Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15578 – Situation der Blutplasmaspende V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Aus menschlichem Blutplasma hergestellte Medikamente können für Patienten mit Erkrankungen wie primärem Immundefekt (PID), chronisch inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie (CIDP), hereditärem Angioödem , Alpha-1-Antitrypsin-Mangel oder Hämophilie lebensrettend sein. Das nach Ansicht der Fragesteller dafür unabdingbare, weltweit durch Spenden gewonnene und nach aktuellem Wissensstand durch nichts zu ersetzende Plasma stammt gegenwärtig zu 68 Prozent aus den USA. Während nach offiziellen Angaben der Plasma Protein Therapeutics Association im Jahr 2018 in Deutschland rund 3,2 Millionen Liter gespendet wurden, waren es in den USA rund 41 Millionen Liter, von denen allein rund 6 Millionen Liter nach Deutschland exportiert wurden. Gleichzeitig zeichnet sich ein Rückgang der Spenden in Deutschland ab. Daraus ergibt sich die Situation, dass mit Blick auf die Versorgungssicherheit gegenwärtig eine deutliche Abhängigkeit Deutschlands von US-amerikanischen Spendern besteht. Laut aktueller Medienberichterstattung der ARD vom 5. Oktober 2019 (www.tagesschau.de/investigativ/ndr/blutplasma-101 .html) sowie 29. Oktober 2019 (www.tagesschau.de/investigativ/ndr/blutplas ma-145.html) findet die Gewinnung des aus den USA nach Deutschland exportierten Plasmas zudem teils unter fragwürdigen Bedingungen und mit niedrigeren Qualitätsstandards statt. Darin sieht gemäß Berichterstattung auch die Europäischen Union mittlerweile ein großes Problem. Deutscher Bundestag Drucksache 19/15971 19. Wahlperiode 13.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 12. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die aus humanem Plasma gewonnenen Arzneimittel wie Immunglobuline, Gerinnungsfaktorenkonzentrate und andere Proteinzubereitungen sind aus Sicht der Bundesregierung in der für sie vorgesehenen Therapie und klinischem Einsatz von hohem Wert. Je nach Indikation und Seltenheit der Erkrankungen stehen für die betreffenden Plasmaprodukte analoge, rekombinante und alternative Arzneimittel und Therapien zur Verfügung. Grundsätzlich werden in Deutschland nur solche Arzneimittel in den Verkehr gebracht, deren Ausgangsmaterial „Plasma zur Fraktionierung“ den hohen europäischen Qualitätsanforderungen entspricht. Hierfür sorgen gesetzliche und regulatorische Regelwerke, welche Standards und Kontrollmaßnahmen auch für in Drittländern wie den USA gewonnenes Plasma vorgeben. Hierzu gehören z. B. die Festlegung zur Spenderauswahl und -testung sowie die regelmäßigen Inspektionen von Spendezentren zur Überprüfung der in Europa vorgegebenen Qualitätsanforderungen. Das bedeutet , unabhängig von seiner geografischen Herkunft kann nur solches Plasma zur Herstellung der in Deutschland in den Verkehr gebrachten Blutprodukte verwendet werden, welches allen in Europa festgelegten Qualitätsstandards entspricht . Die in der ARD-Medienberichterstattung vom Oktober 2019 gegebene Einschätzung zur Spendesituation im Grenzbereich zwischen USA und Mexiko wird basierend auf den Inspektionserfahrungen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) nicht geteilt. Nach den Meldungen gemäß § 21 des Transfusionsgesetzes (TFG) zum Spendeaufkommen für in Deutschland gewonnenes Plasma zur Fraktionierung sowie für die importierten und exportierten Plasmavolumina sind die Mengen von in Deutschland gewonnenem (gespendetem) Plasma zur Fraktionierung mit ca. 3 Millionen Litern genauso wie die Mengen an in Deutschland fraktioniertem Plasma mit ca. 2 Millionen Litern in den letzten Jahren weitgehend konstant geblieben. Im Zeitraum von 2009 bis 2018 gab es jedes Jahr einen Überschuss von ca. 500 000 bis 1 Million Litern Plasma zur Fraktionierung, der nicht in Deutschland verarbeitet wurde. Ein Großteil der Spenden von Plasma zur Fraktionierung aus den USA ist für Nicht-EWR-Länder inklusive der USA selbst bestimmt. So wurden z. B. im Jahr 2018 gut 6 Millionen Liter Plasma zur Fraktionierung aus Nicht-EWR-Ländern importiert, aber auch gut 5 Millionen Liter in Nicht-EWR-Länder exportiert. Generell wäre Deutschland in der Lage, den eigenen Plasmabedarf weitgehend mit eigenen Plasmaspenden zu decken. Im Rahmen des freien Warenverkehrs in der EU steht es den global agierenden und produzierenden Herstellern von Blutprodukten jedoch frei, ihre Ausgangsmaterialien wie das Plasma zur Fraktionierung in Drittstaaten zu beziehen, zu exportieren sowie ihre Produkte auch in Deutschland und der EU auf den Markt zu bringen, wenn die regulatorischen Voraussetzungen erfüllt sind. 1. