Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulrich Oehme, Markus Frohnmaier, Dietmar Friedhoff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/15501 – Klimanotstand V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im „Special Report Global Warming of 1.5°C“ des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) vom 5. Oktober 2018 wurde gefordert, die Erreichung der im Pariser Abkommen festgelegten Klimaziele zu beschleunigen und die Anstrengungen zur Erreichung der Ziele zu erhöhen (www.ipcc.ch/sit e/assets/uploads/sites/2/2019/05/SR15_SPM_version_report_LR.pdf). An dem Bericht arbeiteten insgesamt 91 Autoren aus 39 Staaten, welche von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vorgeschlagen und ausgewählt wurden. Deutschland entsandte dabei mit sechs Autoren nach den USA die meisten davon (www.ipcc.ch/sr15/authors/). Der Report sowie die unter der Bezeichnung „Fridays for Future“ bekannt gewordenen Protestaktionen generierten weltweit eine Welle von Aktionen und Forderungen zur Umsetzung der Zielvorgaben und zu einem Ende des sogenannten menschengemachten Klimawandels (https://fridaysforfuture.org/a bout). Aus Sicht der Fragesteller werden die Protestaktionen von „Fridays for Future“ unter Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gezielt zur Durchsetzung von politischen Forderungen verschiedener NGOs, wie beispielsweise „Plant-for-the-Planet Foundation“, genutzt (www.tichyseinblick.de/meinun gen/bestaetigt-fridays-for-future-finanziell-fremdgesteuert/). Dazu gehören auch die Forderungen von „Fridays For Future“ nach Ausrufung des Klimanotstandes in mehreren Städten (www.fr.de/frankfurt/fri days-future-jugendbewegung-fordert-klimanotstand-frankfurt-zr-12529195 .html; www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Fridays-for-Future-Stadt-Leipzig-soll-den -Klimanotstand-ausrufen). Der Begriff „Klimanotstand“ (Climate Emergency) wurde erstmals im August 2017 in Australien in der Stadt Darebin unter dem Maßnahmenpaket „Darebin Climate Emergency Plan“ verwendet (www.darebin.vic.gov.au/en/Your-Coun cil/How-council-works/Meeting-Agendas-and-Minutes/Council-Meetings). Nach der Veröffentlichung des „Climate Emergency Plan“ im Dezember 2018 durch den Club of Rome (www.clubofrome.org/2018/12/03/the-club-of-romelaunches -the-first-climate-emergency-plan/) fand der Begriff weitreichend Verbreitung. Nach einer auf Europa beschränkten Hitzewelle im Sommer 2018 Deutscher Bundestag Drucksache 19/15963 19. Wahlperiode 13.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 11. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. kam es zu einer Welle von Ausrufungen des „Klimanotstandes“ vor allem auf kommunaler Ebene (www.theclimatemobilization.org/world-map). Auch europäische Parlamente, u. a. in Frankreich (www.faz.net/aktuell/politik/aus land/hitzewelle-frankreichs-parlament-erklaert-klima-notstand-16257579 .html), Großbritannien (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klimanotstand-ausgeru fen-so-soll-grossbritannien-klimaneutral-werden-16167376.html), Irland (www.theguardian.com/environment/2019/may/10/irish-parliament-declares-c limate-emergency) schlossen sich dieser Welle an, ebenso deutsche Gemeinden und Kommunen (www.zeit.de/politik/deutschland/2019-08/klimanots tandsbilanz-konstanz-massnahmen-kiel-koeln). Das Umweltbundesamt schreibt dazu: „Hinter dem Klimanotstand verbirgt sich ein Beschluss von Parlamenten oder Verwaltungen. Der Beschluss zeigt auf, dass das beschließende Gremium erkannt hat: unsere bisher ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung des rasch voranschreitenden Klimawandels und der daraus resultierenden Risiken reichen nicht aus. Das beschließende Gremium beauftragt somit Regierung und Verwaltungen zusätzliche, wirksame Maßnahmen auszuarbeiten. Das umfasst Maßnahmen sowohl zur Minderung von Treibhausgasemissionen als auch zur Anpassung an den Klimawandel. Damit erkennen Beschlüsse zum Klimanotstand den dringenden politischen und praktischen Handlungsbedarf an, der aus zunehmenden Risiken durch den Klimawandel resultiert. Durch die Verwendung des Begriffs „Notstand“ wird diesen Maßnahmen höchste, nicht aufschiebbare Priorität zugeschrieben.