Gemeinden tätigen Religionsbeauftragten beziehungsweise Imame benachrichtigt und aufgefordert worden seien, sich nicht zu aktuellen politischen Geschehnissen zu äußern. Gegenüber der Presse hat sich der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime von Äußerungen von Vertretern des ZMD im Sinne der Fragestellung distanziert. Drucksache 19/15729 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Sieht die Bundesregierung in der von verschiedenen Medien berichteten Unterstützung des türkischen Angriffskrieges auf Nordsyrien durch türkische Islamverbände in Deutschland ein Vorgehen, das geeignet ist, den öffentlichen Frieden und das friedliche Zusammenleben zu stören, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung gegebenenfalls daraus bezüglich ihres Umgangs mit diesen Verbänden, und wenn ja, aus welchen Gründen? Die Bundesregierung hat die türkische Militärintervention wiederholt scharf verurteilt und mit Nachdruck ein sofortiges Ende des unilateralen türkischen Vorgehens in Nordost-Syrien gefordert. Bezogen auf Deutschland handelt es sich gemessen an der Anzahl der Gemeinden der genannten Verbände um Einzelfälle , in denen eine Unterstützung der türkischen Militäroperation in Syrien bekannt wurde. Auch Einzelfälle von politischer Einflussnahme durch vom Präsidium für religiöse Angelegenheiten der Türkei (Diyanet) nach Deutschland entsandte Religionsbeauftragte zur Unterstützung eines ausländischen Militäreinsatzes sind aus Sicht der Bundesregierung nicht akzeptabel. Diese Haltung vertritt die Bundesregierung nachdrücklich gegenüber Diyanet, DITIB und dem Koordinationsrat der Muslime in Deutschland. 3. Wie viele Arbeitsvisa für Angestellte der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die als Imame bei Islamverbänden und Moscheen in Deutschland beschäftigt wurden, hat die Bundesregierung im Jahr 2018 und im laufenden Jahr 2019 ausgestellt (bitte nach Jahren aufgliedern und angeben, bei welchen Islamverbänden die Imame tätig wurden, für welche Dauer die Arbeitsvisa ausgestellt wurden, und ob es sich um Ersterteilungen oder Verlängerungen von Arbeitsvisa handelt)? Die Zahl der an Imame erteilten Visa wird seit 2018 nicht mehr gesondert erfasst . Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/8415 verwiesen. Visa für diesen Aufenthaltszweck werden in der Regel für 180 Tage ausgestellt. Die Festlegung der tatsächlichen Aufenthaltsdauer der Imame nach Einreise in Deutschland obliegt der zuständigen deutschen Ausländerbehörde auf der Basis des im Visumverfahren vorgelegten Referenzschreibens, das von Diyanet ausgestellt wird. a) Wie vielen Anträgen auf Arbeitsvisa bzw. auf Verlängerung von Arbeitsvisa für Angestellte der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die als Imame bei Islamverbänden und Moscheen in Deutschland beschäftigt werden sollten, wurden in den Jahren 2016, 2017, 2018 und im laufenden Jahr 2019 aus welchen Gründen nicht stattgegeben? Hinsichtlich der Jahre 2016 und 2017 wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/11851 verwiesen. Die Entscheidungsgründe für individuelle Anträge werden statistisch nicht erfasst und lassen sich mit vertretbarem Aufwand auch nicht rekonstruieren. Hinsichtlich der Jahre 2018 und 2019 wird auf die Antwort zu Frage 3 verweisen. Eine „Verlängerung“ von Visa ist grundsätzlich nicht möglich. Sofern sich die Frage darauf bezieht, inwieweit in der genannten Konstellation im Anschluss an ein Visum im Inland einem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nicht stattgegeben wurde, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen liegen in der Zuständigkeit der Länder. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15729 b) Wie viele Imame der Islamverbände DITIB, ATIB und Milli Görüs sind insgesamt nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils Angestellte der türkischen Religionsbehörde Diyanet? Nach Deutschland entsandte Religionsbeauftrage des Diyanet sind hauptsächlich in Gemeinden der DITIB tätig. Ergänzend wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „DITIB als Außenstelle der Diyanet und der Einfluss des türkischen Präsidenten Erdoğan“ auf Bundestagsdrucksache 19/8415 verwiesen. Nach Angaben der IGMG sind derzeit 35 Religionsbeauftragte des Diyanet in Gemeinden dieses Verbandes tätig. Zu der Anzahl von Religionsbeauftragten des Diyanet, die in Gemeinden des Verbandes ATIB tätig sind, liegen der Bundesregierung keine aktuellen Zahlen vor. Bisher handelte es sich um eine Größenordnung im niedrigen zweistelligen Bereich. c) Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei den genannten Verbänden auch Imame beschäftigt, die nicht von Diyanet kommen? Nach Angaben des DITIB-Bundesverbandes sind derzeit 120 männliche und weibliche Religionsbeauftragte, die nicht vom Diyanet nach Deutschland entsandt sind, in DITIB-Gemeinden in unterschiedlichen Funktionen tätig. In den Verbänden ATIB und IGMG ist ein Großteil der Religionsbeauftragten beziehungsweise Imame nicht durch das Diyanet entsandt. Drucksache 19/15729 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333