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung auf Blutplasma basierenden Medikamenten in der Patientenversorgung bei? Die aus Plasma gewonnenen Arzneimittel sind von hoher Qualität und Sicherheit und werden in den unterschiedlichen Indikationen angewendet, u. a. auch bei seltenen Erkrankungen. Für viele Anwendungsbereiche sind bereits alternative Therapien oder entsprechende rekombinant hergestellte Arzneimittel verfügbar . Drucksache 19/15971 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Wie schätzt die Bundesregierung die zukünftige Entwicklung des Bedarfs an Spenderplasma ein? Das in Deutschland aufgebrachte (gespendete) Volumen an Fraktionierungsplasma , gewonnen aus Vollblut- und Apheresespenden, liegt in den letzten zehn Jahren konstant bei ca. 3 Millionen Litern pro Jahr (Grafik 1*). Nach Aussagen des PEI wurden bezogen auf 1000 Einwohner in Deutschland in den letzten zehn Jahren zwischen 35 und 40 Liter Plasma zur Fraktionierung gewonnen – ein ebenfalls gleichbleibender Wert. Darüber hinaus übersteigt nach Angaben des PEI die in Deutschland gesammelte Menge an Plasma zur Fraktionierung (Grafik 1) die in Deutschland fraktionierte Menge an Plasma (Grafik 2*) seit vielen Jahren gleichbleibend um 500.000 bis 1 Million Liter (Meldungen gemäß § 21 TFG). Anhand dieser Daten lässt sich ein zukünftiger Mehrbedarf nicht ableiten. Grafik 1: In Deutschland aufgebrachtes Plasma zur Fraktionierung in Liter. Entwicklung des Anteils aus Vollblut- und Apheresespenden (Daten basierend auf Meldungen gemäß § 21 TFG). Grafik 2: In Deutschland verfügbares (inkl. Export und Import) bzw. fraktioniertes Plasma zur Fraktionierung in Liter (Daten basierend auf Meldungen gemäß § 21 TFG). * Die farbige Darstellung der Grafik ist auf Bundestagsdrucksache 19/15971 auf der Internetseite des Deutschen Bundestages abrufbar. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/15971 3. Worin bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung die Ursachen für eine sich abzeichnende sinkende Spendebereitschaft in Deutschland? Das PEI erfasst die verpflichtenden Meldedaten nach § 21 Absatz 2 TFG über die Gewinnung von Blut und Blutkomponenten sowie über die Herstellung und den Verbrauch von Blutprodukten. Demnach lässt sich ein Rückgang der Spendebereitschaft für Plasma zur Fraktionierung, wie in Grafik 3* dargestellt, nicht ableiten. Zwar ging die Zahl der Vollblutspenden zwischen 2011 und 2016 in Folge des sinkenden Bedarfes an Erythrozytenkonzentraten zurück, sie verbleibt aber seitdem konstant bei 4 Millionen Spenden. Die Zahl der Plasmapheresespenden dagegen stieg bis zum Jahr 2008 stark, danach bis 2014 moderat an und bewegt sich seitdem relativ gleichbleibend bei ca. 2,55 Millionen Spenden pro Jahr. Grafik 3: Spenden pro Jahr (Daten basierend auf Meldungen gemäß § 21 TFG). 4. Welche Auswirkungen hat die Abhängigkeit vom Import von Blutplasma aus den USA auf die Versorgungssicherheit in Deutschland aus Sicht der Bundesregierung? Eine Abhängigkeit der Versorgung Deutschlands vom Import von Blutplasma aus den USA zur Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland lässt sich aufgrund der dem PEI vorliegenden Daten nicht bestätigen. Die Import- und Exportzahlen spiegeln die Handelstätigkeit der global agierenden deutschen plasmaverarbeitenden Industrie wider. * Die farbige Darstellung der Grafik ist auf Bundestagsdrucksache 19/15971 auf der Internetseite des Deutschen Bundestages abrufbar. Drucksache 19/15971 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Hält die Bundesregierung den Import von Blutplasma aus den USA unter Berücksichtigung der dortigen Bedingungen für Spender für ethisch vertretbar ? Für Blutplasma zur Fraktionierung, das in den USA gewonnen und nach Deutschland importiert wird, sind die entsprechenden EU-Regularien zum Spenderschutz einzuhalten. Alle Spendeeinrichtungen, aus denen Plasma zur Fraktionierung nach Deutschland und die EU importiert wird, werden unabhängig von deren Standort durch die deutschen oder die EU-Behörden nach den gleichen Kriterien inspiziert. Hierzu zählt insbesondere, dass die Vorgaben zur Spenderauswahl, Spendertestung, Plasmapooltestung und Rückverfolgbarkeit eingehalten werden. Etwaige Verstöße der Spendeeinrichtungen gegen Regelungen der dort geltenden Standardverfahrensanweisungen (SOP), die im Rahmen der Spenderauswahl auch eine Spenderuntersuchung beinhalten, wurden bei den bisherigen Inspektionen nicht festgestellt. Die Spendeeinrichtungen werden auch von der US-FDA regelmäßig überwacht. 