“ (www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/an passung-an-den-klimawandel/anpassung-auf-kommunaler-ebene/deutsche-ko mmunen-rufen-den-klimanotstand-aus#textpart-1). Rita Schwarzelühr-Sutter, Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, unterstreicht den Zusammenhang zwischen kommunalem, nationalem und globalem Klimaschutz: „Städte und Kommunen haben im Kampf gegen den Klimawandel eine zentrale Rolle und gleichzeitig bislang ungenutzte Potentiale beim Klimaschutz. Mit besseren Rahmenbedingungen sowie den nötigen Kapazitäten und Ressourcen können Regionen, Städte und Kommunen einen noch größeren Beitrag zu den international verbindlichen Klimazielen leisten und sich an den unvermeidlichen Klimawandel anpassen.“ Und weiter: „Die ausgerufenen Klimanotstände in Konstanz und Heidelberg sind ein Hilferuf für mehr Engagement im Klimaschutz , um das 1.5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu schaffen.“ (www.bmu.de/pressemitteilung/bmu-unterstuetzt-kommunen-in-baden-wuertt emberg-beim-klimaschutz/). Die Fragesteller betrachten die sogenannten Klimamaßnahmen kritisch, da mit den Worten des Klimaforschers und Meteorologen Hans von Storch „in der Klimapolitik selbst […] immer wieder gefordert [wird], diese oder jene Maßnahme zu ergreifen […] die zwar nichts Wesentliches zu einer Lösung des [Problems] beitragen würde, dafür aber Interessen bedient, die früher mit ganz anderen Begründungen verfolgt wurden“ (www.hvonstorch.de/klima/pdf/1908 01.cicero.final.pdf). Deshalb sehen die Fragesteller hinsichtlich des Begriffs „Notstand“ Klärungsbedarf, da „[…] in der Öffentlichkeit eine erhebliche Verwirrung zum Themenkomplex Klima, Klimawandel und Klimapolitik [herrscht]“ (www.hvonstorch.de/klima/pdf/190801.cicero.final.pdf) und vertreten die Auffassung, dass die Bürger durch die Verwendung des Begriffes „Notstand“ noch weiter verwirrt werden könnten. Nicht zuletzt aus dem Grunde, dass im Grundgesetz (GG) ebenfalls von „Notständen“ und deren rechtlichen Konsequenzen die Rede ist, so im Falle des „äußeren Notstandes“/ Verteidigungsfalles (Artikel 115 GG), des „Inneren Notstandes“ (Artikel 91 GG) oder des Katastrophenfalls (Artikel 35 GG). Darüber hinaus nimmt das Thema „Klima“ einen besonderen Stellenwert in der Entwicklungszusammenarbeit mit Partnerländern ein (www.bmz.de/de/me diathek/publikationen/reihen/infobroschueren_flyer/flyer/Booklet_klima.pdf). Eine Ausrufung von „Klimanotständen“ in Deutschland kann somit nach Einschätzung der Fragesteller auch Folgen auf diese Partner haben, zumal der Klimaschutz seitens der Bundesregierung, insbesondere des Bundesministers Drucksache 19/15963 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller, als „die Überlebensfrage der Menschheit“ betitelt wird (www.maz-online.de/Nac hrichten/Politik/Gerd-Mueller-Klimaschutz-ist-die-Ueberlebensfrage-der-Men schheit). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung distanziert sich von den in der Vorbemerkung der Fragesteller getätigten Aussagen, in denen unter anderem eine Instrumentalisierung von Kindern und Jugendlichen durch NGOs nahegelegt wird. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Protestbewegungen nutzen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit , um auf die Relevanz des anthropogenen Klimawandels hinzuweisen. Der Begriff „Klimanotstand“ dient vor allem der weiteren symbolischen Bekräftigung und ist aus diesem Grund nicht mit im Grundgesetz verankerten Notstands-Begriffen in Verbindung zu bringen. Die Bundesregierung steht in keinem Zusammenhang mit der Ausrufung von „Klimanotständen“, außerdem liegt keine Bewertung des sogenannten „Klimanotstandes“ seitens der Bundesregierung vor. 1. Wie bewertet die Bundesregierung die derzeitige Welle der Ausrufung von Klimanotständen auf internationaler, EU-, regionaler und kommunaler Ebene? Hierzu gibt es keine Beschlüsse oder Stellungnahmen der Bundesregierung. 2. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die treibenden Kräfte bzw. Initiatoren der Ausrufungen von Klimanotständen (bitte ausführen)? Es ist der Bundesregierung bekannt, dass Initiatoren unter anderem Mitglieder der „Fridays-for-Future“-Bewegung sind. Ob und über welche Initiativen eine Unterstützung oder Initiierung eines „Klimanotstandes“ stattfindet, ist jedoch von den Gremien der jeweiligen Städte, Kommunen oder Regionen abhängig und der Bundesregierung nicht im Einzelnen bekannt. 