Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Protschka, Peter Felser, Franziska Gminder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/15091 – Das Aktionsprogramm Insektenschutz aus landwirtschaftlicher Perspektive V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundeskabinett hat am Mittwoch, den 4. September 2019, auf Vorschlag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ beschlossen. In einer anschließenden Pressekonferenz wurden die geplanten Maßnahmen von der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner und der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Svenja Schulze vorgestellt (vgl. www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenzvom -4-september-2019-1667638). 1. Welche Alternativen zum Einsatz von Glyphosat gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in der Landwirtschaft, und wie bewertet die Bundesregierung diese Alternativen bezüglich des Bodenschutzes und der Emissionen im Vergleich zum Einsatz von Glyphosat? Entsprechend den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel gibt es auch bei alternativen chemischen und mechanischen Verfahren eine große Bandbreite. Hierzu wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundesdrucksache 19/4097 und auf die Antworten der Bundesregierung zu den Fragen 4, 6, 9, 10, 11 und 12 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/3461 verwiesen. Deutscher Bundestag Drucksache 19/15899 19. Wahlperiode 12.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 6. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 2. Was beabsichtigt die Bundesregierung bezüglich des im Aktionsprogramm Insektenschutz geplanten Verbots des Einsatzes von Glyphosat zum 31. Dezember 2023 zu unternehmen, wenn, wie aufgrund des weiterhin als unbedenklich geltenden Einsatzes laut Europäischer Agentur für Lebensmittelsicherheit und anderer Behörden nach Ansicht der Fragesteller wahrscheinlich , Glyphosat eine Zulassungsverlängerung auf EU-Ebene erhält (vgl. www.handelsblatt.com/politik/deutschland/unkrautvernichter-bundes regierung-will-glyphosat-ab-ende-2023-verbieten/24978606.html?ticket=S T-2912323-NVOf5zmEZo4hekMiuPgs-ap6)? Die Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat ist bis zum 15. Dezember 2022 befristet (vgl. Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission vom 12. Dezember 2017 zur Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission, ABl. L 333 vom 15.12.2017, S. 10). Es ist nach derzeitiger Einschätzung der Bundesregierung nicht davon auszugehen , dass es nach dem Jahr 2022 noch eine Mehrheit der Mitgliedstaaten für eine Erneuerung der Glyphosat-Genehmigung gibt. 3. Welche Import- bzw. Handelshemmnisse sind der Bundesregierung bekannt , die bei einem Glyphosatverbot auf EU-Ebene greifen würden? Auf EU-Ebene bestünde das Äquivalent eines „Glyphosatverbots“ nach dem Regelungssystem des EU-Pflanzenschutzrechts in der Entscheidung, die für diesen Wirkstoff bestehende Genehmigung für die Zeit nach dem Ende ihrer Geltungsdauer nicht zu erneuern oder sie noch vor dem Ende ihrer Geltungsdauer aufzuheben. Damit entfiele eine wesentliche Bedingung für die Zulassung von diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmitteln, was dazu führen würde, dass diesbezüglich bestehende Zulassungen aufzuheben wären und keine neuen erteilt werden könnten. Nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel dürfen in der EU nicht in Verkehr gebracht werden. 4. Welche bestehenden Verbote und Teilverbote für den Einsatz von Glyphosat bei der Stoppel-, Vorsaat- und Vorerntebehandlung, auf Grünland, im Wald, in Weihnachtsbaumkulturen, auf Gleisanlagen, in privaten Gärten und auf öffentlichen Parkplätzen sind der Bundesregierung bekannt? Der Wirkstoff Glyphosat ist gegenwärtig unter Ziffer 4 in Abschnitt A von Anlage 3 der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vom 10. November 1992 (BGBl. I S: 1887), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 25. November 2013 (BGBl. I S. 4020) geändert worden ist; PflSchAnwV) gelistet. Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten, sind danach – in Verbindung mit § 3 Abs. 1 PflSchAnwV – zunächst den dort in Spalte 3 aufgeführten spezifischen Teilanwendungsverboten unterworfen . Aufgrund der Listung des Wirkstoffs in Anlage 3 der PflSchAnwV gilt für glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel weiterhin ein grundsätzliches Anwendungsverbot in den in § 4 PflSchAnwV aufgeführten Gebieten. Hinsichtlich der Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel auf Gleisanlagen ist die allgemeine Regelung des § 12 Absatz 2 des Pflanzenschutzgesetzes (Pflanzenschutzgesetz vom 6. Februar 2012 (BGBl. I S. 148, 1281), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 84 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) geändert worden ist; PflSchG) zu beachten, wonach Pflanzenschutz- Drucksache 19/15899 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode mittel grundsätzlich auf befestigten Freilandflächen und sonstigen Freilandflächen , die weder landwirtschaftlich noch forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden, nicht angewandt werden dürfen. Nach § 12 Absatz 2 Satz 3 PflSchG kann die zuständige Behörde jedoch Ausnahmen für die Anwendung zugelassener Pflanzenschutzmittel genehmigen, wenn der angestrebte Zweck vordringlich ist und mit zumutbarem Aufwand auf andere Art nicht erzielt werden kann und überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier oder des Naturhaushaltes, nicht entgegenstehen . Für die Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel im Hausund Kleingartenbereich gelten die allgemeinen Vorgaben des § 12 Absatz 3 Satz 2 PflSchG. Auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, dürfen glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel, wie alle Pflanzenschutzmittel, nur nach Maßgabe des § 17 PflSchG angewandt werden. Weitergehende Anwendungseinschränkungen können sich insbesondere aus den Zulassungsbescheiden für die einzelnen glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel ergeben. 5. Welche konkreten Verbote und Teilverbote für den Einsatz von Glyphosat bei der Stoppel-, Vorsaat- und Vorerntebehandlung, auf Grünland, im Wald, in Weihnachtsbaumkulturen, auf Gleisanlagen, in privaten Gärten und auf öffentlichen Parkplätzen sind bis zum 31. Dezember 2023 von der Bundesregierung geplant? Die konkrete Ausgestaltung der Einschränkung der Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel im Rahmen der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD beschlossenen Minderungsstrategie ist gegenwärtig noch Gegenstand interner Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung. 6. Welche konkreten Maßnahmen sind für die von der Bundesumweltministerin Svenja Schulze in der Pressekonferenz vom 4. September 2019 angekündigte Reduktion aller anderen Pflanzenschutzmittel um 75 Prozent geplant (vgl. www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspresse konferenz-vom-4-september-2019-1667638)? Eine Reduktion „aller anderen Pflanzenschutzmittel um 75 Prozent“ wurde in der hier in Bezug genommenen Pressekonferenz vom 4. September 2019 nicht angekündigt. Die im Rahmen des Aktionsprogramms Insektenschutz vorgesehenen Maßnahmen zur Minderung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln finden sich in dessen Abschnitt B., Kapitel 4, beschrieben. 7. Wie definiert die Bundesregierung „artenreiches Grünland“ und „Streuobstwiesen “ vor dem Hintergrund, dass diese durch das Aktionsprogramm Insektenschutz als Biotope unter gesetzlichen Schutz gestellt werden sollen (vgl. www.bmu.de/pressemitteilung/schulze-wir-koennen-das-insekten sterben-stoppen/)? Durch die geplante Aufnahme in die Liste des § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes sollen Streuobstwiesen und artenreiches Grünland vor Zerstörung und erheblichen Beeinträchtigungen geschützt werden. Bereits jetzt haben verschiedene Bundesländer artenreiches Grünland und die Hälfte der Bundesländer (zuletzt Bayern) Streuobstwiesen in den gesetzlichen Schutz aufgenommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15899 Die Einzelheiten der im Bundesnaturschutzgesetz zu treffenden Regelung werden im Rahmen des anstehenden Gesetzgebungsverfahrens zu erörtern sein. 8. Wie viele Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche werden nach Kenntnis der Bundesregierung vom geplanten Mindestabstand zu Gewässern bei der Anwendung von Pflanzenschutzmittel betroffen sein (vgl. www.bmu.de/pr essemitteilung/schulze-wir-koennen-das-insektensterben-stoppen/)? Der Umfang der (zusätzlich) betroffenen landwirtschaftlichen Flächen lässt sich derzeit nicht angeben. Bereits nach geltendem Recht gibt es im Pflanzenschutzrecht Anwendungsverbote im Randbereich von Gewässern und Regelungen zu Gewässerrandstreifen nach Landeswasserrecht. Zu berücksichtigen ist ferner, dass kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung von der im Aktionsprogramm Insektenschutz beschriebenen Maßnahme ausgenommen bleiben und die Länder in gewässerreichen Niederungsgebieten abweichende Abstandsregelungen vorsehen können. 