6. Sieht die Bundesregierung die Gefahr potenzieller zukünftiger Engpässe in der Versorgung mit Spenderplasma? Ein Engpass in der Versorgung mit Plasma zur Herstellung von Blutprodukten zur Behandlung der in Deutschland lebenden Bevölkerung ist aufgrund der dem PEI vorliegenden Daten zu Spendeaufkommen, Import, Export und Fraktionierungsvolumina von Plasma sowie Herstellung und Verbrauch von Plasmaprodukten , zurzeit nicht erkennbar. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 7. Welche Maßnahmen wären aus Sicht der Bundesregierung geeignet, um akute Versorgungsengpässe aufzufangen? Akute Versorgungsengpässe einzelner Blutprodukte aufgrund eines Plasmamangels zeichnen sich aufgrund der vorliegenden Daten nicht ab. 8. Plant die Bundesregierung eine Kampagne zur Aufklärung der Bevölkerung über die Plasmaspende? a) Wenn ja, wann soll diese anlaufen? b) Wenn ja, welche Kosten und Mittel sind dafür eingeplant? Die Fragen 8 bis 8b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) führt zur Blut- und Plasmaspende bereits eine Aufklärungskampagne „Einfach Leben retten! Spende Blut!“ durch. Die Kampagne richtet sich an die Bevölkerung sowie an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und fokussierte sich bislang auf das Thema Blutspende. Primäres Ziel der Kampagne ist es, junge Erwachsene zur erstmaligen sowie in Folge zur regelmäßigen Blutspende zu motivieren. Für die Kampagne stehen der BZgA jährlich Mittel von 300.000 Euro und Personalkapazität (EG 13) zur Verfügung. 2019 wurden zusätzliche Mittel in Höhe von 300.000 Euro bereitgestellt, um die Aufklärungskampagne mit Informationen zur Plasmaspende zu ergänzen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/15971 9. Plant die Bundesregierung eine Anpassung der zulässigen Aufwandsentschädigung für Plasmaspender an die allgemeine Teuerungsrate? Nach § 10 TFG soll sich die Höhe der Aufwandsentschädigung, die einer spendenden Person gewährt werden kann, an dem unmittelbaren Aufwand je nach Spendeart orientieren. Durch die gesetzlichen Regelungen ist eine ausreichende Flexibilität gewährleistet, um den spendenden Personen eine dem Aufwand nach differenzierte, aber auch eine pauschalierte, sachgerechte Aufwandsentschädigung zukommen zu lassen. 10. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie auf EU-Ebene erwirkt werden soll, dass in anderen EU-Mitgliedstaaten zukünftig Aufwandsentschädigungen an Spender gezahlt werden? Wenn ja, wie? Die Regelungen von Aufwandsentschädigungen von Blut- und Plasmaspenden obliegt den EU-Mitgliedstaaten. Nach Kenntnis der Bundesregierung wird die Thematik im Rahmen der von der Europäischen Kommission durchgeführten Evaluation und der geplanten Revision der Blut- und Geweberichtlinien diskutiert . Einzelheiten können aus den Aufzeichnungen zur „Conference on the Evaluation oft he EU legislation on blood, tissues and cells“ vom 28. Oktober 2019 entnommen werden: https://ec.europa.eu/health/blood_tissues_organs/eve nts/ev_20191028_en. 11. Welche Entwicklung des Spendenaufkommens wird nach Kenntnis der Bundesregierung für die EU-Mitgliedstaaten erwartet? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 12. Plant die Bundesregierung weitere konkrete Maßnahmen, um die Spendebereitschaft in Deutschland zu erhöhen, und wenn ja, welche, und zu welchem Zeitpunkt? Über eine Verlängerung der zurzeit durchgeführten Kampagnen zur Aufklärung der Bevölkerung über die Blut- und Plasmaspende wird nach Ablauf und Auswertung der noch andauernden Kampagne entschieden werden. Um jedoch einem zukünftig bestehenden potentiellen Rückgang des Spendeaufkommens, z. B. bedingt durch den demografischen Wandel in Deutschland, begegnen zu können, wird im Arbeitskreis Blut (Sachverständigengremium nach § 24 TFG) über mögliche Maßnahmen und Konzepte zur Spendermotivation beraten. Drucksache 19/15971 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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