3. Besteht eine Art und Weise der Zusammenarbeit mit der „Plant-for-the- Planet-Foundation“ und der Bundesregierung (bitte ausführen)? Die offizielle Zusammenarbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit Plant for the Planet beschränkt sich auf die Förderung der „Forschungsgruppe für die entwicklungspolitische Bedeutung von Aufforstungsprojekten“ (2017–2019, Förderbetrag BMZ: 1.161.000 Euro) mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Das Thema der Forschungsarbeit lautet „Analyse der Bedeutung von Aufforstungsmaßnahmen und nachhaltiger Waldwirtschaft für globale Klimagerechtigkeit “. Darüber hinaus haben Vertreterinnen und Vertreter von Plant for the Planet wiederholt an BMZ Veranstaltungen teilgenommen und Felix Finkbeiner als Privatperson ist SDG Botschafter (SDG 15) für das BMZ. Plant for the Planet ist außerdem einer von derzeit 450 Unterstützerinnen und Unterstützer der von BMZ mitgegründeten Initiative Allianz für Entwicklung und Klima und Technischer Partner der AFR100-Initiative zur Wiederherstellung von 100 Mio. Hektar Wald und baumreichen Landschaften. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15963 4. Besteht eine Art und Weise der Zusammenarbeit mit der Bewegung „Fridays for Future“ und der Bundesregierung (bitte ausführen)? Der Einsatz für den Klimaschutz durch Bürgerinnen und Bürgern wird im Allgemeinen begrüßt, die Bundesregierung unterstützt die Arbeit von Kinder- und Jugendverbänden auf Bundesebene. Die Bewegung „Fridays for Future“ stellt allerdings ein loses Netzwerk von Gruppierungen und keinen Verein dar, eine Zusammenarbeit dieser Bewegung mit der Bundesregierung besteht nicht. 5. Wie gestaltet sich die Arbeit der Bundesregierung mit Akteuren bzw. Partnern auf den verschiedenen Ebenen, welche bereits „Klimanotstände“ ausgerufen haben, nämlich a) auf internationaler Ebene, b) auf EU-Ebene, c) auf regionaler Ebene, d) auf kommunaler Ebene? Nach hiesiger Kenntnis stellt die Ausrufung eines „Klimanotstandes“ eine Selbstverpflichtung des ausrufenden Gremiums dar. Eine Einhaltung dieser Selbstverpflichtung erfolgt auf der jeweiligen Ebene. Eine etwaige Zusammenarbeit mit der Bundesregierung mit einer Kommune, Stadt, Region oder Land erfolgt unabhängig von deren Ausrufung eines „Klimanotstandes“. Auf kommunaler und regionaler Ebene kann eine Förderung von Klimaschutzprojekten beispielsweise durch die Nationale Klimaschutzinitiative erfolgen. Dabei werden Verbraucherinnen und Verbraucher, Unternehmen, Kommunen oder Bildungseinrichtungen bei der Umsetzung von Strategien oder konkreten Maßnahmen im Bereich Klimaschutz unterstützt. 6. Welche ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen hat nach Auffassung der Bundesregierung die Ausrufung von sogenannten Klimanotständen auf die im Folgenden genannten Ebenen, ausgehend von den „Regionen, Städte(n) und Kommunen [, die] einen noch größeren Beitrag zu den international verbindlichen Klimazielen leisten“ können (www.bm u.de/pressemitteilung/bmu-unterstuetzt-kommunen-in-baden-wuerttem berg-beim-klimaschutz/) und zu denen insbesondere auch Konstanz und Heidelberg zählen (vgl. die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Rita Schwarzelühr-Sutter: „die ausgerufenen Klimanotstände in Konstanz und Heidelberg [sind] […] ein Hilferuf für mehr Engagement im Klimaschutz, um das 1.5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu schaffen“, ebd.) a) auf die internationale Ebene (vgl. Aussage der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Svenja Schulze, dass „die Weltgemeinschaft deutlich beim Klimaschutz nachlegen“ muss (www.bmu.de/pressemitteilung/ipcc-bericht-belegt-dramatische-auswi rkungen-des-klimawandels-auf-weltmeere-und-eisgebiete/), b) auf die EU-Ebene (vgl. Aussage der Bundesumweltministerin Svenja Schulze, dass „die Weltgemeinschaft deutlich beim Klimaschutz nachlegen “ muss (www.bmu.de/pressemitteilung/ipcc-bericht-belegt-dram atische-auswirkungen-des-klimawandels-auf-weltmeere-und-eisgebi ete/, wie auch www.bmu.de/pressemitteilung/bmu-unterstuetzt-komm unen-in-baden-wuerttemberg-beim-klimaschutz/), c) auf die regionale Ebene (vgl. Aussage der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Rita Schwarzelühr-Sutter: „die ausgerufenen Klimanotstände in Konstanz und Heidelberg [sind] Drucksache 19/15963 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode […] ein Hilferuf für mehr Engagement im Klimaschutz, um das 