Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 4. April 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1574 19. Wahlperiode 09.04.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Keuter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/1321 – Vielehen in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Gemäß § 172 des Strafgesetzbuchs (StGB) ist die Vielehe in Deutschland verboten . Diese Norm findet allerdings dann keine Anwendung, wenn eine Doppelehe fortbesteht, welche von einem ausländischen Staat legitimiert wurde. Dies ist auch unabhängig davon, ob der ausländische Staat dabei den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet, da Mehrehen grundsätzlich Männern vorbehalten sind. Im Mai 2015 ist beispielsweise ein volljähriger Sohn aus Syrien mit seinen Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat einen Flüchtlingsstatus erhalten. Im August 2015 ist dessen Mutter mit zwei weiteren Kindern eingereist und hat ebenfalls einen Asylantrag gestellt, der bewilligt worden ist. Im Dezember 2015 ist dann der Ehemann mit seiner Zweitfrau und deren zwei gemeinsamen Kindern ebenfalls in die Bundesrepublik Deutschland eingereist (www.welt.de/politik/deutschland/article173162447/Familiennachzug- Debatte-ueber-Zweitfrau-Anzeige-gegen-Pinneberger-Landrat.html). Dies ist nach Kenntnis der Fragestellers nur einer von vielen Fällen, in denen nun in der Bundesrepublik Deutschland Männer mit mehreren (teilweise bis zu vier) Frauen nach ihrer kulturellen und religiösen Weltanschauung zusammenleben , obwohl das Aufenthaltsgesetz beim Familiennachzug explizit vorschreibt , dass kein weiterer Ehegatte nachziehen darf, wenn ein Ausländer mit mehreren Partnern verheiratet ist (vgl. § 30 Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG). 1. Wie ist es möglich, dass trotz der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 30 Absatz 4 AufenthG Ausländer ihre Zweit-, Dritt-, und Viertfrau nach Deutschland nachholen können? Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen Zweit- oder weiteren Ehegatten im Rahmen des Ehegattennachzugs ist über § 30 Absatz 4 AufenthG ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen. Auch in den von der „Welt“ vom 3. Februar 2018 zitierten Fallgestaltungen erfolgte die Einreise der Zweitehefrau nicht auf der Grundlage des Ehegattennachzuges i. S. v. § 30 AufenthG. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1574 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Auf welcher gesetzlichen Grundlage wird diesen Ehefrauen Sozialleistungen bewilligt? Leistungen zur Existenzsicherung werden anerkannten Flüchtlingen im Bundesgebiet im Regelfall nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gewährt. Asylbewerbern werden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt. Anlass der Leistungsgewährung an Personen, die sich in Deutschland aufhalten, ist ihre Hilfebedürftigkeit, nicht ihr Status als Ehefrau. Im SGB II bilden nach deutschem Recht anerkannte Eheleute eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a SGB II). Eine leistungsrechtliche Besserstellung ist damit für keinen der Eheleute verbunden . Nach deutschem Internationalen Privatrecht unterliegen die Voraussetzungen der Schließung einer verschiedengeschlechtlichen Ehe für jeden Verlobten grundsätzlich dem Recht des Staates, dem er angehört (Artikel 13 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche – EGBGB). Sofern insoweit deutsches Recht anwendbar ist, darf keine Mehrehe geschlossen werden (§ 1306 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB). Ist die Mehrehe nach dem maßgeblichen ausländischen Recht gültig, ist ihre Anerkennung gleichwohl zu versagen, wenn ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vorliegt (Artikel 6 EGBGB). Maßgeblich ist insoweit vor allem der Grad des Inlandsbezugs. Je stärker der Inlandsbezug ist, desto stärker setzen sich die deutschen Rechtsvorstellungen durch. 3. Verstößt die Vielehe aus der Sicht der Bundesregierung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung? Zu abstrakten Rechtsfragen nimmt die Bundesregierung keine Stellung. 4. Wenn nein, wie ist dann eine Strafbarkeit der Vielehe gemäß § 172 StGB verfassungsrechtlich noch zu rechtfertigen? Durch den Straftatbestand des § 172 des Strafgesetzbuches wird die staatliche Eheordnung, die nach Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) auf dem Prinzip der Einehe fußt, geschützt. Der Straftatbestand dient als strafrechtliche Ergänzung des zivilrechtlichen Verbots der Doppelehe gemäß § 1306 BGB und stellt nicht das Führen einer Mehrehe unter Strafe, sondern die Eingehung einer solchen im Inland . 5. Plant die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative, nach der auch die Vielehe für deutsche Staatsbürger möglich ist? Nein. 6. Wenn nein, wie ist diese Ungleichbehandlung von Ausländern und Deutschen zu rechtfertigen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes? Der allgemeine Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Nach deutschem Recht können weder Ausländer noch Deutsche, egal welchen Geschlechts, eine Vielehe eingehen. Darin ist keine Ungleichbehandlung zu erkennen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1574 7. Wenn ja, dürften bei einer Neugestaltung des § 1306 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch Frauen mehrere Ehen eingehen? Eine Antwort erübrigt sich, da die Frage 5 mit „Nein“ beantwortet wurde. 8. Liegt aus Sicht der Bundesregierung ein Verstoß gegen die allgemeinen und besonderen Gleichheitsrechte und/oder eine Diskriminierung von ausländischen Frauen vor, wenn es ihnen in ihren Herkunftsländern nicht erlaubt ist, mehrere Ehen einzugehen? Die rechtlichen Regelungen anderer Staaten sind nicht am Grundgesetz und damit nicht an den deutschen Grundrechten zu messen. 9. Sofern die Bundesregierung der Auffassung ist, dass an der kulturellen Wertvorstellungen der Einehe in der Bundesrepublik Deutschland festgehalten werden sollte, strebt sie dann eine Gesetzesinitiative an, nach der dies auch in den Einbürgerungsvoraussetzungen zum Ausdruck kommt? Die Eingehung einer Mehrehe belegt in der Regel, dass die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht gewährleistet ist, so dass die Einbürgerung nach § 9 Absatz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes nicht in Betracht kommt, wenn der Einbürgerungsbewerber die Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen geschlossen hat, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet war oder nach Eingehung der Ehe mit dem deutschen Staatsangehörigen erneut geheiratet hat. Die Rechtsfrage, ob eine nach dem deutschen Internationalen Privatrecht im Ausland wirksam geschlossene Mehrehe eine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ausschließt, liegt gegenwärtig dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor (BVerwG 1 C 15.17). Die Entscheidung bleibt abzuwarten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333