9. Welche für den ökologischen Landbau zugelassenen Pflanzenschutzmittel werden aus Sicht der Bundesregierung vom geplanten Mindestabstand zu Gewässern bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln betroffen sein, oder wird es Ausnahmeregelungen für den ökologischen Landbau geben? Grundsätzlich werden durch das Aktionsprogramm Insektenschutz auch Pflanzenschutzmittel für den ökologischen Landbau erfasst. Ausnahmeregelungen für den ökologischen Landbau sind gegenwärtig nicht geplant. 10. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert der geplante Mindestabstand zu Gewässern bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht Braunschweig am 4. September 2019 festgestellt hatte, dass die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 den Vorbehalt enthält, dass bei der Pflanzenschutzmittelzulassung nur dann unannehmbare Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem von den nationalen Behörden zu prüfen sind, wenn die europäische Gesundheitsbehörde (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit – EFSA) hierzu anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung festgelegt hat (vgl. www.verwaltungsgericht-brau n-schweig.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/zulass ung-von-pflanzenschutzmitteln-im-zonalen-zulassungsverfahren-vom-u mweltbundesamt-geforderte-biodiversitatsanwendungsbestimmungen-ni cht-mi-geltendem-recht-vereinbar-180406.html)? Die Bundesregierung prüft derzeit, an welcher Stelle die Regelung erfolgen soll. Aufgrund ihres abstrakt-generellen Charakters kommt für eine entsprechende rechtliche Verankerung grundsätzlich die Verordnungs- oder Gesetzesebene in Frage. 11. Wie viele zusätzliche Fördermittel (in Euro) pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche werden nach Kenntnis der Bundesregierung pro Jahr für den Insektenschutz zur Verfügung stehen? Teil des Aktionsprogramms Insektenschutz ist ein neuer Sonderrahmenplan Insektenschutz im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK), für den im Haushalt 2020 50 Mio. Euro Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden. Davon werden 25 Mio. Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt und 25 Mio. Euro innerhalb der GAK umge- Drucksache 19/15899 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode schichtet. Die Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe obliegt den Ländern, die dem Bund über die Durchführung berichten. Zusammen mit den Kofinanzierungsmitteln der Länder stehen damit rund 83 Millionen Euro insgesamt zur Verfügung. Da der Sonderrahmenplan Insektenschutz erstmals im Jahr 2020 durchgeführt wird, können derzeit keine Aussagen zu geförderten Flächen gemacht werden. 12. In welchen Schutzgebieten plant die Bundesregierung ein Verbot des Einsatzes von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden, und wie viel Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche entspricht dies (vgl. www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Artenschutz/mass nahmen_insektenschutz_bf.pdf)? Der vorliegende Kabinettbeschluss sieht vor, Herbizide und biodiversitätsschädigende Insektizide, in Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten , Naturdenkmälern, gesetzlich geschützten Biotopen und in Fauna- Flora-Habitat-Gebieten zu verbieten. Außerdem gilt das Verbot in Vogelschutzgebieten mit Bedeutung für den Insektenschutz, die von den Ländern in eigener Zuständigkeit bestimmt werden. Der Umfang der betroffenen landwirtschaftlichen Flächen lässt sich derzeit noch nicht bemessen, da dieser insbesondere auch davon abhängen wird, inwieweit die Länder Beschränkungen für Vogelschutzgebiete erlassen werden. 13. Welche gesetzgeberischen Maßnahmen sind vonseiten der Bundesregierung geplant, um die Maßnahmen des Aktionsprogramms Insektenschutz umzusetzen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Aktionsprogramm Insektenschutz laut eigener Aussage „keine eigenständige Gesetzesinitiative zum Insektenschutz darstellt“ (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Entwurf zur Gesetzesinitiative Insektenschutz “ – Bundestagsdrucksache 19/10769)? Die wesentlichen Informationen hierzu sind im Aktionsprogramm Insektenschutz (www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/aktionspro gramm_insektenschutz_kabinettversion_bf.pdf) auf S. 23, oberhalb des Maßnahmenpunkts 2.3 zusammengefasst. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15899 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333