1.5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu schaffen“), d) auf die kommunale Ebene (vgl. Aussage der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Rita Schwarzelühr-Sutter: „die ausgerufenen Klimanotstände in Konstanz und Heidelberg [sind] […] ein Hilferuf für mehr Engagement im Klimaschutz, um das 1.5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu schaffen“, www.bmu.de/pr essemitteilung/bmu-unterstuetzt-kommunen-in-baden-wuerttemberg-b eim-klimaschutz/) (bitte jeweils begründen)? Die Fragen 6a bis 6d werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung sind Folgenabschätzungen von sogenannten Klimanotständen nicht bekannt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Initiatoren eines „Klimanotstandes“ beabsichtigen, die Klimaschutzanstrengungen zu verstärken . Das von der Bundesregierung kürzlich beschlossene Klimaschutzprogramm 2030 ist ein Beispiel für die in der Pressemitteilung der Parlamentarischen Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter erwähnten Rahmenbedingungen, welche es Städten und Kommunen ermöglichen, bislang ungenutzte Potenziale im Bereich Klimaschutz zu nutzen. 7. Wird es nach Einschätzung der Bundesregierung im In- und Ausland zu weiteren Ausrufungen von „Klimanotständen“ kommen (vgl. die in Frage 7 zitierten Aussagen der Bundesumweltministerin Svenja Schulze sowie der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Rita Schwarzelühr-Sutter, www.bmu.de/pressemitteilung/ipcc-berichtbelegt -dramatische-auswirkungen-des-klimawandels-auf-weltmeere-und-e isgebiete/, www.bmu.de/pressemitteilung/bmu-unterstuetzt-kommunen-inbaden -wuerttemberg-beim-klimaschutz/, bitte benennen und begründen)? Die Bundesregierung unterstützt Initiativen für umfassenden und ambitionierten Klimaschutz, unabhängig von der Ausrufung des Klimanotstandes. Die aktuell breite gesellschaftliche Bewegung unterstreichen die Relevanz des Themas Klimaschutz. Ziel ist die Begrenzung der globalen Erwärmung der Erdatmosphäre auf deutlich unter 2°C und möglichst auf 1,5°C, wie im Pariser Übereinkommen beschlossen. 8. Wie gedenkt die Bundesregierung zu agieren, sollten sich noch weitere (EU-)Staaten der Ausrufung von Klimanotständen anschließen? Mit einer etwaigen weiteren Ausrufung von Klimanotständen durch EU-Staaten wird die Bundesregierung sich zu gegebener Zeit befassen. 9. Wie bewertet die Bundesregierung die begriffliche Nähe von Klimanotstand zu anderen im Grundgesetz (GG) beschriebenen Notständen? a) Entspricht nach Kenntnis der Bundesregierung der Begriff „Klimanotstand “ einem im GG erfassten Notstand-Begriff oder Äquivalent, und wenn nicht, wird dies künftig der Fall sein (bitte begründen)? Die Fragen 9 und 9a werden gemeinsam beantwortet. Soweit der Bundesregierung bekannt ist, wird der Begriff „Klimanotstand“ im Wesentlichen in politischen Zusammenhängen gebraucht. Der in verschiedenen Normen des Grundgesetzes genutzte Begriff Notstand ist hingegen verfas- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15963 sungsrechtlich definiert und juristischer Natur. Die Begriffe sind nicht vergleichbar . b) Welche ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen hätte dies, sollte ein Klimanotstand für die Bundesrepublik Deutschland ausgerufen werden (bitte begründen)? Da „Klimanotstand“ kein eindeutig definierter Begriff ist, ist eine solche Folgenabschätzung nicht möglich. 10. Inwiefern decken sich nach Kenntnis der Bundesregierung Ziele bzw. geforderte Maßnahmen zu Klimanotständen mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung (bitte u. a. nach Indikatoren aufschlüsseln sowie begründen)? Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie legt Ziele für alle 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen fest und unterlegt diese mit Indikatoren zur Überprüfung der Zielerreichung. Für das SDG 13 „Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen“ wurden zwei Indikatoren festgelegt, u. a. mit Indikator 13.1.a die Minderung der Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2020. Darüber hinaus gibt es in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zahlreiche Ziele und Indikatoren zu anderen SDGs, die direkt oder indirekt zur Milderung und Vermeidung des Klimawandels beitragen können und umgekehrt durch den Klimawandel negativ betroffen sind. Nach derzeitigem Stand und bei gleichbleibender Entwicklung würden zahlreiche dieser Ziele ebenfalls verfehlt werden, so dass zur Zielerreichung eine entschlossenere Umsetzung bzw. zusätzliche Maßnahmen zum Klimaschutz notwendig sind. Inwiefern die in Deutschland ausgerufenen Klimanotstände sich im Einzelnen darauf berufen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 11. Inwiefern decken sich nach Kenntnis der Bundesregierung Ziele bzw. geforderte Maßnahmen zu Klimanotständen mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (bitte u. a. nach Zielen und Unterzielen aufschlüsseln sowie begründen)? Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 sind gemäß der Präambel der Agenda 2030 „integriert und unteilbar und tragen in ausgewogener Weise den drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung Rechnung: der wirtschaftlichen, der sozialen und der ökologischen Dimension.“ Die Bundesregierung setzt die Agenda 2030 vor diesem Hintergrund in integrierter Form um – sowohl national als auch international. SDG 13 „Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen“ ist somit integraler Bestandteil der Agenda 2030 und für die Erreichung der Agenda in ihrer Gesamtheit essentiell. Dabei werden nach jetzigem Stand die international vereinbarten Ziele zur Reduktion der THG-Emissionen und zur Stabilisierung der THG-Konzentrationen und der Klimaerwärmung unter 2 bzw. unter 1,5 Grad nicht erreicht. Vom Klimawandel und der Nichterreichung weiterer Ziele für nachhaltige Entwicklung sind arme und vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders betroffen. Die Agenda 2030 sieht mit ihrem Umsetzungsprinzip „Leave no one behind“ (LNOB) vor, insbesondere diese Zielgruppe in den Blick zu nehmen. Drucksache 19/15963 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Inwiefern gedenkt die Bundesregierung, den Klimanotstand entwicklungspolitisch abzubilden, bzw. inwieweit hat sie das schon getan (bitte nach Projekten, Haushaltstiteln, Bundesministerien aufschlüsseln sowie begründen)? Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sind wichtige Ziele der deutschen Entwicklungspolitik. Das BMZ erbringt zwischen 80 und 90 Prozent der internationalen Klimafinanzierung Deutschlands pro Jahr, die im Jahr 2018 insgesamt 3,37 Mrd. Euro auf der Basis von Haushaltsmitteln betrug. Im Klimabereich bildet dabei die Umsetzung des Pariser Abkommen von 2015 in den Feldern Klimaschutz, Anpassung und Konsistenz der internationalen Finanzströme mit den Zielen von Paris zusammen mit der Agenda 2030 insgesamt den Rahmen. Über die Allianz für Entwicklung und Klima fördert das BMZ darüber hinaus Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung durch freiwillige Kompensation . Durch die Finanzierung von konkreten Maßnahmen für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel in Partnerländern sowie durch globale Partnerschaften und Initiativen leistet Deutschland auch jenseits des Klimaschutzes in Deutschland und EU einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des Pariser Abkommens (siehe hierzu auch die Beiträge der einzelnen Ressorts: www.bmz.de/ de/themen/klimaschutz/hintergrund/index.html). Auch international ist ein Zusammenhang zwischen Klimazusammenarbeit der Bundesregierung und etwaigen Klimanotständen nicht herstellbar. 13. Sieht die Bundesregierung ein mögliches Problem in der Ausrufung eines Klimanotstandes hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung von Staaten, insbesondere bei der Bekämpfung von extremer Armut (bitte begründen )? Die Folgen des Klimawandels zeigen sich zuerst und am stärksten in Entwicklungsländern . Die Bundesregierung versteht daher Klimaschutz und die Anpassung an die bereits sichtbaren Folgen des Klimawandels als zentrales Element für die Bekämpfung von Armut und als Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Nur wenn Entwicklungspfade im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen, können sie dauerhaft zu Armutsreduzierung und Klimaresilienz führen. 14. Bedingt nach Meinung der Bundesregierung ein Klimanotstand, gleich welcher Ebene, eine Einschränkung der grundgesetzlichen Rechte der Bürger in Deutschland (bitte begründen)? Wie in der Antwort zu Frage 9a bereits ausgeführt wurde, ist der Begriff „Klimanotstand“ nicht verfassungsrechtlich festgelegt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/15963 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333